Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das aus zwei Hälften besteht, der linken und der rechten Gehirnhälfte. Jede dieser Hälften ist für unterschiedliche Funktionen und Fähigkeiten zuständig. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über die Vorgänge beim Lernen herausgefunden und somit die Idee vom Gehirn als einfachem Informationsspeicher in Frage gestellt. Um herauszufinden, welche Gehirnhälfte bei einer Person dominant ist, gibt es verschiedene Tests, darunter auch solche, die auf Farben basieren. Dieser Artikel beleuchtet die Aufgaben der beiden Gehirnhälften, ihre Vernetzung, verschiedene Tests zur Bestimmung der dominanten Gehirnhälfte und wie Farben dabei eine Rolle spielen.
Die Aufgaben der linken und rechten Gehirnhälfte
Die linke und die rechte Gehirnhälfte unterscheiden sich in ihren Verantwortlichkeiten und Arbeitsweisen.
Die linke Gehirnhälfte:
- Ist zuständig für Sprache, Lesen und Rechnen.
- Arbeitet nach Regeln und Gesetzen.
- Konzentriert sich auf Details und denkt in logischen Schritten.
- Verarbeitet verbale und mathematische Informationen.
- Steuert die mündliche Darstellung, Grammatik und Wortstellung.
Die rechte Gehirnhälfte:
- Ist zuständig für Körpersprache, Bildersprache und Intuition.
- Ist kreativ und spontan und interessiert sich für Neugier, Spielen und Risiko.
- Besitzt den Überblick und verarbeitet Informationen ganzheitlich.
- Kontrolliert die Körpersprache, Mimik und Gestik.
- Steuert Bewegungen und physische Aktivität sowie künstlerische Leistungen und Erlebnisse wie Musik, Zeichnen und Malen.
Insgesamt arbeiten die linke und rechte Gehirnhälfte zusammen, um eine optimale Gehirnleistung zu erzielen. Während die linke Gehirnhälfte für analytische Aufgaben zuständig ist, übernimmt die rechte Gehirnhälfte kreative und intuitive Aufgaben. Einige Wissenschaftler vermuten, dass erfolgreiche und kreative Menschen besonders gut zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte kommunizieren können.
Die Vernetzung der Gehirnhälften
Die beiden Gehirnhälften sind durch die Großhirnrinde miteinander verbunden. Die Erinnerung besteht hauptsächlich aus einer verstärkten Verknüpfung von Nervenzellen. Um das Gedächtnis zu verbessern, müssen Synapsen verstärkt werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Verbindung zwischen systematischem Denken und Intuition.
Um die Zusammenarbeit und Synchronisation beider Gehirnhälften zu stärken, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
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- Multisensorische Aktivitäten: Durchführen von Tätigkeiten, die mehrere Sinne ansprechen und somit beide Gehirnhälften gleichzeitig aktivieren.
- Kinesiologische Übungen: Übungen, die die Koordination zwischen beiden Gehirnhälften verbessern sollen.
Es ist wichtig zu beachten, dass Übungen, die angeben, lediglich eine Gehirnhälfte zu trainieren, wissenschaftlich nicht fundiert sind. Bei jeglicher Art von Gehirntraining werden immer beide Hälften aktiv, jedoch in unterschiedlicher Form.
Tests zur Bestimmung der dominanten Gehirnhälfte
Um herauszufinden, welche Gehirnhälfte bei einer Person dominant ist, gibt es verschiedene Tests. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Dominanz einer Gehirnhälfte nicht immer eindeutig ist und sich im Laufe des Lebens ändern kann.
Beispiele für Tests:
- Der 2-Sekunden-Test: Hierbei wird eine sich drehende Tänzerin gezeigt. Wenn sie sich im Uhrzeigersinn dreht, wird der rechten Gehirnhälfte der Vorzug gegeben, was auf Kreativität, Intuition und Emotionalität hindeutet. Dreht sie sich gegen den Uhrzeigersinn, dominiert die linke Gehirnhälfte, was zu einem strukturierten, logisch-analytischen Denken führt.
- Kopf- und Augenhaltung: Die Kopf- und Augenhaltung bei der Beantwortung einer Frage kann ebenfalls einen Hinweis geben. Personen, die den Kopf nach links drehen, bevorzugen möglicherweise die rechte Gehirnhälfte.
- Montageanleitungen: Die Art und Weise, wie man eine Montageanleitung für technische Geräte liest, kann auch Aufschluss geben. Linksseitig orientierte Personen folgen der Anweisung Satz für Satz.
Farben und die Gehirnhälften
Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass das rechte Auge Farben anders wahrnimmt als das linke. Das liegt daran, dass das, was im rechten Gesichtsfeld passiert, in der linken Gehirnhälfte verarbeitet wird, also dort, wo das Sprachzentrum liegt. Während die einen zwar behaupten, dass die Sprache nur das ausdrückt, was das Gehirn auch sieht, so behaupten die anderen, dass auch umgekehrt die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst.
