Die faszinierende Welt der Träume: Was passiert im Gehirn, wenn wir schlafen?

Träume sind ein allgegenwärtiges Phänomen, das uns jede Nacht aufs Neue in eine andere Welt entführt. Wir träumen von fantastischen Begebenheiten und den fiesesten Horrorszenarien. Alles kann nachts in unseren Träumen passieren. Aber sind Träume Botschafter des Unterbewusstseins oder nur Abfallprodukte des schlafenden Gehirns? Jeder Mensch träumt, auch wenn sich nicht jeder Mensch am nächsten Tag an die Träume erinnert. Geträumt wird übrigens in jeder Phase des Schlafes - aber besonders viel und besonders lebhaft in der REM-Phase des Schlafes. Die tritt hauptsächlich in der zweiten Nachthälfte auf. In dieser Phase ist das Gehirn genauso aktiv wie während der Wachphasen am Tag. Der Körper hingegen ist wie gelähmt, alle Muskeln sind erschlafft - was praktisch ist, denn ansonsten würden der eine oder andere vielleicht mitten im Traum aus dem Bett plumpsen. Klar ist: Menschen träumen. Ob auch Tiere träumen, ist nicht abschließend geklärt, was hauptsächlich daran liegt, dass man sie nicht fragen kann.

Warum träumen wir? Theorien und Hypothesen

Warum träumen Menschen? Es gibt verschiedene Hypothesen, was das mit dem Träumen soll: Evolutionsbiologische Theorien versuchen im Träumen eine Überlebensstrategie zu sehen. Im Traum kann der Mensch Angst üben und so auch in einer realen Situation angemessen reagieren. Wenn man Angst hat und schnell weglaufen kann, hat man eine höhere Überlebenschance. Heute vermuten einige Psychologinnen und Psychologen, dass Träume beim Problemlösen helfen: Im Traum werden alte Informationen mit neuen gemischt, sodass es zu kreativen Lösungen kommen kann. Das Stichwort liegt hier auf "kreativ": Denn Träume werden oft von Emotionen und Gefühlen gesteuert und beziehen sich oft auf das, was wir erleben und was uns beschäftigt. Andere Forscher nehmen an, dass Träume einfach Abfallprodukte der nächtlichen Hirntätigkeit sind. Es ist gut belegt, dass während des Schlafes Gedächtniskonsolidierung stattfindet: Dinge, die tagsüber gelernt werden, werden im Schlaf weiterverarbeitet und abgespeichert. Ob das Träumen dabei eine Rolle spielt, ist ungeklärt.

Albträume: Wenn Träume zur Qual werden

Das Wort Albtraum wird auf "Alben" - Elfen aus der germanischen Mythologie - zurückgeführt. Sie sollen für Träume zuständig gewesen sein. Albträume quälen jeden ab und an: Fünf bis zehn Prozent aller gesunden Erwachsenen leiden unter wiederkehrenden Albträumen, traumatisierte oder kranke Menschen noch viel häufiger. In vielen Albträumen tauchen unbekannte Wesen auf, Monster oder ähnlich unnatürliche, bösartige Kreaturen. Sie jagen die Träumenden und wecken eine existentielle Angst, die sie schweißgebadet und mit rasendem Herzen aufwachen lassen. Solche Albträume treten fast immer während der sogenannten REM-Schlafphase (Rapid Eye Movement) auf: Das Gehirn ist hochaktiv, während alle Muskeln entspannt sind, nur die Augäpfel rollen hinter den Lidern noch hin und her. In Albträumen können Gespenster oder Monster auftauchen. Manchmal schlägt sich sogar die Muskelentspannung selbst im Traum nieder: Wenn der Träumer vor dem Schreckgespenst fliehen will, aber wie festbetoniert stehen bleibt; wenn er um Hilfe schreien will, aber stumm bleibt; oder wenn ihm wahlweise das Monster oder die Angst davor die Luft zum Atmen nimmt. In der REM-Phase sind sogar die Atemmuskeln gehemmt, schnelles Atmen ist unmöglich. Frauen leiden bis zu dreimal häufiger unter Albträumen als Männer. Am schlimmsten betroffen sind allerdings Kinder und Jugendliche. Kinder - genau wie Erwachsene - verarbeiten im Schlaf Wünsche, Sorgen, aber auch Ängste. Allerdings können Kinder noch nicht so gut mit Ängsten umgehen. Alles, was neu und unbekannt ist, wirkt auf sie bedrohlich und kann zur Vorlage für nächtliche Horrorfantasien werden. Während Albträume zum Träumen dazugehören, ist auch hier das Maß entscheidend: Wenn ihr jede Nacht von Albträumen heimgesucht und gequält werdet, kann das zu Schlafstörungen und dadurch tagsüber zu verminderter Leistungsfähigkeit bis hin zu Depressionen führen. Auch für die Gesundheit können regelmäßige Albtraum-Attacken belastend sein. In so einem Fall ist therapeutische Hilfe wichtig: Auf zum Arzt! Bei gelegentlichen Albträumen helfen einfache Rituale vor dem Zu-Bett-Gehen. Ob das heiße Milch mit Honig ist, ein Entspannungsritual, Baden, Lesen, Spazierengehen oder die Beschäftigung mit anderen Dingen - wichtig ist, mit anderen Gedanken ins Bett zu gehen, frei von Belastungen und Sorgen des Tages.

