Fokale neurologische Auffälligkeiten bezeichnen Symptome, die auf eine Störung in einem bestimmten Bereich des Nervensystems hinweisen. Diese Auffälligkeiten können vielfältige Ursachen haben und sich unterschiedlich äußern, abhängig davon, welche Hirnregion betroffen ist. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen fokaler neurologischer Auffälligkeiten, insbesondere im Kontext von Dystonie und Schlaganfall, und stellt Diagnose- und Therapieansätze vor.
Was sind fokale neurologische Auffälligkeiten?
Fokale neurologische Defizite sind spezifische neurologische Symptome, die auf eine Schädigung oder Funktionsstörung in einem begrenzten Bereich des Gehirns, des Rückenmarks oder der peripheren Nerven zurückzuführen sind. Diese Defizite können sich in Form von motorischen, sensorischen oder kognitiven Beeinträchtigungen äußern und geben wichtige Hinweise auf die Lokalisation der zugrunde liegenden Ursache.
Ursachen fokaler neurologischer Auffälligkeiten
Die Ursachen für fokale neurologische Auffälligkeiten sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden.
Vaskuläre Ursachen
Eine häufige Ursache sind vaskuläre Ereignisse wie Schlaganfälle. Hierbei kommt es entweder zu einer Minderversorgung eines Hirnareals (ischämischer Schlaganfall) oder zu einer Blutung (hämorrhagischer Schlaganfall). Beide Ereignisse können zu spezifischen neurologischen Ausfällen führen, die von der betroffenen Hirnregion abhängen.
- Ischämischer Schlaganfall: Ein ischämischer Schlaganfall entsteht durch den Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn, wodurch die Sauerstoffversorgung unterbrochen wird. Die Symptome sind sehr variabel und hängen vom betroffenen Areal ab. Typische Symptome bei Beteiligung der A. cerebri media sind brachiofazial betonte, kontralaterale sensible und/oder motorische Ausfälle (Hemiparese/Hemiplegie). Bei Beteiligung der A. cerebri anterior können Verwirrtheit und sensible/motorische Ausfälle vor allem der unteren Extremität auftreten.
- Hämorrhagischer Schlaganfall: Eine Blutung im Gehirn kann ebenfalls zu fokalen neurologischen Defiziten führen, indem sie Druck auf umliegendes Gewebe ausübt und die normale Funktion beeinträchtigt.
Transitorische ischämische Attacke (TIA)
Eine Sonderform stellt die transitorische ischämische Attacke (TIA) dar. Hierbei kommt es zu einem spontan rückläufigen fokal-neurologischen Defizit ohne Ischämiezeichen in der Bildgebung. Die Symptome bilden sich meist innerhalb von Minuten zurück. Häufige Ursachen sind Vorhofflimmern und Carotisstenose.
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Dystonie
Eine weitere Ursache für fokale neurologische Auffälligkeiten ist die Dystonie. Bei einer Dystonie handelt es sich um eine Bewegungsstörung, die vermutlich durch Störungen der für die Steuerung der Motorik zuständigen Hirnzentren entsteht. Charakteristisch ist eine unwillkürliche, andauernde oder zeitweise Verkrampfung der Muskulatur, die zu Verdrehungen und Fehlstellungen des Körpers führen kann.
- Fokale Dystonie: Betrifft nur einzelne Regionen wie Hals (zervikale Dystonie), Gesicht (Blepharospasmus) oder Arme (Schreibkrampf, Musikerdystonie).
- Generalisierte Dystonie: Betrifft den gesamten Körper einschließlich des Rumpfes.
Musikerdystonie (MD)
Die Musikerdystonie ist eine spezielle Form der fokalen Dystonie, die bei Musikern auftritt und zu einem Verlust der Koordinations- und Kontrollfähigkeit der Muskulatur beim Spielen des Instruments führt. Etwa 1-2 % der professionellen Musiker sind betroffen.
Entzündliche Ursachen
Entzündliche Prozesse im Nervensystem können ebenfalls zu fokalen neurologischen Ausfällen führen.
