Schlaganfall und Fahrtüchtigkeit: Informationen gemäß Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)

Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert sowohl körperliche als auch geistige Eignung. Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) legt in ihrer Anlage 4 fest, welche Krankheiten und Beeinträchtigungen die Fahreignung beeinflussen können. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen eines Schlaganfalls auf die Fahrtüchtigkeit gemäß Anlage 4 FeV und gibt Hinweise zur Beurteilung der Fahreignung nach einem Schlaganfall.

Grundlagen der Fahrerlaubnis und Fahreignung

Grundsätzlich benötigt man zum Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr eine Fahrerlaubnis. Fahrgeeignet sind Personen, die die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Bei körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen darf ein Führerscheininhaber am Verkehr nur teilnehmen, wenn sichergestellt ist, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden (§ 2, Absatz 1 FeV). Die Anlage 4 der FeV geht näher auf chronische Erkrankungen ein, die die Fahreignung beeinflussen können. Dazu gehören unter anderem Einschränkungen des Seh- und/oder Hörvermögens, Bewegungsstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, neurologische Erkrankungen, psychische Störungen sowie Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Die Anlage 4 definiert, unter welchen Bedingungen bei diesen Erkrankungen eine Fahreignung oder bedingte Fahreignung vorliegt. Eine bedingte Fahreignung erfordert in der Regel regelmäßige Kontrolluntersuchungen, fachärztliche Gutachten oder Beschränkungen bezüglich Fahrzeugtyp oder Fahrzeit.

Es ist wichtig, zwischen "Fahreignung" und "Fahrtüchtigkeit" zu unterscheiden. "Fahreignung" bezieht sich auf die dauerhaft anzunehmende Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr, während "Fahrtüchtigkeit" den aktuellen Zustand des Fahrers beschreibt, ein Fahrzeug auch in schwierigen Situationen sicher zu beherrschen.

Schlaganfall als "kreislaufabhängige Störung der Gehirntätigkeit"

Ein Schlaganfall ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn und wird im Sinne der Anlage 4 zur FeV als eine "kreislaufabhängige Störung der Gehirntätigkeit" (Nr. 6.4 Anlage 4 FeV) eingestuft. Die Anlage 4 FeV umfasst keinen direkten Eintrag zum Schlaganfall, was bedeutet, dass nach einem Schlaganfall nicht automatisch ein Fahrverbot ausgesprochen wird. Allerdings können die gesundheitlichen Folgen eines Schlaganfalls die Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigen.

Mögliche Auswirkungen eines Schlaganfalls auf die Fahrtüchtigkeit

Ein Schlaganfall kann verschiedene Beeinträchtigungen verursachen, die die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflussen können:

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  • Motorische Einschränkungen: Lähmungen oder Schwächen von Gliedmaßen können die Steuerung von Gas, Bremse und Lenkrad erschweren oder unmöglich machen.
  • Sensibilitätsstörungen: Beeinträchtigungen der Sensibilität können das Gefühl für die Pedale und das Lenkrad beeinträchtigen.
  • Sehstörungen: Gesichtsfeldausfälle oder Doppelbilder können die Wahrnehmung des Straßenverkehrs einschränken.
  • Kognitive Störungen: Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen können die Fähigkeit beeinträchtigen, komplexe Verkehrssituationen zu erfassen und angemessen zu reagieren.
  • Sprachstörungen: Kommunikationsprobleme können die Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern erschweren.
  • Epileptische Anfälle: In einigen Fällen kann ein Schlaganfall zu epileptischen Anfällen führen, die einen plötzlichen Kontrollverlust über das Fahrzeug verursachen können.

Beurteilung der Fahreignung nach einem Schlaganfall

Die Beurteilung der Fahreignung nach einem Schlaganfall ist eine individuelle Entscheidung, die von verschiedenen Faktoren abhängt:

  • Art und Schwere des Schlaganfalls: Ein leichter Schlaganfall mit geringen oder vollständig remittierenden Symptomen hat in der Regel weniger Auswirkungen auf die Fahreignung als ein schwerer Schlaganfall mit bleibenden Schäden.
  • Vorhandene Einschränkungen: Die Art und der Grad der vorhandenen motorischen, sensorischen, visuellen oder kognitiven Einschränkungen sind entscheidend für die Beurteilung der Fahreignung.
  • Kompensationsmöglichkeiten: In einigen Fällen können Patienten lernen, ihre Einschränkungen durch spezielle Techniken oder Hilfsmittel zu kompensieren.
  • Fahrzeugklasse: Die Anforderungen an die Fahreignung sind je nach Fahrzeugklasse unterschiedlich. Für das Führen von Lkw oder Bussen gelten strengere Anforderungen als für Pkw.