Die Neurowissenschaften und das Träumen: Ein Blick ins Gehirn

Während des Schlafs ruht das Gehirn logischerweise. Bei Menschen, die sich im (REM-)Schlaf befinden, werden bestimmte Funktionen ausgeschaltet oder verlangsamt, wie z. B. die primäre Sehrinde, die Teil der Verarbeitungskette der von der Netzhaut kommenden Informationen ist. In anderen Bereichen hingegen ist eine hohe Aktivität zu beobachten, insbesondere in den sensorischen Regionen, wie im assoziativen visuellen Cortex (nicht zu verwechseln mit dem primären visuellen Cortex), der Bilder produziert, in der Amygdala, die Emotionen verarbeitet, oder auch im Hippocampus, der für das Gedächtnis zuständig ist. Wissenschaftler waren lange Zeit der Meinung, dass wir nur während des REM-Schlafs träumen, der durch schnelle Augenbewegungen und eine hohe Gehirnaktivität gekennzeichnet ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, da wir auch während des nicht-radioaktiven Schlafs träumen. So gelang es Forschern 2017, die Bereiche unseres Gehirns zu identifizieren, aus denen unsere Träume stammen, indem sie die Elektroenzephalogramme von schlafenden Personen sowohl im REM- als auch im Non-REM-Schlaf analysierten. Sie stellten fest, dass die aktiven Bereiche mit den Themen der Träume übereinstimmten.

Die Rolle von Dopamin

Das Dopaminsystem scheint das entscheidende Netzwerk fürs Träumen zu sein. Schaltet man es gezielt aus, verschwinden die Träume. Regt man es an, werden die nächtlichen Fantasiereisen besonders häufig und intensiv.

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REM-Schlaf und Gedächtnis

REM-Schlaf hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge. In diesen Schlafphasen werden neue visuelle und motorische Fähigkeiten sowie emotionale Erlebnisse verfestigt und abgespeichert. Umgekehrt könnte das Träumen dem Vergessen überflüssiger Inhalte dienen. Der Neurowissenschaftler Mark Solms glaubt: Träumen schützt den Schlaf - ähnlich wie Sigmund Freud schon vermutete. Möglicherweise gibt es dem aktiven Motivationssystem nach und erlaubt uns, virtuell zu erleben, was in der Realität den Schlaf stören würde.

