Ein Schlaganfall kann nicht nur körperliche Beeinträchtigungen wie Lähmungen verursachen, sondern auch kognitive Störungen. Diese können sich in Form von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit äußern. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Therapiemöglichkeiten der geistigen Verwirrtheit nach einem Schlaganfall.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist eine Durchblutungsstörung des Gehirns, die dazu führt, dass bestimmte Gehirnareale nicht mehr richtig durchblutet werden und ihre Funktion gestört ist. Oft wird der Schlaganfall zu den häufigsten Krankheiten im Alter gezählt, wobei über 50 Prozent der Fälle über 65-Jährige betreffen und rund 15 Prozent Personen unter 40/45 Jahren. Mit zunehmendem Alter steigt das Schlaganfallrisiko.
Risikofaktoren
Die Hauptrisikofaktoren für einen Schlaganfall sind Bluthochdruck und Vorhofflimmern. Weitere relevante Risikofaktoren sind Diabetes, Rauchen, Bewegungsmangel und Fettstoffwechselstörungen. Eine gesunde Ernährung und viel Bewegung sind gute Präventionsmaßnahmen. Die Vermeidung von Risikofaktoren ist entscheidend. Empfohlen wird eine ausgewogene, mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, wenig Fleisch und wenig Alkohol. Ausreichend Bewegung (20 bis 30 Minuten pro Tag, bei der man leicht schwitzt) ist ideal. Vorliegende Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck sollten behandelt werden.
Stille Schlaganfälle
Neben den schweren Schlaganfällen gibt es auch die sogenannten „stillen Schlaganfälle“, die oft unbemerkt bleiben. Diese zeigen meist nur milde Symptome wie kurzer Schwindel oder Kribbeln, die nicht als Schlaganfall-Symptom bewertet werden. Sie verursachen in der Regel keine Funktionsstörungen.
Akute Verwirrtheit: Das Delir
Akute Verwirrtheit, oft als Delir bezeichnet, ist eine Störung des Denkens, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung oder der Orientierung. Betroffene wissen oft nicht mehr, wo sie sich befinden, welcher Tag ist oder wie sie heißen. Halluzinationen, Wahngedanken, Angst, Reizbarkeit, Aggressivität und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus können auftreten. Ein Delir ist ein Notfall und kann lebensbedrohlich sein.
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Symptome des Delirs
Ein Delir beginnt akut und hat einen schwankenden Verlauf. Die Aufmerksamkeit ist eingeschränkt, und es kommt zu Bewusstseinsstörungen wie abnormale Schläfrigkeit. Betroffene können apathisch oder rastlos und aggressiv sein. Ein Delir kann durch Verwirrtheit, Aufmerksamkeits-, Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen gekennzeichnet sein. Mit Screening-Tests können Delirien erkannt und sicher diagnostiziert werden. Die Behandlung zielt auf die Reduktion von Risikofaktoren und Beseitigung von auslösenden Faktoren ab. Auch für Angehörige stellt das Delir eine große Herausforderung dar.
Ursachen für akute Verwirrtheit nach Schlaganfall
- Neurologische Erkrankungen: Schlaganfälle, Gehirnentzündungen (Enzephalitis), Kopfverletzungen (Schädel-Hirn-Trauma).
- Systemische Erkrankungen: Flüssigkeitsverlust, niedriger Blutdruck, Infektionen (Blasenentzündung, Lungenentzündung, Blutvergiftung), hormonelle und Stoffwechselstörungen (hoher oder niedriger Blutzuckerspiegel, Schilddrüsenunterfunktion, Leberversagen, Niereninsuffizienz).
- Medikamente: Einige Medikamente können Verwirrtheit verursachen, darunter Amitriptylin (Antidepressivum), Tiotropium (Asthma-Medikament), Midazolam (Beruhigungsmittel), Kortikosteroide („Kortison“), Ciprofloxacin (Antibiotikum) und Bisoprolol („Betablocker“).
- Mangelzustände: Erkrankungen des Gehirns durch einen Mangel an Vitamin B1 (Wernicke-Enzephalopathie) oder einen Mangel an Vitamin B12, Folsäure oder Niacin. Ein Vitamin-B1-Mangel entsteht oft durch übermäßigen Alkoholkonsum.
- Drogen und andere Substanzen: Übermäßiger Alkoholkonsum, akute Alkoholvergiftung, Cannabinoide, LSD, Meskalin, Kohlenmonoxidvergiftung, Lösungsmittel, Schwermetalle.
- Psychische Erkrankungen: Angststörung, Panikstörung, Schizophrenie, Wochenbett-Psychose, Bipolare affektive Störung (Manie, Depression).
