Erschlaffung inkomplette Lähmung: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Eine inkomplette Lähmung, auch Parese genannt, beschreibt den teilweisen Verlust der motorischen oder sensorischen Funktionen. Im Gegensatz zur Plegie, der vollständigen Lähmung, bleiben bei einer Parese Restfunktionen erhalten. Die Ursachen für eine inkomplette Lähmung sind vielfältig und reichen von Verletzungen des Rückenmarks bis hin zu Erkrankungen des Nervensystems. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der inkompletten Lähmung, insbesondere im Kontext von Rückenmarksschädigungen.

Ursachen einer inkompletten Lähmung

Inkomplette Lähmungen können verschiedene Ursachen haben, wobei Rückenmarksschädigungen eine wesentliche Rolle spielen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:

  • Traumatische Rückenmarksschädigungen: Verletzungen des Rückenmarks, beispielsweise durch Verkehrsunfälle oder Stürze, sind eine häufige Ursache. Insbesondere Frakturen der Wirbelsäule, vor allem der Halswirbelsäule, können das Rückenmark schädigen. In Deutschland erleiden jährlich etwa 1600 Menschen eine neue Querschnittslähmung, wobei traumatische Ursachen eine bedeutende Rolle spielen.
  • Nicht-traumatische Rückenmarksschädigungen: Neben Verletzungen können auch andere Faktoren zu einer Schädigung des Rückenmarks führen. Dazu gehören Tumoren, Durchblutungsstörungen, Entzündungen des Rückenmarks (z.B. bei Multipler Sklerose oder Kinderlähmung), Bandscheibenvorfälle, Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen.
  • Spinale Kanalstenose: Eine Einengung des Nervenkanals der Wirbelsäule (Spinalkanalstenose) kann ebenfalls zu inkompletten Lähmungen führen.
  • Psychisch bedingte Lähmungen: Obwohl keine Schädigungen an Nerven oder Muskeln vorliegen, können Betroffene ihre Bewegungsfähigkeit ganz oder teilweise verlieren. Diese psychisch bedingten Lähmungen gehen oft mit Koordinationsstörungen einher.

Pathophysiologie der Rückenmarksschädigung

Bei einer Rückenmarksschädigung kommt es zu einer Unterbrechung der Nervenleitbahnen, die für die Übertragung von motorischen und sensorischen Signalen zuständig sind. Je nach Ausmaß der Schädigung können die Nervenleitbahnen teilweise oder vollständig unterbrochen sein. Im Falle einer inkompletten Schädigung bleiben einige Nervenverbindungen erhalten, was zu einer Parese führt. Die Schädigung kann verschiedene Bereiche des Rückenmarks betreffen und unterschiedliche Auswirkungen haben:

  • Direkte Schädigung: Die Verletzung des Rückenmarks kann zu direkten Schäden an den Nervenzellen und ihrenFortsätzen führen. Dies kann durch mechanischeEinwirkung, wie z.B. bei einer Fraktur der Wirbelsäule, geschehen.
  • Sekundäre Schädigung: Nach der primären Schädigung setzen sekundäre Prozesse ein, die zu weiterem Zelluntergang führen können. Dazu gehören Entzündungsreaktionen, Ödembildung und Durchblutungsstörungen.

Die Fähigkeit des Rückenmarks zur Regeneration ist begrenzt. Nervenzellen im zentralen Nervensystem, zu dem das Rückenmark gehört, regenerieren sich nicht von allein nach einer Schädigung.

Formen der inkompletten Lähmung

Die Ausprägung einer inkompletten Lähmung hängt von der Höhe und dem Ausmaß der Rückenmarksschädigung ab. Es werden verschiedene Formen unterschieden:

Lesen Sie auch: Was ist inkomplette Lähmung?

  • Paraparese: Hierbei sind die Beine von einer abgeschwächten Muskelfunktion betroffen, was das Gehen und Stehen beeinträchtigt. Ursächlich sind meist Schädigungen des Rückenmarks im Bereich der unteren Wirbelsäule.
  • Tetraparese: Diese Form entsteht durch Schädigungen des oberen Rückenmarks oder des Gehirns und führt zu einer verminderten Muskelkraft in allen vier Gliedmaßen.
  • Inkomplette Tetraplegie: Bei einer inkompletten Tetraplegie ist das Rückenmark im Halsbereich verletzt, wobei Arme, Beine und der gesamte Rumpf ganz oder teilweise gelähmt sind. Im Gegensatz zur kompletten Tetraplegie sind jedoch noch Restfunktionen vorhanden.
  • Inkomplette Paraplegie: Hierbei ist das Rückenmark in Höhe der Lendenwirbelsäule geschädigt, wodurch beide Beine und Teile des Rumpfes gelähmt sind. Auch hier sind im Gegensatz zur kompletten Paraplegie noch Restfunktionen erhalten.

