Funktionelle neurologische Störungen (FNS) sind ein häufiges und oft missverstandenes Problem, das echte Symptome verursacht, für die es keine offensichtliche organische Ursache gibt. Diese Symptome können sehr unterschiedlich sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Störungen nicht eingebildet sind, sondern auf einer Fehlfunktion der Informationsverarbeitung im Gehirn beruhen. Glücklicherweise sind FNS oft gut behandelbar, und viele Patienten können mit gezielter Therapie eine deutliche Besserung oder sogar Heilung erfahren.
Was sind funktionelle neurologische Störungen?
Funktionelle neurologische Störungen umfassen eine Vielzahl von Symptomen, die das Nervensystem betreffen, wie z. B. Schwindel, Zittern, Anfälle, Gedächtnisprobleme oder Lähmungen. Diese Symptome lassen sich nicht durch eine spezifische Schädigung des Nervensystems erklären. Stattdessen werden sie durch eine Kombination von neurophysiologischen und psychosozialen Faktoren verursacht. Die Symptome können von den Betroffenen nicht bewusst gesteuert werden, werden aber durch Aufmerksamkeit, Erwartungen und Emotionen beeinflusst.
In der Vergangenheit wurden diese Störungen oft als "psychogen", "psychosomatisch" oder "somatoform" bezeichnet. Diese Begriffe sind jedoch nicht mehr zeitgemäß, da sie die zugrunde liegende Pathophysiologie nicht angemessen widerspiegeln. Die Symptome treten zwar auf der Ebene der neuronalen Informationsverarbeitung auf, sind aber eng mit biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren verbunden.
PD Dr. weist darauf hin, dass funktionelle neurologische Störungen, wie z. B. funktioneller Schwindel, durch eine Fehlanpassung der Informationsverarbeitung im Gehirn entstehen.
Diagnosestellung
Die Diagnose von FNS basiert in der Regel auf dem charakteristischen klinischen Bild und spezifischen Untersuchungsbefunden. Es ist wichtig zu betonen, dass FNS nicht durch Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert werden sollten. Stattdessen sollten positive klinische Kriterien verwendet werden, die auf der Anamnese und der neurologischen Untersuchung basieren.
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Bei der neurologischen Untersuchung von Patienten mit funktionellen Störungen lassen sich alle verfügbaren Tests/Auffälligkeiten unter den zwei Hauptcharakteristika - Inkongruenz und Inkonsistenz - zusammenfassen.
- Inkongruenz: Die Symptomzusammensetzung und -ausprägung (das klinische Muster) funktioneller Bewegungsstörungen ist inkongruent, also nicht in Übereinstimmung zum einen mit neuroanatomischen oder neurophysiologischen Gesetzmäßigkeiten und zum anderen dem Beschwerdebild nicht-funktioneller neurologischer Bewegungsstörungen.
- Inkonsistenz: Die Symptome und klinischen Zeichen variieren in ihrer Schwere und Art. Die Symptome sind meist mit Beginn der körperlichen Untersuchung am stärksten ausgeprägt und nehmen an Intensität ab, sobald die Patienten ihre Aufmerksamkeit von der betroffenen Körperregion bzw. den Symptomen weglenken.
Es gibt eine Reihe spezifischer klinischer Zeichen, die auf eine FNS hindeuten können. Einige Beispiele sind:
- Entrainment: Bei Patienten mit funktionellem Tremor kann bei vorgegebenen Bewegungen der Gegenseite eine Phasenkopplung beobachtet werden.
- Give-way weakness: Plötzliches komplettes Sistieren der Kraft bei zuvor normaler Kraftentfaltung.
- Hoover-Zeichen: Bei einer funktionellen Parese des Beines kann durch bestimmte Untersuchungstechniken unter Ausnutzung kompensatorischer Bewegungsabläufe eine passagere Wiederherstellung der Kraft nachgewiesen werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass psychosoziale Faktoren zwar nicht mehr in den Diagnosekriterien der ICD-11 und DSM-V gefordert werden, aber dennoch zum Verständnis der Krankheit und zur ganzheitlichen Behandlung unverzichtbar sind.
