Frontotemporale Demenz: Informationen und Hilfsangebote für Angehörige

Die Frontotemporale Demenz (FTD), früher auch als Morbus Pick bekannt, ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, die oft in einem jüngeren Lebensalter beginnt, meist vor dem 65. Lebensjahr. Sie betrifft vor allem den Stirn- (Frontal-) und Schläfenlappen (Temporal-) des Gehirns und führt zu Veränderungen in Verhalten, Persönlichkeit und Sprache. Für Angehörige von Menschen mit FTD bedeutet dies oft eine große Herausforderung. Dieser Artikel bietet umfassende Informationen zur FTD und stellt Hilfsangebote für Angehörige vor.

Was ist Frontotemporale Demenz (FTD)?

Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine fortschreitende Erkrankung, bei der Nervenzellen in bestimmten Bereichen des Gehirns absterben. Betroffen sind vor allem der Frontal- und Temporallappen, die für wichtige Funktionen wie Sozialverhalten, Verhaltenskontrolle, Sprache und Sprachverständnis zuständig sind. Die FTD macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen unter 65 Jahren aus.

Ursachen und Häufigkeit

Die genauen Ursachen für den Untergang der Nervenzellen bei FTD sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen können. Etwa 10 bis 15 Prozent aller FTD-Fälle sind genetisch bedingt. In rund 60 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung ohne erkennbare Vorbelastung auf (sporadische FTD). In rund 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung.

Die FTD ist mit drei bis neun Prozent aller Demenzerkrankungen vergleichsweise selten. Im Vergleich zur Alzheimer-Demenz, die etwa 70 Prozent aller Demenzerkrankungen ausmacht, tritt die FTD jedoch häufiger bei jüngeren Menschen auf. Sie beginnt meist zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr, kann aber auch früher oder später auftreten (zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr).

Unterschiede zur Alzheimer-Demenz

Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz, bei der vor allem das Gedächtnis beeinträchtigt ist, stehen bei der FTD Veränderungen im Verhalten, der Persönlichkeit und der Sprache im Vordergrund. Gedächtnisstörungen treten meist erst im späteren Verlauf der Erkrankung auf. Zudem beginnt die FTD oft in einem jüngeren Alter als die Alzheimer-Demenz.

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Der tschechische Psychiater und Neurologe Arnold Pick (1851-1924) beschrieb 1892 als erster die frontotemporale Demenz und grenzte sie von der Alzheimer-Demenz ab. Pick entdeckte, dass bei Menschen mit solch schweren Sprach- und Verhaltensstörungen Stirnhirn (Frontallappen) und Schläfenlappen (Temporallappen) geschädigt waren. Die Erkrankung wurde zunächst als Morbus Pick benannt, eine Bezeichnung, die heute nicht mehr gebräuchlich ist.

Symptome der Frontotemporalen Demenz

Die Symptome der FTD können sehr vielfältig sein und von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägt sein. Sie hängen davon ab, welche Gehirnbereiche betroffen sind und welche Funktionen dadurch beeinträchtigt werden. Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptvarianten der FTD unterscheiden: die Verhaltensvariante (bvFTD) und die Sprachvariante (PPA).

Verhaltensvariante (bvFTD)

Bei der Verhaltensvariante der FTD stehen Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit im Vordergrund. Typische Symptome sind:

  • Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
  • Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder tägliches Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: Betroffene sehen oft nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.

Sprachvariante (PPA)

Bei der Sprachvariante der FTD stehen Sprachstörungen im Vordergrund. In der Medizin wird die Sprachvariante der FTD unter dem Fachbegriff primär progressive Aphasien zusammengefasst. Es werden drei Unterformen unterschieden:

  • Semantische Variante: Schwierigkeiten, Wörter zu verstehen und Gegenstände zu benennen.
  • Nicht-flüssige/agrammatische Variante: Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen und Sätze zu bilden.
  • Logopenische Variante: Schwierigkeiten, die richtigen Wörter zu finden.

