Die Großhirnrinde (Cortex) bildet die äußere Schicht des Gehirns und ist für höhere kognitive Funktionen verantwortlich. In diesem Artikel werden wir die Struktur, Funktion und Organisation der Gehirnrindenfelder untersuchen.
Struktur und Organisation der Großhirnrinde
Die Großhirnrinde, auch Cortex genannt, ist die äußere "Umhüllung" des Gehirns. Diese Oberflächenschicht ist etwa 1-4 mm dick und stark gefaltet, wodurch sich eine Fläche von fast ¼ m² ergibt, wenn sie ausgebreitet würde. Sie enthält etwa 16 Milliarden Nervenzellen, was einem Fünftel der Gesamtzahl der Nervenzellen im Gehirn entspricht. Über 90 Prozent des Cortex sind beim Menschen sechsschichtig.
Das Großhirn besteht aus zwei Hälften, die durch einen dicken Nervenstrang (Corpus callosum/Balken) und zahlreiche kleinere Stränge miteinander verbunden sind. Die linke und rechte Großhirnhälfte sind funktional nicht gleichwertig. Bei den meisten Menschen ist die linke Hemisphäre für sprachgebundene und Detailanalysen zuständig, während die rechte Hemisphäre den nicht-verbalen, ganzheitlich integrativen Teil darstellt.
Die Oberfläche der Hemisphären besteht aus Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri), die der Oberflächenvergrößerung dienen. Beinahe alle Furchen und Windungen sind mittlerweile benannt. Die graue Substanz liegt außen und bildet die Großhirnrinde, die weiße Substanz liegt innen und bildet das Marklager. Darüber hinaus wird die gesamte Großhirnrinde in 52 Rindenfelder (Brodmann-Areale oder Areae) eingeteilt, die die Endstätten der aufsteigenden Nachrichten-/Nervenbahnen aus Rückenmark, Hirnstamm, Zwischenhirn und Kleinhirn darstellen.
Rindenfelder: Primäre Felder und Assoziationsfelder
Der gesamte Cortex besteht aus mehreren Rindenfeldern, die in primäre Felder und Assoziationsfelder unterteilt werden können. Primäre Felder, wie der visuelle und auditorische Cortex, verarbeiten bestimmte Arten von Informationen zu Wahrnehmungen und einfachen Bewegungen. Im Fall des visuellen und auditorischen Cortex umfasst dies das Sehen und Hören. Die assoziativen Felder stellen Verknüpfungen her, übernehmen höhere Denkvorgänge und sind für das Gedächtnis zuständig. Im korrekten Zusammenspiel der einzelnen Felder entstehen Funktionen.
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Die vier "Lappen" des Gehirns
Die menschliche Großhirnrinde teilt sich in vier sogenannte "Lappen":
- Den Stirnlappen (Frontallappen)
- Den Schläfenlappen (Temporallappen)
- Den Scheitellappen (Parietallappen)
- Den Hinterhauptlappen (Okzipitallappen)
Funktionen der einzelnen Lappen
Jeder der vier Lappen des Gehirns hat spezifische Funktionen, die zu unserer Wahrnehmung, unserem Verhalten und unseren kognitiven Fähigkeiten beitragen.
Stirnlappen (Frontallappen)
Im Frontallappen befinden sich motorische Rindenfelder sowie Bereiche, die mit Initiative, Handlungsplanung und Supervision assoziiert werden. In dem über den Augen und entlang der Hirnmitte befindlichen Anteil (orbitofrontaler Anteil) gibt es Areale, welche das Sozialverhalten, die Persönlichkeitsdimensionen sowie motivationale (das Motiv betreffende) und emotionale Dimensionen steuern. Im linken Bereich liegt die sogenannte Brocasche Sprachregion, die für die Sprachproduktion wichtig ist.
Die Motorische Rinde wird z.B. von zwei Rindenfeldern (Areal 4 und 6) gebildet; ebenfalls zwei Rindenfelder (Areal 44 und 45) bilden das motorische Sprachzentrum (auch Brocasches Feld genannt). Ein weiteres Rindenfeld (Area 8) gilt als das Blickzentrum für willkürliche Augenbewegungen. Schädigungen im Bereich der ganz vorn und an der Unterseite liegenden Rindengebiete des Frontallappens haben manchmal schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge.
Scheitellappen (Parietallappen)
An den Stirnlappen schließt sich der Parietallappen an. Die Handlungsbereitschaft wird nicht allein vom Stirnhirn, sondern auch vom Scheitellappen gesteuert. Der Scheitellappen ist für die Wahrnehmung des Körpers zuständig, birgt die Geschmacksregion und Areale für ganzheitliche Verknüpfungen. Im Scheitellappen (Parietallappen) liegt unter anderem die Postzentralregion. Schädigungen des Parietallappens können zu verschiedenen Formen der Agnosie führen.
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Schläfenlappen (Temporallappen)
Der Schläfenlappen nimmt Aufgaben in den Bereichen Zeit und Gedächtnis, auditive Wahrnehmung, Einspeichern und Abrufen von langfristigen Informationen wahr. Im linken Teil befindet sich die sogenannte Wernickesche Sprachregion, die für das Sprachverständnis wichtig ist. Man nimmt außerdem an, dass die Schläfenlappenrinde eine wichtige Rolle der bewussten und unbewussten Verfügbarkeit der eigenen Vergangenheit und der in ihr gemachten Erfahrungen spielt, ohne die man sich in seiner Umwelt nicht zurechtfinden würde. Im Schläfenlappen liegt auch der Hippocampus, eine Sehpferdchen-förmige Struktur, die hauptsächlich für die Gedächtnisbildung zuständig ist. Bei einem Hirntumor im Schläfenlappen (temporaler Hirntumor) können unter anderem Hör- und/oder Sprachstörungen auftreten. Ist der Hippocampus mitbetroffen, sind oft Gedächtnisstörungen die Folge.
