Gehirn neu vernetzen: Wissenschaftliche Studien enthüllen neue Erkenntnisse

Die menschliche Intelligenz und die Funktionsweise des Gehirns sind seit jeher Gegenstand intensiver Forschung. Eine aktuelle Studie der Goethe-Universität liefert nun neue Erkenntnisse über die Vernetzung des Gehirns und deren Zusammenhang mit Intelligenz. Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“, deutet darauf hin, dass intelligentere Personen anders verschaltete Gehirne haben als weniger intelligente Personen.

Intelligenz und neuronale Netzwerke: Eine neue Perspektive

Unterschiede in kognitiven Leistungen, die sich in Schulerfolg und Karriere widerspiegeln, werden häufig auf unterschiedlich ausgeprägte Intelligenz zurückgeführt. Die Studie zeigt, dass diese Unterschiede auch mit Unterschieden in der Vernetzung funktioneller Module im neuronalen Netzwerk des Gehirns einhergehen.

Bereits 2015 identifizierte die Forschergruppe in einer Meta-Studie in der Fachzeitschrift „Intelligence“ Hirnregionen, darunter den Präfrontalcortex, in denen Aktivierungsveränderungen während kognitiver Herausforderungen einen Zusammenhang mit Intelligenz aufweisen.

Anfang 2017 berichtete das Forscherteam der Goethe-Universität, dass bei intelligenteren Personen zwei Hirnregionen, die mit der Verarbeitung aufgabenrelevanter Informationen in Verbindung gebracht werden (vorderer insulärer und cingulärer Cortex), über kürzere und somit effizientere Verbindungen mit dem Rest des Hirnnetzwerks verbunden sind. Eine andere Region, die mit dem Ausblenden irrelevanter Informationen in Verbindung gebracht wird (die Übergangsregion zwischen Temporal- und Parietalcortex), ist hingegen weniger stark mit dem Rest des Netzwerks verbunden.

In ihrer aktuellen Studie berücksichtigten die Wissenschaftler, dass das menschliche Gehirn modular organisiert ist.

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Modulare Organisation des Gehirns und Informationsaustausch

Die modulare Organisation des Gehirns ähnelt einem sozialen Netzwerk, das sich aus Subnetzwerken zusammensetzt. Innerhalb dieser Module sind die Hirnregionen eng miteinander vernetzt, während die Verbindungen zum Rest des Netzwerks schwächer sind. Die Studie zeigt, dass bei intelligenteren Personen bestimmte Gehirnregionen stärker am Austausch von Informationen zwischen Subnetzwerken beteiligt sind, was eine schnellere und effizientere Kommunikation ermöglicht.

Die Forscher konnten auch Regionen identifizieren, die bei intelligenteren Personen stärker vom restlichen Netzwerk abgekoppelt sind, wodurch Gedanken möglicherweise besser gegen störende Einflüsse abgeschirmt sind.

Ulrike Basten, eine der Autorinnen der Studie, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass Netzwerkmerkmale, die wir bei intelligenteren Personen in stärkerer Ausprägung gefunden haben, es den Menschen erleichtern, sich gedanklich auf etwas zu konzentrieren und dabei irrelevante, möglicherweise störende Reize auszublenden.“

Es bleibt jedoch offen, wie diese Zusammenhänge entstehen. Es ist möglich, dass manche Menschen aufgrund einer biologischen Veranlagung Hirnnetzwerke ausbilden, die intelligente Leistungen wahrscheinlicher machen. Genauso gut kann sich aber umgekehrt der häufigere Gebrauch des Gehirns für intelligentere Leistungen positiv auf die Ausformung der Netzwerke im Gehirn auswirken.

Neurogenese im Erwachsenenalter: Neue Nervenzellen für das Gehirn

Auch im Erwachsenenalter werden im menschlichen Gehirn neue Nervenzellen gebildet. Neuronale Stammzellen wandern von der subventrikulären Zone zum Riechkolben. Diese Erkenntnis ist relativ jung, denn erst seit Anfang dieses Jahrtausends ist wissenschaftlich belegt, dass auch nach der frühen Kindheit aus den Gliazellen, die das Nervengewebe stützen, neue Neurone entstehen können.

