Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Schüttellähmung (Morbus Parkinson), ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die das Bewegungszentrum im Gehirn beeinträchtigt. In einer bestimmten Hirnregion befinden sich Zellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, welcher eine entscheidende Rolle bei der Bewegungssteuerung spielt. Bei Parkinson sterben diese Dopamin-produzierenden Zellen allmählich ab. Erst wenn etwa 60 Prozent dieser Zellen abgestorben sind, treten die ersten Symptome auf.
Symptome und ihre Auswirkungen
Typische Symptome der Parkinson-Krankheit sind:
- Tremor (unwillkürliches Zittern): Ein Zittern, das meist in Ruhe auftritt.
- Rigor (Muskelsteifheit): Erhöhte Muskelspannung, die zu Steifheit und Bewegungseinschränkungen führt.
- Akinese (Bewegungsarmut): Verminderung der Spontanbewegungen.
- Bradykinese (verlangsamte Bewegungsabläufe): Verlangsamung aller Bewegungen.
Diese Symptome können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und alltägliche Aufgaben erschweren. Bewegung ist ein menschliches Grundbedürfnis und vermittelt Selbstbewusstsein und Lebensgefühl. Menschen mit Parkinson leiden jedoch unter zunehmenden Bewegungseinschränkungen, die sich auf alle Bereiche des täglichen Lebens auswirken, von der Körperpflege bis zur Zubereitung von Mahlzeiten.
Therapieansätze bei Parkinson
Die Parkinson-Therapie basiert auf vier Säulen:
- Medikamentöse Behandlung: Medikamente, die den Dopaminmangel ausgleichen, spielen eine zentrale Rolle. Diese Kombinationsbehandlungen haben in den letzten Jahrzehnten große Erfolge erzielt und werden ständig weiterentwickelt.
- Bewegungstraining und Aktivitätsübungen: Regelmäßiges Training ist essenziell, um die Wirbelsäule aufzurichten, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten, die Feinmotorik der Hände zu fördern und ein sicheres Gangbild zu bewahren.
- Begleittherapie: Diese Therapieform zielt darauf ab, dass Patienten verloren gegangene oder eingeschränkte Fähigkeiten und automatische Bewegungen wiedererlernen. Dies verbessert die Lebensqualität erheblich.
- Physiotherapie: Voraussetzung für eine erfolgreiche Physiotherapie ist die genaue Erfassung der Symptomatik und der spezifischen Funktionen aus krankengymnastischer Sicht.
Bedeutung von Bewegung und Übungen
Bewegung ist ein menschliches Bedürfnis, das Selbstbewusstsein und Lebensqualität vermittelt. Regelmäßige Bewegung und Aktivitätsübungen sind entscheidend, um die Selbstständigkeit von Parkinson-Patienten so lange wie möglich zu erhalten. Durch selbstständige oder angeleitete Übungen können Muskelkraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit gefördert werden. Dies trägt wesentlich zur Sturzprophylaxe bei.
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Übungen für den Alltag
Es gibt viele Übungen, die jederzeit und an jedem Ort durchgeführt werden können. Mäßige, aber regelmäßige (tägliche) Übungen erhalten die Beweglichkeit. Die Anzahl der Wiederholungen ist nicht so wichtig; auch wenige Übungen täglich zeigen Wirkung. Die Übungen sollten langsam und mit bewusster Atmung durchgeführt werden. Sie können allein oder mit einem Familienmitglied durchgeführt werden.
- Übungen im Liegen: Dienen hauptsächlich der Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und der Vorbeugung von Sehnen- und Muskelverkürzungen.
- Übungen im Sitzen und Stehen: Erhalten und verbessern das Gleichgewicht, die Rumpfkontrolle und -stabilität sowie die freie Schulter- und Armbeweglichkeit.
- Übungen zur Fortbewegung: Nordic Walking fördert rhythmische Bewegung und Aufrichtung.
- Hand- und Fingerübungen: Erhalten das Greifen und Halten mit der Hand und tragen zur Selbstständigkeit bei.
