Gehirn zeichnen Anleitung Bleistift: Eine umfassende Anleitung

Das Zeichnen ist eine Fähigkeit, die jeder erlernen kann. Es ist weniger eine Frage des Talents, sondern vielmehr eine Frage des richtigen Sehens und der Übung. In diesem Artikel werden wir uns damit beschäftigen, wie man das Gehirn beim Zeichnen einsetzen kann, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Die Rolle des Gehirns beim Zeichnen

Oft wird erklärt, dass jeder das Zeichnen lernen kann. Doch was hat das Gehirn mit dem Zeichnen zu tun? Kinder zeichnen meist spontan und ohne groß nachzudenken. Sie nehmen einfach einen Stift und ein Stück Papier und malen drauflos. Ob das Männchen, das Haus, das Tier, der Baum oder das Auto, das sie gezeichnet haben, Ähnlichkeit mit der realen Vorlage hat oder nicht, kümmert sie wenig. Ab etwa dem zehnten Lebensjahr ändert sich diese natürliche, unverfälschte Haltung. Die Zeichnungen aus frühen Kindertagen wirken irgendwie komisch und falsch. Stattdessen wird zunehmend versucht, genau hinzusehen und so zu zeichnen, wie die Motive tatsächlich aussehen.

Die linke und rechte Gehirnhälfte

Die Arbeitsweise des Gehirns damit zu erklären, dass sich das Gehirn in eine rechte und eine linke Gehirnhälfte einteilen lässt und jeder der beiden Gehirnhälften bestimmte Fähigkeiten zugeordnet werden können, ist sicherlich sehr stark vereinfacht. Aber durch diese sehr vereinfachte Erklärung lässt sich recht gut veranschaulichen, wie Daten verarbeitet werden.

Unser Gehirn sieht ein bisschen so aus wie eine Walnuss. Es besteht aus zwei Hälften, die in der Mitte verbunden sind. Vereinfacht gesagt, verarbeitet die linke Gehirnhälfte Informationen analytisch. Die rechte Hirnhälfte sieht das große Ganze. Sie denkt vernetzt und assoziativ. Eine schöne Beschreibung ist, wenn wir sagen, dass eine Person „den Wald vor Bäumen nicht sieht“. Oft sind wir verführt, uns in Details zu verlieren. Zum Beispiel wollen wir einen Kopf zeichnen und schattieren das Auge - es ist wirklich ein wunderschönes Auge, mit Wimpern und Lichtpunkt und allem - nur leider sitzt es an der falschen Stelle! Was jetzt? Das Auge opfern, um die Proportionen des Gesichts richtig hinzubekommen? Was auch häufig vorkommt, ist, dass das Blatt zu klein ist.

Beim Zeichnen geht es zunächst einmal darum, ein Motiv mit den Augen abzutasten. Dabei kümmert sich die visuelle Wahrnehmung nicht um das Motiv als solches, sondern zerlegt es in Einzelteile und nimmt Linien, Striche, Punkte, Kurven und Winkel wahr. Für die Verarbeitung von solchen bildlichen Daten und Informationen ist die rechte Gehirnhälfte zuständig. Die Schwierigkeit besteht nun aber darin, dass sich im Zuge der Datenverarbeitung auch die linke Gehirnhälfte einschaltet. Die linke Gehirnhälfte ist für das begriffliche Denken verantwortlich und ruft die Informationen ab, die sie zu einem bestimmten Begriff oder Symbol abgespeichert hat. Die rechte Gehirnhälfte ist, vereinfacht erklärt, für das bildliche Denken zuständig. Beim Zeichnen, bei dem es ja darauf ankommt, Bilder zu sehen und wiederzugeben, wäre also die rechte Gehirnhälfte gefordert. Da die linke, begriffsorientierte Gehirnhälfte jedoch ihre vorhandenen Informationen beisteuert, fällt es vielen schwer, das zu zeichnen, was sie tatsächlich sehen. Aus diesem Grund beschäftigen sich viele Anleitungen und Kurse mit den verschiedenen Zeichentechniken und den Regeln zum Aufbau von Motiven, zur Perspektive oder zum richtigen Setzen von Lichtern und Schatten.

