Epileptische Anfälle im Straßenverkehr stellen eine erhebliche Gefahr dar. Daher gelten für Menschen mit Epilepsie besondere Regeln, wenn sie ein Kraftfahrzeug führen möchten. Wer unter anhaltenden epileptischen Anfällen leidet, darf in der Regel nicht Auto fahren. Die Dauer der Anfallsfreiheit ist hierbei entscheidend. Für das Führen großer Fahrzeuge und die Personenbeförderung gelten besonders strenge Vorgaben.
Epilepsie: Eine Definition
Epilepsie ist keine einheitliche Erkrankung, sondern wird durch das Auftreten epileptischer Anfälle definiert. Die Ursachen für Epilepsie können vielfältig sein, darunter genetische Veränderungen, Stoffwechselstörungen, Hirnmissbildungen, Folgen von Hirnverletzungen, Entzündungen des Gehirns, Hirntumoren und Schlaganfälle. In manchen Fällen bleibt die Ursache unklar.
Die Diagnose Epilepsie wird gestellt, wenn außerhalb von 24 Stunden zwei epileptische Anfälle aufgetreten sind oder Informationen über Veränderungen des Gehirns vorliegen, die erwarten lassen, dass auf einen ersten Anfall in absehbarer Zeit weitere Anfälle folgen.
Erscheinungsformen epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle können sich sehr unterschiedlich äußern. Der bekannteste ist der große epileptische Anfall (Grand Mal), bei dem sich die betroffene Person zunächst verkrampft und die Verkrampfung dann in Zuckungen übergeht. Die Atmung kann gestört sein und das Gesicht sich bläulich verfärben. Es gibt jedoch auch weniger auffällige Anfallsformen, wie die Absence, die vor allem bei Schulkindern und Jugendlichen vorkommt. Hier drehen sich die Augen für wenige Sekunden nach oben und die betroffene Person ist in dieser Phase nicht aufnahmefähig. Die Anzeichen epileptischer Anfälle variieren sehr stark.
Der genaue Ablauf eines Anfalls ist für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte aufschlussreich und sollte von Angehörigen nach Möglichkeit dokumentiert werden. Eine Videoaufnahme mit dem Handy kann zum Beispiel hilfreich sein, sollte aber nur mit Einverständnis der betroffenen Person und unter Wahrung der Ersten Hilfe erfolgen.
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Anfallsformen im Detail
- Fokale Anfälle: Diese entstehen herdförmig im Gehirn, und es ist dem Betroffenen möglicherweise nicht anzusehen, dass er einen Anfall hat. Wahrnehmungen wie Blitze im Gesichtsfeld, Höreindrücke oder Kribbeln können auftreten. Auch komplexere Eindrücke wie Angstgefühle oder ein Déjà-vu sind möglich. Motorische Elemente können sich in Zuckungen der Hand, des Armes oder des Beines äußern. Anfälle des Schläfenlappens gehen häufig mit Bewusstseinseinschränkungen einher.
- Generalisierte Anfälle: Diese betreffen beide Hirnhälften. Es kann zu kurzen Aussetzern (Petit Mal) mit Blinzeln, Augenbewegungen oder Kopfnicken kommen. Bei einem großen generalisierten Anfall (Grand Mal) verkrampft sich der Patient zunächst (tonische Phase), gefolgt von Zuckungen des ganzen Körpers (klonische Phase). Bewusstlosigkeit und eingeschränkte Atmung sind typisch.
- Atonische Anfälle: Hier verliert der Betroffene die Muskelspannung und sackt zusammen. Diese sind leicht mit einer Ohnmacht (Synkope) zu verwechseln.
Fokale Anfälle können in generalisierte Anfälle übergehen. Es gibt auch Anfälle, bei denen der Betroffene die Muskelspannung verliert und zusammensackt (atonische Anfälle) oder völlig versteift hinstürzt.
Phänomene nach dem Anfall (Postiktuale Phase)
Nach einem Anfall können verschiedene Phänomene auftreten. Nach einem großen tonisch-klonischen Anfall schläft der Betroffene in der Regel längere Zeit und hat anschließend Muskelkater. Nach einem herdförmigen Anfall kann Verwirrung, Sprachstörung oder Lähmung auftreten. Bei älteren Menschen kann diese Phase länger dauern und mit einem Schlaganfall verwechselt werden. In der Phase nach dem Anfall sind manche Menschen auch für mehrere Tage depressiv.
Fahreignung bei Epilepsie: Die Beurteilung
Wenn eine Person aufgrund eines epileptischen Anfalls medizinischen Rat einholt, beurteilt der Arzt die Fahreignung. Aufgrund der potenziellen Bewusstlosigkeit wird in der Regel von einer fehlenden Fahreignung ausgegangen und ein ärztliches Fahrverbot ausgesprochen.
Das ärztliche Fahrverbot
Ein ärztliches Fahrverbot ist bindend. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und macht sich strafbar, wenn andere Personen gefährdet werden. Bei einem Unfall drohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen. Zudem kann die Kfz-Haftpflichtversicherung bereits an die Unfallgeschädigten ausgezahltes Geld zurückfordern; die Kaskoversicherungen können Leistungen kürzen oder verweigern.