Beim Farben-Sehen fanden Studien folgendes heraus: Nur das, was die linke Gehirnhälfte wahrnimmt, wird auch durch die Sprache beeinflusst, alles andere nicht. Tests ergaben, dass zum Beispiel sehr ähnliche Farben, die aber sprachlich verschiedenen Kategorien angehörten, im rechten Teil des Gesichtsfeldes - und damit der linken Gehirnhälfte - schneller unterschieden wurden als im linken Teil, der mit der rechten Gehirnhälfte - dem räumlichen Sehzentrum - verbunden ist. Anscheinend verstärkte die sprachliche Differenz den Unterschied in der Wahrnehmung. Diese Schlussfolgerung legt auch ein weiteres Experiment nahe: Ist das Sprachzentrum beim Farbtest mit einer zusätzlichen Aufgabe beschäftigt, so steht einem keine Hirnkapazität mehr zur Verfügung und die erleichterte Unterscheidung der Farben funktioniert nicht mehr.
Optische Täuschungen und Farbwahrnehmung
Optische Täuschungen, wie das berühmte Kleid, das entweder blau-schwarz oder weiß-golden wahrgenommen wurde, oder der Schuh, der entweder türkis/grau oder rosa/weiß erscheint, zeigen, wie unterschiedlich Menschen Farben interpretieren können. Der Wahrnehmungspsychologe Karl Gegenfurtner erklärt, dass die unterschiedliche Interpretation von Farben vor allem an der Beleuchtung liegt, die auf dem Foto um das Objekt herum erkannt wird. Manche gewichten die strahlende Helligkeit um das Objekt besonders stark, während andere optische Einflüsse untergeordnete Rollen spielen.
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Menschen erkennen Farben, weil Rezeptoren im Auge Lichtwellen analysieren. Jede Farbe lässt sich theoretisch bestimmten elektromagnetischen Wellenlängen zuordnen. Die Rezeptoren springen auf unterschiedliche Wellenlängen an und filtern aus einer Farbmischung die Grundfarben Rot, Grün, Blau heraus. Doch das Ergebnis interpretieren Menschen unterschiedlich, nicht nur jene, die an Rot-Grün-Schwäche leiden.
Ein Paar, das einem Kleidungsstück unterschiedliche Farben zuordnet, muss aber nicht unbedingt unterschiedliche Farben sehen. Millionen Farben werden wahrgenommen, aber wir haben nur für wenige einen Namen. Also würden Farben, die an der Grenze zu anderen Farben liegen, oft unterschiedlich beschrieben.
Der Stroop-Test
Der Stroop-Test ist ein Verfahren zur Prüfung der selektiven Aufmerksamkeit. Der Stroop-Effekt beschreibt das Phänomen, dass es Menschen schwerer fällt, die Farbe von Wörtern zu nennen, wenn diese Wörter eine andere Farbe haben als das Wort selbst. Beim Stroop-Test werden bewusst Konflikte zwischen kontrollierten und automatisierten Verarbeitungsprozessen geschaffen, um die Funktionsweise des Gehirns und die Aufmerksamkeitsfähigkeiten zu untersuchen.
Wie funktioniert der Stroop-Test?
Es werden Formen (meist X-Zeichen) in verschiedenen Farben gezeigt. Die Aufgabe besteht darin, die Farben der Zeichen so schnell wie möglich zu benennen. Eine schwierigere Variante verwendet Wörter, die in einer anderen Farbe als ihrer Bedeutung gedruckt sind (z.B. das Wort "Gelb" in blauer Schrift). Die Diskrepanz zwischen Wort und Farbe erzeugt einen Konflikt, der die Reaktionszeit verlangsamt und Fehler verursacht.
Warum funktioniert der Stroop-Test?
Das Lesen ist ein automatisierter Prozess, der im Laufe der Kindheit erlernt wurde. Beim Stroop-Test muss dieser automatisierte Prozess unterdrückt werden, um sich auf die Farbe zu konzentrieren. Die Schwierigkeit entsteht dadurch, dass die Augen weiterhin das Wort sehen, was zu einer Interferenz führt.
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Kann man den Stroop-Effekt trainieren?
Ja, mit gezieltem kognitiven Training kann die Konzentration verbessert werden, was zu einer besseren Leistung im Stroop-Test führt.
Sprache und Farbwahrnehmung
Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass die Sprache Einfluss auf unsere Farbwahrnehmung hat. Erst wenn Kinder lernen, Farben zu benennen, baut ihre linke Gehirnhälfte das bunte Kategoriensystem der Erwachsenen auf.
In einem Experiment wurde festgestellt, dass die linke Hemisphäre deutlich schwerer damit tat, etwa einen "dunkelblauen" Farbklecks auf einem "hellblauen" Hintergrund auszumachen, als einen "grünen" auf einem "blauen". Auf der rechten Seite des Probandengehirns war der Effekt deutlich schwächer ausgeprägt. Die Unterscheidung zwischen "blau" und "grün" könnte aber lediglich auf eine sprachlich vermittelte und damit willkürliche Einteilung des eigentlich kontinuierlichen Farbspektrums beruhen. Mit anderen Worten: Der Wortschatz prägt das Farbempfinden.
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