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Die Schwierigkeit, das zu zeichnen, was man sieht

Die Schwierigkeit, die sich dabei ergibt, besteht darin, dass das, was die Augen sehen, nicht mit dem übereinstimmt, was die linke Gehirnhälfte an Wissen gespeichert hat. So weiß die linke Gehirnhälfte beispielsweise, dass sich ein Würfel aus sechs gleichgroßen Flächen zusammensetzt. Für die Augen hingegen wirken die Flächen unterschiedlich groß und je nach Perspektive ändern sich diese Größenverhältnisse auch noch. Diese Widersprüche gewinnen im Laufe der Zeit immer mehr an Gewicht.

Techniken, um das Gehirn beim Zeichnen auszutricksen

Da das Zeichnen in erster Linie eine Frage des richtigen Sehens ist, gilt es, die linke Gehirnhälfte auszutricksen und verstärkt mit der rechten Gehirnhälfte zu arbeiten. Hier sind einige bewährte Techniken:

1. Wie ein Fotokopierer vorgehen

Besonders zu bekannten Motiven wie beispielsweise Bäumen, Häusern oder Gesichtern sind nämlich viele Informationen abgespeichert, die unbewusst in die Zeichnung einfließen. Ein bewährter Trick, um einen Baum oder ein Haus zu zeichnen, besteht darin, ein Blatt Papier auf die Fensterscheibe zu legen und die Konturen nachzufahren. Durch dieses Abpausen entsteht eine Skizze, die anschließend weiter ausgearbeitet werden kann. Genauso lassen sich Motive mithilfe von Fotos üben.

Nun wird so mancher aber vielleicht anmerken, dass das Abpausen nicht unbedingt mit richtigem Zeichnen gleichzusetzen ist. Dies ist zwar ein Stück weit richtig, allerdings geht es beim Abpausen und Kopieren auch in erster Linie darum, zu trainieren, das und wirklich nur das zu zeichnen, was tatsächlich zu sehen ist.

2. Die Vorlage auf den Kopf stellen

Eine andere Möglichkeit, um die linke Gehirnhälfte beim Zeichnen auszutricksen, besteht darin, die Vorlage auf den Kopf zu stellen. Dadurch erkennt die linke Gehirnhälfte keine typischen Symbole und weil sie deshalb auch keine dazugehörigen Informationen beisteuern kann, überlässt sie die Arbeit der rechten Gehirnhälfte. Diese wiederum kann sich ohne Einmischungen auf das konzentrieren, was die Augen sehen.

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3. Einen Spiegel verwenden

Ein probates Mittel aus der Trickkiste ist aber auch ein Spiegel. Dreht sich der Zeichner um und sieht er sich seine Zeichnung in einem Spiegel an, werden ihm Stellen auffallen, die noch nicht stimmig sind und überarbeitet werden sollten.

4. Den Negativraum zeichnen

Versuchen Sie nicht den Gegenstand, sondern die Luft, um den Gegenstand herum zu zeichnen. Sehen Sie die Form der Hülle. Sehen Sie die Rundung, die Länge, die Abmessung dieser Hülle, des »negativen« Raums. Damit ist nichts Negatives im Sinne von »schlecht« gemeint. Es der Raum, der außerhalb des Umrisses eines Körpers entsteht oder die Form, die sich aus zwei sich überschneidenden Körpern ergibt. Sie sehen diesen Negativraum als geometrische Form, als gekrümmt Kurve, oder eine Linie ohne Bedeutung. Deshalb fällt es unserem Hirn leichter, ihn zu zeichnen. So, als ob Sie den Gegenstand auf den Kopf stellen. Zeichnen Sie mal einen Stuhl oder ein Fahrrad mit dieser Technik. Etwas, das sie sonst nicht hinbekommen. Sie werden merken, wie leicht es plötzlich fällt, wenn Sie sich die negative Fläche (wir sehen zweidimensional) vorstellen. Sehen Sie die negativen Räume und zeichnen die Linien längs dieser Räume. Sie erkennen leichter die Längenverhältnisse und die Rundungen der geometrischen Formen. Zeichnen schwieriger Körper ist eine Kombination aus Negativlinien und Positivlinien. Eine tolle Übung.

