Einleitung
Die Demenz, insbesondere die Alzheimer-Krankheit, stellt eine wachsende globale Herausforderung dar. Da es derzeit keine heilende Therapie gibt, rückt die Prävention immer stärker in den Fokus. Die Rolle von Nährstoffen, insbesondere Folsäure, bei der Erhaltung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter wird intensiv erforscht. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage zum Thema Folsäure und Demenz, wobei sowohl präventive als auch therapeutische Aspekte berücksichtigt werden.
Was ist Demenz?
Demenz bezeichnet den Abbau kognitiver Fähigkeiten, der mit zum Teil massiven Einschränkungen im täglichen Leben einhergeht. Nach Angaben der WHO leiden weltweit 55 Millionen Menschen an Demenz, und jährlich kommen schätzungsweise 10 Millionen neue Fälle hinzu. Derzeit ist Demenz die siebthäufigste Todesursache weltweit. Das Krankheitsbild der Demenz ist komplex und vielfältig.
Homocystein und Demenz: Ein wichtiger Zusammenhang
Die Einschränkung kognitiver Fähigkeiten im Alter bis hin zur Demenz, einschließlich der Alzheimer-Demenz (AD), ist nach zahlreichen Studien mit einer Erhöhung des Homocysteinspiegels assoziiert. Homocystein ist eine nicht-proteinogene, schwefelhaltige Aminosäure, die als Intermediärprodukt im Methioninstoffwechsel entsteht. Es kann entweder zu Methionin remethyliert oder zu Cystathionin transsulfuriert werden. Eine dauerhaft erhöhte Homocysteinkonzentration im Blut stört verschiedene wichtige Stoffwechselprozesse und ist als eigenständiger Risikofaktor mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems assoziiert.
Zur Senkung erhöhter Homocystein-Konzentrationen hat sich die Gabe von B-Vitaminen (B6, B12, Folsäure) bewährt. Eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten durch B-Vitamine ist jedoch abhängig von der Versorgungslage mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren.
Folsäure und Homocystein: Der Schlüssel zur kognitiven Gesundheit?
Folsäure spielt eine zentrale Rolle im Homocystein-Stoffwechsel. Sie ist notwendig für die Remethylierung von Homocystein zu Methionin. Ein Mangel an Folsäure kann zu einem Anstieg des Homocysteinspiegels führen, was wiederum das Risiko für kognitive Einschränkungen und Demenz erhöhen kann.
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Studienlage zu Folsäure und Demenz
Die Studienlage zum Thema Folsäure und Demenz ist komplex und nicht immer einheitlich. Einige Studien deuten auf einen positiven Effekt von Folsäure auf die kognitive Leistungsfähigkeit hin, während andere keine signifikanten Zusammenhänge finden.
Positive Ergebnisse:
- Eine Studie ergab, dass ältere Personen durch Folsäure möglicherweise ihre kognitive Leistungsfähigkeit bewahren oder sogar verbessern können. In dieser Untersuchung nahmen Personen im Alter von 50 und 70 Jahren teil, die erhöhte Plasmakonzentrationen von Homozystein (> 13 mmol/L) aufwiesen. Durch die Gabe von Folsäure erhöhte sich die Plasmakonzentration von Folsäure um 576 %, und die Homozystein-Werte sanken um 26 %. Am Studienende schnitt die Verumgruppe bei der Gedächtnisleistung, der Informationsverarbeitung und der sensorimotorischen Geschwindigkeit signifikant besser ab als die Kontrollen.
- Die VITACOG-Studie (Smith et al., 2010) zeigte, dass die Gabe von 0,8 mg Folsäure + 0,5 mg Vitamin B12 + 20 mg Vitamin B6 über 2 Jahre bei Patienten über 70 Jahren mit milden kognitiven Einschränkungen die Hirn-Atrophie-Rate im Vergleich zu Placebo um ca. 30 % reduzierte. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt im Quartil mit den höchsten Homocystein-Konzentrationen (> 13.0 µmol/l).
Neutrale oder negative Ergebnisse:
- Eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, kontrollierte Studie fand heraus, dass die hoch dosierte Gabe von Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 nicht in der Lage war, das Fortschreiten einer Alzheimer-Krankheit aufzuhalten (Aisen et al.).