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Professorin Magdalena Götz hat zu dieser Erkenntnis beigetragen, indem sie nachweisen konnte, dass es im Gehirn bestimmte Bereiche gibt, in denen diese adulten Stammzellen entstehen. Danach wandern deren Nachkommen in andere Bereiche, wo sie zu vollwertigen Neuronen heranreifen und in das neuronale Netz integriert werden können.

Im erwachsenen Gehirn von Säugetieren kommen Nervenstammzellen nur in bestimmten Bereichen vor, den sogenannten Stammzellnischen. Um herauszufinden, was diese Regionen so besonders macht, haben Götz und ihr Team erstmals das Proteom dieser Nischen untersucht - also die gesamte Menge der dort vorhandenen Proteine. Dafür haben sie zwei Regionen genauer untersucht: die größte Stammzellnische des Gehirns in der subventrikulären Zone und den Riechkolben im vorderen Teil des Gehirns, da neugebildete Neuronen hierhin wandern, sich dort ausdifferenzieren und in das neuronale Netz integrieren.

Ein Merkmal der Stammzellnischen, das die Forscherinnen und Forscher im renommierten Wissenschaftsjournal „Cell Stem Cell“ beschreiben, ist, dass diese Regionen besonders starr und wenig flexibel sind. Unter anderem liegt das daran, dass die extrazelluläre Matrix, also die Zellbestandteile, die außen an der Zelle haften, ein starkes Netzwerk ausbildet.

Götz und ihr Team werden deshalb in einem nächsten Schritt die analysierten Proteome mit denen verletzter Hirnregionen vergleichen. Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, die für die Reparatur verletzter Hirnregionen geeignet ist.

Genetische Faktoren und die Form subkortikaler Gehirnregionen

Ein Forschungsteam hat genetische Faktoren identifiziert, die die Form subkortikaler Gehirnregionen beeinflussen - weit über Volumenmessungen hinaus. Die Ergebnisse könnten neue Ansätze zur Früherkennung neurologischer und psychischer Erkrankungen eröffnen.

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Die groß angelegte Studie unter der Leitung des Forschungszentrums Jülich, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Helmholtz Munich untersuchte die genetischen Einflüsse auf die Form von 22 subkortikalen Strukturen, einschließlich des Kleinhirns. Für die Analyse verwendeten sie Daten von fast 20.000 gesunden weiß-britischen Teilnehmern aus der UK Biobank.

Bisher konzentrierten sich Studien zur Hirnmorphologie auf Maße wie Volumen und Oberfläche. Um die Form detaillierter zu beschreiben, nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Laplace-Beltrami-Spektrum (LBS), das die geometrischen Eigenschaften einer Form durch eine Reihe von Zahlen - sogenannten Eigenwerten - beschreibt.

Für jede der 22 Gehirnstrukturen führten die Forscher eine multivariate genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durch. Dabei konnten sie 80 genetische Varianten identifizieren, die mit dem LBS, also der Form, von mindestens einer der 22 untersuchten subkortikalen Hirnstrukturen assoziiert sind. Besonders auffällig war der Hirnstamm, für den die meisten dieser Varianten relevant waren, insgesamt 37.

Einige der identifizierten genetischen Varianten wurden bereits in früheren Studien mit Erkrankungen wie Bluthochdruck, neurodegenerativen Erkrankungen, Alkoholkonsum und psychischen Störungen assoziiert. Dies deutet darauf hin, dass Veränderungen in der Hirnform potenziell frühe Biomarker für diese Erkrankungen sein könnten.

Die Studie erweitert unser Verständnis darüber, wie genetische Faktoren nicht nur die Größe, sondern auch die Form des Gehirns beeinflussen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Form von Hirnstrukturen ein wichtiger Indikator für die Anfälligkeit gegenüber bestimmten Gesundheitsrisiken sein könnte und langfristig dazu beitragen könnte, frühzeitige Diagnosemethoden für neurodegenerative und psychische Erkrankungen zu entwickeln.

Lernen und Gedächtnis: Wie das Gehirn Informationen speichert

Unser Gehirn verarbeitet Sinneswahrnehmungen, koordiniert Bewegungen und Verhaltensweisen und speichert komplexe Informationen. Doch nicht alles, was wir erleben, kann dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Wie also funktionieren Lern- und Erinnerungsprozesse?