5. Blindes Konturenzeichnen

Setzen sie die Stiftspitze aufs Papier. Dann blicken Sie auf einen Gegenstand, eine Person, Ihre Hand oder auf ein Foto. Wenden Sie den Blick nicht mehr ab, sondern verharren Sie auf dem Gegenstand. Nun fahren sie mit den Augen die markanten Linien des Gegenstandes ab. Dabei bewegen Sie die Hand in der gleichen Richtung und Geschwindigkeit Ihres Blicks. Setzen sie den Stift nicht ab. Zeichnen Sie in einer Linie über das Papier. Erst wenn Sie den Gegenstand mit den Augen »abgefahren« haben, sollten Sie auf das Papier blicken. Die fertige Zeichnung ist witzig aber auch sehr lehrreich. Der Strich ist sehr schön, da sie ihn kontinuierlich fortgeführt haben. Sie merken sofort, wo sie zu schnell wurden, denn da passen die Abstände nicht mehr. Sie sehen auch Konzentrationsprobleme. Diese Übung ist perfekt, um richtiges Sehen zu lernen. Auch beim Skizzieren sollten sie immer mehr auf das Objekt blicken, als auf die Skizze. Üben Sie diese Technik oft. Sie lernen dadurch, richtig zu sehen. Das A und O für gute Zeichnungen. Außerdem werden Sie schneller, wenn Sie gleichzeitig sehen und zeichnen. Ich trainiere so das genaue Hinsehen im täglichen Alltag wenn kein Papier zur Hand ist.

Weitere Tipps und Tricks für das Zeichnen mit Bleistift

Neben den oben genannten Techniken gibt es noch weitere Tipps und Tricks, die Ihnen helfen können, Ihre Zeichenfähigkeiten zu verbessern:

