Gehirnentwicklung bei Kindern: Phasen, Einflussfaktoren und Förderung

Die Entwicklung des Gehirns von Kindern ist ein komplexer und faszinierender Prozess, der von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter andauert. Die kognitive Entwicklung, ein wichtiger Teil dieser Entwicklung, umfasst die Aneignung von Fähigkeiten wie Denken, Wahrnehmen, Lernen und Verstehen. Dazu gehören Gehirnleistungen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache, Problemlösung, Urteilsvermögen und logisches Denken.

Entwicklung des Gehirns im Mutterleib und in der frühen Kindheit

Bereits in der dritten Schwangerschaftswoche beginnt die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems eines Embryos. Ab diesem Zeitpunkt werden zahlreiche Nervenzellen gebildet. Schon im Mutterleib nimmt der Embryo Informationen von innen und außen auf, wie den mütterlichen Herzschlag, Musik und die Sprache der Eltern. Bis zur Geburt haben sich etwa 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) ausgebildet.

Komplexe Verhaltensstrukturen sind bei Neugeborenen noch nicht zu beobachten, da sie hauptsächlich reflexgesteuert sind. Im Laufe der ersten Jahre schreitet die Gehirnentwicklung jedoch schnell voran. Mit zwei Jahren hat ein Großteil der Nervenfasern von Rückenmark, Nachhirn und Kleinhirn sein Dickenwachstum abgeschlossen. Nun können die meisten Kinder komplexe Bewegungen koordinieren.

Ab dem dritten bis etwa zum zehnten Lebensjahr haben Kinder doppelt so viele Synapsen - also Verbindungen zwischen den Nervenzellen - wie Erwachsene. Dadurch haben sie eine sehr hohe Anpassungs- und Lernfähigkeit. Ab dem Jugendalter verringern sich die Synapsen stark und nur häufig genutzte Verbindungen bleiben erhalten. Das bedeutet, dass die kognitiven Fähigkeiten, die jemand bis zum Beginn der Jugend erworben hat, einen großen Einfluss auf die Struktur und die Leistungsfähigkeit des Gehirns haben.

Das menschliche Gedächtnis entwickelt sich zunächst relativ langsam. Mit ungefähr vier Jahren läuft die Entwicklung des Gedächtnisses dann allerdings auf Hochtouren. Etwa ab dem fünften Lebensjahr formt sich das Langzeitgedächtnis aus. Außerdem erlangen Kinder langsam die Fähigkeit zu logischem Denken, Rechnen und, aufgrund von Erfahrungen, zu sozialem Verhalten. Die Reifung der Großhirnrinde führt zur Weiterentwicklung der Sprache und dem räumlichen Vorstellungsvermögen. Ab etwa dem zwölften Lebensjahr gibt es kaum noch Unterschiede in der Denkfähigkeit im Vergleich zu Erwachsenen.

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Entwicklungsstufen nach Piaget

Piaget hat vier Stufen der kognitiven Entwicklung festgelegt, die die verschiedenen Altersbereiche von Kindern abdecken. Im ersten Stadium, der sensumotorischen Phase (0-2 Jahren), entwickeln Kinder ihre Sinneswahrnehmungen und motorischen Fähigkeiten. In der präoperationalen Phase (2-7 Jahren) lernen sie, Symbole zu verwenden und ihre Vorstellungskraft zu entwickeln. In der konkret-operationalen Phase (7-12 Jahren) entwickeln sie logisches Denken und die Fähigkeit zur Klassifikation und Seriation, das heißt Objekte in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen. Schließlich erreichen Jugendliche in der formal-operationalen Phase (ab 11/12 Jahren) abstraktes und hypothetisches Denken. Piagets Theorie besagt, dass, obwohl sich die Entwicklung individuell unterscheiden kann, sie in der Regel in dieser Reihenfolge verläuft. Es gibt auch Fachleute, die seine Theorie kritisieren.

