Wussten Sie, dass der Hippocampus, die Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis, bei Londoner Taxifahrern stärker ausgeprägt ist? Eine Studie aus dem Jahr 2006 zeigte dies, da Londoner Taxifahrer sich komplizierte Straßenverläufe merken und durch die riesige Metropole navigieren müssen. Dieses Training scheint der Schlüssel zu sein, um auch mit zunehmendem Alter das Gehirn fit zu halten. Doch es gibt auch andere einfache, aber regelmäßige Übungen im Alltag, mit denen Sie Ihr Gehirn fit halten, Ihre Aufmerksamkeitsspanne und Ihr Erinnerungsvermögen verbessern können. Dieses Gehirnjogging dient darüber hinaus zur Vorbeugung von Demenz. Und je mehr Sie trainieren, desto besser werden auch Ihre Fähigkeiten in anderen Bereichen.
Die Bedeutung des Gehirns für unsere Gesundheit
Das Gehirn ist eines der wichtigsten Organe des menschlichen Körpers: Als „Kontrollzentrale“ steuert es zusammen mit unserem Nervensystem alle körperlichen wie geistigen Aktivitäten. Zuständig dafür sind 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die es uns ermöglichen, Informationen zu empfangen, zu verarbeiten und weiterzuleiten. Diese Neuronen wiederum sind durch Synapsen verbunden. Dadurch können Signale von einer Nervenzelle auf die nächste weitergegeben werden. Jedes Mal, wenn der Mensch etwas Neues lernt, werden neue synaptische Verbindungen gebildet.
Kognitive Gesundheit im Laufe des Lebens
Einer der wesentlichen Faktoren, die die kognitive Gesundheit beeinflussen, ist das Alter: In den ersten Lebensjahren lernen Kinder immens viel und schaffen in kürzester Zeit viele Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen. Im jungen Erwachsenenalter ist das Gehirn voll ausgebildet, hervorragend vernetzt und besonders leistungsfähig. Diese kognitive Kapazität nimmt allerdings mit zunehmendem Alter ab. Gründe dafür sind unter anderem, dass die Neuronen absterben und auch die Synapsen im Alter abgebaut werden. Generell schrumpfen die Hirnstrukturen ab einem Alter von etwa 50 Jahren und damit auch die geistigen Fähigkeiten.
Wichtig ist, dass das Gehirn permanent gefordert wird und neue Reize verarbeiten muss, sonst sinkt die geistige Fitness. Wie eingangs erwähnt, muss deshalb niemand die Flinte ins Korn werfen. Das Prinzip der Neuroplastizität besagt nämlich, dass sich das Gehirn immer wieder neu auf Einflüsse von außen einstellen kann und Zellen und Synapsen bildet und verknüpft.
Wie Sie Ihr Gehirn bis ins hohe Alter fit halten können
Die Antwort auf die Frage, wie Sie Ihr Gehirn bis ins hohe Alter fit halten können, klingt einfach: Lernen Sie Neues! Denn werden die Synapsen genutzt, bleiben die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn erhalten oder werden sogar ausgebaut. Das mag für den einen bedeuten, eine neue Sprache zu lernen oder durch das Spielen eines Musikinstruments seine Koordination, Aufmerksamkeit und Gedächtnis zu stärken und somit das Gehirn zu trainieren. Dabei sollte das Gehirntraining - wie ein körperliches Training - intensiv und herausfordernd sein.
Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben
Routinen durchbrechen
Schon das Zähneputzen, Kaffee einschenken oder putzen mit der schwachen Hand fördert die Aktivität in verschiedenen Bereichen des Gehirns. (Rechtshänder nehmen dann die linke Hand und umgekehrt). Auch einen Einkaufszettel kann man mal mit links (rechts) schreiben.
Gehirntraining digital
Zahlreiche Apps liefern technologische Unterstützung beim Gehirntraining. Die App NeuroNation bietet zum Beispiel über 30 wissenschaftlich fundierte Übungen und ist für Android, iOS und Windows Phone erhältlich.
Maßnahmen und Lebenseinstellungen für die Fitness des Gehirns
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Lebenseinstellungen, mit denen sich die Fitness des Gehirns beeinflussen lässt.
Körperliche Aktivitäten und Sport
Regelmäßige Bewegung und Sport können die Hirngesundheit fördern - und den Alterungsprozess verlangsamen: Denn sie tragen dazu bei, den Abbau der Nervenzellen im Bereich des präfrontalen Cortex und des Hippocampus zu reduzieren. Bereits drei Sporteinheiten von weniger als einer Stunde pro Woche können das Gehirn positiv beeinflussen. Am meisten profitiert das Gehirn von einer Kombination aus regelmäßigen Sporteinheiten und einem aktiven Lebensstil. Wer täglich rund 9.000 Schritte geht - am besten schnell gehen - hat ein deutlich niedrigeres Demenz-Risiko. Ab etwa 3.800 Schritten täglich zeigt sich bereits ein schützender Effekt.
