Gehirn umprogrammieren: Angst bewältigen und das Leben neu gestalten

Angst ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens, kann aber zu einer Belastung werden, wenn sie überhandnimmt und den Alltag beeinträchtigt. Glücklicherweise gibt es verschiedene Ansätze, um das Gehirn umzuprogrammieren und Ängste zu bewältigen. Dieser Artikel beleuchtet einige dieser Methoden und gibt Einblicke, wie man ein angstfreieres Leben führen kann.

Neue Therapieansätze zur Angstbewältigung

Forscher arbeiten kontinuierlich an neuen Therapieansätzen, um Angstpatienten besser zu helfen. Eine vielversprechende Methode, die an den Pawlow'schen Hund erinnert, zielt darauf ab, schlechte Erfahrungen mit positiven zu überschreiben. Dabei werden zunächst Angst erzeugende Reize identifiziert, um dann die Hirnaktivität während der Angstzustände zu analysieren. In einem nächsten Schritt werden die Teilnehmer mit dem Angstauslöser konfrontiert und erhalten gleichzeitig eine positive Verstärkung, z.B. in Form von Geld.

In einer Studie zeigten die Teilnehmer nach dieser Behandlung weniger Angst, als sie drei Tage später erneut mit den Elektroschockbildern konfrontiert wurden. Obwohl diese Methode noch in der Testphase ist, deutet sie auf ein großes Potenzial für die Behandlung von Angststörungen hin.

Introvision: Innere Muster auflösen

Introvision ist eine noch wenig bekannte Methode, um hinderliche innere Muster aufzulösen, die in Stress- oder Angstsituationen entstehen. Diese Muster sind oft emotionaler Natur und im limbischen System, insbesondere in der Amygdala, verankert. Das limbische System reagiert bei Gefahr blitzschnell und löst eine Stressreaktion aus, die den Körper auf Flucht oder Kampf vorbereitet.

Introvision zielt darauf ab, diese Alarmreaktionen in den Griff zu bekommen, indem man sich innerlich in die stressige Situation hineinversetzt und beobachtet, was dabei passiert, ohne etwas verändern zu wollen. Durch diese wertfreie Beobachtung des Alarms können die Klienten lernen, ihn nicht mehr zu verstärken und ihn schließlich aufzulösen.

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Die Schritte des Introvision-Coachings

Das Introvision-Coaching umfasst typischerweise die folgenden Schritte:

  1. Einüben der Haltung der "weiten Wahrnehmung".
  2. Herausarbeiten des "richtigen Satzes", der den Alarm auslöst.
  3. Beobachten, ohne verändern zu wollen, was der Satz auslöst.
  4. Bewertung der Stärke des Alarms auf einer Skala von 1 bis 10.
  5. Wiederholte Konfrontation mit dem stressauslösenden Satz in der Haltung der weiten Wahrnehmung.
  6. Rückbesprechung der gemachten Erfahrungen und Neubewertung des Alarms.

Indem man auf einen Alarm reagiert, bestätigt man immer wieder, dass er gebraucht wird, wodurch er erhalten bleibt. Im Introvision-Coaching hingegen werden die Klienten angeleitet, den Alarm wertfrei zu beobachten, mit allem, was er im Inneren an negativen Auswirkungen auslöst.

Psychedelische Erfahrungen und Neuroplastizität

Eine Studie der Johns Hopkins University ergab, dass die Intensität der Erfahrung entscheidend ist für den Grad der Heilung: Je mystischer und bedeutsamer das Erleben eines psychedelischen Trips für Patienten, desto wahrscheinlicher trat eine Genesung ein. Können diese Erfahrungen eine Seele, ein Gehirn umprogrammieren? Indem sie Menschen eine Sinnhaftigkeit zurückgeben, die im Alltag manchmal verloren geht? Rein biologisch scheint ein wichtiger Wirkfaktor solcher Erfahrungen das Ankurbeln der Neuroplastizität zu sein. Damit bezeichnet man die Fähigkeit des Gehirns, ein Leben lang neue Verbindungen zu knüpfen und die Aktivität von Gehirnregionen an neue Anforderungen anzupassen.

