Fertig mit den Nerven: Ursachen und Lösungen

In unserer schnelllebigen Zeit, in der wir uns ständig neuen Herausforderungen stellen müssen, fühlen sich viele Menschen überfordert und erschöpft. Eine dauerhafte Überforderung kann zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Schlafstörungen oder auch zu körperlichen Beschwerden wie Magen-Darm-Erkrankungen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Symptome von Nervenzusammenbrüchen und Burnout und zeigt Lösungswege auf, um wieder ins Gleichgewicht zu finden.

Einführung

Erschöpfung ist zunächst ein normaler Regenerationsprozess. Müdigkeit ist ein physiologischer Schutzmechanismus des Körpers vor Überanstrengung. Im Schlaf kann sich der Körper regenerieren und neue Kraft schöpfen. Wenn jedoch die wahrgenommenen Belastungen bei der Arbeit zu groß werden und keine ausreichende Erholung mehr möglich ist, können Beschwerden auftreten.

Ursachen und Symptome

Ein Burnout ist im internationalen Klassifizierungssystem der Krankheiten ICD-11 als Syndrom definiert, das aus chronischem Stress am Arbeitsplatz resultiert, der noch nicht erfolgreich bewältigt wurde. Es gibt keine spezifischen körperlichen Symptome, die ein Burnout begleiten. Die Symptomatik wird vordergründig durch wahrgenommene psychische Belastungen und deren Bewertung, insbesondere im Kontext von sozialen Berufen ausgelöst und kann mit unklaren körperlichen Erscheinungen einhergehen. Unter ungünstigen Bedingungen können sich die psychischen und physischen Symptome gegenseitig verstärken.

Wissenschaftlichen Studien zufolge erleben Frauen häufiger eine emotionale und geistige Erschöpfung, Schlafstörungen, Müdigkeit und kognitive Störungen. Bei Männern überwiegt das Gefühl der Depersonalisation. Menschen, die sich zu sehr mit ihrem Arbeitsplatz identifizieren, haben auch einen sehr hohen Anspruch an sich selbst. Betroffene ignorieren auftretende Beschwerden und eine anhaltende Erschöpfung aufgrund der anvertrauten Aufgaben oder Loyalität gegenüber Kolleg:innen oder Vorgesetzten.

Der stille Burnout

Während sich der klassische Burnout häufig durch eindrückliche Symptome mit schneller Entwicklung zeigt, ist ein „stiller Burnout“ die tückische, schleichende Variante, bis er sich im umgangssprachlichen Nervenzusammenbruch Bahn bricht. Nicht jeder Burnout zeigt sich durch übersteigerten Arbeitsdrang mit perfektionistischen Ansprüchen, der alsbald durch den hohen Einsatz in sozialen Rückzug, massive Verhaltensänderungen und offensichtliche Erschöpfung wie chronische Müdigkeit mündet. Entsprechend verschleppen viele Betroffene ihren Burnout: Sie machen kurze, aber wenig erholsame Verschnaufpausen und danach weiter in ihrem Tagesprogramm. So gleiten sie langsam aber sicher in einen schweren Burnout, der dann nur scheinbar plötzlich und unerwartet mit einem vollständigen „Nervenzusammenbruch“ zu Tage tritt.

Lesen Sie auch: Was tun, wenn die Nerven blank liegen?

Warnsignale erkennen

Es ist wichtig, Warnsignale wie intensiv auftretende Ungeduld und Gereiztheit nicht zu verdrängen und alternative Möglichkeiten zu suchen, um den Druck des Alltags abzulassen. Werden die Warnzeichen nicht ernst genommen oder wird nicht entsprechend gehandelt, entsteht immer mehr Druck, der sich irgendwann bei jedem Menschen in einem mentalen Zusammenbruch entlädt. Kurzfristig mögen sich Betroffene vielleicht „besser“ oder erleichtert fühlen, nachdem sich ihre Erschöpfung in einem emotionalen Ausbruch Luft gemacht hat. Bleibt der Burnout auch nach dem Nervenzusammenbruch unbehandelt, drohen starke körperliche Symptome, langfristige Arbeitsunfähigkeit und Depression.