Spielerisches Lernen als Fördermethode

Spielerisches Lernen ist eine pädagogische Methode, bei der Kinder durch spielerische Aktivitäten lernen. Es ermöglicht ihnen, auf eine aktive, engagierte und unterhaltsame Weise Wissen, Fähigkeiten und Konzepte zu erforschen und zu entwickeln. Indem sie spielerisch mit Materialien umgehen, Probleme lösen, experimentieren und kreativ sein können, werden die Kinder motiviert, neue Dinge zu entdecken und zu verstehen. Durch das Spielerische Lernen können sie ihre kognitiven, sozialen, emotionalen und motorischen Fähigkeiten entwickeln und gleichzeitig Spaß haben.

Es soll nicht nur der Kopf bei den Lernenden angesprochen werden, sondern auch der Körper. So fördern Lernspiele mit Bewegung gleichzeitig mehrere Sinne, was die Lernfähigkeit verbessert. Ein regelmäßiges, kognitives Training, beispielsweise bestehend aus Rätseln oder Merkspielen, nennt man auch Gehirnjogging.

Einige Beispiele für die Umsetzung von Spielerischem Lernen sind:

  • Bauklötze oder Legos: Kinder können durch das Bauen von Strukturen ihre kreativen und räumlichen Fähigkeiten entwickeln.
  • Rollenspiele: Indem Kinder verschiedene Rollen annehmen und Situationen nachspielen, entwickeln sie soziale und emotionale Kompetenzen.
  • Sport- und Bewegungsspiele: Durch sportliche Aktivitäten und Spiele wie Fußball, Basketball oder Hüpfspiele werden motorische Fähigkeiten entwickelt und Teamarbeit gefördert.
  • Puzzles und Rätsel: Das Lösen von Puzzles und Rätseln (z.B. Labyrinth-Spiele, Sudoku, Kreuzworträtsel) erfordert logisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und Geduld.
  • Sprach- und Lesespiele: Spiele wie Wortschlangen, Memory oder Worträtsel können die Sprachentwicklung und das Leseverständnis bei Kindern fördern.
  • Musikinstrumente oder Singen: Kinder können durch das Erlernen eines Musikinstruments oder das Singen ihre musikalischen Fähigkeiten und ihr Rhythmusgefühl verbessern.

Diese Lernmethoden können auch miteinander kombiniert werden. Zum Beispiel ist es oft einfacher, sich einen gesungenen Text zu merken, als ihn nur zu lesen. Aktive Spiele wirken zwar belebend, haben aber gleichzeitig einen entspannenden Effekt. Das Lernen wird durch den Einsatz spielerischer Werkzeuge spannender für die Kinder und ist nachhaltiger, da es die Lernkompetenz auf Dauer fördert. Kreatives Lernen, welches verschiedene künstlerische Aktivitäten umfasst, hilft den Lernenden, eine geistige Flexibilität zu entwickeln.

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Förderung der Konzentrationsfähigkeit

Sich auf eine bestimmte Sache für mehrere Minuten zu konzentrieren, müssen Kinder erst lernen. Erwachsene können sie dabei ganz einfach unterstützen, und zwar am besten mit gemeinsamen Aktivitäten. Zum Beispiel können Sie mit Ihren Kindern zusammen Backen. Diese erkennen dann, dass mehrere, aufeinanderfolgende Arbeitsschritte letztendlich zu einem (leckeren) Ergebnis führen. Was sie dabei lernen können, sind unter anderem Disziplin, Aufmerksamkeit und Geduld. Durch die Zeit mit geliebten Menschen verbinden wir außerdem positive Gefühle mit der Aktivität.

Ein Erfolgserlebnis zeigt dem Kind: es lohnt sich, sich auf eine Sache zu konzentrieren und es kann Spaß machen, etwas zu lernen. Jeder Lernerfolg löst im menschlichen Gehirn die Ausschüttung von Glückshormonen aus. Um die Konzentrationsfähigkeit zu fördern, ist es daher wichtig, die Kinder zu loben, wenn sie sich anstrengen und bemühen. Denn das allein ist schon ein Erfolg, auch wenn nicht jede Aufgabe fehlerfrei gelöst wurde. Ebenso wichtig, wie die Kinder zum Lernen zu motivieren, ist es allerdings auch, sie nicht zu überfordern, denn dadurch entstehen schnell Stress, Druck und Frustration. Es ist wichtig für Erwachsene, realistische Ansprüche an die kognitiven Leistungen von Kindern zu stellen. Nach einer bestimmten Aufmerksamkeitsspanne brauchen sie erstmal eine Pause, am besten draußen an der frischen Luft. Das gilt im Übrigen genauso für Erwachsene.