Ungefähr 86 Milliarden Nervenzellen vernetzen sich in einem menschlichen Gehirn. Die Neurone sind über Synapsen miteinander verbunden, die darauf spezialisiert sind, Signale elektrochemisch umzuwandeln und weiterzuleiten.

Beim Lernen werden individuell und selektiv erworbene Informationen aus der Umwelt im Gedächtnis in abrufbarer Form gespeichert. Dies geschieht manchmal nur kurzfristig, manchmal auf Erfahrungen aufbauend, auch über längere Zeiträume hinweg, zum Teil sogar für das ganze weitere Leben. Lernen basiert dabei auf einer spezifischen Verstärkung von bestimmten Synapsen, an denen die Signalübertragung durch biochemische und strukturelle Modifikationen erleichtert wird (Langzeitpotenzierung und synaptische Plastizität). Plastische Synapsen verändern hierbei ihre Struktur und ihre Übertragungseigenschaften, was die Grundlage für Lern- und Gedächtnisprozesse ist. Manchmal bilden sich beim Lernen neue Synapsen oder nicht mehr gebrauchte Synapsen werden abgebaut.

Wie gut wir lernen und uns etwas merken können, ist dabei von Faktoren wie Aufmerksamkeit, Motivation und Belohnung abhängig. Dabei werden wichtige von unwichtigen Informationen getrennt. Im Gehirn gibt es keinen zentralen Ort, an dem Informationen gespeichert werden, aber der Hippocampus ist eine zentrale Schaltstelle für viele Gedächtnisinhalte.

Erfahrungen hinterlassen Spuren im Gehirn: Eine wegweisende Studie aus Dresden

Eine wegweisende Studie aus Dresden zeigt nun - am Beispiel von Mäusen - wie massiv die Effekte von Erfahrungen auf die Schaltkreise des Gehirns tatsächlich sind. Die Befunde von Forschenden des DZNE und der Technischen Universität Dresden geben ungeahnte Einblicke in die Komplexität von neuronalen Netzwerken und die Anpassungsfähigkeit des Gehirns und könnten darüber hinaus den Weg für neue Methoden der künstlichen Intelligenz bereiten.

Die Dresdner Wissenschaftler gingen der Frage nach, wie sich das Leben in einer reichhaltigen Erfahrungswelt auf die Schaltkreise des Gehirns auswirkt. Dazu nutzten sie einen sogenannten Neurochip, um mit mehr als 4.000 Elektroden die elektrische Aktivität von Hirnzellen zu messen. Das untersuchte Areal - viel kleiner als ein menschlicher Fingernagel - umfasste den gesamten Hippocampus einer Maus.

Die Ergebnisse haben die Erwartungen bei weitem übertroffen. Vereinfacht kann man sagen, dass die Nervenzellen von Mäusen aus der reizvollen Umgebung viel stärker miteinander verknüpft waren als die von Mäusen, die in Standardhaltung aufwuchsen. Unabhängig davon, welchen Parameter man sich angeschaut hat, hat eine reichere Erfahrungswelt die Verbindungen in den neuronalen Netzen buchstäblich verstärkt.

Die Studie verdeutlicht den Nutzen eines durch reiche Erfahrungen geprägten Gehirns und ebnet den Weg zum Verständnis der Rolle sogenannter Neuroplastizität und Reservebildung bei der Bekämpfung neurodegenerativer Erkrankungen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf neuartige Präventionsstrategien. Außerdem wird dies Einblicke in Krankheitsprozesse ermöglichen, die mit Neurodegeneration einhergehen.

Indem wir entschlüsseln, wie Erfahrungen das Netzwerk und die Dynamik des Gehirns gestalten, erweitern wir nicht nur die Grenzen der Hirnforschung, sondern liefern auch wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung künstlicher Intelligenz.

