Fatigue nach Schlaganfall: Ursachen und Behandlung

Ein Schlaganfall kann nicht nur motorische, sondern auch nichtmotorische Folgen haben, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Zu diesen nichtmotorischen Symptomen gehört Fatigue, ein Zustand krankhafter Müdigkeit und Erschöpfbarkeit, der sich von normaler Müdigkeit unterscheidet und durch Ruhephasen nicht wesentlich verbessert wird. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Fatigue nach einem Schlaganfall.

Relevanz nichtmotorischer Symptome in der Schlaganfallnachsorge

Trotz Fortschritten in der Akuttherapie von Schlaganfällen stellen Langzeitfolgen eine Herausforderung dar. Nichtmotorische Beschwerden wie neuropsychiatrische (z. B. Depression, Angst), vegetative (z. B. Blasenfunktionsstörung, sexuelle Dysfunktion) und somatische Symptome (z. B. Schmerzen, Fatigue) beeinträchtigen die Lebensqualität von mehr als der Hälfte der Betroffenen. Diese Symptome werden in der Versorgung oft unzureichend erfasst und behandelt.

Eine Metaanalyse von Ozkan et al. (University College London) untersuchte die Prävalenz, den zeitlichen Verlauf und die Einflussfaktoren von nichtmotorischen Symptomen nach ischämischem Schlaganfall oder intrazerebraler Blutung (ICH). Die Analyse umfasste 279 prospektive Kohortenstudien mit über 117.000 Betroffenen über einen Zeitraum von 30 Tagen bis 10 Jahren.

Die häufigsten nichtmotorischen Symptome waren:

  • Schlafstörungen (59,9 %)
  • Sexuelle Dysfunktion (59,8 %)
  • Obstipation (58,2 %)
  • Reduzierte soziale Teilhabe (56,5 %)
  • Blasenfunktionsstörungen (45,9 %)
  • Fatigue (45,2 %)

Diese Beschwerden zeigten meist keine relevante Besserung im Laufe der Zeit, mit Ausnahme von Schmerzen und sexuellen Funktionsstörungen, deren Prävalenz moderat abnahm. Schlafstörungen und Fatigue zeigten eine konstante oder sogar steigende Prävalenz über die Nachbeobachtungszeiträume hinweg.

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Folgende Faktoren wurden als signifikant mit einem höheren Risiko für persistierende Symptome identifiziert:

  • Höheres Alter
  • Weibliches Geschlecht
  • Mischkohorten mit ischämischem Schlaganfall und ICH
  • Krankenhausbasierte Studien

Die Ergebnisse der Metaanalyse unterstreichen die Notwendigkeit, nichtmotorische Symptome nach Schlaganfall in der Langzeitversorgung systematisch zu berücksichtigen und standardisierte Erhebungen von Schlafqualität, Fatigue und autonomen Funktionen in die Nachsorge zu integrieren.

Was ist Fatigue?

Der Begriff Fatigue (frz. Müdigkeit) bezeichnet eine unnormale, krankhafte Müdigkeit bzw. Erschöpfbarkeit. Sie ist definiert als eine über das normale Maß hinausgehende Erschöpfung und Erschöpfbarkeit, die sich den üblichen Erholungsstrategien verschließt. Gesunder Lebensstil, angemessene Pausen und erholsamer Schlaf haben also nur einen bedingten Einfluss. Fatigue ist ein häufiges Symptom bei neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Schlaganfall und Schädel-Hirn-Verletzungen.

Symptome der Fatigue

Fatigue äußert sich durch eine Vielzahl von Symptomen, die sich körperlich, kognitiv und seelisch auswirken können. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Anhaltende Erschöpfung und Müdigkeit, die sich durch Ruhe oder Schlaf nicht wesentlich bessert
  • Energiemangel und Schwächegefühl
  • Antriebslosigkeit und Schwierigkeiten, aktiv zu werden
  • Unverhältnismäßig starke Erschöpfung nach Anstrengung
  • Hoher Ruhebedarf
  • Schlafstörungen (Schlaflosigkeit oder vermehrte Schläfrigkeit)
  • Schlaf, der nicht erfrischt und kaum Erholung bringt
  • Traurigkeit, Frustration und Gereiztheit
  • Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen
  • Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen
  • Wortfindungsstörungen
  • Sich nach Anstrengungen über Stunden unwohl fühlen

Ursachen der Fatigue nach Schlaganfall

Die genauen Ursachen von Fatigue nach einem Schlaganfall sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, darunter:

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  • Hirnschädigung: Der Schlaganfall selbst kann zu Schädigungen in Hirnarealen führen, die für die Regulation von Energie, Aufmerksamkeit und Emotionen verantwortlich sind.
  • Entzündungsprozesse: Entzündungen im Gehirn nach einem Schlaganfall können die Funktion von Nervenzellen beeinträchtigen und zu Fatigue führen.
  • Neurotransmitter-Ungleichgewicht: Ein Schlaganfall kann das Gleichgewicht von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin stören, die eine wichtige Rolle bei der Regulation von Stimmung, Energie und Schlaf spielen.
  • Begleiterkrankungen: Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen und andere Begleiterkrankungen können Fatigue verstärken.
  • Inaktivität: Mangelnde körperliche Aktivität nach einem Schlaganfall kann zu Muskelabbau, Konditionsverlust und Fatigue führen.
  • Medikamente: Einige Medikamente, die nach einem Schlaganfall eingenommen werden, können als Nebenwirkung Fatigue verursachen.
  • Psychische Faktoren: Stress, Angst und soziale Isolation können ebenfalls zur Entstehung von Fatigue beitragen.