Erwachsene überschätzen häufig die Zeitspanne, in der sich Kinder am Stück voll auf etwas konzentrieren können. Die maximale, durchschnittliche Konzentrationsdauer beträgt bei:

  • 5-7-Jährigen 15 Minuten
  • 7-10-Jährigen 20 Minuten
  • 10-12-Jährigen 20-25 Minuten
  • 12-14-Jährigen 30 Minuten

Was außerdem eine wichtige Rolle bei dem Erlernen von Konzentrationsfähigkeit spielt, ist die Vorbildfunktion der betreuenden Personen. Soll sich ein Kind mit voller Aufmerksamkeit einer Sache widmen, dann sollten die Erwachsenen das ebenso tun. Unterbrechen Eltern aber ein gemeinsames Spiel oder das Vorlesen, indem sie nebenbei beispielsweise mit dem Smartphone beschäftigt sind, dann lernen auch die Kinder nicht, nur eine Sache gleichzeitig zu machen. Auch eine gewisse Langeweile, die bei einigen ruhigen Spielen aufkommen kann, gilt es auszuhalten. Eine gute Mischung aus ruhigen und aktiveren Lernspielen hat sich am besten bewährt, um die Aufmerksamkeitsentwicklung zu fördern.

Aktivitäten, mit denen man einfach die Konzentrationsfähigkeit verbessern kann, sind zum Beispiel:

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  • Ausmalen (z. B. Mandalas)
  • „Ich packe meinen Koffer“-Merkspiele
  • Brett- und Kartenspiele
  • Vorlesen
  • Naturbeobachtungen
  • Yoga- oder Entspannungsübungen

Störfaktoren der Konzentration

Beim Lernen können verschiedene Störfaktoren die Konzentration und Effektivität beeinträchtigen. Einige der häufigsten Gründe für Ablenkung und Konzentrationsschwierigkeiten sind:

  • Ablenkende Geräusche: Lärm von draußen, Gespräche anderer Personen oder laute Musik
  • Nutzung von Medien wie Smartphones, Tablets, Fernseher und Computer
  • Mangelndes Zeitmanagement: Fehlende Ziele und Zeitpläne
  • Emotionale Faktoren: Stress, Angst oder persönliche Probleme
  • Körperliche Faktoren: Schlafmangel, Hunger, Durst oder unzureichende körperliche Aktivität
  • Mangelndes Interesse am Lernstoff
  • Über- oder Unterforderung
  • Unklare Lernmethoden
  • Mangel an Struktur im Lernprozess beziehungsweise des Lernortes

Tipps für eine gute Gehirnleistung

Nicht nur ausreichend Schlaf, Bewegung und regelmäßiges Gehirnjogging, sondern auch die Ernährung spielen eine entscheidende Rolle für die Gehirnleistung und die kognitiven Fähigkeiten. Das Gehirn verbraucht im Ruhezustand bereits bis zu einem Viertel der Gesamtenergie des Körpers. Bestimmte Nährstoffe haben direkte Auswirkungen auf die Funktionsweise unseres Gehirns, einschließlich Gedächtnis, Konzentration und allgemeiner geistiger Leistungsfähigkeit.