Symptome und klinische Untersuchung

Die Symptome einer inkompletten Lähmung sind vielfältig und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab. Mögliche Symptome sind:

  • Muskelschwäche: Die betroffenen Muskeln sind schwach und können nur eingeschränkt oder gar nicht bewegt werden.
  • Sensibilitätsstörungen: Es können Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Schmerzen auftreten.
  • Reflexstörungen: Die Reflexe können gesteigert, vermindert oder aufgehoben sein.
  • Spastik: Eine erhöhte Muskelspannung und unwillkürliche Muskelkontraktionen können auftreten.
  • ** vegetative Dysfunktion:** Störungen der Blasen- und Darmfunktion, sexuelle Funktionsstörungen und Kreislaufprobleme können auftreten.

Die klinische Untersuchung ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Dabei werden unter anderem die Muskelkraft, die Sensibilität und die Reflexe überprüft. Spezielle Tests, wie z.B. die Untersuchung der Berührungsempfindung oder der Schmerzempfindung, können weitere Hinweise auf die Lokalisation und das Ausmaß der Schädigung geben.

Bei der Untersuchung der Motorik wird die Muskelkraft gegen Widerstand geprüft. Die Ergebnisse werden in der Regel nach einer Skala von 0 bis 5 dokumentiert, wobei 0 für vollständige Lähmung und 5 für normale Muskelkraft steht.

Diagnose

Die Diagnose einer inkompletten Lähmung basiert auf der Anamnese, der klinischen Untersuchung und bildgebenden Verfahren.

  • Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, insbesondere den Unfallhergang oder mögliche Vorerkrankungen.
  • Klinische Untersuchung: Wie bereits beschrieben, werden bei der klinischen Untersuchung die motorischen, sensorischen und reflektorischen Funktionen überprüft.
  • Bildgebende Verfahren: Um die Ursache und das Ausmaß der Rückenmarksschädigung zu beurteilen, werden bildgebende Verfahren eingesetzt. Dazu gehören die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT). Die MRT ist besonders geeignet, um Weichteilstrukturen wie das Rückenmark und die Bandscheiben darzustellen.

Therapie

Die Therapie einer inkompletten Lähmung zielt darauf ab, dieRestfunktionen zu erhalten und zu verbessern,Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität des Patienten zu erhöhen. Die Behandlung umfasst in der Regel mehrere Bausteine:

Lesen Sie auch: Umfassende Behandlung bei Schlaganfall-Lähmung

  • Akuttherapie: In der Akutphase nach einer Rückenmarksschädigung steht die Stabilisierung des Patienten und die Vermeidung weiterer Schäden im Vordergrund. Bei instabilen Wirbelbrüchen kann eine Operation erforderlich sein, um das Rückenmark zu entlasten und die Wirbelsäule zu stabilisieren. In einigen Fällen wird hochdosiertes Kortison (z.B. Methylprednisolon) eingesetzt, um Schwellungen des Rückenmarks zu reduzieren. Der Nutzen dieser Behandlung ist jedoch nicht vollständig evidenzbasiert.
  • Rehabilitation: Die Rehabilitation spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von inkompletten Lähmungen. Ziel ist es, dieRestfunktionen zu erhalten und zu verbessern,Komplikationen zu vermeiden und die Selbstständigkeit des Patienten zu fördern. Die Rehabilitation umfasst in der Regel Physiotherapie, Ergotherapie,Logopädie und psychologische Betreuung.
  • Physiotherapie: Die Physiotherapie zielt darauf ab, die Muskelkraft, dieKoordination und die Beweglichkeit zu verbessern. Durch gezielte Übungen werden dieRestfunktionen trainiert und dieEntstehung vonSpastiken undKontrakturen vorgebeugt.
  • Ergotherapie: Die Ergotherapie unterstützt den Patienten dabei,Alltagsaktivitäten selbstständig auszuführen. Dazu gehört beispielsweise das Anziehen,Waschen, Essen und Trinken. Je nach Lähmungsausmaß werden Hilfsmittel eingesetzt, um die Selbstständigkeit zu erhöhen.
  • Medikamentöse Therapie: Je nach Symptomatik können verschiedene Medikamente eingesetzt werden. Gegen Spastiken werden beispielsweise Muskelrelaxantien eingesetzt. Bei neuropathischen Schmerzen können Schmerzmittel oderAntidepressiva helfen. BeiBlasenfunktionsstörungen können Medikamente zur Senkung desBlasendrucks oder zur Verbesserung derBlasenentleerung eingesetzt werden.
  • Hilfsmittelversorgung: Die Hilfsmittelversorgung ist ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation. Je nach Lähmungsausmaß können verschiedene Hilfsmittel erforderlich sein, wie z.B. Rollstühle,Gehhilfen,Orthesen, spezielle Sitzkissen und adaptive Geräte für den Haushalt.
  • Psychologische Betreuung: Eine Rückenmarksschädigung stellt für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine große psychische Belastung dar. Eine psychologische Betreuung kann helfen, mit der neuen Situation umzugehen und die seelische Gesundheit zu stabilisieren.