Luzides Träumen: Bewusstsein im Traum

Luzides Träumen beschreibt ein besonderes Traumphänomen, bei dem der schlafenden Person bewusst ist, dass sie sich in einem Traum befindet [1]. Dieses Bewusstsein ermöglicht es, das Traumgeschehen aktiv zu beeinflussen und zu verändern. Eine neue Studie im Journal of Neuroscience [2] hat untersucht, wie sich die Hirnaktivität beim luziden Träumen vom REM-Schlaf und vom Wachzustand unterscheidet. Die Ergebnisse zeigen, dass beim luziden Träumen Netzwerke aktiv sind, die mit Selbstwahrnehmung und kognitiver Kontrolle zusammenhängen. Obwohl sich insbesondere die Neuropsychologie seit einiger Zeit für das Phänomen des luziden Träumens interessiert und sogar bereits erste psychotherapeutische Techniken daraus entwickelt worden sind [1], steht die neurobiologische Forschung zum Thema noch immer auf dünnem Fundament. In der Vergangenheit bestanden beispielsweise Probleme wie zu kleine Stichprobengrößen, zu unterschiedliche EEG-Anwendungen sowie Forschungsartefakte durch Sakkaden (schnelle Augenbewegungen), was zusammenfassende Studien wie Metaanalysen erschwerte [2]. Die neue Studie untersuchte nun den bisher größten Datensatz luzider Träumerinnen und Träumer, der sich aus Daten verschiedener Labore zusammensetzte. Dafür wurde eine adaptive, mehrstufige Datenvorverarbeitung entwickelt. Die Hirnaktivität wurde sowohl auf Sensor- als auch auf Quellebene untersucht. Im Vergleich zum Wachzustand war dabei die Leistung von Alpha- bis Gamma-Wellen während des luziden Träumens reduziert. Es zeigte sich eine verringerte Beta-Leistung in zentralen und parietalen Bereichen der rechten Gehirnhälfte, während gleichzeitig die funktionelle Konnektivität im Alpha-Band im Vergleich zum nicht-luziden REM-Schlaf zunahm. Die zusätzliche Untersuchung initialer Augenbewegungen während des luziden Träumens ergab einen Anstieg der Gamma1-Leistung in temporo-okzipitalen Regionen, insbesondere im Precunus. Die interhemisphärische und interregionale Gamma1-Konnektivität war im Vergleich zum nicht-luziden REM-Schlaf verstärkt. Die Ergebnisse legen nahe, dass Veränderungen in der Netzwerkkommunikation und in der regionalen Aktivierung die Wahrnehmung, Selbstwahrnehmung und kognitive Kontrolle im luziden Traumzustand beeinflussen. „Unsere Forschung eröffnet uns ein tieferes Verständnis des luziden Träumens. Es ist ein besonderer Bewusstseinszustand, und das stellt die traditionelle binäre Sicht auf das Schlafen und Wachsein infrage“, sagt Çağatay Demirel, Erstautor der Studie [3].

Messung von Trauminhalten durch luzides Träumen

Deutsche Forscher haben erstmals an der Hirnaktivität eines Menschen abgelesen, was er gerade träumt. Sie konnten mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens unterscheiden, ob der Proband gerade davon träumte, seine linke oder seine rechte Faust zu ballen. Möglich wurde dies, weil das Gehirn bei dieser Traumhandlung ein ähnliches Signalmuster zeigte, wie bei einem Faustballen im Wachzustand. Bisher gilt es als nahezu unmöglich, Träume sichtbar zu machen. „Das Haupthindernis beim direkten Auslesen von Trauminhalten ist die Tatsache, dass die Probanden im Schlaf ihre Träume nicht steuern können und daher auch keine vorher festgelegten Handlungen ausführen können“, sagen die Forscher um Studienleiter Michael Czisch vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Dadurch konnte man nicht vergleichen, ob ein Traumerlebnis die gleiche Gehirnaktivität hervorruft wie das Erlebnis im Wachzustand. Dieses Dilemma lösten die Forscher, indem sie ihre Studie mit Probanden duchführten, die zu sogenannten luziden Träumen fähig sind. Dieser Zustand gleicht in Bezug auf die Hirnströme und die komplette Erschlaffung aller Muskeln dem Traumschlaf. Im Gegensatz zu den meisten Menschen sind sich luzide Träumer jedoch bewusst, dass sie träumen und können die Handlung ihres Traums steuern. Für den Versuch erhielt ein luzider Träumer die Aufgabe, zunächst im Wachzustand abwechselnd die linke und die rechte Hand zu ballen. Währenddessen zeichneten die Forscher die Hirnaktivität des Probanden mit Hilfe der funktionellen Kernspintomografie auf. Diese Technik zeigt, welche Gehirnregionen besonders gut durchblutet und damit aktiv sind.

