Facharztausbildung in der Neurochirurgie: Ein umfassender Überblick

Die Ausbildung zum Facharzt für Neurochirurgie ist ein anspruchsvoller und umfassender Prozess, der fundierte Kenntnisse, operative Fähigkeiten und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein erfordert. Ziel dieser Ausbildung ist es, Ärzte zu befähigen, neurochirurgische Eingriffe selbstständig durchzuführen und Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems kompetent zu behandeln.

Struktur und Inhalte der Facharztausbildung

Die Weiterbildung zum Facharzt für Neurochirurgie dauert in der Regel sechs Jahre (72 Monate) und erfolgt an einer Weiterbildungsstätte unter der Leitung eines Weiterbildungsbefugten. Ein Teil der Ausbildungszeit, meist sechs Monate, wird in der intensivmedizinischen Versorgung neurochirurgischer Patienten absolviert.

Die Ausbildungsinhalte umfassen die Erkennung, operative und konservative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Fehlbildungen des zentralen und peripheren Nervensystems.

Die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 21.09.2019, in Übereinstimmung mit der Ärztlichen Berufsordnung, dient als Grundlage für die kompetenzorientierte Weiterbildung, wie sie beispielsweise am Klinikum Dortmund gGmbH unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Müller angeboten wird.

Die Ausbildung ist in mehrere Stufen unterteilt, die aufeinander aufbauen und innerhalb von sechs Jahren abgeschlossen werden sollen. Begleitend zur praktischen Ausbildung ist ein Logbuch zu führen, und es finden regelmäßige Gespräche im 6-Monats-Intervall statt.

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Ausbildungsstufen im Detail

Die Ausbildung gliedert sich typischerweise in mehrere Stufen, die jeweils spezifische Lernziele und operative Fähigkeiten vermitteln. Diese Stufen bauen aufeinander auf und umfassen sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Erfahrungen im Operationssaal und auf der Station.

1. Ausbildungsstufe:

  • Erlernen der Stationsabläufe und des Routinealltags
  • Erstellung und Abarbeitung von Checklisten
  • Arztbriefschreibung
  • Bewertung präoperativer Laboruntersuchungen (Blut, Liquor)
  • Kennenlernen neurochirurgischer Krankheitsbilder
  • Klinische Untersuchung von Patienten mit verschiedenen Erkrankungen des Nervensystems
  • Aufklärung von Patienten mit unkomplizierten neurochirurgischen Erkrankungen (z.B. chronisch subdurales Hämatom, Bandscheibenvorfall, ventrikuloperitonealer Shunt)
  • Medizinisch-internistische Vorbereitung von Patienten
  • Mitbeurteilung von Röntgenbildern und Schnittbildern
  • Indikationsstellung zur Operation
  • Basiskurs Strahlenschutz
  • Medikamentöse Schmerztherapie
  • Dokumentation aller ärztlichen Maßnahmen
  • Lumbalpunktion und Anlage von Lumbaldrainagen
  • Postoperative Versorgung der Patienten auf der Normalstation
  • Einweisung in den Gebrauch aller Geräte im Operationssaal
  • Erlernen der Lagerungsmaßnahmen für verschiedene Operationen
  • Assistenz bei Eingriffen auf Basisniveau (Bandscheibenoperationen, lumbale und zervikale Stabilisationen, Operation von Engpaßsyndromen, OP bei Schädel-Hirn-Trauma, Konvexitätsmeningeomen, Gliomen)
  • Eingriffe bei Chronischem Subduralhämatom, Anlage von externen Liquorableitungen und Sonden zur Hirndruckmessung
  • Erlernen (und ggf. Durchführung) der Bohrlochtrepanation und Kraniotomie