Burnout vs. Depression

Was auf den ersten Blick in vielen Fällen als Depression bezeichnet wird, bedarf auf den zweiten Blick oftmals einer detaillierteren Diagnose. Denn obwohl das Burnout-Syndrom als auch die Depression ähnliche Symptome aufweisen, unterscheiden sich beide Krankheitsbilder vor allem im Hinblick auf die jeweiligen Therapieformen. Zudem empfinden Menschen, die an einer Depression leiden, im Gegensatz zu Patient:innen mit Burnout-Syndrom, häufig starke Hoffnungslosigkeit und leiden an einem mangelnden Selbstwertgefühl.

Die auffälligsten Symptome einer Depression sind über Wochen und Monate, teilweise Jahre anhaltende Traurigkeit, Antriebsarmut und Energielosigkeit. Die Fähigkeit zur Freude oder Trauer ist eingeengt. Es entsteht eine innere Leere. Die Symptome sind häufig in den frühen Morgenstunden und vormittags am Schlimmsten und bessern sich im Laufe des Tages - das sogenannte Morgentief.

Daneben ist die Depression jedoch durch eine Fülle weiterer psychischer und körperlicher Symptome charakterisiert. Die wichtigsten Symptome der Depression im Einzelnen sind:

  • Traurigkeit, die oft oder ständig vorhanden ist, unglücklich macht und im schlimmsten Fall als nicht auszuhalten empfunden wird.
  • Verlust von Lebensfreude: Erlebnisse können nicht mehr so genossen werden wie früher. Es entsteht eine ausgesprochene Freudlosigkeit (Anhedonie).
  • Pessimismus: Der Blick in die Zukunft wird mutlos, Im schlimmeren Fall perspektivlos und/oder absolut hoffnungslos.
  • Energieverlust: Zunächst erlebt der Patient, dass er nicht so viel Energie hat wie früher. Er kann kaum noch etwas schaffen oder erreichen. Im schlimmsten Fall kann er sich zu nichts mehr aufraffen. Selbst einfache Dinge des Alltags können dann nicht mehr erledigt werden.
  • Ermüdung und Erschöpfung: Im einfachen Fall ist eine rasche Ermüdung und Erschöpfung vorhanden. Im schlimmeren Fall führen selbst einfache geistige oder körperliche Tätigkeiten zur Erschöpfung. Im Berufsleben oder Alltag kann dies zu einem Zusammenbruch der Leistungsfähigkeit führen. Dies wird dann Burn-out genannt.
  • Konzentrationsschwierigkeiten: Viele Patienten geben an, dass sie sich nicht mehr so gut konzentrieren können wie sonst. Es falle ihnen schwer sich zumindest längere Zeit auf eine Aufgabe oder Tätigkeit zu konzentrieren. Im schlimmsten Fall können sie sich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Bei einer neuropsychologischen Testung lässt sich jedoch feststellen, dass die Fähigkeit zur Konzentration weiterhin zumeist unbeeinträchtigt vorhanden ist. Sie wird nur nicht eingesetzt. Ein Teil der Konzentrationsstörungen entsteht dadurch, dass der Patient immer wieder über seine Situation grübeln muss und an nichts anderes mehr denken kann.
  • Interessenverlust: Das Interesse an anderen Menschen, Hobbys oder Unternehmungen ist geringer als sonst. Im schlimmsten Fall fällt es dem Patienten schwer, sich überhaupt noch für etwas zu interessieren. Er wird teilnahmslos.
  • Versagensgefühle: Der depressive Patient fühlt sich als Versager. Rückblickend fallen ihm Fehlschläge mehr auf als Erfolge. Im schlimmsten Fall empfindet er sich als vollständiger Versager, der zu nichts mehr fähig ist.
  • Schuldgefühle: Im einfachen Fall entstehen vermehrt Schuldgefühle in dem Sinne, dass Dinge in der Vergangenheit durch den eigenen Einfluss falsch gelaufen sind. Die Schuldgefühle können sich häufen und im gravierenden Fall nahezu ständig vorhanden sein.
  • Selbstvorwürfe: Der Patient neigt dazu sich, stärker als zuvor, selbst zu kritisieren. Schwer erkrankte Patienten geben sich die Schuld für alles Schlimme, das passiert ist.
  • Mangel an Selbstvertrauen: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist reduziert. Die Enttäuschung über die eigene Person steigt. Im schlimmeren Fall traut sich der Patient nichts mehr zu und lehnt sich völlig ab.