So faszinierend unsere Fähigkeit zu träumen ist, so rätselhaft ist die Frage, wie die intensiv erlebten Bilder und Gefühle in unserem Kopf entstehen. Denn bislang waren Träume nicht messbar. Nun ist es Max-Planck-Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit Kollegen der Charité in Berlin erstmals gelungen, die Aktivität des Gehirns während des Träumens zu analysieren. Möglich wurde dies mit Hilfe so genannter luzider Träumer, also Menschen, die sich ihres Träumens bewusst werden und ihre Trauminhalte verändern können. Die Messungen zeigen, dass das Gehirn im Traum ähnlich aktiv ist wie bei der tatsächlich ausgeführten Handlung im Wachzustand.

Die Methode der Max-Planck-Institute

Seit wenigen Jahren können bildgebende Verfahren wie die funktionelle Kernspintomografie räumlich genau lokalisierte Gehirnaktivität während des Schlafs sichtbar machen. Allerdings konnten Forscher die Hirnaktivitäten bislang nicht während eines Traumes analysieren. Denn eine gemessene Hirnaktivität lässt sich nur dann auf einen spezifischen Traum zurückführen, wenn die genaue zeitliche Übereinstimmung von Trauminhalt und Messung bekannt ist.

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Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, der Charité und des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben sich deshalb die Fähigkeit luzider Träumer zu Nutze gemacht, bewusst zu träumen. Der „Klarträumer“ sollte sich während des Schlafs in einem Kernspintomografen seines Traumes bewusst werden und diesen ‚luziden’ Zustand an die Forscher durch Augenbewegungen melden. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler durch die Hirnströme (EEG) des Untersuchten den Eintritt in den REM-Schlaf messen - einer Schlafphase, in der Träume besonders intensiv empfunden werden. Die ab diesem Zeitpunkt gemessene Aktivität des Gehirns spiegelte den vereinbarten „Traum“ wider, abwechselnd die Fäuste zu ballen. Tatsächlich wurde eine Region in der sensomotorischen Großhirnrinde des Gehirns aktiviert, die für die Ausführung von Bewegungen zuständig ist. Dies zeigt auch ein direkter Vergleich mit der Gehirnaktivität, die bei einer tatsächlich ausgeführten Bewegung der Hand im Wachen auftritt. Die Übereinstimmung der gemessenen Gehirnaktivität von Traum und bewusster Handlung zeigt, dass Trauminhalte gemessen werden können. Die Forscher konnten die mittels Kernspin gewonnen Daten an einem weiteren Probanden durch eine andere Technik bestätigen. Mit Hilfe der so genannten Nah-Infrarot-Spektroskopie beobachteten sie zusätzlich eine gesteigerte Aktivität in einer Hirnregion, die bei der Planung von Bewegungen eine wichtige Rolle spielt.

Traumdeutung: Mehr als nur ein Blick ins Unterbewusstsein?