Diagnose der Fatigue

Die Diagnose der Fatigue basiert in erster Linie auf den Angaben des Patienten und der Erhebung seiner Symptome. Es gibt spezielle Fragebögen, die zur Erfassung der Fatigue-Symptome eingesetzt werden können. Um andere mögliche Ursachen für die Müdigkeit auszuschließen, werden in der Regel auch körperliche Untersuchungen und Laboruntersuchungen durchgeführt. Dazu gehören:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden
  • Körperliche Untersuchung: Untersuchung des neurologischen und körperlichen Zustands
  • Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen zur Überprüfung von Blutbild, Entzündungswerten, Schilddrüsenfunktion, Vitamin- und Mineralstoffhaushalt
  • Fragebögen: Einsatz von standardisierten Fragebögen zur Erfassung der Fatigue-Symptome und ihrer Auswirkungen auf den Alltag
  • Weitere Untersuchungen: Je nach Bedarf können weitere Untersuchungen wie Schlafstudien, neuropsychologische Tests oder bildgebende Verfahren (MRT, CT) durchgeführt werden.

Die Fatigue ist eine Ausschlussdiagnose, das heißt, andere Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen können, müssen ausgeschlossen werden. Mögliche Differentialdiagnosen zur Fatigue sind:

  • Psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe-Syndrom)
  • Schlafstörungen
  • Mangelernährung
  • Chronische Schmerzen
  • Schilddrüsenerkrankungen

Behandlung der Fatigue nach Schlaganfall

Die Behandlung der Fatigue nach einem Schlaganfall ist komplex und erfordert einen multidisziplinären Ansatz. Es gibt keine spezifische Therapie, die bei allen Patienten gleichermaßen wirkt. Vielmehr muss ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt werden, das auf die spezifischen Ursachen und Symptome des Patienten zugeschnitten ist. Ziel ist es, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und ihm zu ermöglichen, ein möglichst aktives und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Die Behandlung der Fatigue umfasst in der Regel eine Kombination aus folgenden Maßnahmen:

  • Psychoedukation: Aufklärung des Patienten über das Krankheitsbild der Fatigue, seine Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Dies hilft dem Patienten, die Erkrankung besser zu verstehen und aktiv an der Behandlung mitzuwirken.
  • Medikamentöse Behandlung: Es gibt keine spezifischen Medikamente gegen Fatigue. Allerdings können Medikamente zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Depressionen, Schlafstörungen oder Schmerzen eingesetzt werden. In einigen Fällen können auch Medikamente zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration (z. B. Methylphenidat) hilfreich sein.
  • Nicht-medikamentöse Strategien: Nicht-medikamentöse Strategien spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Fatigue. Dazu gehören:
    • Optimierung des Tagesablaufs: Strukturierung des Tagesablaufs mit Priorisierung der Aufgaben, klaren Tagesstrukturierung, Ökonomisierung ("Zeitdruck raus!") und Planung ausreichender Ruhepausen.
    • Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung der Aufmerksamkeit, Konzentration und des Gedächtnisses.
    • Körperliches Training: Angepasstes Ausdauertraining und Muskelkräftigung zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und zur Reduktion von Fatigue. Wichtig ist, die Leistungsgrenzen nicht voll auszuschöpfen und regelmäßige Pausen einzulegen.
    • Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie zur Veränderung negativer Denkmuster und zur Anpassung der Erwartungen an sich selbst und die Bewertung von erbrachter Leistung.
    • Ergotherapie: Erlernen von Energiesparstrategien und Anpassung des Arbeitsplatzes und des häuslichen Umfelds.
    • Entspannungstechniken: Yoga, Qi Gong, progressive Muskelentspannung oder andere Entspannungstechniken zur Reduktion von Stress und zur Verbesserung des Wohlbefindens.
    • Lichttherapie: Einsatz von Lampen, die ein sehr helles, weißes Tageslicht ausstrahlen, um die Zirbeldrüse zu aktivieren und den Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren.
  • Ernährung: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung mit ausreichend Protein, ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen kann zur Verbesserung der Energie und des Wohlbefindens beitragen.
  • Schlafhygiene: Einhaltung einer optimalen Schlafhygiene mit regelmäßigen Schlafzeiten, einer angenehmen Schlafumgebung und Vermeidung von aufregenden Aktivitäten vor dem Schlafengehen.
  • Stressreduktion: Reduktion von Stressfaktoren im Alltag durch Entspannungstechniken, Achtsamkeitstraining oder andere Stressbewältigungsstrategien.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann eine wertvolle Unterstützung sein.

Was können Betroffene selbst tun?

Als Patient können Sie die Therapie bei Fatigue aktiv unterstützen:

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  • Ernähren Sie sich gesund.
  • Achten Sie auf genügend Schlaf.
  • Reduzieren Sie konsequent Stressfaktoren in Ihrem Alltag.
  • Falls bei Ihnen ein Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen oder essenziellen Fettsäuren festgestellt wurde, sollten Sie auf ärztlichen Rat ihre Ernährung umstellen und/oder entsprechende Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.
  • Sprechen Sie mit Ihrer Familie, Freunden und Berufskolleg*innen über das Fatigue-Syndrom. Erklären Sie, warum Sie manche Dinge langsamer angehen oder warum Sie mehr Pausen brauchen.
  • Ein angepasster Tagesablauf, der Sie weder über- noch unterfordert, trägt dazu bei, die Fatigue allmählich zu bessern.
  • Wenn Ihr Umfeld Sie versteht und Sie unterstützt, kann Ihnen das sehr helfen.

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