Omega-3-Fettsäuren, die reichlich in Fisch wie Lachs, Makrele und Sardinen vorkommen, sind zum Beispiel entscheidend für die Gehirnentwicklung und -funktion. Nüsse und Samen, sind eine hervorragende Quelle für Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien und Vitamin E. Beeren, Spinat, Grünkohl und Avocados sind reich an Antioxidantien. Vitamin C und Beta-Karotin als Vorstufe zu Vitamin A stecken in vielen Obst- und Gemüsesorten. Öle wie Lein- und Rapsöl sind reich an gesunden Fettsäuren. Vollkornprodukte wie Hafer, Quinoa und Vollkornbrot liefern gleichmäßige Energie in Form von Kohlehydraten beziehungsweise Glukose, die das Gehirn benötigt, um effizient zu funktionieren. Eine konstante Versorgung mit Energie hilft, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Eier, insbesondere das Eigelb, sind reich an Cholin, einer Substanz, die zur Bildung von Acetylcholin beiträgt, einem Nervenbotenstoff, der für die Gedächtnisfunktion wichtig ist. Außerdem sollte die Nahrung genug Eisen, Magnesium, Zink und Kalzium enthalten, was bei einer abwechslungsreichen Ernährung in der Regel der Fall ist.

Ein weiterer Faktor, der die Gehirnleistung stark beeinflusst, ist die Flüssigkeitsmenge, die wir am Tag zu uns nehmen. Fachleute empfehlen eine Trinkmenge von etwa einem Liter am Tag bei Kindern und 1,5 Litern bei Jugendlichen und Erwachsenen. Durch die Nahrung gelangt zusätzliche Flüssigkeit in den Körper. Dabei eignen sich Wasser, ungesüßte Tees und Fruchtschorlen ohne Zuckerzusatz am besten zum Durstlöschen.

Die Rolle der Eltern und Erzieher

Viele Menschen, die in Bereichen wie Bildung, Erziehung oder Therapie tätig sind, verstehen nicht wirklich, wie sich der Geist oder unser Gehirn entwickeln. Das Prinzip ist, dass das Gehirn aus so vielen verschiedenen Neuronen besteht und die verschiedenen Bereiche durch Differenzierung und Trennung spezialisieren muss, um sie dann miteinander in sogenannten synaptischen Einheiten zu verknüpfen. Die Integration des gesamten Gehirns geschieht im Grunde dadurch, dass Differenzierung und Verknüpfung immer wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden. Einfach gefasst, ist das Ziel der Gehirnentwicklung, dass mehr Integration stattfindet, was die Grundlage der Regulation von Aufmerksamkeit, Stimmungen, Gefühlen, Gedanken, Verhalten, Beziehungen und sogar Moral ist. Sie alle hängen von der Integration im Gehirn ab.

Die Art von Erfahrungen, für die die Eltern sorgen, formt unmittelbar die Art und Weise, wie sich das Gehirn die gesamte Lebenszeit über entwickeln wird.

Adoleszenz: Eine Phase der Umgestaltung

Die Adoleszenz beschreibt den Lebensabschnitt zwischen der späten Kindheit und dem Erwachsenenalter. Sie umfasst nicht nur die physische Reifung, sondern vor allem auch die seelische und psychische Entwicklung zum selbstständigen, verantwortungsbewussten Erwachsenen. Zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz gehören die Aufnahme und der Aufbau intimer Beziehungen, die Entwicklung von Identität, Zukunftsperspektiven, Selbstständigkeit, Selbstsicherheit, Selbstkontrolle und von sozialen Kompetenzen.

In der Adoleszenz kommt es zu einer grundlegenden Reorganisation des Gehirns. Der Abbau von synaptischen Verbindungen bei der gleichzeitigen Zunahme der weißen Substanz sowie Veränderungen in Neurotransmitter-Systemen zeigen, dass die anatomischen und physiologischen Reifungsprozesse der Adoleszenz weitaus dynamischer sind als ursprünglich vermutet. Demnach ist von einem Umbau der kortikalen Schaltkreise auszugehen, die den adoleszenzspezifischen Veränderungen in kognitiven Funktionen und in der Affektregulation zugrunde liegen könnten.

Ein Ungleichgewicht zwischen kortikalen und subkortikalen Hirnstrukturen kann zu einer erhöhten Risikobereitschaft führen. Adoleszente sind nicht per se unfähig, rationale Entscheidungen zu treffen, sondern dass in emotionalen Situationen die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass Belohnung und Emotionen stärker die Handlung beeinflussen als rationale Entscheidungsprozesse.

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