Komplikationen

Inkomplette Lähmungen können verschiedene Komplikationen nach sich ziehen:

  • Druckgeschwüre (Dekubitus): Durch die eingeschränkte Beweglichkeit und Sensibilität kann es zu Druckgeschwüren kommen, insbesondere an Stellen, an denen der Körper stark belastet wird, wie z.B. am Gesäß oder an den Fersen.
  • Spastik: Eine erhöhte Muskelspannung und unwillkürliche Muskelkontraktionen können zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen undKontrakturen führen.
  • Kontrakturen: Durch dieInaktivität der Muskeln können sich diese verkürzen und zu Bewegungseinschränkungen führen.
  • Blasenfunktionsstörungen: EineNeurogene Blasenfunktionsstörung kann zuHarninkontinenz,Harnverhalt undHarnwegsinfekten führen.
  • Darmfunktionsstörungen: EineNeurogene Darmfunktionsstörung kann zuVerstopfung,Stuhlinkontinenz undBlähungen führen.
  • Autonome Dysreflexie: Bei Querschnittlähmungen oberhalb des 6. Brustwirbels kann es zu einer autonomen Dysreflexie kommen, einer potenziell lebensbedrohlichenKomplikation, die durch eine unkontrollierteSteigerung des Blutdrucks gekennzeichnet ist.
  • Schmerzen: Neuropathische Schmerzen, die durch die Schädigung der Nerven verursacht werden, können chronisch und schwer zu behandeln sein.
  • Psychische Probleme: Depressionen,Angststörungen und Anpassungsstörungen sind häufige psychische Probleme bei Menschen mit inkompletten Lähmungen.

Darmmanagement bei Querschnittlähmung

Nach Eintritt einer Querschnittlähmung durchläuft der Verdauungs- und Ausscheidungstrakt drei Phasen, wobei fast immer eine neurogene Darmfunktionsstörung auftritt.

  1. Phase des spinalen Schocks: Diese Phase kann wenige Tage bis zu sechs Wochen andauern. Unterhalb der Läsion fallen alle spinal gesteuerten Funktionen aus, bei Läsionen oberhalb S2 auch die Peristaltik. Es kann zu Gärprozessen und massiven Blähungen kommen.
  2. Postakute Phase: Nach Abklingen des spinalen Schocks lässt sich das tatsächliche Ausmaß der Rückenmarksverletzung feststellen. Es können Stuhlinkontinenz oder Verstopfung auftreten. In dieser Phase sollte der Betroffene in enger Zusammenarbeit mit Ärzten, Pflegenden und Therapeuten mit den Grundprinzipien des Darmmanagements vertraut gemacht werden. Eine ballaststoffreiche Ernährung (30g/Tag) und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sind entscheidend.
  3. Langzeitmanagement: Eine regelmäßige Überprüfung im Querschnittzentrum ist wichtig, da sich der Körper verändert und ein unzureichendes Darmmanagement weitreichende Probleme verursachen kann.

Lesen Sie auch: Alles über Genickbruch, Lähmungen und Therapie

tags: #Erschlaffung #inkomplette #Lähmung #Ursachen