Das Gehirn ist ein faszinierendes und komplexes Organ, das als Steuerzentrale des Körpers fungiert. Es ist für eine Vielzahl von lebenswichtigen Funktionen verantwortlich, von unbewussten Prozessen wie Atmung und Herzschlag bis hin zu bewussten Handlungen wie Denken, Lernen und Bewegung. Um die Funktionsweise des Gehirns besser zu verstehen, ist es wichtig, seine Anatomie und die verschiedenen Bereiche, aus denen es besteht, zu kennen.
Aufbau des Gehirns
Das Gehirn ist Teil des Zentralnervensystems (ZNS), das sich räumlich in das periphere und das zentrale Nervensystem einteilen lässt. Das ZNS besteht aus dem Rückenmark und dem Gehirn. Das Gehirn befindet sich im Kopf und wird durch die Schädelhöhle vor mechanischen Einflüssen geschützt. Zusätzliche Schutzschichten bilden die Hirnhäute, Bindegewebsschichten innerhalb des Schädels. Eine große Öffnung der Schädelhöhle ermöglicht den Übergang des Gehirns in das Rückenmark. In der Fachliteratur wird das Gehirn auch als "Cerebrum" oder "Enzephalon" bezeichnet, während umgangssprachlich oft der Ausdruck "Hirn" verwendet wird.
Das Gehirn besteht hauptsächlich aus zwei verschiedenen Zelltypen: Gliazellen und Neuronen. Die Neuronen sind für die Reizweiterleitung zuständig, während die Gliazellen alle anderen Aufgaben übernehmen, wie die Ernährung und Unterstützung der Neuronen sowie deren Schutz. Im ZNS wird zwischen grauer und weißer Substanz unterschieden. Die graue Substanz enthält vorwiegend die Zellkörper der Nervenzellen, während die weiße Substanz die Nervenfasern enthält, die als Leitbahnen der Informationsübermittlung dienen. Im Rückenmark liegt die graue Substanz im Inneren und wird von der weißen Substanz umgeben, während im Gehirn die Substanzen verteilt und ineinander verflochten sind.
Anatomische Gliederung des Gehirns
Das Gehirn lässt sich in fünf Hauptbereiche gliedern:
- Großhirn (Endhirn): Verantwortlich für höhere kognitive Funktionen, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis und willkürliche Bewegungen.
- Zwischenhirn: Steuert wichtige Körperfunktionen wie Temperatur, Hunger, Durst und Schlaf-Wach-Rhythmus.
- Mittelhirn: Verbindet das Vorderhirn mit dem Hinterhirn und ist an der Steuerung von Augenbewegungen und Reflexen beteiligt.
- Hinterhirn (Brücke + Kleinhirn): Zuständig für Bewegungskoordination, Gleichgewicht und मोटरisches Lernen.
- Nachhirn: Reguliert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck.
Diese anatomische Einteilung ist entwicklungsbedingt. In der fünften Schwangerschaftswoche entwickeln sich aus dem Neuralrohr drei primäre Hirnbläschen im Embryo. Aus diesen entstehen eine Woche später die fünf sekundären Gehirnbläschen: Telencephalon (Endhirn), Diencephalon (Zwischenhirn), Mesencephalon (Mittelhirn), Metencephalon (Hinterhirn) und Myelencephalon (Nachhirn).
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Großhirn (Endhirn)
Das Großhirn macht fast 90 % des Gehirnvolumens aus und enthält etwa ein Fünftel aller Nervenzellen des Gehirns. Es ist in zwei Hälften (Hemisphären) geteilt, die durch eine Brücke aus weißer Substanz, den sogenannten Balken, verbunden sind. Die äußere Schicht des Großhirns wird als Kortex oder Großhirnrinde bezeichnet und ist stark gefaltet, um die Oberfläche zu vergrößern. Die Großhirnrinde ist in funktionelle Felder unterteilt, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen, wie z. B. visuelle Wahrnehmung, Verarbeitung akustischer Reize (Hörzentrum), Gedächtnis, höhere Denkvorgänge und Instinkte. Das Großhirn enthält primär graue Substanz.
Zwischenhirn
Das Zwischenhirn ist für die Wahrnehmung und Steuerung von Gefühlen sowie für die Regulierung von Grundbedürfnissen wie Hunger und Durst verantwortlich. Es spielt auch eine wichtige Rolle bei der Schlaf-Wach-Steuerung. Das Zwischenhirn lässt sich in vier Gebiete unterteilen:
- Thalamus: Sammelt alle Signale von den Sinnesorganen und leitet sie an das Großhirn weiter.
- Hypothalamus: Verknüpft das Hormonsystem mit dem Nervensystem und reguliert die Hypophyse, eine wichtige Hormondrüse.
- Subthalamus: Beteiligt an der Steuerung von Bewegungen.
- Epithalamus: Reguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus und produziert Melatonin.
Der Thalamus besteht größtenteils aus grauer Substanz, während der Hypothalamus eine wichtige Schaltstelle für hormonelle und vegetative Funktionen darstellt.
Hinterhirn
Das Hinterhirn besteht aus dem Kleinhirn (Cerebellum) und der Brücke (Pons). Das Kleinhirn ist wie das Großhirn in zwei Hemisphären aufgeteilt und für Bewegungskoordination, Gleichgewicht und motorisches Lernen verantwortlich. Die Brücke verknüpft das Kleinhirn mit dem Großhirn.