Die Vernetzung des Gehirns verstehen: Von einzelnen Nervenzellen bis zu Hirnregionen

"Wir erläutern in Science, wie unser Gehirn vernetzt ist, angefangen von den Kontaktstellen einzelner Nervenzellen bis hin zu Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen - und welcher Methoden es bedarf, um diese verschachtelte Organisation zu verstehen", erklärt Katrin Amunts die Untersuchung. Bisher hätten vor allem detaillierte Informationen über den Verlauf der Axone gefehlt, besonders im menschlichen Gehirn. Dabei seien sie entscheidend für die Verschaltung im Netzwerk und deren Funktion. Und hier besonders im Bereich des Hippocampus, der für die Gedächtnisbildung und für Lernprozesse bedeutend ist.

Die neuartige 3D-PLI-Methode fungiere dafür als Brücke zwischen mikro- und makroskopischen Ansätzen. "Das liegt daran, dass 3D-PLI die Architektur der Nervenfasern in hoher Auflösung darstellt und gleichzeitig die Bildgebung von ganzen Bereichen des Gehirns erlaubt, sodass wir diese dann in 3D rekonstruieren und so die Verbindungen zwischen den Fasern nachvollziehen können." Mithilfe des "Julich Brain Atlas" konnten die Forschenden diese Strukturen schließlich genau im Gehirn verorten.

Synaptische Aktivität nicht immer notwendig für die Netzwerkbildung

Nach der gängigen Lehrmeinung müssen Nervenzellen im Gehirn aktiv miteinander kommunizieren, um funktionsfähige Netzwerke zu etablieren. Das menschliche Gehirn verarbeitet Informationen in einem gigantischen Netzwerk von 100 Milliarden Nervenzellen, die über 100 Billionen Kontaktstellen - sogenannte Synapsen - miteinander verbunden sind. An diesen Synapsen führen elektrische Impulse einer sendenden Nervenzelle zur Freisetzung von chemischen Botenstoffen, die von nachgeschalteten Nervenzellen empfangen und wieder in elektrische Signale umgewandelt werden. Der wichtigste Botenstoff im Gehirn, Glutamat, wird an so genannten „spine“-Synapsen übertragen, deren empfangender Teil aus kurzen Ausstülpungen von Nervenzellfortsätzen besteht - den „spines“ oder dendritischen Dornen. Diese Dornen sind winzige zelluläre Schalteinheiten, die sowohl für die normale Signalübertragung als auch für komplexe Hirnfunktionen wie etwa Lernprozesse von fundamentaler Bedeutung sind.

Albrecht Sigler und Codelia Imig haben dieses Dogma nun zusammen mit Kollegen des Max Planck Florida Institute for Neuroscience in den USA widerlegt. Es gibt offenbar ein zelluläres Programm im Hippokampus, das die Vernetzung von Nervenzellen in dieser Hirnregion steuert und bei dem synaptische Botenstoff-Signale keine Rolle spielen. Erst das so entstehende Netzwerk bildet dann die Basis für durch Hirnaktivität ausgelöste Veränderungen der Synapsen-Verschaltung. Während der initialen Netzwerk-Entwicklung scheint synaptische Aktivität keine Rolle zu spielen.

Kognitive Leistung und die Nähe zu einem kritischen Zustand im Gehirn

Unser Denkvermögen und, allgemeiner, kognitive Fähigkeiten sind das Ergebnis der Aktivität in Gehirnnetzwerken, die bei neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Epilepsie oft beeinträchtigt sind. Physik und Informationstheorie legen nahe, dass Gehirnnetzwerke optimal an einem kritischen Zustand zwischen Ordnung und Unordnung funktionieren.

In einer Studie wurde über mehrere Tage per intrakraniellem EEG die elektrischen Ströme im Gehirn von 104 Personen mit Epilepsie erfasst und die Aktivität der neuronalen Netzwerke bestimmt. Zusätzlich wurde die kognitive Leistungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten in verschiedensten Bereichen erhoben, beispielsweise in Bezug auf Sprache, Aufmerksamkeit oder Kurzzeitgedächtnis.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Nähe zu einem kritischen Zustand die kognitive Leistung in mehreren Bereichen vorhersagt. Je weiter die Aktivität in den Hirnnetzwerken von dem optimalen Zustand zwischen Ordnung und Unordnung entfernt war, umso schlechter schnitten die Patienten in den kognitiven Tests ab. Diese Ergebnisse stützen die These des kritischen Zustands - dass also das Gehirn nur optimal funktionieren kann, wenn die Nervenzellen innerhalb von Hirnnetzwerken weder zu geordnet noch zu ungeordnet zusammenarbeiten.

