Gangbild bei Demenz: Ursachen, Veränderungen und therapeutische Ansätze

Bei einer Demenzerkrankung, wie beispielsweise Morbus Alzheimer, kommt es im Laufe der Zeit zu einem fortschreitenden Verlust von Gehirnfunktionen. Da das Gehirn als Steuerungszentrale des Körpers fungiert, hat dies weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, einschließlich des Gangbildes.

Einführung

Die Veränderungen im Gangbild bei Demenzpatienten sind ein wichtiges Thema, da sie nicht nur die Mobilität und Selbstständigkeit der Betroffenen beeinträchtigen, sondern auch Hinweise auf den Krankheitsverlauf und das Sturzrisiko geben können. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Veränderungen des Gangbildes bei Demenz, beginnend mit den frühen Anzeichen bis hin zu den Auswirkungen im fortgeschrittenen Stadium. Zudem werden therapeutische und präventive Ansätze zur Verbesserung der Lebensqualität von Demenzpatienten diskutiert.

Ursachen und Veränderungen des Gangbildes bei Demenz

Motorische Einschränkungen und Koordinationsschwierigkeiten

In den ersten Phasen einer Demenz stehen Gedächtnislücken, Wortfindungsstörungen und Orientierungsprobleme im Vordergrund, während körperliche Beeinträchtigungen in der Regel noch nicht auftreten. Mit fortschreitender Demenz entwickeln Patient:innen jedoch häufig Schwierigkeiten beim Gehen. Der Gang wird unsicher und schwankend, die Gangart ist eher kleinschrittig und instabil, was ein erhöhtes Sturzrisiko zur Folge hat. Es kommt zu grobmotorischen Einschränkungen und Schwierigkeiten bei der Koordination, beispielsweise greifen Betroffene häufig ins Leere oder haben Schwierigkeiten, mit beiden Händen zwei verschiedene Bewegungen gleichzeitig auszuführen.

Körperhaltung und Gesichtsausdruck

Die Körperhaltung bei Demenz im fortgeschrittenen Stadium ist eingesunken, weil Betroffene nicht mehr in der Lage sind, den Kopf aufrecht zu halten. Diese schiefe Körperhaltung geht mit einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck einher, die Gesichtszüge wirken wie eingefroren. Allmählich kommt es auch zum Verlust der Feinmotorik, sodass Tätigkeiten, die Geschick oder Präzision erfordern, ohne Unterstützung nicht mehr möglich sind. Dazu zählen beispielsweise das Essen mit Messer und Gabel, das An- und Ausziehen von Kleidung sowie das tägliche Waschen und Zähneputzen.

Harn- und Stuhlinkontinenz

Harn- und/oder Stuhlinkontinenz schränken die Selbstständigkeit bei fortgeschrittener Demenz weiter ein. Zum einen verlieren die Betroffenen aufgrund der Veränderungen in ihrem Gehirn die Kontrolle über Blase und Darm, zum anderen sind sie oftmals nicht fähig, den Weg zur Toilette zu finden und urinieren dort, wo sie sich gerade befinden.

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Schluckstörungen (Dysphagien)

Bei Demenzkranken im fortgeschrittenen Stadium ist oftmals die neurologische Steuerung jener Muskeln eingeschränkt, die am Schluckvorgang beteiligt sind. Schluckstörungen, sogenannte Dysphagien, treten daher im Zuge einer Demenz sehr oft auf. Die Folge: Betroffene verschlucken sich häufig, was das Risiko für eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) erhöht. Außerdem kann eine Dysphagie auch zur Nahrungsverweigerung und schlimmstenfalls zu Dehydrierung, Mangelernährung und damit einhergehend zu einer allgemeinen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen.

Schlaf-Wach-Rhythmus und Unruhe

Demenzkranke leiden häufig unter einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. Infolgedessen wandern sie nachts umher und sind allgemein unruhig und verwirrt. Oder aber die Schlafphasen werden immer länger und die Patient:innen haben nur noch sehr kurze aktive Wachphasen.

Veränderungen im Gehirn und ihre Auswirkungen

Bei einer Demenzerkrankung wie Alzheimer fallen im Laufe der Zeit immer mehr Gehirnfunktionen aus. Das Gehirn fungiert für den gesamten Körper als Steuerungszentrale. Die neurologische Steuerung der Muskeln, die am Schluckvorgang beteiligt sind, kann eingeschränkt sein, was zu Schluckstörungen führt.