Empfehlungen und Vorgehensweise

  1. Ärztliche Beratung: Nach einem Schlaganfall sollte man sich unbedingt von einem Arzt beraten lassen, der die gesundheitlichen Folgen des Schlaganfalls beurteilen und eine erste Einschätzung zur Fahrtüchtigkeit abgeben kann.
  2. Fachärztliche Untersuchung: In vielen Fällen ist eine fachärztliche Untersuchung durch einen Neurologen oder Verkehrsmediziner erforderlich, um die Fahreignung umfassend zu beurteilen.
  3. Neuropsychologische Testung: Bei kognitiven Beeinträchtigungen kann eine neuropsychologische Testung sinnvoll sein, um die Leistungsfähigkeit in Bezug auf Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis und Reaktionsfähigkeit zu überprüfen.
  4. Fahrverhaltensbeobachtung: In manchen Fällen kann eine Fahrverhaltensbeobachtung unter realen Verkehrsbedingungen durchgeführt werden, um die praktische Fahrtüchtigkeit zu beurteilen.
  5. Anpassung des Fahrzeugs: Bei körperlichen Einschränkungen kann eine Anpassung des Fahrzeugs an die individuellen Bedürfnisse erforderlich sein, z.B. durch den Einbau von speziellen Bedienelementen.
  6. Regelmäßige Kontrollen: Auch wenn die Fahreignung nach einem Schlaganfall wiederhergestellt wurde, sind regelmäßige ärztliche Kontrollen wichtig, um Veränderungen des Gesundheitszustandes frühzeitig zu erkennen und die Fahreignung gegebenenfalls neu zu beurteilen.

Anlage 4 FeV und Schlaganfall: Was sagt das Gesetz?

Die Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gibt vor, dass bei "kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit" wie einem Schlaganfall die Fahreignung nach erfolgreicher Therapie und Abklingen des akuten Ereignisses ohne Rückfallgefahr wieder gegeben sein kann (Nr. 6.4). Diese Regelung bezieht sich auf die Fahrerlaubnisklassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T. Für die Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE und D1E ist die Fahreignung nach einem Schlaganfall in der Regel nicht mehr gegeben.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die in der Anlage 4 FeV genannten Bewertungen für den Regelfall gelten. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder Verhaltensänderungen sind möglich (Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 FeV). In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich von einem im Fahrerlaubnisrecht erfahrenen Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Besonderheiten für Fahrlehrer

Für Fahrlehrer gelten besondere Bestimmungen. Nach § 11 Absatz 1 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) müssen Fahrlehrer alle fünf Jahre die erforderliche körperliche und geistige Eignung nachweisen. Ein Schlaganfall kann die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen C und D und damit die Fahrlehrerlaubnis in Frage stellen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Behörde die Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 FeV übersieht und Kompensationsmöglichkeiten des Fahrlehrers nicht berücksichtigt. In solchen Fällen kann es sich lohnen, gegen einen Widerruf der Fahrlehrerlaubnis vorzugehen.

Verkehrssicherheit und Eigenverantwortung

Auch wenn die Anlage 4 FeV keinen direkten Eintrag zum Schlaganfall enthält, sollte man sich seiner Verantwortung bewusst sein und die eigene Fahrtüchtigkeit kritisch hinterfragen. Das Führen eines Fahrzeugs erfordert den konzentrierten Einsatz aller Sinne und eine uneingeschränkte Reaktionsfähigkeit. Wer sich nach einem Schlaganfall nicht mehr sicher fühlt oder Schwierigkeiten beim Fahren hat, sollte auf das Führen von Kraftfahrzeugen verzichten.

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Verkehrsunfälle nach kardiovaskulären Ereignissen

Kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Schlaganfall, können durch plötzlichen Kontrollverlust des Fahrers zu Verkehrsunfällen führen. Zerebrale Durchblutungsstörungen, wie sie beim Schlaganfall auftreten, können zu Synkopen oder plötzlichem Herztod führen. Es ist daher wichtig, die Risiken zu kennen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Statistiken zeigen, dass Krankheiten als Ursache für Verkehrsunfälle nicht unerheblich sind. Obwohl die genaue Häufigkeit schwer zu erfassen ist, deuten Studien darauf hin, dass ein signifikanter Anteil der Verkehrsunfälle auf plötzliche Erkrankungen des Fahrers zurückzuführen ist. Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen dabei eine wichtige Rolle, insbesondere bei älteren Fahrern.

Risikostratifizierung

Zur Risikostratifizierung der Fahreignung bei kardiovaskulären Erkrankungen hat sich die "risk of harm"-Formel der Kanadischen Gesellschaft für Kardiologie etabliert. Diese Formel berücksichtigt die Zeit am Steuer, die Art des Fahrzeugs und die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Kontrollverlustes. Bei Berufsfahrern wird von Fahrungeeignetheit ausgegangen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Kontrollverlustes > 1 % pro Jahr liegt, bei Privatfahrern > 22 % pro Jahr.

Informations- und Schweigepflicht des Arztes

Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, seinen Patienten über eine fehlende Fahreignung zu unterrichten und die Information zu dokumentieren (§ 630 BGB). Ein Unterlassen dieser Information wird als Behandlungsfehler gewertet. Wegen der Schweigepflicht informiert der Arzt jedoch nur den Patienten über eine fehlende Fahreignung; eine Mitteilung an Behörden ist nicht erlaubt. In Extremfällen akuter Gefahr kann der Arzt jedoch von der Schweigepflicht entbunden sein und die Polizei informieren.

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