  • Die richtige Stifthaltung: Nehmen sie einen Bleistift und halten Sie ihn in der Hand, so als ob Sie Zeichnen wollen. Wie halten Sie den Stift? Als würden Sie einen Brief schreiben? Erinnern Sie sich an meine Ausführung über gerade Linien. Die strenge Haltung der Hand schränkt uns beim Zeichnen extrem ein. So liegt der Stift locker in der Hand. Eine lockere Zeichnung erhalten Sie nur durch eine lockere Haltung des Stiftes. Entweder legen Sie den Stift locker, so als ob er ihnen gleich aus der Hand fällt, unter den Daumen auf dem Ringfinger ab und führen ihn zusammen mit Mittel und Zeigefinger. Der Stift sollte so locker in der Hand liegen, dass die Hand völlig entspannt bleibt. Diese Haltung ist perfekt für Schraffuren. Oder Sie greifen den Stift einige Zentimeter hinter der Spitze von oben und halten ihn locker mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger. So zeichne ich am liebsten Linien. Den Handballen sollten Sie beim Zeichnen so wenig wie möglich auflegen. Sie können den kleinen Finger zum Abstützen benutzen. Sie werden sehen, Sie arbeiten nicht mehr so fummelig und die Linien werden viel ausdrucksstärker.
  • Die richtige Körperhaltung: Hängen Sie mit der Nase fast über dem Papier? Das ist erstens nicht gut für Ihren Rücken und zweitens schlecht für Ihre Zeichnung. Sitzen Sie möglichst aufrecht mit geradem Rücken. Ich weiß, das ist nicht so einfach. Ich zwinge mich auch oft dazu, denn ich saß in der Schule bereits mit einem Rundrücken am Tisch. Aber so können sie Ihre Arme optimal bewegen und den Blick ohne große Kopfbewegung zwischen Objekt und Stiftspitze wandern lassen. Optimal wäre eine Staffelei oder eine schräge Unterlage, denn damit vermeiden Sie Probleme, die durch die Perspektive und den Augenabstand zum Papier entstehen. Sie stellen die perspektivische Verkürzung möglicherweise nicht mehr richtig dar, wenn Sie nicht genau hinsehen oder messen. Ihr Blatt liegt ebenfalls perspektivisch verkürzt vor Ihnen. Das macht sich bei großen Blättern z.B. DIN A2 manchmal stark bemerkbar. Ein weiterer Vorteil, Sie können die Szene vor Ihnen wesentlich besser, oft 1:1 kopieren. Stellen Sie sich einfach vor, Ihr Blatt wäre transparent und Sie zeichnen die Umrisse nach. Das machen Sie nun parallel zur Szene, auf normalem Papier.
  • Aufwärmen: Machen Sie sich locker. Nicht ohne Grund machen Sportler vorher Lockerungs- und Dehnungsübungen. Zeichnen Sie auf einem Kritzelpapier Kreise, Schleifen, Schraffuren. Schütteln Sie Ihre Hand. Genießen Sie die Umgebung, hören auf die Geräusche, nehmen Sie die Gerüche und die Temperatur war und schalten im Kopf ein wenig ab. Ich zeichne mich, wenn ich zu einem Zeichentreffen unterwegs bin, im Zug ein. Ich mache kleine Skizzen, die nicht gut werden müssen. Die ersten Striche gehen sonst vor Ort gleich daneben. Ein Zeichner merkt schon an den ersten paar Strichen, ob die Zeichnung gut ist, oder wie er/sie drauf ist. Und damit ist oft schon die Qualität der Zeichnung besiegelt. Denn der Kopf erkennt sofort, dass das nichts wird und die Hand folgt ihm - ein Teufelskreis.
  • Nicht benennen, was man zeichnet: Kennen Sie das? Sie zeichnen und denken dabei, jetzt zeichne ich den Kopf, dann die Haare, wo sitzt das Ohr. Das Benennen der Dinge, die sie aufs Papier bringen, ist für einen ungeübten Zeichner das Aus für die Zeichnung. Denken Sie nicht in diesen Schemata. Denn sonst verfallen Sie in eine Art von Kinderzeichnung. „Bei einem Kopf sind die Augen oben, die Nase in der Mitte und der Mund unten. Die Räder sind rund.“ Weit gefehlt! Das ist es, wie wir uns das irgendwann mal als Kinder vorgestellt haben. Die Augen sind nämlich in der Mitte. Räder sieht man selten genau von der Seite, die Reifen haben eine Ellipsenform und da sie nicht nur 2mm dünn sind, sieht man auf der einen Seite Profil und auf der anderen Seite Felge. Sicher, man kann und sollte sich nach und nach das erforderliche Wissen durch Studieren der Anatomie, der Perspektive etc. aneignen. Trotzdem plädiere ich beim Beginn erst mal dafür, richtig hinzusehen.