- Myelitis: Eine Entzündung des Rückenmarks kann zu einer Querschnittssymptomatik führen. Ursachen können immunologischer Natur sein (z.B. Multiple Sklerose, Neuromyelitis optica-Spektrum) oder viral bzw. bakteriell bedingt sein.
Andere Ursachen
Neben den genannten Ursachen gibt es weitere Faktoren, die fokale neurologische Auffälligkeiten verursachen können:
- Tumore: Hirntumore können durch Druck auf umliegende Hirnstrukturen oder durch Infiltration des Gewebes fokale Ausfälle verursachen.
- Traumata: Verletzungen des Gehirns oder Rückenmarks können zu direkten Schädigungen von Nervenzellen und somit zu neurologischen Defiziten führen.
- Infektionen: Infektionen des Nervensystems, wie z.B. Enzephalitis oder Meningitis, können Entzündungen verursachen und die Funktion bestimmter Hirnbereiche beeinträchtigen.
- Genetische Faktoren: Bei einigen neurologischen Erkrankungen spielen genetische Faktoren eine Rolle. Dies gilt insbesondere für Dystonien, bei denen in einigen Fällen eindeutige genetische Ursachen identifiziert werden konnten.
- Hippokampussklerose, Gliosen, Gliome, Hamartome: Diese strukturellen Veränderungen im Gehirn können ebenfalls fokale neurologische Auffälligkeiten verursachen, insbesondere wenn sie in funktionell wichtigen Arealen lokalisiert sind.
- Blutungen: Blutungen im Gehirn, einschließlich subarachnoidaler Blutungen, können durch direkten Druck und Schädigung des Hirngewebes neurologische Defizite verursachen.
Diagnose fokaler neurologischer Auffälligkeiten
Die Diagnose fokaler neurologischer Auffälligkeiten erfordert eine umfassende neurologische Untersuchung und den Einsatz bildgebender Verfahren.
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Anamnese und klinische Untersuchung
Zu Beginn steht eine ausführliche Anamnese, in der der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erfragt und die aktuellen Beschwerden detailliert erfasst. Anschließend erfolgt eine gründliche neurologische Untersuchung, bei der verschiedene Funktionen des Nervensystems überprüft werden.
- BE FAST Screening: Bei Verdacht auf Schlaganfall wird das BE FAST-Schema angewendet, um schnell typische Symptome zu erkennen (Balance, Eyes, Face, Arms, Speech, Time).
- RACE Score: Der RACE Score dient zur Einschätzung, ob ein proximaler Gefäßverschluss vorliegt, der von einer frühzeitigen Thrombektomie profitieren könnte.
- NIHSS Score: Der NIHSS Score (National Institutes of Health Stroke Scale) dient zur Quantifizierung der Schlaganfallschwere und hilft bei der Beurteilung des neurologischen Zustands.
- Untersuchung bei Verdacht auf Fazialisparese: Hier werden Stirnrunzeln,Augen schließen und Zähne zeigen geprüft.
Bildgebende Verfahren
- CCT (kraniale Computertomographie): Wird häufig als erste bildgebende Untersuchung bei Verdacht auf Schlaganfall eingesetzt, um Blutungen auszuschließen.
- CTA (CT-Angiographie): Dient zur Darstellung der Blutgefäße im Gehirn und kann Gefäßverschlüsse oder -verengungen aufdecken.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Ermöglicht eine detailliertere Darstellung des Hirngewebes und kann Ischämien, Tumore, Entzündungen oder andere strukturelle Veränderungen sichtbar machen. Bei unklarem Zeitfenster für eine Thrombolyse kann eine CT-Perfusion oder MRT mit MR-Perfusion durchgeführt werden, um rettbares Hirngewebe nachzuweisen.
- EEG (Elektroenzephalographie): Kann bei Verdacht auf epileptische Anfälle durchgeführt werden, um die Hirnaktivität zu messen und Auffälligkeiten festzustellen.
Weitere diagnostische Maßnahmen
- Lumbalpunktion: Kann bei Verdacht auf entzündliche oder infektiöse Erkrankungen des Nervensystems durchgeführt werden, um das Nervenwasser zu untersuchen.