  • Gefühl der Wertlosigkeit: Verglichen mit anderen Menschen fühlt sich der depressive Patient viel weniger wert. Im schlimmsten Fall resultiert dies im Gefühl der vollständigen Wertlosigkeit.
  • Entschlussunfähigkeit: Im leichten Fall besteht eine Ambivalenz gegenüber Entscheidungen. Dem Patienten fällt es schwerer als sonst Entscheidungen zu treffen. Im schlimmeren Fall hat er Schwierigkeiten, überhaupt eine Entscheidung zu treffen und ist teilweise ratlos.
  • Bestrafungsgefühle: Es entsteht das Gefühl, für etwas bestraft zu werden.
  • Weinen: Bei einer leichten Depression weint der Patient mehr und oft schon bei geringem Anlass. Im schlimmeren Fall möchte er jedoch weinen, kann dies aber nicht. Das Weinen ist gehemmt. Es entsteht das Gefühl einer inneren Leere, die zum Teil unerträglich ist.
  • Innere Unruhe: Bei manchen Depressionen entsteht eine innere Unruhe. Dem Patienten fällt es dann schwer, still zu sitzen. Bei starker Betroffenheit möchte er sich ständig bewegen oder etwas tun. Dies nennt man agitiert.
  • Vermehrte Reizbarkeit: Manche Patienten sind viel reizbarer als sonst. Beim geringsten Anlass brausen sie auf. Teilweise werden sie aggressiv.
  • Veränderter Appetit: Der Appetit kann bei manchen Patienten zunehmen, bei anderen Patienten jedoch auch abnehmen. Im schlimmsten Fall haben manche Patienten demzufolge dann gar keinen Hunger mehr und andere Patienten einen ständigen Heißhunger.
  • Schlafstörungen: Schlafstörungen bei depressiven Patienten können sowohl zu einem vermehrten als auch zu einem zerrütteten und verminderten Schlaf führen. Bei schlimmem Schlafmangel kann der Pat. lediglich 1- 2 h pro Nacht schlafen und ist dann am nächsten Tage müde und zerschlagen. In anderen Fällen, mit vermehrtem Schlafbedürfnis, schläft der Patient die gesamte Nacht durch und auch übergroße Anteile des Tages. Alpträume kommen gehäuft vor.
  • Reduziertes sexuelles Interesse: Das Interesse an Sexualität lässt nach. Bei starker Depression ist das Interesse an Sexualität völlig verloren.
  • Todes- und Selbstmordgedanken: Viele Patienten denken häufiger an den eigenen Tod. Auch leicht betroffene depressive Patienten denken manchmal an Selbstmord, würden es aber nicht tun. Schwer betroffene Patienten würden sich am liebsten umbringen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten und können sich dies immer konkreter vorstellen und planen. Bei vermehrten Todes oder Selbstmordgedanken ist auf jeden Fall die Hilfe eines kompetenten Arztes einzuholen.
  • Angst: Bei einigen Patienten kommt es zudem zu Angstzuständen. Neben der Zukunftsangst ist die Angst zu sterben oder die Befürchtung des Schlimmsten, neben der Angst die Kontrolle über sich selber zu verlieren, häufig anzutreffen. Bei einigen Patienten ist die Depression assoziiert mit Panikstörungen.
  • Körperliche Symptome: Vielen Menschen ist es unbekannt, dass eine Depression auch zu körperlichen Symptomen führen kann. Neben Taubheitsgefühlen und Kribbeln an verschiedenen und wechselnden Stellen des Körpers kommt es zu Hitzegefühlen und einem glühenden Gesicht. Schreckhaftigkeit, Nervosität und zittrige Hände sind relativ häufig. Atembeschwerden und das Gefühl zu ersticken treten auf. Schwindel und ein wackeliges Gefühl können dauerhaft oder auch über längere Phasen anhaltend auftreten. Insgesamt entsteht ein Schwächegefühl. Magen- und Darmbeschwerden treten hinzu.

Lösungsansätze und Therapie

Es gibt keine Standard-Therapie und kein allgemein passendes Medikament. Vielmehr prüfen wir individuell mit den Betroffenen, welche Therapie die beste ist“, so Dr. Alexander Romanowski. Liegt eine manifeste psychische Störung, wie eine Depression oder Angststörung vor, wird diese psychotherapeutisch und/oder medikamentös behandelt. Dazu finden unter anderem therapeutische Einzel- und Gruppengespräche mit berufsbezogenen Therapiebausteinen statt.