  • Aufmerksam sein: Ähnlich, wie beim Benennen der Dinge spielt uns unser Hirn oft Streiche. Sie sitzen vor einer Kirche und wollen diese zeichnen. Sie wissen, Sie zeichnen die Kirche. Plötzlich, mitten in der Zeichnung merken Sie, dass vor ihnen ein Straßenschild steht. Sie hatten das Schild völlig ignoriert. Sie haben sich hingesetzt um die Kirche zu zeichnen, deshalb erwarten Sie auch nur die Kirche und nicht den Baum, das Schild oder die Menschen davor. Sie zeichnen die Linien durch, als ob da nichts wäre. Plötzlich merken Sie, dass Sie Details nicht erkennen, weil da etwas davor steht. »Hoppla, da ist ja ein riesiger Baum. Wie kommt der denn dahin? War der vorhin schon da?« Unser Gehirn hat uns wieder mal einen Streich gespielt. Wenn ich zum Zeichnen gehe, nehme ich mir ein paar Minuten Zeit, die Szene zu betrachten und alle Einzelheiten zu sehen. Zeichnen lernen ist erst mal, Sehen lernen und die Verbindung Auge-Hand zu trainieren. Beinahe hätte ich diesen Ast übersehen.
  • Die Tagesform akzeptieren: Unglaublich, aber es gibt sie - die Tagesform. Ich denke mir oft, wenn Fußballer so viel trainieren, warum wird nicht jeder Schuss ein Treffer, oder warum wird das 100m entfernte Ziel eines Läufers nicht zu der identischen Zeit, wie beim letzten Mal erreicht. Wie im Sport, trotz unglaublich viel Training, kann es auch beim Zeichnen passieren, dass es absolut nichts wird. Der Tag ist gelaufen. Die Muse hat uns nicht geküsst, das Blatt ist zu Weiß, wir wollen oder denken zu viel und Visualisieren zu wenig. Gerade wenn wir viel Zeit haben, wollen wir viele und gute Zeichnungen anfertigen. Leider sind es oft die schnellen Zeichnungen, die Ungeplanten, die ohne Druck aufs Papier gesetzt wurden, die uns gelingen. Ich verstehe nicht, warum das so ist. Aber es ist wie beim Fußball. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer, vor allem wenn der Elfmeter ins Netz gehen sollte. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Das geht allen so. Sie sehen nur meist nicht die schlechten Zeichnungen der tollen Künstler, denn die liegen im Altpapier und werden nicht gescannt. Für mich ist eine schlechte Tagesform ein Grund, mein Strickzeug aus dem Korb zu nehmen, Kaffee zu trinken, in den Himmel zu gucken, spazieren zu gehen oder gar zu bügeln. Die bessere Tagesform kommt zurück, wenn Sie sie nicht erzwingen. Das ist der Todesstoß für Ihre Zeichnung.
  • Mit kleinen Zeichnungen beginnen: Sie können! Auch komplexe Motive lassen sich gut zeichnen, indem man sich Stück für Stück, Linie für Linie, Negativfläche für Negativfläche nähert. Und am Ende wird etwas Ganzes daraus. Und es wird von Mal zu Mal besser. Natürlich würde ich lügen, wenn ich sage, es wird gleich perfekt. Wenn ich einen Marathon laufe, könnte ich das auch nicht sofort. Zuerst sind kleine Strecken nötig, bis dann nach wochenlangem Training, der lange Lauf ansteht. Beginnen Sie mit kleinen Zeichnungen. Wenn Sie mit anderen unterwegs sind, dann zeichnen Sie doch mal ein Straßenschild oder ein einzelnes Tor des Gebäudes. Statt einem Baum nähern Sie sich der Natur durch die Zeichnung eines Astes oder einer Blüte. Es findet sich immer etwas. Nach ein paarmal trauen Sie sich dann auch an das komplexe Gebäude, das ganze Fahrrad oder eine Stadt von oben. Ohne Training wird es jedoch nicht gehen. Das Training macht fast immer Spaß. Wenn Sie keine Zeichnung hinbekommen, dann nehmen Sie sich ein Foto oder bevorzugt eine andere Zeichnung und stellen diese auf den Kopf. Danach versuchen Sie die Zeichnung oder das Foto mit einer Linie festzuhalten. Am Ende drehen Sie ihre auf dem Kopf stehende Zeichnung um. Plötzlich stimmen alle Abstände und Formen. Wie kommt das? Sie sehen nur noch ein abstraktes Motiv. Ihnen fallen Tonwerte, geometrische Formen und Linien auf. Ihr Hirn benennt nicht mehr die Vorlage. Und plötzlich nutzen Sie die rechte Gehirnhälfte, die für die Kreativität zuständig ist und nicht für Worte und Zahlen, wie Ihre linke Hälfte. Sie werden wahrscheinlich beim Zeichnen abschalten, die Zeit vergessen und total in der Zeichnung versinken.