- Genetische Untersuchung: Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Dystonie kann eine genetische Untersuchung durchgeführt werden, um spezifische Mutationen zu identifizieren.
- EKG (Elektrokardiogramm): Zum Ausschluss von Vorhofflimmern als Ursache einer TIA oder eines Schlaganfalls.
- Doppler-/Duplex-Sonographie der Karotiden: Zum Ausschluss einer Carotisstenose als Ursache einer TIA oder eines Schlaganfalls.
Therapie fokaler neurologischer Auffälligkeiten
Die Therapie fokaler neurologischer Auffälligkeiten richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Ausmaß der Beschwerden.
Akuttherapie bei Schlaganfall
Bei einem akuten Schlaganfall ist eine schnelle Behandlung entscheidend, um das Ausmaß der Schädigung zu begrenzen.
- Thrombolyse: Bei einem ischämischen Schlaganfall kann eine Thrombolyse mit Alteplase oder Tenecteplase innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn durchgeführt werden, um das Blutgerinnsel aufzulösen und die Durchblutung wiederherzustellen.
- Thrombektomie: Bei einem schweren ischämischen Schlaganfall mit großem Gefäßverschluss kann eine Thrombektomie durchgeführt werden, um das Blutgerinnsel mechanisch zu entfernen.
- Blutdruckmanagement: Der Blutdruck wird je nach geplanter Therapie angepasst. Bei geplanter Thrombolyse sollte der systolische Blutdruck unter 185 mmHg liegen.
Therapie der Dystonie
Die Behandlung der Dystonie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Botulinumtoxin-Injektionen: Fokale Dystonien werden häufig mit Botulinumtoxin-Injektionen behandelt, um die betroffenen Muskeln zu entspannen und unwillkürliche Bewegungen zu reduzieren.
- Medikamentöse Therapie: Generalisierte Dystonien erfordern oft eine medikamentöse Therapie mit Muskelrelaxantien oder Anticholinergika.
- Tiefe Hirnstimulation (THS): In schweren Fällen kann eine tiefe Hirnstimulation in Erwägung gezogen werden, um die gestörte Signalübertragung in den Basalganglien zu regulieren.
- Physiotherapie und Ergotherapie: Können helfen, gezielte Bewegungsmuster zu trainieren und die Muskeln zu stabilisieren.
- Sensorische Tricks: Können unwillkürliche Bewegungen vorübergehend verringern.
Therapie der Fazialisparese
Die Therapie der Fazialisparese richtet sich nach der Ursache.
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- Idiopathische Fazialisparese (Bell's Palsy): Wird häufig mit Prednisolon behandelt, um die Entzündung des Gesichtsnervs zu reduzieren.
- Zoster oticus: Wird mit Aciclovir oder Valaciclovir in Kombination mit Prednisolon behandelt.
- Neuroborreliose: Wird mit Ceftriaxon behandelt.
Weitere therapeutische Maßnahmen
- Behandlung von Tumoren: Hirntumore werden je nach Art und Lage operativ entfernt, bestrahlt oder mit Chemotherapie behandelt.
- Behandlung von Entzündungen: Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems werden mit entzündungshemmenden oder immunsuppressiven Medikamenten behandelt.
- Physiotherapie und Rehabilitation: Nach einem Schlaganfall oder einer anderen neurologischen Erkrankung ist eine umfassende Rehabilitation wichtig, um verloren gegangene Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern.
Prävention
Einige Risikofaktoren für fokale neurologische Auffälligkeiten können beeinflusst werden, um das Risiko zu verringern.
- Schlaganfallprävention: Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung, Nikotinverzicht und moderatem Alkoholkonsum kann das Risiko für einen Schlaganfall reduzieren. Zudem ist eine gute Einstellung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen wichtig.
- Vorbeugung von Infektionen: Impfungen und Hygienemaßnahmen können das Risiko für Infektionen des Nervensystems verringern.
- Vermeidung von Traumata: Das Tragen von Schutzhelmen bei sportlichen Aktivitäten und die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften im Straßenverkehr können das Risiko für traumatische Hirn- oder Rückenmarksverletzungen reduzieren.
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