2. Ausbildungsstufe:

  • Selbstständige Arztbriefschreibung
  • Vorbereitung von Patienten zur Entlassung
  • Erkennung einfacher Komplikationen (z.B. Wundheilungsstörungen, Thrombosen)
  • Untersuchung und Vorbereitung von Patienten mit komplexeren Krankheitsbildern
  • Diagnose neurologischer Ausfallserscheinungen
  • Selbstständige Lagerung von Patienten für die Operation
  • Erlernen des operativen Zugangs zur Wirbelsäule und einfacher Kraniotomien
  • Spezielle anatomische Ausbildung am Gehirnmodell
  • Interpretation von Bildbefunden
  • Aufklärung von Patienten über zerebrale Eingriffe
  • Regelmäßige Teilnahme an neuroonkologischen Konferenzen
  • Einarbeitung in die Indikationsstellung für postoperative Behandlungen von malignen Gliomen und anderen ZNS Tumoren
  • Differenzierte Antibiotikatherapie
  • Erlernen der Pathophysiologie des Hydrocephalus
  • Operationen von Sulcus-ulnaris-Syndromen und Shuntimplantationen, Kraniotomien über der Konvexität
  • Wundverschluss mit Knochendeckelreimplantation oder -ersatz
  • Präparation nach intraspinal
  • Operation eines unkomplizierten Bandscheibenvorfalls und einer Stenose
  • Erweiterung der mikrochirurgischen Übungen im Trainingslabor

3. Ausbildungsstufe:

  • Begleitung von Aufklärungsgesprächen und Angehörigengesprächen
  • Begleitung der Durchführung der Feststellung des irreversiblen Ausfalls der Hirnaktivität
  • Interpretation elektrophysiologischer Befunde
  • Versorgung von Patienten mit Tumoren der Hypophyse
  • Diagnostik und Behandlung von hypophysärer Insuffizienz und des SIADH
  • Grundlagen der antikonvulsiven Therapie
  • Dopplersonographisches Monitoring von Hirnarterien
  • Erkennung von Zeichen des gesteigerten Hirndrucks und Einleitung von Gegenmaßnahmen
  • Perfektionierung der Kenntnisse der neurologisch-topographischen Diagnostik, der Gefäßanatomie, der mikrochirurgischen Anatomie der Schädelbasis
  • Eigenständige Durchführung komplexer Lagerungen für zerebrale Eingriffe
  • Operative Zugänge und erste Präparationsschritte bei zervikalen Bandscheibenvorfällen
  • Operationen von kleinen Konvexitätsmeningeomen und oberflächennahen Großhirnmetastasen, Schädeldachplastiken, Entlastungskraniektomien
  • Assistenz bei Eingriffen an der Schädelbasis und bei Gefäßmalformationen sowie endoskopischen Operationen

4. Ausbildungsstufe:

  • Führung der Station, Vorbereitung und Vortrag der Visite
  • Eigenständige Durchführung von Patientengesprächen und Angehörigengesprächen
  • Selbstständige Vorbereitung und Kommunikation von Konsilanfragen
  • Weitestgehend selbstständige Untersuchung und Beratung von ambulanten Patienten in der Notaufnahme
  • Sichere und eigenständige Durchführung der Aufklärung bei sämtlichen operativen Eingriffen
  • Selbstständiger Überblick und Interpretation des Intraoperativen Monitorings
  • Eigenständige Operationen: Zervikale Bandscheibenvorfälle, lumbale Dekompressionsoperationen bei Spinalkanalstenose, extraforaminale Bandscheibenvorfälle, größere Konvexitätsmeningeome, navigierte Eingriffe, erste Präparationsschritte bei Gliomen, intrazerebrale Hämatome, stereotaktische Probeentnahmen

5. Ausbildungsstufe:

  • Einsatz auf der Intensivstation für 6 Monate (ggf. durch Rotation in die Klinik für Anästhesiologie)
  • Teilnahme am Dienst in der Anästhesie
  • Erlernen intensivmedizinischer Behandlungsmaßnahmen (postoperative Überwachung, Intubation, Anlage von Kathetern)
  • Vertiefung der Kenntnisse zur Feststellung des irreversiblen Ausfalls der Hirnfunktionen
  • Spezielles intensivmedizinisches Monitoring und Sedierungsverfahren zur Hirndrucktherapie
  • Alle Eingriffe im Facharztstandard
  • Komplexere spinale Verfahren (Rezidivbandscheibenvorfall, Stabilisationstechniken an der Halswirbelsäule)
  • Erste Eingriffe bei spinalen Tumoren (Laminektomie bei epiduralen Metastasen)
  • Selbstständige Durchführung der Kraniotomie der hinteren Schädelgrube
  • Eigenständige operative Versorgung von cerebellären Hämatomen und Infarkten
  • Komplexere Eingriffe der peripheren Nervenchirurgie und Große Gliome in nicht kritischen Lokalisationen
  • Eigenständige Deckung der Frontobasis und Versorgung von Liquorfisteln unter Supervision
  • Assistenz bei neurovaskulären Eingriffen
  • Inhaltlicher Schwerpunkt: Tumortherapie
  • Selbstständige Durchführung von Patientenvorstellungen in der Neuroonkologischen Konferenz
  • Weitestgehend selbstständige Führung von Aufklärungsgesprächen und Besprechung der Einleitung von Weiterbehandlungen mit den Patienten mit Malignomen