Im hinteren Bereich der oberen Schläfenlappenwindung (Gyrus temporalis superior) der dominanten Hemisphäre liegt das sensorische oder Wernicke Sprachzentrum (siehe Abbildung oben), bei dessen Schädigung eine Störung des Wortverständnisses eintritt (sensorische Aphasie).
Hinterhauptlappen (Okzipitallappen)
Der Hinterhauptlappen übernimmt zum größten Teil visuelle Funktionen. Area 17 bildet die Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Schädigungen im Bereich des Hinterhauptslappens (zum Beispiel durch einen okzipitalen Hirntumor) können zu einer Rindenblindheit führen.
Weitere wichtige Gehirnbereiche
Neben der Großhirnrinde gibt es weitere wichtige Gehirnbereiche, die eng mit ihr zusammenarbeiten, um komplexe Funktionen zu ermöglichen.
Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn (Diencephalons) besteht aus insgesamt vier Bereichen:
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- Thalamus (im oberen Zwischenhirn; bestehend aus mehreren Dutzend Einzelkernen unterteilt in sensorische, motorische, assoziative und unspezifische Kerngruppen)
- Hypothalamus (verbunden mit der Hirnanhangdrüse; Regelung des motivationalen und emotionalen Verhaltens, der Biorhythmik und des Hormonhaushalts)
- Subthalamus (Steuerung der Grobmotorik)
- Epithalamus (Verbindet das limbische System mit anderen Gehirnarealen; steuert Melatonin- und Hormonausschüttung; reguliert Gefühle und motorische Signalwege)
Limbisches System
Das limbische System setzt sich aus einer speziellen Kombination von Gehirnstrukturen zusammen. Es repräsentiert Gefühle sowie die Motivation betreffende Funktionen und ist zentral an der Übertragung von Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis beteiligt. In Zusammenhang mit dem limbischen System sind zwei Schaltkreise wichtig. Der erste, der sogenannte Papezsche Schaltkreis, ist für die Informationsübertragung ins Langzeitgedächtnis essenziell. Der zweite Schaltkreis sorgt für die emotionale Bewertung aufgenommener Informationen und entscheidet deren Qualität für die Übertragung ins Langzeitgedächtnis. Als Folge von Schäden am limbischen System treten Gedächtnisstörungen auf.
Kleinhirn (Cerebellum)
Das Kleinhirn stellt auf das Volumen bezogen beim Menschen den zweitgrößten Gehirnbereich dar. Es beherbergt circa 70 Milliarden Nervenzellen. Die Aufgabe des Kleinhirns liegt in erster Linie in der Steuerung der Motorik. Die Koordination, die Feinabstimmung und das Planen beziehungsweise Erlernen von Bewegungsabläufen fällt in den Zuständigkeitsbereich des Kleinhirns.
Das Marklager
Beim Marklager handelt es sich um Nervenfasermassen, die entweder von Nervenzellen der Großhirnrinde abgehen oder zu ihr hinziehen. Die Projektionsfasern stellen auf- und absteigende Verbindungen zwischen der Hirnrinde und allen unter ihr gelegenen (subkortikalen) Zentren her. Die von der Rinde absteigende Bahnen laufen fächerförmig zusammen und bilden tief im Inneren des Großhirns eine Region, die innere Kapsel (Capsula interna) genannt wird. Diese wiederum enthält die verschiedenen Bahnen zum Thalamus, zur Brücke (im Hirnstamm) und zum Rückenmark. Die Kommissurenfasern verknüpfen die Rindenbereiche der beiden Großhirnhälften miteinander.
Basalganglien
Die Basalganglien oder Stammganglien sind Gruppen von Nervenzellkernen (also graue Substanz), die in der Tiefe der weißen Substanz beider Hemisphären liegen. Man unterscheidet verschiedene Basalganglien (bezeichnet zum Beispiel als Claustrum, Globus pallidum oder Corpus striatum).
Funktionelle Bedeutung der Großhirnrinde
An die Großhirnrinde ist unter anderem das Bewusstsein geknüpft. Nur diejenigen Sinnesreize werden bewusst, welche bis zur Großhirnrinde weitergeleitet werden. Anmerkung: Nur der Mensch besitzt die Fähigkeit der Sprache. Als innere Sprache ist sie eine Voraussetzung für das Denken; gesprochen ermöglicht sie die Kommunikation und geschrieben die Weitergabe von Informationen über Jahrtausende hinweg. Die Fähigkeit zur Sprache ist unmittelbar gebunden an die Unversehrtheit bestimmter Rindengebiete des Großhirns, die in der Regel nur in einer Gehirnhälfte (Hemisphäre) liegen. Diese wird als dominante Hemisphäre bezeichnet und ist beim Rechtshänder meist die linke, beim Linkshänder meist die rechte.
Schädigungen der Großhirnrinde und ihre Folgen
Bei Schädigungen im Bereich des Marklagers kann es also neben dem Ausfall verschiedener Faserbahnen, die die einzelnen Rindengebiete mit Informationen versorgen und von diesen Informationen erhalten, zur Zerstörung von Stammganglien kommen. Manche große Tumoren können zu einer Schwellung des umgebenden Gewebes führen (perifokales Ödem). So kann beispielsweise ein großer Tumor im Großhirn ein Ödem im Marklager verursachen, das - obwohl der Tumor dieses nicht direkt schädigt - einen gewissen Druck auf die sich darin befindlichen Nervenzellkerngruppen ausübt.
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