Weitere Symptome

Neben den typischen Symptomen der Verhaltens- und Sprachvarianten können bei FTD auch weitere Symptome auftreten, wie z.B.:

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  • Bewegungsstörungen: Veränderte Körperhaltung, Gangstörungen, Muskelsteifheit.
  • Schlafstörungen: Ein- und Durchschlafstörungen, Müdigkeit.
  • Schluckbeschwerden: Erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen.

Diagnose der Frontotemporalen Demenz

Die Diagnose der FTD kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und anderen Erkrankungen ähneln können. Es gibt kein einzelnes Verfahren, das FTD eindeutig nachweisen kann. Die Diagnose erfolgt daher in mehreren Schritten:

  1. Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Prüfung der kognitiven Fähigkeiten.
  2. Befragung der Angehörigen: Einschätzungen aus dem Umfeld sind besonders wichtig, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
  3. Neuropsychologische Tests: Erfassung spezifischer Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten.
  4. Bildgebende Verfahren: MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar machen.
  5. Genetische Untersuchung: Bei familiärer Häufung kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
  6. Liquoruntersuchung: Zum Ausschluss anderer Erkrankungen.

Behandlung und Therapie

Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Es gibt auch keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen können. Die Behandlung zielt daher darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern.

Medikamentöse Behandlung

Bestimmte Symptome wie Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten können mit Medikamenten wie Beruhigungsmitteln oder Antidepressiva gelindert werden. Diese Medikamente können jedoch auch Nebenwirkungen haben.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapieformen können ebenfalls helfen, einige Symptome zu mildern. Dazu gehören:

  • Logopädie: Bei Sprachstörungen.
  • Ergotherapie: Bei Problemen mit Bewegung und Koordination.
  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit.
  • Psychotherapie: Zur Bewältigung von Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Problemen.
  • Musik- und Kunsttherapie: Zur Förderung der Kreativität und des Ausdrucks.

Weitere Maßnahmen

Neben den genannten Therapien gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit FTD länger körperlich und geistig aktiv bleiben:

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  • Regelmäßige Bewegung: Sportliche Aktivitäten wie Walking, Tanzen oder Gymnastik können die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung verbessern.
  • Geistige Aktivierung: Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln können die geistige Fitness fördern.
  • Soziale Kontakte: Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe können Halt geben und das Gehirn aktivieren.
  • Strukturierter Tagesablauf: Ein geregelter Tagesablauf kann Sicherheit geben und Verwirrung reduzieren.
  • Demenzgerechtes Zuhause: Anpassung des häuslichen Umfelds zur Erhöhung der Sicherheit und Schaffung einer Wohlfühlatmosphäre.

Herausforderungen für Angehörige

Das Zusammenleben mit einem Menschen, der an FTD erkrankt ist, bedeutet für die Angehörigen eine enorme Belastung. Vor allem die Verhaltensauffälligkeiten, die fehlende Empathie und der Mangel an Interesse an Angehörigen und Freunden sind oft schwer auszuhalten. Auch die Tatsache, dass die Betroffenen oft keine Krankheitseinsicht zeigen, erschwert den Umgang.

Umgang mit schwierigen Situationen

Gerade bei Menschen mit der Verhaltensvariante der FTD kann es immer wieder zu eskalierenden Situationen kommen, in denen die Betroffenen verbal oder körperlich aggressiv reagieren. In solchen Momenten ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und nicht zu versuchen, die Person vom eigenen Fehlverhalten zu überzeugen. Es kann hilfreich sein, die Situation zu verlassen oder abzulenken.

Selbstfürsorge

Für Angehörige ist es wichtig, auch auf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu achten. Sie sollten sich nicht überlasten und sich regelmäßig Auszeiten gönnen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.