Medienbasierte Trainings erhöhen die Stärke und Leitfähigkeit von Fasern im Gehirn

Forscher haben herausgefunden, dass durch ein kurzes und intensives Rechentraining die neuronalen Verbindungen zwischen wichtigen Regionen im Gehirn im Erwachsenenalter stärker werden. Diese neuronale Plastizität durch numerisches Lernen war bereits nach nur fünf Trainingseinheiten nachweisbar.

Egal, ob ein Mensch neues Wissen oder eine neue körperliche Bewegung erlernt - immer verändern sich dabei Synapsen, Nervenzellverbindungen und ganze Gehirnareale, also die Funktion und Struktur des Gehirns. Das menschliche Gehirn ist ein Leben lang „plastisch“, d.h. es ist in der Lage sich zu verändern.

Durch das Training veränderte sich das Netzwerk aus Gehirnarealen, das zur Lösung einer Aufgabe aktiviert wurde. Das Rechentraining konnte nicht nur erfolgreich die Leistung der Teilnehmenden verbessern, sondern es gelang auch festzustellen, wie dieser Lernprozess auf neuronaler Ebene vonstattengeht. In einer vorangegangenen Studie hatten sie schon beobachtet, dass das Training die funktionelle Aktivierung in Gehirnarealen erhöht, die mit dem Abruf von Fakten aus dem Langzeitgedächtnis assoziiert sind (z. B. Hippocampus). Jetzt konnten sie mit Hilfe der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen, dass sich durch das Training auch die strukturelle Anbindung dieser Areale über Faserverbindungen verstärkt hat und dies mit erfolgreichem Lernen einherging.

Die neuronale Plastizität durch das medienbasierte Training war bereits nach nur fünf Trainingseinheiten nachweisbar. Diese Veränderung auf neuronaler Ebene zeigt an sich, dass bereits kurze kognitive Trainings plastische Prozesse im Gehirn induzieren können. Damit geben die Ergebnisse nicht nur Aufschluss darüber, wie sich Lernprozesse im Gehirn mani-festieren, sondern zeigen auch das Potenzial neurokognitiver Plastizität im Erwachsenenalter.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Entwicklung neuronaler Komplexität

Die Entwicklung des menschlichen Gehirns ist ein Schlüsselfaktor für die psychische Gesundheit. Bereits in den frühen Phasen des Lebens zeigen sich je nach Entwicklungsstadium signifikante Unterschiede in der Art und Weise, wie das Gehirn Signale und Informationen aufnimmt und verarbeitet. Eine gestörte Entwicklung kann dauerhafte Folgen haben und zu psychischen Erkrankungen führen.

Forschende des Universitätsklinikums Tübingen haben nun gemeinsam mit internationalen Forschungspartnern aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen: Die neuronale Komplexität der Gehirnaktivität verändert sich vom späten Stadium der Schwangerschaft bis in die frühe Kindheit anders als erwartet und zudem mit geschlechtsspezifischen Unterschieden.

In der Studie hat das Team untersucht, wie das menschliche Gehirn auf äußere Reize, wie beispielsweise Tonsequenzen, reagiert, sowohl vor als auch nach der Geburt. Gemessen werden konnten die Reaktionen des Gehirns mit der fetalen Magnetenzephalographie (fMEG), die nicht-invasiv an der Oberfläche des Bauches der Mutter die Gehirnaktivität schon im Mutterleib misst.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Komplexität der neuronalen Antworten abnimmt, und zwar in geschlechtsspezifisch unterschiedlichem Tempo. Diese Unterschiede könnten Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Entwicklungsstörungen bei Jungen und Mädchen in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten.

Das Forscherteam aus Tübingen plant, den Zusammenhang zwischen den beobachteten Gehirnmustern und der langfristigen psychischen Gesundheit weiter zu erforschen. Je früher wir das Risiko für die Entwicklung neuropsychiatrischer und metabolischer Störungen identifizieren, desto effektiver können wir die Gehirnentwicklung unterstützen, um schwerwiegende Krankheitsverläufe zu verhindern. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für zukünftige präventive Maßnahmen und Behandlungsstrategien ebnen.

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