Ob Träume eine Funktion haben, ist bisher ungeklärt. Manche gehen davon aus, dass sie tatsächlich nur Abbilder sind, die durch die Gedächtnisbildung entstehen. Die Traumforscherin Deirdre Barrett sieht darin nur einen Teil der Wahrheit. Michael Schredl sagt: "Dagegen kann man argumentieren, dass das subjektive Leben im Wachzustand sehr wichtig ist, aber die Natur sich nicht die Mühe gemacht hat, es nachts ‚abzuschalten‘." Andere sehen es philosophischer und beschreiben Träume als unerfüllte Wünsche oder das Tor zu den tiefsten Geheimnissen. Michael Schredl sieht es pragmatisch: "Ein Unterbewusstsein, das uns Träume schickt - wie Sigmund Freud und andere Philosophen sich das ausgemalt haben - gibt es nicht. Träume spiegeln nicht das Unterbewusstsein wider, sondern das Tagesbewusstsein." Das Träumen wird daher auch als Traumbewusstsein bezeichnet. Was auch immer die Träumenden im wachen Zustand beschäftigte, finde seinen Weg in die nächtlichen Bilder. Für die eher bizarren Verzerrungen der geträumten Erlebnisse macht Deirdre Barrett zwei Gehirnregionen verantwortlich: Zunächst einmal den präfrontalen Kortex, der im Schlaf viel weniger arbeitet als im wachen Zustand. "Das ist die Region, die sagt, 'Das ergibt keinen Sinn. Im Schlaf, vor allem in der REM-Phase, ist dieser Teil des Gehirns besonders beschäftigt und erstellt Bilder, die nicht wirklich existieren. Raum für Interpretation lassen diese nächtlichen Bewusstseinsaktivitäten allemal. Das sieht auch Michael Schredl so: "Ich nenne es nicht gerne Traumdeutung, sondern lieber Arbeit mit Träumen. Mein Ansatz ist, dass ich aus Träumen genauso gut lernen kann wie aus Wacherlebnissen." Dafür sei gar nicht viel Psychologie nötig. "Ein häufiger Traum ist ja, dass man fällt und aufwacht, bevor man unten aufschlägt", so Schredl. "Das Fall ins Bodenlose ist eine maßlose Übertreibung des Gefühls der Hilflosigkeit." Daraus kann die träumende Person selbst ableiten: Gibt es gerade ein Thema in der realen Welt, von dem sie nicht weiß, wie es weitergeht? Ein anderes Beispiel wären Verfolgungsträume, die psychologisch gesehen ein Vermeidungsverhalten zeigen. Das Grundmuster ist: Angst haben und weglaufen. "Überlegen Sie mal, wie viele Leute tagsüber irgendetwas vermeiden. Traumtagebücher, um sich besser an die nächtlichen Gedanken zu erinnern und sie dann zu interpretieren, seien für die meisten Menschen eine interessante Beschäftigung, sagt Michael Schredl. Diese Protokolle könnten helfen, sich selbst besser zu verstehen. Wer aber tatsächlich häufiger mit negativ getönten Träumen zu tun habe, könne davon profitieren, mit den Träumen aktiv zu arbeiten. Viele Menschen versuchten, solche Erfahrungen einfach wegzuschieben: "Das war nur ein Traum." Aber eine aktive Auseinandersetzung mit den Ängsten kann mit etwas Übung und Ausdauer die Albträume zum Verschwinden bringen.

Freuds Theorie im Wandel der Zeit

Sigmund Freud war der Überzeugung: Träume entreißen dem Unterbewusstsein unsere intimsten Wünsche und sind die Hüter des Schlafs.

Der strukturale Ansatz

Ein moderner Zugang zur Traumdeutung ist der strukturale Ansatz, der sich auf die Beziehung des Traum-Ichs zu den Traumelementen konzentriert - nicht auf deren symbolische Bedeutung. Relevanter als einzelne Traumbilder ist die Frage: Wie verhält sich das Traum-Ich innerhalb der Szene? Nimmt es eine passive, beobachtende Haltung ein - oder handelt es aktiv? Dieser Ansatz hat seine Wurzeln in den Arbeiten von Carl Gustav Jung und wurde von Roesler empirisch weiterentwickelt (Roesler, 2024, S. 35). Interessanterweise zeigt sich in der psychotherapeutischen Arbeit, dass sich das Traum-Ich über die Zeit hinweg verändern kann - parallel zur emotionalen Entwicklung der Patientinnen. Auch in der LAC-Studie zur Langzeitbehandlung von Depressionen wurde eine ähnliche Entwicklung sichtbar: Die geträumte Hauptfigur wurde zunehmend handlungsfähig und konnte im Traum Probleme lösen - ein Hinweis auf innere Heilungsprozesse.

Träume in Forschung und Praxis: Ein Ausblick

Träume sind ein vielschichtiges Phänomen - biologisch messbar, psychologisch bedeutsam und kulturell tief verwurzelt. Traumdeutung ist ein Thema, mit dem wir uns kaum aktiv auseinandersetzen, das uns jedoch jede Nacht begegnet. Im Schlaf tauchen wir in eine Parallelwelt ein - eine Welt, in der wir aktiv handeln, obwohl unser Körper unbeweglich bleibt. Die Erinnerung an Träume ist der einzige Zugang, den wir zur psychologischen Betrachtung dieser nächtlichen Erlebnisse haben. Was im sogenannten „Traumbewusstsein“ geschieht, kann erst am Morgen berichtet und reflektiert werden. Die wissenschaftliche Forschung zum Träumen bewegt sich dabei auf zwei Ebenen: der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung. Besonders faszinierend ist die Fähigkeit des Gehirns, eine vollständige Erfahrungswelt zu erschaffen - ganz ohne äußere Reize.