  • Denke nicht in Klischees: Ein Grund hierfür ist, dass unser Gehirn Informationen filtert. Es speichert zum Beispiel, dass ein Mensch einen runden Kopf, einen geraden Körper, Arme und Beine hat. Ein Auto hat runde Räder und eckige Fenster. Ein Haus hat ein spitzes Dach und viereckige Fenster. Das alles sind Klischees, die nicht unbedingt die echte Form der Dinge beinhalten. Versucht man nun einen Menschen, ein Auto oder ein Haus zu zeichnen, entsteht eine Abbildung, die diese Klischees wiedergibt.
  • Die Überkopf-Methode: Es wird dir leichter, zwei geschwungene Linien mit einem Kreis und einem Punkt in der Mitte zu zeichnen als ein Auge. Wenn du ein Auge siehst, dann erkennt dein Gehirn ein Auge. Entsprechend wollen du und dein Gehirn dieses Auge auch auf das Papier bringen. Dabei beachtet ihr beide aber gar nicht mehr die Linien, sondern ihr versucht, eure Interpretation oder Erinnerung eines Auges zu zeichnen. In dem du das Bild umdrehst verschwinden die „Dinge“. Aus einem Auge werden zwei parallele Bögen, aus der Unterlippe wird ein flacher Hügel und Haare werden zu wilden Linien. Nun kannst du beginnen das Bild abzuzeichnen. Suche dir dafür am besten eine markanten Punkt. Nein, nicht das Auge. Welches Auge überhaupt? Wir sehen doch gar kein Auge mehr. Sollte dir das doch noch zu schwer fallen, da du ja weisst, dass diese Striche da eigentlich die Wimpern sind, dann kommt hier noch ein Pro-Tip: Deck dein Referenzbild ab! Lasse am Anfang nur einen Zentimeter oder weniger des Bildes frei und übertrage diese Linien dann auf dein leeres Blatt. Durch diese Methode nimmst du deinem Gehirn jegliche Chance das Gesamtbild zu erkennen. Es wird nun wirklich nur noch wahrgenommen, was da ist. Linien. Gerade Linien, krumme Linien, wellige Linien, gebogene Linien.
  • Raster-Methode: Überlege dir ein für dich geeignetes Raster. Wähle es nicht zu klein, aber auch nicht zu groß. Passe es den Details im Bild an. Für meine Zeichnung habe ich ein Raster aus ca. 3×3 cm genommen. Möchtest du deine eigene Zeichnung kleiner oder größer gestalten als auf dem Ausgangsbild, so passe das Raster auf deinem Zeichenpapier entsprechend an. Wichtig ist, dass du genau so viele Kästchen auf dem leeren Papier wie auf der Referenz hast. Nun gehst du, ähnlich wie bei der Überkopf-Methode, Schritt für Schritt vor. Suche dir das Kästchen mit dem markantesten Punkt. Bei meinem Papagei war es das Auge. Schau, wo in deinem Kästchen du ansetzen musst. Wie groß ist das, was du zeichnen möchtest, liegt es mittig, oder versetzt, wieviel Abstand hast du rechts und links. Pro-Tip: Gehe nicht Kästchen für Kästchen vor. Ich habe bei dem Papageien mit dem Auge begonnen und bin dann zum Schnabel übergegangen. Danach habe ich mich an die stärkeren äußeren Federn am Hinterkopf gemacht. Ich habe mir also alle „leichteren“ Motive hervorgekommen und so mein Bild nach und nach aufgebaut. Hierfür sind die Markierungen durch Zahlen und Buchstaben sehr hilfreich. Selbstverständlich lassen sich beide Methoden auch miteinander kombinieren. Sollte es dir also doch noch zu schwer fallen, eine Methode alleine zu verwenden, weil dir beispielsweise die Proportionen in der abgedeckten Variante der Überkopf-Methode fehlen oder weil dein Gehirn den ganzen Schnabel zeichnen will statt nur den Teil in dem entsprechenden Kästchen, dann dreh dein Referenzbild mit dem Raster einfach um und deck es ab.
  • Zeichnen lernen heißt Sehen lernen: Nicht umsonst gibt es die Redewendung „Zeichnen lernen heißt Sehen lernen“. Damit wird im Allgemeinen gesagt, dass das Zeichnen nicht nur eine technische Fähigkeit ist, sondern vor allem die Wahrnehmung schult. Wer Zeichnen lernt, beginnt die Welt mit anderen Augen zu sehen - detaillierter, bewusster und mit einem besseren Verständnis für Formen, Proportionen, Licht und Schatten. Zeichnen zwingt einen dazu, die Dinge nicht so zu zeichnen, wie man sie glaubt zu kennen, sondern wie sie tatsächlich aussehen.