- Funktionsspiele: Fördern motorische Fertigkeiten und grundlegende Fähigkeiten wie Gedächtnis, Konzentration und strategisches Denken.
Gangschulung und spezifische Übungen
Ziel der Gangschulung ist die Erhaltung der selbstständigen Gehfähigkeit. Mit Gehübungen sollte frühzeitig begonnen werden, idealerweise beim Auftreten der ersten Gehprobleme.
- Einfache Gehübungen: Tägliche Spaziergänge sind empfehlenswert.
- Gehübungen in der Gruppe: Mit Musik in einem großen Raum oder Nordic Walking sind gut für Patienten mit leichten Gehstörungen geeignet. Wichtig ist die ständige Korrektur durch Therapeuten, die auf Schrittlänge, Gangspur und Armbewegung achten.
- Gehgarten (Parcours): Ein Gehgarten mit unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit und Hindernissen sowie optischen Reizen kann Alltagssituationen simulieren.
- Verlängerung der Schrittlänge: Optische Reize am Boden, Kommandos und Gehen auf dem Laufband können helfen.
- Richtiges Abrollen des Fußes: Das Auftreten mit der Ferse und das Abrollen nach vorne sollte geübt werden, da viele Parkinson-Patienten mit der Fußspitze auftreten, was zu Trippelschritten und Fallneigung führt.
- Gehhilfen: Bei schweren Gangstörungen und Sturzgefährdung sind Gehübungen mit geeigneten Hilfsmitteln wie Rollatoren sinnvoll.
Umgang mit Starthemmungen (Freezing)
Ein besonderes Problem beim Gehen sind Starthemmungen (Freezing), die im fortgeschrittenen Zustand medikamentös oft nicht beeinflussbar sind. Diese Blockaden führen dazu, dass der Patient den ersten Schritt nicht machen kann, insbesondere in Engpass-Situationen, beim Umdrehen, vor Türschwellen oder in offenen Räumen.
- Strategien zur Überwindung von Freezing:
- Vorstellung einer unsichtbaren Wand und Seitenschritt.
- Fremd- oder Eigenkommandos.
- Rhythmische Musik oder Metronom.
- Optische Reize am Boden.
- Freezing-Stöcke mit rotem Querstab oder Laserstrahl.
- Hilfe von Angehörigen (quergestellter Fuß, rhythmische Bewegung der Schulter).
Ungeduld und Zeitdruck verstärken die Starthemmung. Das gleichzeitige Ausführen anderer motorischer Leistungen erhöht die Sturzgefahr.
Sturzprophylaxe
Gleichgewichtsstörungen und Stürze sind ein großes Problem bei fortgeschrittener Parkinson-Krankheit. Neben der Krankheitsprogression spielen auch verminderte Muskelkraft und Freezing-Erscheinungen eine Rolle.
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- Übungen zur Sturzprophylaxe:
- Erlernen von kompensatorischen Ausfallschritten.
- Übungen mit direkter Hilfeleistung des Therapeuten.
- Benutzung von Abstützmöglichkeiten wie Gehbarren.
- Aufklärung und Wohnraumgestaltung:
- Vermeidung von Situationen, die die Sturzgefahr erhöhen.
- Beseitigung von Stolperfallen wie Türschwellen und losen Teppichen.
- Hilfsmittel: Auswahl und Anpassung geeigneter Hilfsmittel zur Erhöhung der Bewegungsfähigkeit und Verringerung der Sturzgefahr.
Feinmotorik
Die Behandlung der feinmotorischen Fähigkeiten ist vorwiegend Aufgabe der Ergotherapie, aber auch Bestandteil der krankengymnastischen Übungen. Hypokinese, Rigor und Tremor schränken die Feinmotorik stark ein.
- Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik:
- Dehn- und Lockerungsübungen mit den Händen.
- Geschicklichkeitsübungen.
- Training von schnell wiederholten Finger- und Handbewegungen.
- Verwendung von Hilfsmitteln wie Knete, Bällen oder Stäben.