Hilfsangebote für Angehörige

Es gibt zahlreiche Hilfsangebote für Angehörige von Menschen mit FTD. Dazu gehören:

  • Beratungsstellen: Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und andere Organisationen bieten umfassende Informationen und Beratung zu FTD.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr entlastend sein und neue Perspektiven eröffnen. Bundesweit gibt es rund 35 FTD-Angehörigengruppen. Seit Anfang 2023 gibt es auch eine Online-Angehörigengruppe in Oberfranken, die zweimonatlich stattfindet. Eine neue Angehörigengruppe richtet sich speziell an Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, bei denen ein Elternteil an Demenz erkrankt ist.
  • Gesprächskreise: Das Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein bietet monatlich einen Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit FTD an.
  • Kurse und Seminare: WohlBEDACHT e.V. bietet einen Basiskurs Frontotemporale Demenz - Online für Angehörige, beruflich Pflegende und Interessierte an. Das Kompetenzzentrum Demenz bietet einen zweitägigen Kurs „Leben mit FTD - verstehen, entlasten, begleiten“ an.
  • Entlastungsangebote: Tagespflege, Kurzzeitpflege oder häusliche Betreuung können Angehörige entlasten und ihnen Freiräume schaffen.
  • Deutsche Gesellschaft für Frontotemporale Degeneration e.V. (DGFTD): Die DGFTD bietet umfassende Unterstützung für Menschen mit FTD und ihre Angehörigen. Sie veranstaltet regelmäßig ein Angehörigenforum, um den Austausch und die Vernetzung zu fördern.
  • Ankerpunkt Junge Demenz: Ein Projekt der Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e.V. und des Kompetenzzentrums Demenz, das sich an Menschen unter 65 Jahren mit Demenz und ihre Angehörigen richtet.

Ankerpunkt Junge Demenz in Schleswig-Holstein

Der Ankerpunkt Junge Demenz ist ein Projekt der Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e.V. und des Kompetenzzentrums Demenz und richtet sich an Menschen unter 65 Jahren mit Demenz und ihre Angehörigen. Ziel ist es, ihnen einen Ort der Entlastung, Information und Begegnung zu bieten -mit Angeboten, die wirklich zu ihrer Lebenssituation passen.

Den Auftakt für den Ankerpunkt junge Demenz für Schleswig-Holstein bilden zwei Angebote zum Krankheitsbild Frontotemporale Demenz. Bis zum 18. Juli können interessierte An- und Zugehörige sich zu dem zweitägigen Kurs „Leben mit FTD - verstehen, entlasten, begleiten“ anmelden. Er findet am Freitag, 25.07.2025 von 16:00 - 19:30 Uhr und am Samstag, 26.07.2025 von 10:00 - 16:30 Uhr im Mehrgenerationenhaus Volkshaus, Hürsland 2, 24536 Neumünster statt.

Ab August gibt es dann monatlich einen Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit FTD. Im Austausch mit den Mitarbeiterinnen des Kompetenzzentrums Demenz und anderen Betroffenen sollen Verständnis, Entlastung und neue Impulse für den Alltag gewonnen werden. Anmelden kann man sich zu allen oder auch nur zu einzelnen Terminen. Diese finden immer freitags statt. Online sind sie am 15.08., 17.10. und 19.12 jeweils von 16:00 bis 18:00 Uhr. Die Präsenz-Treffen gibt es im Mehrgenerationenhaus Volkshaus in Neumünster am 26.09. und 21.11.2025 von 14:00 bis 16:00 Uhr.

Rechtliche Aspekte

Im Umgang mit FTD ergeben sich auch rechtliche Fragen. Kommt ein Erkrankter aufgrund der Auswirkungen der FTD mit dem Gesetz in Konflikt, stellt sich die Frage, ob er für die Straftaten verantwortlich gemacht werden kann.

Vorsorgedokumente

Es ist ratsam, frühzeitig Vorsorgedokumente wie eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Diese Dokumente ermöglichen es dem Betroffenen, seine Wünsche für die Zukunft festzulegen und eine Person seines Vertrauens zu bevollmächtigen, Entscheidungen in seinem Namen zu treffen, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Forschung

Forschende des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) suchen nach den molekularbiologischen Ursachen für den Nervenzelltod bei frontotemporaler Demenz. Außerdem untersuchen sie den Zusammenhang zwischen Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und FTD. Für eine große FTD-Studie des DZNE werden fortlaufend und bundesweit Menschen mit (möglicher) FTD sowie deren blutsverwandte Angehörige gesucht, um Ursachen der Erkrankung zu erforschen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Expertinnen und Experten des DZNE sind therapeutische Maßnahmen wie psychosoziale Interventionen für die Pflege und Betreuung von Menschen mit frontotemporaler Demenz.

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