Übungen zum Zeichnen lernen

Hier sind einige Übungen, die Ihnen helfen können, Ihre Zeichenfähigkeiten zu verbessern:

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  • Freies Zeichnen: Der Beginn jeder Zeichen-Übung sollte ganz einfach und frei von bildnerischen Zielen sein. Zeichnen Sie einfach wilde Forme und Striche, Kreise, Bögen, Formen etc. Alles ist richtig, nicht ist falsch. Dieses “sich frei zeichnen” sollten Sie auch in Zukunft immer machen. Es geht dabei nur darum, Körper und Geist zu lockern. Es ist so eine Art “Aufwärmtraning“. Achten Sie darauf, wie Bleistifte und Papier zusammenwirken. Und achten Sie auf unterschiedliche Intensität beim Zeichnen: sehr sanft und sehr hart. Diese erste Übung sollte ca. 10 - 15 Minuten dauern. Mit zunehmender Erfahrung können Sie diese Zeitspanne verkürzen. Das Ergebnis zählt nicht. Haben Sie keine Skrupel, das erste Blatt anschließend weg zu werfen. Aber auch wenn Sie das tun: vergessen sie nicht, dass dieses “Warmzeichnen” sehr, sehr wichtig ist. Gerade auch deshalb, weil Sie hier ganz ungezwungen spielerisch experimentieren können. Auch Jahre später werden Sie immer noch Dinge in dieser Aufwärmphase lernen können.
  • Kreise zeichnen: Aus den Kringeln gehen wir jetzt in die ernstzunehmenden Kreise über. Kariertes Papier gibt dir hier die Möglichkeit dich an den Seiten zu orientieren. Versuch die Kästchen an den vier Stellen zu berühren. Für die größeren Kreise nimmst du dir einfach vier Kästchen als Hilfe.
  • Gerade Linien zeichnen: Eine Übung mit der ich tatsächlich größere Probleme habe als erwartet. Gehe hierzu ein Kästchen schräg nach oben und im nächsten den gleichen Weg nach unten. Hierbei versuchst du gerade zu bleiben. Ich habe bemerkt, dass ich beim „Abwärts“ einen Drall nach Innen gebe. Wenn ich das trainiere, kann mir das z.B. Auch hier geht die zweite Runde von der entgegengesetzten Seite aus. Hier habe ich mich gefühlt, als würde ich mit meiner schlechteren Hand malen.
  • Gleiche Anzahl an Strichen setzen: Bei dieser Übung versuchst du, immer ungefähr die gleiche Anzahl an senkrechten und geraden Strichen in ein Kästchen zu setzen. Hier ist auch dein Auge gefordert! Man kommt leicht durcheinander. Wenn das gut klappt, vergrößere die Striche auf die Länge von zwei Kästchen, oder gehe auch hier die Übung wieder von der anderen Seite an.
  • Schattierungen üben: Bei dieser Übung kannst du auch gleich die unterschiedlichen Härten deiner Bleistifte ausprobieren. Starte mit viel Druck auf den Bleistift und reduziere diesen dann während du in auf-und-ab Bewegungen den Stift über das Papier führst.
  • Das Haus des Nikolaus zeichnen: Klingt witzig, ich weiß, doch diese Übung in einem Strich an den Linien des Papiers auszurichten und dann noch die Spitze des Daches in die Mitte zu setzen- das empfinde ich immer wieder als Herausforderung. Falls du nicht mehr genau weißt, wie man „das Haus des Nikolaus zeichnet“, kannst du dir hier kurz auf die Sprünge helfen lassen.
  • Herzchen malen: Ein bisschen romantisch sind wir doch alle veranlagt, oder nicht? Und wenn es dir ansonsten zu peinlich ist, Herzchen zu malen, darfst du das jetzt ganz offiziell als Zeichenübung tarnen. Worauf musst du achten? Wie in einigen anderen Übungen auch schon, kommt es hier auf die Symmetrie an. Beginne in der Spitze und ziehe den Stift diagonal bis in die andere Ecke des Kästchens. Anschließend setzt du eine Rundung an. Denk hier noch mal an unsere Kreisübung.
  • Diagonale Striche üben: Versuche hierbei zunächst eine Reihe diagonal nach links geneigte Striche zu setzen, anschließend legst du dann die nach rechts geneigten Striche darüber. Wichtig: Bitte, bitte achte weiterhin auf deine Stifthaltung und fang nicht an dich, oder deine Hand zu verdrehen.
  • Mit der nicht dominanten Hand zeichnen: Zeichne mit deiner „guten“ Haupthand ein Symbol, Bild, Sketchnote etc. und wechsel den Stift dann in deine andere Hand. Mit der versuchst du nun das gleiche Bild daneben zu zeichnen. Zum Schießen, oder? Siehst du, wie unsicher meine Strichführung ist? Wozu das gut sein soll? Du schulst deine Denkmurmel, genauer gesagt die Kommunikation beider Hirnhälften. Wenn du nicht gerade beidhändig bist, muss sich dein Gehirn extrem auf die Führung des Stiftes konzentrieren.

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