Lesen Sie auch: Hilfe bei einem Nervenzusammenbruch

Eine Psychotherapie - ob in Form einer Verhaltenstherapie - und begleitende Verfahren können Sie aber auch aus den späten Phasen des Burnout herausholen.

Psychotherapeutische Behandlung der Depression

Die Psychotherapie ist eine effektive Methode zur Behandlung der Depression. Die Psychotherapie bei Depressionen wird durch qualifizierte Ärzte oder psychologische Psychotherapeuten durchgeführt. Man unterscheidet Verhaltenspsychotherapie und analytische Psychotherapie. Für die Depression wird man überwiegend die Verhaltenspsychotherapie anwenden. Hierbei werden die verschiedenen Lebensbereiche im Hinblick auf Krankheit-auslösende oder Krankheit-unterstützende Faktoren analysiert, erörtert und Möglichkeiten der Konfliktlösung aufgezeigt. Im optimalen Fall führt dies zu einer Verhaltensänderung des Patienten, die für ihn vorteilhaft ist und zur Ausheilung der Depression beiträgt. Zur praktischen Durchführung werden zunächst eine Erhebung der Vorgeschichte und 5 Probestunden durchgeführt. Danach wird über die Fortsetzung der Psychotherapie entschieden und ein Antrag bei den Krankenkassen gestellt. Üblicherweise werden 25-50 h zur ambulanten Behandlung genehmigt. Die Behandlung erfolgt am besten in Einzeltherapie. Bei einzelnen Therapiesitzungen mag es erforderlich sein Bezugspersonen mit einzubinden.

Medikamentöse Therapie der Depression

Ziel der medikamentösen Therapie der Depression ist es Störungen im Stoffwechsel der Überträgerstoffe zwischen den Nervenzellen im Gehirn zu verbessern. Wichtige Überträgerstoffe hierfür sind Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Melatonin. Es stehen etwa 10 Substanzen der 1. Wahl zur Verfügung. Die Frage, welches Medikament, in welcher Dosierung, über welchen Zeitraum eingesetzt werden soll, wird durch den Facharzt (Psychiater oder Neurologen) in enger Abstimmung mit dem Patienten festgelegt. Wichtig ist zu wissen, dass viele antidepressive Medikamente ihre Wirksamkeit erst nach Ablauf von 2 Wochen entfalten und sich diese danach, auch bei gleichbleibender Dosierung, noch steigern kann. Die Medikamente machen nicht abhängig und können jederzeit (ausschleichend) wieder abgesetzt werden. Gegebenenfalls können zusätzlich weitere Medikamente zur Beruhigung oder Verbesserung des Nachtschlafes angewendet werden. Insgesamt sind zwar viele Nebenwirkungen bekannt, sie betreffen jedoch nur etwa 10 % der Patienten in relevantem Umfang. Dann muss das Medikament in seiner Dosis reduziert oder gänzlich abgesetzt werden.

Körperliches Training und Entspannungstraining bei Depression

Die körperliche Therapie der Depression wird oft vernachlässigt. Ratsam sind 30-60 min Ausdauertraining mehrfach wöchentlich. Durch körperliches Training werden die Gehirnzellen aktiviert und Stammzellen im Gehirn zur Teilung angeregt. Schon nach kurzer Zeit können Stimmung und Lebensfreude steigen, Antrieb und Selbstvertrauen sich normalisieren, Schlafstörungen behoben sein.

Eine Sonderform des körperlichen Trainings ist das Entspannungstraining. Dieses wird unter Anleitung durch spezifisch geschulte Physiotherapeuten oder Sportlehrer vermittelt und kann danach in eigener Regie praktiziert werden.

Lesen Sie auch: Unterschiede Kleinhirn Großhirn

Neural-Akupunktur bei Depression

Hypothetisches Ziel der Neural-Akupunktur ist es, durch Stimulation an den Nervenaustrittspunkten die Freisetzung der körpereigenen Endorphine herbeizuführen. Die, landläufig auch als Glückshormone bezeichneten, Endorphine haben eine schmerz-lösende, ausgleichende und Stimmungs-aufhellende Wirkung. Nach eigener Erfahrung ist die Neural-Akupunktur zur Behandlung der Depression sehr wirksam. Sie hat als neues Verfahren gleichwohl bisher nicht die Anerkennung im Bereich der sogenannten medizinischen Leitlinien zur Behandlung der Depression gefunden.

#

tags: #fertig #mit #den #nerven #ursachen #und