Gedanken-Tricks zur Reduzierung von Angst und Sorgen

Der Neurobiologe Alex Korb empfiehlt einen simplen Gedanken-Trick, um den Kreislauf der Aufmerksamkeit zu durchbrechen, den Dopaminhaushalt zu erhöhen und damit Angst und Sorgen zu reduzieren. Wenn man beispielsweise über die vermeintliche Ablehnung eines Kollegen grübelt, sollte man die negative Gedankenspirale beenden, indem man sich beruhigt, sich konzentriert und eine Lösung für das Problem findet. Dabei reicht es, sich vorzunehmen, am nächsten Tag mit dem Kollegen zu reden, ohne den Druck zu haben, eine perfekte Lösung finden zu müssen.

Korb erklärt, dass das Treffen von Entscheidungen die Dopamin-Aktivität im Gehirn erhöht und somit die Einstellung zu einem Problem verändern kann.

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Umgang mit Zwangsgedanken

Zwangsgedanken sind innere Stimmen, die sich in uns einbrennen und Angst verursachen können. Die kognitiven Verhaltenspsychologen Sally M. Winston und Martin N. Seif betonen, dass sich nahezu allen Menschen bestimmte Gedanken aufdrängen und man somit nicht alleine ist. In der Regel verursachen diese "Eindringlinge" keine Beschwerden, da man sie einfach vergisst.

Wenn sich Gedanken jedoch festsetzen, ist es wichtig zu verstehen, dass der Inhalt der Gedanken irrelevant sein kann. Man kann das Gehirn so programmieren, dass es aufhört, schlechte Gedanken oder Erschreckendes zu produzieren. Eine effektive Methode zum Loswerden unerwünschter Gedanken ist die Konfrontation mit diesen Gedanken.

Grübeln stoppen und das Gehirn umprogrammieren

Viele Menschen zermartern sich ihr Gehirn durch trübe Gedanken. Gelegentliche Grübelei ist in Ordnung, aber wer zu viel sinniert, kann krank werden.

Was passiert bei Grübelei?

Grübler sind extrem auf sich selbst konzentriert und wälzen ununterbrochen unproduktive Gedanken hin und her. Diese rauben viel Zeit und Energie. Die Gedanken kreisen bei der ganzen Grübelei immer um das gleiche Thema. Bei vielen ist es ein ungelöstes Problem aus der Vergangenheit:

  • Hätte ich nur damals …
  • Was wäre gewesen, wenn…?
  • Warum habe ich denn nicht …?

Die ganze Grübelei erfolgt ohne Ziel, mit einem verengten Blick, ohne positive Lösung. Sie ist eine Art Trancezustand und nicht zukunftsgerichtet. Die Fragen führen immer wieder ins Nichts und bringen uns der Lösung eines Problems keinen Schritt näher. Das Risiko für Reizbarkeit, innere Unruhe, depressive Verstimmungen oder sogar Depression steigt, weil beim Vor-sich-hin-Grübeln immer mehr negative Gedanken und Erinnerungen hochkommen. Dadurch verstärken sich schlechte Gefühle.

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Strategien zur Unterbrechung des Gedankenkarussells

  • Grübelmuster erkennen: Notieren Sie, wann und wo Sie am meisten grübeln, wie oft Sie sich den Kopf zerbrechen, was Ihre häufigsten Gedanken dabei sind und was die Auslöser sind.
  • Gedanken-Stopp: Unterbrechen Sie die Gedankenschleife, indem Sie laut "Stopp" rufen und in die Hände klatschen oder sich ein Stoppschild vorstellen.
  • Ablenkung: Lenken Sie Ihre Gedanken auf entspannende, schöne, positive Dinge. Unternehmen Sie zum Beispiel einen gedanklichen Spaziergang am Meer oder im Wald.
  • Lösungsorientierung: Fragen Sie sich, wie Sie jetzt lösungsorientiert vorgehen können.
  • Körperliche Aktivität: Machen Sie einen Spaziergang, treiben Sie Sport, gärtnern Sie oder hören Sie Musik.
  • Nächtliche Grübelei: Stehen Sie auf, trinken Sie ein Glas Wasser, schmökern Sie in einem Buch oder machen Sie Entspannungsübungen.
  • Grübelgedanken zu Papier bringen: Schreiben Sie alles auf, was Ihnen beim Grübeln durch den Kopf geht - und entsorgen Sie das Dokument anschließend bewusst im Papierkorb.
  • Grübelort festlegen: Überlegen Sie sich einen angenehmen Platz, an dem Sie sich zeitlich begrenzt und genau nach Ihren Regeln etwas Grübelei erlauben.
  • Nach außen blicken: Richten Sie Ihren Blick auf Ihre Mitmenschen, andere Kulturen, die Natur.
  • Unbequemes tun: Nehmen Sie das Fahrrad, obwohl es regnet, oder baden Sie im Winter in einem kalten See.