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Aktuelle Forschungen zeigen eindrucksvoll, wie eng unser nächtliches Erleben mit der emotionalen Realität verknüpft ist. Besonders vielversprechend sind neue Ansätze, bei denen durch gezielte Reize während der Schlafphase - insbesondere in luziden Traumzuständen - eine direkte Interaktion mit Träumenden gelingt. Auch wenn viele Fragen noch offen bleiben, steht fest: Träume bieten enormes Potenzial - sei es zur Selbsterkenntnis, zur therapeutischen Unterstützung oder als kreative Quelle für Problemlösungen.

Die Universalität des Träumens

Das Faszinierende am Schlaf ist: Wir alle tun es - jeden Tag aufs Neue. Und dabei spielt es keine Rolle, wo auf der Welt wir leben, welche Sprache wir sprechen, welchen Bildungsstand wir haben oder in welchem sozialen Kontext wir uns bewegen. Schlafen ist universell. Träumen ist universell. Immer wieder hört man die Aussage, dass manche Menschen jede Nacht träumen und andere fast nie. Diese Annahme ist allerdings falsch - denn geträumt wird bei allen Menschen, auch wenn nicht jede*r sich daran erinnert.

Die Komplexität des Messens von Träumen

Träume zu messen ist komplex. Durch die Kernspintomografie - ein bildgebendes Verfahren - ist es schon länger möglich, Gehirnaktivität auch während des Schlafs zu messen. Allerdings konnte diese bislang nicht eindeutig mit dem konkreten Trauminhalt verknüpft werden. Denn was ein Mensch träumt, lässt sich erst durch die Nacherzählung nach dem Aufwachen erkennen. Das Max-Planck-Institut und die Charité Berlin konnten 2011 neue Erkenntnisse gewinnen: Die Aktivität des Gehirns konnte während des Träumens gemessen und analysiert werden. Dies wurde durch luzide Träume ermöglicht - also bewusste Träume, in denen das Traum-Ich aktiv gesteuert werden kann. Die neue Methode zielt darauf ab, die Gehirnaktivität während des Träumens mithilfe bildgebender Verfahren zu erfassen - bei Personen, die luzid träumen. Diese sollen durch gezielte Augenbewegungen anzeigen, zu welchem Zeitpunkt sie willentlich mit dem vereinbarten Traum beginnen. Während die Neurowissenschaften messbare Vorgänge im Gehirn aufzeigen, beschäftigt sich die Psychologie vor allem mit der Bedeutung von Träumen für unser emotionales Erleben und unser Selbstbild. In Schlaflaborstudien hat sich gezeigt, dass ein relevantes Thema, welches eine Person beschäftigt, immer wieder in Träumen vorkommt - und das auch über mehrere Tage hinweg.

Was passiert im Körper, wenn wir träumen?