- Weitere Ursachen: Hitzschlag, Hirntumor, starke Schmerzen, Operationen.
Delir nach Schlaganfall (Post-Stroke-Delir)
Das Post-Stroke-Delir (PSD) ist eine akut auftretende Hirnfunktionsstörung, die durch Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstörungen, kognitive Beeinträchtigungen sowie Schlafstörungen gekennzeichnet ist. Patienten mit Delir nach einem Schlaganfall haben eine fast fünffach höhere Sterblichkeit und häufiger überdauernde Komplikationen wie kognitive Funktionsstörungen. Ein Delir ist mit einem schlechteren Behandlungsergebnis und einem längeren Krankenhausaufenthalt verbunden. Besonders bei älteren Patienten wird die Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit oft fälschlicherweise als Ausdruck einer Demenz verstanden und kann folglich nicht adäquat behandelt werden. Die Demenz gilt jedoch als wichtiger Risikofaktor für die Entstehung eines Delirs im Krankenhaus.
Risikofaktoren und Auslöser
Die häufigsten Risikofaktoren und Auslöser sind Arzneimittel, Dehydratation (Wassermangel im Körper) und Infektionen. Auch starke Schmerzen, emotionaler Stress und Demenz bzw. Wesentlich ist auch die verstörende und oft hektische Umgebung der Patienten auf einer Intensiv- oder Überwachungsstation. Maßnahmen wie Lärmreduktion, nächtliche Lichtreduktion, adäquate Schmerztherapie, Frühmobilisation, Schlafförderung sowie eine konstante und ruhige Umgebung können die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Delirs deutlich senken. Eine medikamentöse Delirprophylaxe kann derzeit nicht empfohlen werden.
Prävention
Die Delir-Prävention besteht aus dem frühzeitigen Erkennen der beeinflussbaren Risikofaktoren und dem Einleiten der notwendigen Maßnahmen. Zu den nicht beeinflussbaren Risikofaktoren zählen ein höheres Alter (> 65 Jahre), Demenz, Verletzungen wie Oberschenkelfrakturen und andere schwere Erkrankungen. Beeinflussbare Risikofaktoren hingegen sind Angriffspunkte für therapeutisches Eingreifen. Hierzu gehören unter anderem Medikamente, welche ein Delir auslösen können, Flüssigkeitsmangel (Dehydratation), Harnverhalt, Infekte sowie Mangelernährung, Schlafstörungen, Schmerzen, Immobilität. Entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung dieser Faktoren sollten frühzeitig von geschultem Personal eingeleitet werden.
Maßnahmen zur Orientierungserleichterung
- Aufstellen von Uhren
- Führen eines Kalenders, in dem Termine notiert werden können
- Markieren von Räumen wie dem Badezimmer und Aufenthaltsräumen
- Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte fördern die Wahrnehmung und Orientierung der Patienten
- Ermöglichen eines möglichst dem normalen Leben angepassten Schlaf-/Wach Rhythmus
Diagnostik
Ein Verfahren zum Erkennen von Risikopatienten eines Delirs ist der CAM-ICU-Test (Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit). Ein vergleichbarer Test ist die Intensive Care Delirium Screening Checklist (ICDSC), die ebenfalls auf Intensivstationen durchgeführt wird. Die Tests sollten mehrmals am Tag durchgeführt werden und erfordern nur wenige Minuten.
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Therapie
- Behandlung einer möglichen Infektion
- Ausreichende Sauerstoff- und Flüssigkeitsgabe
- Therapie von Blutzuckerentgleisungen
- Adäquate Schmerztherapie
- Absetzen nicht dringend benötigter Medikamente
- Frühmobilisation und Orientierungshilfen
- Anstreben eines natürlichen Schlaf-/Wach Rhythmus
- Medikamente zur Reduktion von Agitiertheit, Aggressivität und psychotischen Symptomen (z.B. Haloperidol)
Rolle der Angehörigen
Angehörige können durch den engen Kontakt zum Patienten Wesens- und Verhaltensänderungen schnell erkennen und Therapeuten wichtige Hinweise liefern. Die Family Confusion Assessment Method (FAM-CAM) beinhaltet elf Fragen, die von einer Ärztin oder einem Arzt, einem Familienmitglied oder einer Bezugsperson des Patienten gestellt werden. Vertraute Stimmen mit beruhigenden und erklärenden Worten sind äußerst wichtig.