Vaskuläre Demenz und Durchblutungsstörungen

Vaskuläre Demenz ist ein Überbegriff für Erkrankungen, bei denen die Funktion des Gehirns beeinträchtigt wird. Der Begriff „vaskulär“ leitet sich vom lateinischen Wort „vas“ für „Gefäß“ ab und bedeutet „die Blutgefäße betreffend“. Gemeinsame Ursache dieser Erkrankungen ist eine Veränderung in der Hirn-Durchblutung: Wenn sie eingeschränkt ist, können die Nervenzellen im Gehirn nicht mehr wie gewohnt arbeiten und erleiden bleibende Schäden, die unter anderem zu Gedächtnisverlusten und Konzentrationsstörungen führen können. Vaskuläre Veränderungen spielen auch bei der Alzheimer-Demenz eine Rolle. Um 20 Prozent geringer ist bei Alzheimer-Patienten die Hirndurchblutung.

Lewy-Body-Demenz

Die Lewy-Body-Demenz ist eine Form der neurodegenerativen Demenzen. Das bedeutet: Bestimmte Bereiche im Gehirn werden nach und nach geschädigt. Sie wird durch sogenannte Lewy-Körperchen in den Nervenzellen der Großhirnrinde verursacht. Lewy-Körperchen sind spezielle Eiweißablagerungen in den Nervenzellen, die bei Parkinson und Lewy-Body-Demenz auftreten - jedoch in verschiedenen Gehirnbereichen. Eines der charakteristischen Merkmale der Lewy-Körperchen-Demenz ist eine extrem stark schwankende körperliche und geistige Verfassung. Mal ist der Betroffene unternehmungslustig, mal orientierungslos und verwirrt. Die Zustände können ständig wechseln. Typisch für das Krankheitsbild sind optische und akustische Halluzinationen.

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Gangstörungen im Alter: Differentialdiagnostik und Risikofaktoren

Gangstörungen als frühes Anzeichen von Demenz

Veränderungen im Gangbild können erste Zeichen für eine Demenz sein. Bislang wurden sinkende Fitness, Stürze und andere Motorikprobleme schlicht als Zeichen von Gebrechlichkeit gewertet. Doch neue Forschungen zeigen überraschende Zusammenhänge auf. Bei Ganganalysen mithilfe eines Teppichs, der über Sensoren kleinste Abweichungen zwischen den Schritten festhält, stellte sich heraus: Je stärker die Abweichungen, desto höher das Sturzrisiko des Patienten in den kommenden Monaten.

Zusammenspiel von Gehirn und Motorik

„Das Gehirn vollbringt nicht nur intellektuelle Leistungen, sondern steuert auch motorische Prozesse“, sagt Prof. Dr. Reto Werner Kressig, Chefarzt für Geriatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel. „Ich bin daher der Meinung, dass zur Demenzfrüherkennung nicht nur die Hirnleistung gemessen, sondern auch motorische Veränderungen untersucht werden sollten. Ein Blick auf den Gang des Patienten liefert vielleicht sogar früher Hinweise als die üblichen Verfahren.“

Ganggeschwindigkeit als Indikator

Beim normalen Altern nimmt die Geschwindigkeit des Gehens kontinuierlich ab; sie verringert sich nach dem 60. Lebensjahr um etwa 1 % pro Jahr. Die Ganggeschwindigkeit hat sich als ein sehr aussagekräftiger Parameter herausgestellt, um die Gesundheit älterer Menschen zu beurteilen. Geht ein Mensch spontan langsamer als 0,6 m/s, so ist er in den allermeisten Fällen auf Hilfe angewiesen. Demgegenüber sind praktisch alle Personen, die schneller als 1 m/s gehen, selbstständig.

Risikofaktoren für Schwindel und Gangunsicherheit

Zu den wichtigsten Risikofaktoren für Stürze im Alter zählen Schwindelbeschwerden und Gangstörungen. Schwindel und Gangunsicherheit sind keine Begleiterscheinungen des normalen Alterns, sondern weisen hin auf potenzielle Defizite in den peripher- und zentral-sensorischen Funktionen (visuell, vestibulär, somatosensorisch), muskuloskeletale Insuffizienzen (Sarkopenie, Arthrosen) sowie kognitive und psychische Störungen (Demenz, Angst).

Sensorische Defizite und Gangvariabilität

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ungleichmäßigkeit des Gehens (Variabilität) bei sensorischen Defiziten insbesondere beim langsamen Gehen erhöht ist. Es ist anzunehmen, dass dann auch eine erhöhte Sturzgefahr besteht, weil die Gangvariabilität mit dem Sturzrisiko korreliert.

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Kognitive Beeinträchtigungen und Gangstörungen

Die Interaktion zwischen Gang und Kognition zeigt sich am deutlichsten bei demenzieller Entwicklung. Ältere Menschen mit einer Demenzerkrankung stürzen häufiger als gleichaltrige kognitiv Gesunde. Neuere Studien haben gezeigt, dass die Gangbeeinträchtigung ein Prädiktor für eine später auftretende Demenzerkrankung sein kann.