Subgruppen funktioneller Bewegungsstörungen
Phänomenologisch lassen sich verschiedene Subgruppen funktioneller Bewegungsstörungen unterscheiden:
- Zittern: Das funktionelle Zittern ist typischerweise irregulär in Frequenz, Amplitude und Richtung.
- Gangstörungen: Patienten mit funktionellen Gangstörungen zeigen ein verlangsamtes und vorsichtiges Gehen, bei dem es zu einer starken visuellen Kontrolle des Gehens kommt.
- Schwäche/Lähmung: Bei dem Versuch der Kraftentfaltung gegen Widerstand in der betroffenen Extremität kommt es häufig zu einem Wechsel aus An- und Entspannung, welches als eine Wechselinnervation spürbar ist.
- Fehlhaltungen: Funktionelle Fehlhaltungen sind meist mit einer erheblich gesteigerten muskulären Anspannung assoziiert.
Frauen machen mehr als 70 % der Patienten mit funktionellen Bewegungsstörungen aus. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 40 Jahren. In vielen Fällen (37-80 %) treten die Symptome plötzlich und nach einem Trigger (z. B. physisches oder psychisches Trauma, Operation, andere Erkrankung, Schmerzen) auf.
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Behandlung
Die Behandlung von FNS erfordert einen multimodalen Ansatz, der verschiedene Behandlungsbausteine umfasst. Eine wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg ist, dass die Patienten die Diagnose akzeptieren. Dies ist nicht immer einfach, da sich die Patienten oft missverstanden fühlen. Es ist wichtig, den Betroffenen zu vermitteln, dass es sich auch ohne organische Ursache um eine reale Störung handelt.
Die Therapie umfasst sowohl physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Methoden. Relevante Begleitstörungen (wie Schlafstörungen, Schmerz oder Depression) werden medikamentös behandelt.
Physiotherapie
Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von FNS. Sie hilft den Patienten, die Kontrolle über ihre Körperbewegungen wiederzuerlangen und die motorischen Funktionen zu verbessern. Durch gezielte Übungen werden Bewegungsabläufe trainiert, die Koordination wird geschult und die Muskelkraft gestärkt. Auch Techniken zur Entspannung und Schmerzlinderung gehören zum Programm.
Psychotherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine Form der Psychotherapie, die darauf abzielt, dysfunktionale Denkmuster und Verhaltensweisen zu identifizieren und zu verändern. In der KVT lernen die Patienten, ihre Symptome besser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um mit Stress und emotionalen Belastungen anders als bisher umzugehen.
Ergotherapie
Die Ergotherapie unterstützt Patienten mit FNS dabei, ihre normalen Aktivitäten und beruflichen Aufgaben wieder aufzunehmen. Die Therapie konzentriert sich auf die Verbesserung der Handlungsfähigkeit. Ergotherapeuten helfen den Betroffenen, Hilfsmittel richtig einzusetzen, und beraten sie zu Anpassungen im häuslichen oder beruflichen Umfeld.
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Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Achtsamkeitsübungen können dazu beitragen, die Symptome von FNS zu reduzieren. Diese Techniken helfen den Patienten, Stress und Anspannung abzubauen, und fördern dadurch das allgemeine Wohlbefinden.
Edukation
Edukation ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von FNS. Patienten erhalten Informationen über ihre Erkrankung und lernen, wie sie ihren Alltag besser bewältigen können. Es werden Selbstmanagement-Strategien vermittelt, die den Patienten den Umgang mit ihren Symptomen erleichtern und die Selbstständigkeit fördern sollen.
Funktionelle Neurologie: Ein umfassender Ansatz
Die funktionelle Neurologie geht davon aus, dass immer das Gehirn als Ursache an einer Störung beteiligt ist - sowohl physisch als auch psychisch. Das Gehirn ist die Steuerzentrale unseres Körpers, und Störungen im Gehirn können sich auf vielfältige Weise äußern.
In der funktionellen Neurologie wird versucht, die schwächere Gehirnhälfte zu unterstützen. Dies kann durch spezifische Tests und Behandlungen erreicht werden, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten sind. In der Chiropraktik wird beispielsweise die Wirbelsäule als Zugang zum Nervensystem genutzt, um das Gehirn zu beeinflussen.
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