- Steuerung schneller, wiederkehrender Drehbewegungen der Hände mit einem Metronom.
Hypomimie (mimische Verarmung)
Die Hypomimie, die eingeschränkte oder fehlende Mimik, führt dazu, dass Patienten teilnahmslos und emotional kalt wirken.
- Übungen zur Behandlung der Hypomimie:
- Übungen vor dem Spiegel, einzeln oder in der Gruppe.
- Bewegung der einzelnen Muskeln von Augenbrauen, Nase, Augenlidern, Mundwinkeln und Lippen in verschiedene Richtungen.
- Taktile Reizung (Pinsel, Berührung) der einzelnen Muskeln.
Atemübungen
Hypokinese der Atemmuskulatur, Rigor des Brustkorbes und Haltungsstörungen führen zu oberflächlicher Atmung, was Sprechstörungen verstärkt und das Risiko von Atemwegsinfekten erhöht.
- Übungen zur Verbesserung der Atmung:
- Atmungsvertiefende Übungen in Verbindung mit verbesserter Körper- und Atemwahrnehmung.
- Kontrolle der Atembewegungen durch Auflegen der Hände.
- Vergrößerung der Atemamplitude.
- Forcierte Ein- und Ausatmung mit Unterstützung durch Armbewegungen.
- Verwendung mechanischer Atemhilfen.
Krafttraining
Durch regelmäßiges Üben gegen einen Widerstand nimmt die Muskelkraft zu.
- Methoden des Krafttrainings:
- Muskel-Trainingsgeräte.
- Fahrradergometer.
- Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit.
Weitere Therapieansätze
- Musiktherapie: Wirkt positiv stimulierend auf die Stimmung und den Antrieb.
- Wassergymnastik: Auftriebskraft, Widerstand und hohe Temperatur des Wassers tragen zum Erfolg im Bewegungsbad bei.
- PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation): Eine physiotherapeutische Technik, die das Zusammenspiel zwischen Muskeln und Nervensystem verbessert.
Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)
PNF ist eine bewährte physiotherapeutische Technik, die darauf abzielt, das Zusammenspiel zwischen Muskeln und Nervensystem zu verbessern. Durch gezielte Bewegungsmuster, die oft gegen einen sanften Widerstand ausgeführt werden, wird das zentrale Nervensystem angeregt, Bewegungen bewusster zu steuern.
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Ziele von PNF:
- Aktivierung von geschwächten oder in ihrer Funktion gestörten Muskeln.
- Verbesserung der Koordination zwischen verschiedenen Muskelgruppen.
Funktionsweise von PNF:
PNF nutzt Propriozeptoren - spezialisierte Sensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken - die dem Gehirn Informationen über Position, Spannung und Bewegung der Körperteile geben. Durch gezielte Reize wie diagonale Bewegungen, rhythmische Anspannungen und Entspannungen sowie taktile und verbale Reize wird das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Muskeln optimiert.
Anwendungsbereiche von PNF:
- Schlaganfälle
- Multiple Sklerose
- Rückenmarksverletzungen
- Orthopädische Beschwerden
Vorteile von PNF bei Parkinson:
- Reduzierung von Muskelsteifheit und Förderung flüssigerer Bewegungen.
- Verbesserung der Stand- und Gangsicherheit.
- Ganzheitlicher Ansatz zur alltagstauglichen Trainingsgestaltung.
PNF-Techniken speziell für Parkinson:
- Diagonalbewegungen (D1/D2-Muster): Verbessern Koordination und Bewegungskontrolle.
- Rhythmische Stabilisation: Fördert Stabilität und Muskelkontrolle.
- Halten-Entspannen-Technik: Reduziert Muskelsteifheit und verbessert die Beweglichkeit.
Wichtig: PNF sollte immer unter Anleitung eines geschulten Physiotherapeuten durchgeführt werden.