Angst vor Stürzen

Die Angst zu stürzen steht bei vielen älteren Patienten mit Gangunsicherheit im Vordergrund („fear of falling“). Im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollpersonen gehen ängstliche Patienten langsamer. Die Angst zu stürzen ist mit Angststörungen und Depression assoziiert und reduziert die Lebensqualität erheblich.

Muskelkraft und Sarkopenie

Der Muskelmassenverlust im höheren Alter kann bis zu einen Drittel der initialen Muskelmasse betreffen und gilt als ein etablierter Hauptrisikofaktor für Gangstörungen und Stürze. Das Syndrom aus reduzierter Muskelmasse mit funktioneller Einschränkung der Muskelfunktion wird als Sarkopenie bezeichnet.

Diagnostik von Gangstörungen bei Demenz

Ganganalyse

In den Schön Kliniken, in denen ein Ganglabor vorhanden ist, können die Defizite quantitativ erfasst und einer Diagnose zugeordnet werden. Die modernen Methoden erlauben später die Kontrolle des Behandlungserfolges.

Neurologische Untersuchung

Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.

Medizinische Demenztests

Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit, getestet.

Bildgebende Verfahren

Mit bildgebenden Verfahren wie CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) können Veränderungen im Gehirn festgestellt werden.

Uhrentest

Einige neuropsychologische Tests können Hinweise auf eine Lewy-Körper-Demenz geben. Besonders aufschlussreich sind Verfahren, die sogenannte visuell-konstruktive Fähigkeiten prüfen - also das Zusammenspiel von Sehen, Denken und Motorik. Dabei soll der Patient eine herkömmliche Uhr zeichnen - mit Ziffernblatt und Zeigern. Der Uhrentest kann helfen, frühzeitig Auffälligkeiten zu erkennen - gerade, wenn klassische Demenztests wie der Mini-Mental-Status-Test noch unauffällig bleiben.

PET und SPECT

FDG-PET und DaT-SPECT sind spezielle bildgebende Verfahren, die dabei helfen, eine Lewy-Body-Demenz von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Die FDG-PET zeigt LBD-typische Veränderungen im Hinterkopfbereich. Mit dem DaT-SPECT lassen sich LBD-typische Nervenschädigungen gut erkennen.

Therapie und Interventionen

Bewegungstherapie und Sturzprävention

Um den Verlauf einer Demenz positiv zu beeinflussen, setzt der Leiter des Universitären Zentrums für Altersmedizin am Universitätsspital und am Felix-Platter-Spital in Basel besonders auf den Effekt von Bewegung. Insbesondere T’ai Chi, Tanzen und die klavierbegleitete Dalcroze-Rhythmik - auch bekannt als Eurythmie - fördern motorisch-kognitive Fähigkeiten.

Gleichgewichtstraining

Wichtigster Baustein der Behandlung ist ein gezieltes Gleichgewichtstraining mit aktiver Gang- und Standschulung. Ziel des vestibulären Trainings ist die Verbesserung vestibulo-okulärer und vestibulo-spinaler Reflexe zur Haltungsregulation.

Medikamentöse Therapie

Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.

Nicht-medikamentöse Therapie

Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.

Kognitives Training und Gedächtnistraining

Wichtig ist eine nicht-medikamentöse Therapie, u.a. mit kognitivem Training, Bewegung, Sport, gesunde, mediterrane Ernährung, Gedächtnistraining. Dabei muss man darauf achten, übermäßige Sinnenstimulation zu vermeiden, da Menschen mit Lewy-Körperchen-Demenz äußerst sensibel auf ihre Umwelt und v.a.

Unterstützung und Entlastung für Angehörige

Wenn Sie jemanden mit Lewy-Körper-Demenz zuhause pflegen oder betreuen, können Sie im Alltag viel für diese Person tun. Von Tipps zum Umgang bis zur Entlastung für Angehörige. Lernen Sie mehr über Alzheimer & Demenz - in Ihrem Tempo und wann es Ihnen passt.

Neue Entwicklungen in der Behandlung von Demenz

Antikörpertherapie bei Alzheimer

Seit 2024 stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Ursächlich bedeutet: Sie bauen aktiv Amyloid-Plaques ab. Das sind Eiweißablagerungen im Hirn, die bei der Entstehung der Krankheit eine zentrale Rolle spielen.

Frühe Diagnose als Voraussetzung für Therapieerfolg

Wirken können derartige Therapien nur, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist eine frühe Diagnose.

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