Medikamente gegen Grübeln?

Wenn Sie mehrere Monate lang grübeln, ohne dass sich Ihr Zustand bessert, sollten Sie sich unbedingt einer Ärztin, einem Arzt oder Psychotherapeuten anvertrauen. Diese Experten finden heraus, ob dahinter womöglich eine ernste Erkrankung steckt, etwa eine Angststörung oder echte Depression. Sie können Ihnen womöglich ein Medikament gegen die Grübelei verschreiben.

Erfahrungen mit Online-Therapie "Endlich angstfrei!"

Anwender der Online-Therapie "Endlich angstfrei!" berichten von positiven Erfahrungen bei der Bewältigung von Angststörungen, sozialer Phobie und Emetophobie. Sie loben die Andersartigkeit der Herangehensweise im Vergleich zu traditionellen Therapien und die sofortige Wirkung der Stopptechniken gegen aufkommende Angst. Besonders hervorgehoben wird die Möglichkeit, das Gehirn selbst aktiv umzuprogrammieren, um die Angst dauerhaft loszuwerden.

Die Rolle der Fantasie bei Angst

Oft sind gerade besonders intelligente und kreative Menschen auch übermäßig ängstlich. Oder wie es Erich Kästner schreibt: „Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie“. Sabrina Fleisch betont, dass Angst entsteht, weil wir mögliche Folgen in der Zukunft vermuten, die wir heute aber noch gar nicht wirklich einschätzen können.

Was passiert im Gehirn bei Angst?

Die Amygdala bewertet und erkennt Situationen sowie analysiert mögliche Gefahren und die daraus entstehenden bedrohlichen Konsequenzen. Bei Angst simuliert die Psyche eine lebensbedrohliche Situation und zwingt uns, uns gegen diese große Bedrohung zu verteidigen.

Die Amygdala setzt Reize und löst bestimmte Reaktionen im Körper aus. Sie aktiviert den Hypothalamus, das Steuerungssystem des Gehirns, und es kommt zur Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Diese Hormone überschwemmen unser Gehirn und legen den Hippocampus lahm, der verantwortlich ist für die Übertragung von Informationen ins Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis. Beide verweigern dann schlichtweg den Zugriff auf Inhalte. Kurz: Wir können nicht mehr klar denken.

Umgang mit Angst im Alltag

  • Vermeidungsziele in Annäherungsziele verwandeln: Gehen Sie in kleinen Schritten auf Ihre Angst zu und machen Sie neue Erfahrungen.
  • Perspektivenwechsel: Fragen Sie sich, was Ihnen ein Kind in dieser Situation empfehlen würde, was Sie Ihrem 5 Jahre jüngeren Ich raten würden oder was Sie einem guten Freund raten würden.
  • Selbstmitgefühl: Behandeln Sie sich selbst respektvoll und vermeiden Sie negative Selbstgespräche.
  • Situation relativieren: Fragen Sie sich, ob die aktuelle Situation in 5 oder 10 Jahren noch dieselbe Bedeutung haben wird.
  • Sich selbst beruhigen: Sagen Sie sich Sätze wie: „Ich werde mein Leben meistern und in dem Tempo vorankommen, das mir guttut. Wenn es nicht dieser Weg ist, wird es einen anderen Weg geben."

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