Für eine Einschätzung der Fahreignung ist immer eine medizinische Einzelfallprüfung erforderlich, die sich an den Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen orientiert. Diese unterscheiden zwischen Fahrerlaubnisklassen.
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Fahrerlaubnisklassen und Anfallsfreiheit
- Gruppe 1 (Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T):
- Bei erstmaligem Anfall ohne erkennbaren Auslöser: Fahrerlaubnis nach frühestens sechs Monaten ohne weitere Anfälle nach Prüfung durch Fachärzte für Neurologie.
- Bei plausibler Erklärung für den Anfall (z.B. Medikamente): Fachärztliche Abklärung, ob ein generell erhöhtes Risiko epileptischer Anfälle besteht und ob die auslösenden Ursachen fortbestehen.
- Nach Schädel-Hirn-Trauma oder chirurgischem Eingriff am Gehirn innerhalb einer Woche: Fahruntauglichkeit kann auf drei Monate verkürzt werden, wenn keine Hinweise auf eine Hirnschädigung vorliegen.
- Bei wiederholten Anfällen (Epilepsie): Nachweis, dass mindestens ein Jahr lang kein Anfall aufgetreten ist.
- Gruppe 2 (Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und FzF):
- Fahreignung nach epileptischen Anfällen nur, wenn keine Medikamente gegen Epilepsie eingenommen werden.
- Erstmaliger Anfall ohne erkennbaren Auslöser: Fachärztliche Untersuchung notwendig, bei der kein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle festgestellt wird. Kraftfahreignung frühestens nach zwei Jahren ohne Anfälle.
- Bei plausibler Erklärung für den Anfall: Fahreignung frühestens nach sechs anfallsfreien Monaten, wenn aus fachärztlicher Sicht keine Hinweise auf ein gesteigertes Risiko eines Rückfalls bestehen.
- Bei wiederholten epileptischen Anfällen: Kraftfahreignung für die Gruppe 2 in der Regel langfristig ausgeschlossen.
Was versteht man unter Fahreignung?
Fahreignung ist eine zeitlich überdauernde Eigenschaft, die beispielsweise durch eine dauerhafte Medikamenteneinnahme beeinträchtigt werden kann. Die Fahrsicherheit bezeichnet hingegen einen konkreten und aktuellen, zeitlich beschränkten Zustand. Die Fahrbefähigung ist die in der Fahrschule und durch praktische Erfahrung erworbene Fertigkeit zum Lenken eines Fahrzeugs. Alle drei Begriffe zusammen beschreiben die umfassende Fahrkompetenz oder allgemein die Verkehrstüchtigkeit.
Strafen bei fehlender Fahreignung
Solange die Fahreignung nicht sichergestellt werden kann, dürfen Betroffene kein Kraftfahrzeug fahren. Andernfalls liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Wenn es zu einem Unfall kommt und bekannt wird, dass aufgrund einer epileptischen Erkrankung keine Fahreignung bestand, werden Strafverfahren eingeleitet. Das Führen eines Fahrzeugs unter dem bekannten Risiko eines epileptischen Anfalls gilt als grob fahrlässig. Das Strafmaß kann bis zu mehreren Jahren Freiheitsstrafe reichen.
Erster Krampfanfall - gleichbedeutend mit Epilepsie?
Ein erster Krampfanfall sollte in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden, um die Ursache zu ermitteln und gegebenenfalls zu behandeln. Es muss geklärt werden, ob der Anfall provoziert wurde und ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall handelt.
Diagnose von Epilepsie
Erster Ansprechpartner ist oft die hausärztliche Praxis, die an Spezialisten wie Neuropädiater oder Neurologen überweisen kann.
- Elektroenzephalogramm (EEG): Hilft, Veränderungen im Gehirn widerzuspiegeln und die Epilepsie in ihrer speziellen Form (Syndrom) zu diagnostizieren. Ein unauffälliges EEG schließt eine Epilepsie jedoch nicht aus.
- Magnetresonanztomografie des Gehirns (MRT): Ein besonders wichtiges Diagnoseinstrument, um strukturelle Auffälligkeiten des Gehirns zu erkennen.
EEG und MRT sind wichtige Entscheidungshilfen, ob bereits nach einem epileptischen Anfall mit einer Therapie begonnen werden soll.
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Therapie von Epilepsie
Eine Epilepsie kann sich erheblich auf das Leben eines Betroffenen auswirken. Eine ausführliche individuelle Beratung, insbesondere zu Themen wie Führerschein, Ausbildung, Arbeitsplatz, ist wichtig.
- Medikamente: Die erste Therapieoption. Sie heben die Schwelle für epileptische Anfälle im Gehirn an.
- Operative Verfahren: Können eine Epilepsie heilen, wenn der epileptische Herd aus dem Gehirn entfernt wird.
- Keto-Diät: Bei manchen Epilepsieformen im Kindesalter, die durch Medikamente nicht kontrollierbar sind, kann eine besondere Diät helfen.
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