6. Ausbildungsstufe:

  • Korrekte Indikationsstellung zu allen neurochirurgischen Eingriffen
  • Beherrschung der Vor- und Nachbehandlung in allen Bereichen
  • Kenntnisse der palliativen Schmerz- und Tumortherapie
  • Erkennung psychischer Alterationen der Patienten und Ergreifung geeigneter Maßnahmen

Förderung der praktischen Ausbildung

Um die Entwicklung der manuellen Fähigkeiten zu fördern, bieten viele Kliniken spezielle mikrochirurgische Trainingslabore an. Hier können die Weiterbildungsassistenten Naht- und Operationstechniken abseits des Operationssaals erlernen und vertiefen.

Möglichkeiten zur Spezialisierung

Innerhalb der Neurochirurgie gibt es vielfältige Möglichkeiten zur Spezialisierung. Einige Neurochirurgen konzentrieren sich beispielsweise auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen, während andere sich auf die operative Therapie von Hirntumoren oder Gefäßerkrankungen des Gehirns spezialisieren. Die Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Bonn bietet beispielsweise eine Team-Struktur mit Schwerpunkten in onkologischer Neurochirurgie, spinaler und peripherer Neurochirurgie, vaskulärer Neurochirurgie, stereotaktischer und funktioneller Neurochirurgie sowie pädiatrischer Neurochirurgie.

Wissenschaftliche Qualifikation

Einige Kliniken, wie beispielsweise die Klinik für Neurochirurgie am Klinikum Dortmund, legen neben der ärztlichen Exzellenz auch Wert auf eine herausragende wissenschaftliche Qualifikation. Dies soll idealerweise dazu führen, dass die Ausbildung zum Facharzt für Neurochirurgie mit der Qualifikation für eine Habilitation erreicht wird. Hierzu wird die Option einer Wissenschaftsfreistellung angeboten.

Berufliche Perspektiven

Nach erfolgreichem Abschluss der Facharztausbildung stehen Neurochirurgen vielfältige berufliche Perspektiven offen. Sie können sich in einer eigenen Praxis niederlassen oder in einem Krankenhaus oder einer Klinik arbeiten. Viele Neurochirurgen arbeiten im stationären Bereich und sind in Krankenhäusern tätig. Es ist jedoch zu beachten, dass die Neurochirurgie ein sehr apparat-gebundenes Fach ist.

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Gehalt während und nach der Facharztausbildung

Während der Facharztausbildung erhalten angehende Neurochirurgen ein tariflich geregeltes Gehalt. Zu Beginn der Ausbildung liegt die Vergütung üblicherweise bei rund 4.000 bis 5.000 Euro pro Monat, mit jährlichen Steigerungen. Das Gehalt von Fachärzten für Neurochirurgie variiert je nachAnstellungsort und Berufserfahrung.

Voraussetzungen für die Facharztausbildung

Um eine Facharztausbildung in der Neurochirurgie zu beginnen, ist ein abgeschlossenes Medizinstudium erforderlich. In der Regel wird hierfür das Abitur benötigt, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, einen Studienplatz zu erhalten. Nach dem Studium und dem Erhalt der Approbation dürfen die Absolventen als Ärzte tätig sein.

Die Rolle der Weiterbildungsordnung

Die Musterweiterbildungsordnung (MWBO 2018) und die darauf basierenden Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern legen die Rahmenbedingungen für die Facharztausbildung fest. Sie definieren die zu erwerbenden Kompetenzen und die Inhalte der Weiterbildung. Um sowohl den Weiterzubildenden als auch den Weiterbildenden eine bessere Übersicht zu geben, was in den beiden Abschnitten der Weiterbildung Neuro-Intensivmedizinisch gelernt bzw. Auf Bitten der Weiterzubildenden wurde ein Logbuch für die Rotation auf die Intensivstation im Rahmen der Facharztausbildung erstellt. Für die Zusatzbezeichnung spezielle neurochirurgische bzw. neurologische Intensivmedizin wurden die Vorgaben der MWBO für den speziellen Bereich in einem gemeinsamen Curriculum spezifiziert.

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