Vorteile von PNF bei Parkinson:
- Individuelle Anpassung
- Mehr Selbstständigkeit im Alltag
- Verbesserte Muskelkontrolle und Beweglichkeit
- Langfristige Wirkung
- Fördert das Zusammenspiel von Muskeln und Nervensystem
- Geringes Verletzungsrisiko
Grenzen von PNF bei Parkinson:
- Fachpersonal erforderlich
- Nicht für jedes Parkinson-Stadium geeignet
- Regelmäßigkeit ist entscheidend
- Erfordert aktive Mitarbeit des Patienten
Weitere Tipps und Hinweise
- Regelmäßige Bewegung: Menschen mit Parkinson sollten sich möglichst viel bewegen. Geeignet sind Spazierengehen, Physio- und Ergotherapie.
- Sport und Bewegung: Können Muskelsteifheit und Bewegungsstörungen vermindern. Geeignet sind Schwimmen, Wassergymnastik, Wandern oder Nordic Walking. Sportarten mit hohem Sturzrisiko sollten vermieden werden.
- Mimiktraining: Üben Sie verschiedene Gesichtsausdrücke vor dem Spiegel, um der Verringerung der aktiven mimischen Kommunikation entgegenzuwirken.
- Entspannung: Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Atemübungen können Stress, Angst und Unsicherheit reduzieren.
- Hilfsmittel: Physiotherapie-Fachpersonal kann bei der Auswahl geeigneter Hilfsmittel helfen.
Übungen für Zuhause
Es gibt zahlreiche Übungen, die Sie zu Hause durchführen können, um Ihre Beweglichkeit und Kraft zu verbessern. Diese Übungen sollten als Ergänzung zu einer professionell angeleiteten Behandlung betrachtet werden.
- Übungen in Rückenlage:
- Beine anwinkeln und Knie abwechselnd links und rechts zum Boden absenken.
- Bein und gegenüberliegenden Arm vom Körper wegschieben.
- Gegrätschte Beine, Arme zur Decke und abwechselnd rechts und links auf den Boden legen.
- Übungen in Seitlage:
- Oberes Bein vor- und zurückschwingen.
- Beine abwechselnd anbeugen und ausstrecken.
- Obere Schulter nach hinten zurückdrehen.
- Becken nach vorne drehen.
- Übungen im Sitzen:
- Oberkörper nach vorne neigen und wieder zurück.
- Oberkörper abwechselnd nach rechts und links bewegen.
- Oberkörper zur Seite bewegen und gleichzeitig das gegenüberliegende Knie anheben.
- Knie abwechselnd anheben und Arme gegenläufig mitschwingen.
- Beine nach rechts stellen und Arme nach links und rechts schwingen (dann Beinposition wechseln).
- Rechten Fuß auf die Stuhlkante setzen und das Bein mit den Armen umfassen.
- Mit der Hand über den Kopf greifen und Kopf sanft zur Seite ziehen.
- Kopf langsam zur Seite drehen und nicken.
- Übungen im Stehen (mit Festhalten):
- Bein vor- und zurückschwingen.
- Bein und gegenüberliegenden Arm gleichzeitig vor- und zurückschwingen.
- Becken nach hinten strecken.
Gangschule in der Physiotherapie
Die Gangschule in der Physiotherapie ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung von Gangstörungen, die nach Operationen, neurologischen Ereignissen oder altersbedingtem Muskelabbau auftreten können.
- Gangbildanalyse: Die Therapeutin oder der Therapeut analysiert das Gangbild genau, achtet auf Symmetrie, Beckenbewegung und Körperhaltung.
- Übungen: Dynamische und statische Übungen zur Verbesserung von Gleichgewicht, Kraft und Koordination.
- Training auf weichen Matten oder Wackelbrettern.
- Gehen über Linien oder Hindernisse.
- Nutzung von Rollatoren oder Gehtrainern.
- Gezielter Muskelaufbau.
- Übungen für Zuhause:
- Zehenspitzenstand.
- Überwinden eines Hindernisses mit einem Fitnessband.
- Treten auf farbige Klebepunkte.
- Gehen auf einer Linie.
- Aufstehen vom Stuhl.
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