Gesellschaft suchen - soziale Isolation meiden
In einer neuen Studie haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften herausgefunden, dass bei Menschen mit wenig sozialen Kontakten die Hirnsubstanz stärker abnimmt als bei Personen, die sozial weniger isoliert sind. Zudem wird die geistige Leistungsfähigkeit schwächer. Einsame Menschen verlieren schneller Kompetenzen für Kommunikation wie Zuhören, auf Argumente reagieren, eigene Sätze und Standpunkte zu formulieren etc. - kurz: Soziale Isolation lässt das Gehirn aller Wahrscheinlichkeit nach schneller altern. Die regelmäßige Pflege von familiären und freundschaftlichen Beziehungen fördert die Gesundheit und schützt vor Einsamkeit. Der gemeinsame Austausch regt den Geist an und hält psychisch gesund.
Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.
Gutes Hören kann Demenz vorbeugen
Eine internationale Studie konnte bereits vor einiger Zeit beweisen, dass Hörgeräte zur Vorbeugung von Demenz eingesetzt werden können. Denn je nach Grad der Schwerhörigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken um bis zu 50 Prozent, wenn Menschen nichts gegen ihren Hörverlust tun. Der genaue Zusammenhang zwischen Hörproblemen und Krankheiten wie Demenz ist zwar noch nicht geklärt. Experten gehen davon aus, dass Menschen, die schlecht hören, für alltägliche Kommunikation relativ viel Energie und Anstrengung aufbringen müssen, sie sind schon allein durch das Hören- und Verstehen-Wollen erschöpft. Dadurch können die vermittelten Inhalte nicht mehr ausreichend verarbeitet werden.
Gesunder Schlaf
Im Schlaf werden die Energiereserven des Gehirns aufgeladen. Eine anhaltend kurze Schlafdauer ist mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden. Sie sollten auf Dauer mindestens 6 Stunden erholsamen Schlaf finden. Während des Schlafs werden schädliche Eiweiß-Ablagerungen zwischen den Nervenzellen abgebaut. Um das Gehirn gesund zu erhalten, ist es deshalb wichtig, genügend zu schlafen. Dabei kommt es nicht nur auf die Länge des Schlafs an, sondern auch auf die Qualität. Eine sogenannte „Schlafhygiene“ kann dabei helfen, die Schlafqualität bei Schlafproblemen zu verbessern.
Tipps für einen guten Schlaf:
- Immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen
- Das Schlafzimmer kühl und dunkel halten
- Blaues Licht z. B. von Bildschirmen vermeiden
Gehirngesundes Essen
120 bis 140 Gramm Glukose pro Tag benötigt unser Gehirn, um ausreichend versorgt zu sein und fit zu bleiben. Alles, was die Gefäße elastisch hält und die Durchblutung fördert, erhält zugleich die körperliche sowie die mentale Leistungsfähigkeit. Eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse, hochwertigen pflanzlichen Ölen, Vollkorngetreide, Nüssen, Samen sowie hin und wieder Fisch oder Fleisch ist das beste „Brainfood“: Die Lebensmittel kurbeln das Gehirn an, sorgen für mehr Konzentration und unterstützen die Merkfähigkeit. Frauen sollten in der zweiten Lebenshälfte Übergewicht vermeiden, Männer Untergewicht. Wer im Normalbereich mit Body-Mass-Index 20-25 bleibt - das gilt für Männer und Frauen - tut daher aktiv etwas für seine Hirngesundheit.
Außerdem sind drei Mahlzeiten täglich zu empfehlen. Denn damit das Gehirn gut funktionieren kann, sollten Sie den Blutzuckerspiegel weitgehend auf einem konstanten Niveau halten. Fällt der Blutzuckerspiegel zu stark, sinkt auch die Konzentrationsfähigkeit.
Essentiell ist ausreichendes Trinken: Mindestens zwei Wasser benötigt das Gehirn, um fit zu bleiben.
Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick
Nahrungsergänzungsmittel für das Gehirn
- Gingko: Verbessert die Sauerstoffversorgung im Gehirn und steigert dadurch die Konzentrationsfähigkeit. Für eine nachhaltige Wirkung sind Dosierungen 240 Milligramm täglich -am Morgen eingenommen- wichtig.
- Alpha-Liponsäure: Ist das einzige Antioxidans, das sowohl im wässrigen wie auch im fettlöslichen Bereich unsere Zellen schützen kann. Sie wirkt der sogenannten Eiweißverzuckerung entgegen.