Hirnstamm
Das Mittelhirn und das Nachhirn können zusammen mit der Brücke zum Hirnstamm zusammengefasst werden. Der Hirnstamm ist der unterste Gehirnabschnitt und enthält das verlängerte Mark (Medulla oblongata). Im Hirnstamm werden eingehende Sinneseindrücke und ausgehende Bewegungsabläufe verarbeitet, und es entstehen Reflexreaktionen.
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Nachhirn
Das Nachhirn ist für viele vegetativ ablaufende Vorgänge verantwortlich, d. h. Prozesse, die unbewusst und automatisch ablaufen. Beispiele hierfür sind Herzschlag, Atmung, Stoffwechsel, Lidschluss, Schlucken und Husten. Das Nachhirn verknüpft zudem das Gehirn mit dem Rückenmark, wodurch die graue und weiße Substanz ihre Positionen wechseln.
Funktionsweise des Gehirns
Das Gehirn übernimmt eine Vielzahl an lebenswichtigen Funktionen. Es ist für unbewusste Handlungen wie die Atmung, den Kreislauf, das Schlafen und die Gefühle ebenso verantwortlich wie für bewusste Reaktionen wie Bewegung, Denken und Lernen. All diese Informationen werden über elektrische Signale weitergeleitet, für die die Neuronen verantwortlich sind. Diese sind über Synapsen miteinander verknüpft. Neuronen leiten über Nervenbahnen sowohl Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn (afferente Neurone) als auch vom Gehirn zu den Sinnesorganen (efferente Neurone) zurück.
Eine Besonderheit des Gehirns ist seine Fähigkeit, Informationen zu speichern. Das Gedächtnis ermöglicht es dem Gehirn, Informationen zu speichern und diese als Erfahrungen wieder abzurufen. Die Leistungs- und Speicherfähigkeit des Gehirns wird auch als Gehirnkapazität bezeichnet. Je nachdem, wie viel Gehirnkapazität benötigt wird, unterscheidet man verschiedene Gedächtnisstufen:
- Kurzzeitgedächtnis: Speichert Informationen für wenige Sekunden.
- Mittelfristiges Gedächtnis: Speichert Informationen für einige Tage.
- Langzeitgedächtnis: Speichert Informationen über Jahre hinweg.
Neuroplastizität
Durch die Verwendung der immer gleichen Synapsen werden diese gestärkt, was zu einem höheren und schnelleren Informationsfluss führt. Durch das wiederholte Eintreten von Informationen entstehen Leistungsmuster. Man geht davon aus, dass so Informationen im Gehirn gespeichert werden. Die Anpassung der Synapsen an die Umweltbedingungen nennt man neuronale oder synaptische Plastizität. Dabei unterscheidet man zwischen struktureller und funktioneller Plastizität. Bei der strukturellen Plastizität werden durch vermehrte Benutzung bestimmter Signalwege neue Synapsen gebildet, wodurch sich die Struktur des Gehirns verändert. Bei der funktionellen Plastizität hingegen verändert sich die Menge der Neurotransmitter, was weniger permanent ist.
Blutversorgung und Schutz des Gehirns
Das Gehirn wird durch zwei große Arterien mit Blut versorgt: die innere Halsschlagader und die Wirbelarterie. Die innere Halsschlagader entspringt der Halsschlagader und verläuft seitlich am Hals, während die Wirbelarterie sich hinten am Hals befindet und durch das Hinterhauptloch in den Schädel eintritt.
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Das Gehirn wird durch die Blut-Hirn-Schranke vom Blutkreislauf abgetrennt. Nur bestimmte Substanzen können die Blut-Hirn-Schranke passieren und so in das Gehirn gelangen. Diese Eigenschaft schützt das Gehirn vor schädlichen Substanzen, Krankheitserregern und sonstigen Stoffen, welche das innere Milieu stören könnten. Die Blut-Hirn-Schranke wird durch die Gliazellen gebildet, die als Filter für viele Schadstoffe dienen.
Erkrankungen des Gehirns
Erkrankungen des Gehirns können unterschiedliche Ursachen haben. Das Ausmaß und die Symptome der Erkrankung hängen von der betroffenen Region ab.
Schlaganfall
Wenn Blutgefäße im Gehirn blockiert werden, ist der Blutfluss gestört. Dies führt zu Sauerstoffmangel und das Gehirn wird nicht mit genügend Nährstoffen versorgt. In einem solchen Fall spricht man von einem Schlaganfall. Das umliegende Nervensystem stirbt ab. Je nachdem, welcher Teil des Gehirns betroffen ist, kann ein Schlaganfall zur Lähmung einzelner Extremitäten, Sprechstörungen oder Gleichgewichtsstörungen führen.
Neurodegenerative Erkrankungen
Die zwei häufigsten vorkommenden neurodegenerativen Erkrankungen des Gehirns sind Parkinson und Alzheimer.
Parkinson
Bei der Parkinson-Krankheit sterben dopaminerge Neuronen in der Substantia nigra ab. Dies führt zu den drei charakteristischen Symptomen für diese Krankheit: Bewegungslosigkeit, Muskelstarre und Ruhetremor (Zittern).
Alzheimer
Menschen, die von Alzheimer betroffen sind, verlieren ihre kognitiven Fähigkeiten. Die Betroffenen zeigen bestimmte Verhaltensauffälligkeiten und können in vielen Fällen kein selbstständiges Leben mehr führen, sondern benötigen Assistenz. Grund für die Alzheimer-Erkrankung ist zum einen die Bildung von sogenannten Plaques und Fibrillen im Gehirn. Zum anderen schrumpft das Gehirn und die mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräume (Hirnventrikel) werden größer.
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