Jede Nacht aufs Neue setzt unser Gehirn ein wildes Feuerwerk elektrischer Nervenimpulse frei, die vom Stammhirn aus völlig chaotisch in alle anderen Gehirnregionen gesendet werden. Wir erleben dieses Phänomen als Traum. Ganz egal, ob wir uns am nächsten Morgen an eine zusammenhängende Handlung erinnern können oder glauben, gar nicht geträumt zu haben - jeder von uns träumt vier bis fünf Träume pro Nacht. Aber was passiert im Körper, wenn wir träumen? Was tatsächlich in unserem Körper abläuft, während wir träumen, beschäftigt die Neurobiologen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts: Sie entdecken, dass der nächtliche Schlaf zeitlich durchstrukturiert ist. Den Anfang macht Jean Gélineau, der 1880 feststellt, dass während der Traumphase jegliche Muskelspannung erschlafft. Der Forscher Alfred Maury reißt seine Versuchspersonen Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig aus dem Schlaf - und ist verblüfft, dass sich die befragten Personen extrem selten an ihre Träume erinnern können. Ein wahrer Durchbruch gelingt 1953 Eugen Aserinsky, der bei einem schlafenden Kind schnelle Augenbewegungen beobachtet. Dieses Rapid Eye Movements (REM) sieht er als Anzeichen für die Traumstadien der Menschen. Übrigens ist die REM-Schlafphase keine menschliche Eigenschaft: Fast alle Säugetiere durchleben diese Phase im Schlaf. Die erste REM-Schlafphase beginnt etwa 90 Minuten nach dem Einschlafen: Die Augen beginnen, hinter den geschlossenen Lidern schnell hin- und herzujagen. Die Muskeln des Körpers entspannen sich, wodurch verhindert wird, dass wir geträumte Bewegungen tatsächlich ausführen und so des Nachts wild herumzappeln. Währen die Gehirnaktivität immer mehr ansteigt, erhöht sich der Blutdruck, der Herzschlag und auch die Atemfrequenz. Pro Nacht erleben wir vier bis fünf Traumphasen, die jeweils im 90-minütigen Abstand auftreten. Dabei werden die Träume jedes Mal ein wenig länger. Die neurophysiologische Traumforschung ist ein spannendes Feld, denn sie eröffnet uns ganz neue Sichtweisen auf das komplexe Zusammenspiel von Psyche und Körper. Eine gesicherte Erkenntnis ist, dass ein gesundes Gehirn jede Nacht bis zu zwei Stunden träumt, und zwar mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks. Mithilfe von Hirnstrommessungen wurde festgestellt, dass die für das Sehen zuständige Großhirnrinde während eines Traums fast genauso aktiv ist wie im Wachzustand. Das erklärt, warum Träume von uns vor allem bildlich wahrgenommen werden: Unser Gehirn erhält visuelle Signale wie im Wachzustand. Kaum miteinbezogen sind hingegen Gehirnregionen, die für das Schmecken, das Riechen oder die Schmerzempfindung verantwortlich sind. Auch dem Stoff, aus dem Träume sind, ist die Wissenschaft bereits auf die Spur gekommen: Es handelt sich um den Neurotransmitter Acetylochin. Im Jahr 1978 wurde diese Substanz im Rahmen eines Forschungsprojekts Versuchspersonen im Schlaf injiziert. Das Ergebnis war das Einsetzen von heftigen REM-Phasen. Es gibt Menschen, die behaupten, nie zu träumen. Das ist natürlich ein Irrtum: Sie können sich nur nicht an ihre Träume erinnern. Manche wissen nur noch Bruchstücke der Traumhandlung, während sich andere gut erinnern. Die Traumforschung hat auch für diese Frage eine Antwort. Die Gehirnsubstanzen, die für Gedächtnisinhalte und deren Speicherung verantwortlich sind, werden von unserem Körper während des Traums ausgeschaltet. Um Erinnerungen an einen Traum abzuspeichern, muss das Gehirn wach sein - und zwar mindestens drei Minuten lang. Wer einen leichten Schlaf hat und nachts öfter aufwacht, erinnert sich besser an seine Träume als jemand, der tief und fest durchschläft.

Fazit: Die Reise in die Welt der Träume geht weiter

Die Erforschung der Hirnaktivität beim Träumen ist ein faszinierendes und komplexes Feld, das ständig neue Erkenntnisse liefert. Von den frühen Theorien Freuds bis hin zu den modernen neurowissenschaftlichen Untersuchungen hat sich unser Verständnis von Träumen und ihrer Bedeutung für unser Gehirn und unsere Psyche stetig weiterentwickelt. Ob Träume nun als Fenster zum Unterbewusstsein, als Verarbeitungsprozesse des Gehirns oder als Schutzmechanismus des Schlafs betrachtet werden, eines ist sicher: Sie sind ein integraler Bestandteil unseres Lebens und verdienen es, weiterhin erforscht und verstanden zu werden.

Originalveröffentlichung: Martin Dresler, Stefan P. Koch, Renate Wehrle, Victor I. Spoormaker, Florian Holsboer, Axel Steiger, Philipp G.

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