- Magnesium: Wird für alle Muskel- und Nervenfunktionen gebraucht, es beugt Erschöpfung vor und wirkt stressmindernd.
- Vitamin-B-Komplex: Vitamin B1 steigert die Gedächtnisleistung, Vitamin B2 sorgt für die Energiegewinnung und schützt unsre Zellen, Vitamin B6 und B12 sind notwendig für die Entgiftung im Stoffwechsel, die Ausreifung neuer Zellen und den Aufbau der schützenden Myelinumantelung in den Nerven. Da alle B-Vitamine „Hand in Hand“ arbeiten, ist es sinnvoll einen Vitamin B Komplex einzunehmen.
Viele dieser Nahrungsergänzungsmittel lassen sich kombinieren.
Medikamente prüfen
Auch andere Faktoren können eine (vorübergehende) Verwirrtheit auslösen. Dazu gehören Infektionen mit Fieber, Unfälle, bestimmte Medikamente z. B. Psychopharmaka und der Zustand nach Operationen. Wenn Sie längerfristig mehrere Medikamente auf Dauer einnehmen, können wir in der Apotheke Ihren Medikationsplan überprüfen. Wir schauen mit Ihnen die Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und die Dosierungen genau an.
Vermeidung von Risikofaktoren
Mittlerweile sind viele Risikofaktoren bekannt, die sich negativ auf Gedächtnis und Konzentration auswirken können und das Risiko für eine Gedächtnisstörung erhöhen. Nach Möglichkeit sollten diese daher vermieden werden, um einer Demenzerkrankung vorzubeugen. Dazu zählen:
- Hörverlust
- Bluthochdruck
- Übermäßiger Alkoholkonsum
- Übergewicht
- Depression
- Soziale Isolation
- Bewegungsmangel
- Luftverschmutzung
- Diabetes
- Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum sind ungesund, gerade für das Gehirn. Das gilt auch für Kopfverletzungen. Im Verkehr sollte man möglichst einen Helm aufsetzen und den Kopf auch beim Sport schützen.
Variationen im Alltag
Schon einfache Variationen des Alltags reichen aus, um geistig agil zu bleiben: Wissenschaftler der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina fanden heraus, dass man sein Gehirn auch mit sogenannten Neurobics trainieren kann. Was sich dahinter verbirgt, sind kleine Routine-Durchbrüche, bei denen wir uns unsere fünf Sinne zunutze machen - Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken und Sehen. Mit Neurobics locken wir unser Gehirn aus der Komfortzone. Wir können sie einfach in den Alltag integrieren - beim Zähneputzen am Morgen, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen, beim Freunde treffen oder zum Zubettgehen. Bekannte Bewegungsabläufe und Sinneswahrnehmungen sollen hierbei durch neue ersetzt werden. Die Reihenfolge von einstudierten Abläufen kann zum Beispiel umgestellt werden, eine Einkaufsliste kann mit der linken Hand geschrieben werden, ein Laufweg rückwärts abgelaufen werden. Man kann auch mal sein Essen mit geschlossenen Augen zu sich nehmen, genauso wie eine Dusche mal bewusst nur über die Haut und Ohren wahrgenommen werden kann. Man kann versuchen, mit seinem Partner ganz ohne Worte zu kommunizieren. So fokussiert man seine Sinne und fordert sein Gehirn heraus. Bei den Neurobics kann man kreativ werden und sich immer wieder mit Kleinigkeiten herausfordern: Die Armbanduhr am anderen Handgelenk tragen, einen anderen Weg zur Arbeit fahren, seinen Lieblingspulli mit geschlossenen Augen aus dem Schrank suchen oder den Geschmacks- und Geruchssinn erproben. Schon wenige Neurobics-Minuten am Tag sollen die Nervenzellen gut aktivieren.
Soziale Kontakte pflegen
Viele haben diese Routine schon in ihren Alltag integriert: Kreuzworträtsel, Sudokus oder Kartenspiele sind sehr beliebt. Sie sollen die grauen Zellen intakt halten. Doch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) weist darauf hin, dass dabei immer die gleichen Denkmuster zum Einsatz kommen. Besser sei, ein richtiges Gedächtnistraining zu absolvieren, damit das Gehirn flexibel reagieren kann. Strategie- oder Memory-Spiele etwa fordern ebenso heraus und machen auch noch Spaß. Nicht zu unterschätzen sind soziale Kontakte. gesund.bund.de, ein Service des Bundesministeriums für Gesundheit, weist darauf hin, dass auch die psychische Gesundheit Einfluss auf die geistige Fitness nimmt. Ein gesunder Lebensstil und soziale Kontakte trügen zur Erhaltung der psychischen Gesundheit im Alter bei.