Wichtige Faktoren bei der Bewertung der Studienlage
Bei der Bewertung der Studienlage zu Folsäure und Demenz müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden:
- Homocysteinspiegel: Die meisten Studien, die einen positiven Effekt von Folsäure zeigen, wurden an Personen mit erhöhten Homocysteinspiegeln durchgeführt. Es ist daher unklar, ob Folsäure auch bei Personen mit normalen Homocysteinwerten wirksam ist.
- Kognitiver Zustand: Einige Studien konzentrieren sich auf Personen mit bereits bestehenden kognitiven Einschränkungen oder milder Alzheimer-Demenz. Die Ergebnisse können nicht unbedingt auf gesunde ältere Menschen übertragen werden.
- Dosierung und Dauer der Supplementierung: Die Dosierung von Folsäure und die Dauer der Supplementierung variieren zwischen den Studien. Es ist möglich, dass eine bestimmte Dosierung oder Dauer erforderlich ist, um einen positiven Effekt zu erzielen.
- Weitere Nährstoffe: Die Wirkung von Folsäure kann durch andere Nährstoffe beeinflusst werden, insbesondere durch Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren.
Die Rolle von Omega-3-Fettsäuren
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die Kombination von Folsäure und Omega-3-Fettsäuren einen synergistischen Effekt auf die kognitive Funktion haben kann. So zeigte eine Auswertung der VITACOG-Studie (Oulhaj et al., 2016), dass die B-Vitamin-Gabe im Vergleich zu Placebo bei Probanden mit hohen Konzentrationen von langkettigen Omega-3-Fettsäuren die Hirnatrophie-Rate um 40 % verminderte, während sich keine signifikante Verbesserung bei den Probanden mit niedrigen Konzentrationen dieser Fettsäuren ergab.
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Genetische Faktoren
Die Ergebnisse waren unabhängig vom initialen Folsäurestatus und dem C677T-Polymorphismus der Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR), der mit erhöhten Homocysteinspiegeln assoziiert ist. Allerdings ergab eine Meta-Analyse (Hu et al., 2016) auf der Basis von 34 Studien mit Mendel’scher Randomisierung bezüglich des C677T Polymorphismus im MTHFT-Gen ein durchschnittlich 37 % höheres Alzheimer-Risiko für die TT-Allele (die für eine Homocystein-Erhöhung determiniert) gegenüber der CC-Allele.
Folsäureanreicherung von Lebensmitteln: Ein kontroverses Thema
In den USA und einigen anderen Ländern werden Getreideprodukte mit Folsäure angereichert, um Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen vorzubeugen. Diese Maßnahme ist jedoch umstritten, da eine hohe Folsäurezufuhr einen Vitamin-B12-Mangel maskieren und neuropsychiatrische Folgen verschlimmern kann.
Empfehlungen zur Folsäureeinnahme
Die D.A.CH.-Liga Homocystein (Stanger et al., 2003) empfiehlt folgende tägliche Dosierungen:
- Folsäure: 200-800µg
- Vitamin B 12: 3-100 µg
- Vitamin B6: 2-6 mg
Sollte nach 4-6 Wochen keine Absenkung des Homocysteins unter 10 µmol/l erreicht werden, kann eine Dosiserhöhung wie folgt empfohlen werden:
- Folsäure: 1-5 mg
- Vitamin B12: 100-600 µg
- Vitamin B6: 6-25 mg
Für die längerkettigen Omega-3-Fettsäure kann eine orientierende Empfehlung von 1 g/die EPA + DHA genannt werden.
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Orthomolekulare Medizin zur Demenz-Prävention
Die orthomolekulare Medizin setzt auf die gezielte Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Mikronährstoffen, um die Gehirngesundheit aktiv zu unterstützen und das Risiko für Demenz nachweislich zu senken. Studien zeigen, dass bestimmte Nährstoffe und Lebensstilfaktoren nicht nur das Fortschreiten einer beginnenden Demenz verlangsamen, sondern auch präventiv wirken - vor allem, wenn sie frühzeitig und individuell abgestimmt eingesetzt werden.