Kognitive Störungen nach Schlaganfall
Kognitive Störungen umfassen Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitung im Gehirn, einschließlich Wahrnehmungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken. Sie beeinflussen Alltagsaktivitäten, das Leben im Sozialgefüge und die berufliche Leistungsfähigkeit. Kognitive Störungen können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten und führen nicht selten zu Konflikten in der Familie oder im Beruf. Als “Milde kognitive Einschränkung” werden kognitive Störungen bezeichnet, die über das Altersmaß und den Bildungsgrad hinausgehen, meist Gedächtnisstörungen und Einschränkungen der Aufmerksamkeit und Konzentration.
Symptome kognitiver Störungen
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
- Eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit, vor allem des Kurzzeitgedächtnisses
- Fehlerhafte Handlungsplanung
- Reduzierte Urteilsfähigkeit
- Erschwerte Problemlösungen
- Eingeschränkte Fähigkeit zur Kommunikation
- Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit
Diagnostik kognitiver Störungen
Die Ursache und der Schweregrad werden durch neurologisch-psychiatrische und neuropsychologische Untersuchungen eingeordnet. Umfangreiche Testuntersuchungen hinsichtlich der Hirnleistungsfähigkeit werden durchgeführt, wobei die örtliche und zeitliche Orientierung, die Merkfähigkeit, die Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit, die Erinnerungsfähigkeit, Lesen, Schreiben und visuell-konstruktive Fähigkeiten abgefragt und ausgewertet werden.
Therapie kognitiver Störungen
Von großer Wichtigkeit ist die Fortführung des fachmännisch ausgearbeiteten “Trainings”, also der erlernten und hilfreichen Übungen in häuslicher Umgebung. Aber auch moderne digitale Hometraining-Angebote sind hilfreich.
Erste Hilfe bei Schlaganfall
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss sofort der Rettungsdienst (112) gerufen werden. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes kann die betroffene Person beruhigt werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Person nicht stürzt, falls sie eine Gangstörung hat. Die Erstversorgung in einer Stroke Unit ist essentiell. In Deutschland werden die meisten Schlaganfall-Patienten auf solchen Stroke Units behandelt. Hier erfolgt nicht nur die Akuttherapie, sondern auch ein Herz-Kreislauf-Monitoring und die Ursachenforschung des Schlaganfalls.
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Therapieerfolge
Im Bereich der Thrombektomie gibt es tatsächlich Heilungserfolge, die an Wunderheilung grenzen können. Es gibt Fälle, in denen der Patient mit einer schwerstgradigen Lähmung in die Klinik kommt und bei Entlassung eine Woche später keinerlei Einschränkungen mehr hat, sofern er nach dem Schlaganfall schnell in die Klinik gebracht wurde. Der Therapieerfolg richtet sich nach der Beteiligung des Patienten. Die Folgen eines Schlaganfalls hängen immer von Art und Ausmaß des Schlaganfalls ab.
Prognose und Rehabilitation
Die Prognose hängt von der Ursache der Verwirrtheit ab. Ein Delir kann rasch abklingen, vor allem bei jüngeren Menschen. Bei älteren kann es sich über Wochen hinziehen und zu bleibenden kognitiven Einschränkungen führen. Die Weiterversorgung (Pflege, Reha, häusliche Unterstützung) ist entscheidend. Die Herausforderungen im Alltag nach einem Delir ähneln denen in der Akutphase: Unsicherheit, Angst, Verwirrung. Eine strukturierte Umgebung, klare Kommunikation und ggf.
Pflege nach Schlaganfall
Durch die Folgen eines Schlaganfalls sind viele Personen auf Unterstützung oder Pflege angewiesen. Wenn es nur ein leichter Schlaganfall war oder einer, bei dem eine Rückbildung möglich ist, dann ändert sich vielleicht gar nicht viel und der Betroffene kann ganz normal in seine Wohnung zurückkehren. Wenn es ein schwerer Schlaganfall war, dann muss möglicherweise schon mehr Unterstützung oder Pflege organisiert werden. Meistens hat man als Angehöriger in so einem Fall aber etwas mehr Zeit für diese Organisation, weil Patienten mit einem schweren Schlaganfall nach der Akuttherapie in der Regel noch in die Reha gehen. Bei einem sehr schweren Schlaganfall sollte man sich frühzeitig auf Pflegeportalen informieren und passende Pflege für seinen Angehörigen organisieren.
Rezidiv-Risiko
Es gibt eine Reihe an Rezidiv-Schlaganfällen (wiederholte Schlaganfälle) und die Zahl liegt bei rund 50.000 bis 70.000 pro Jahr. Auch wegen dieses hohen Rezidiv-Risikos ist es so wichtig, nach dem ersten Schlaganfall die genauen Ursachen zu erforschen, um daraus eine gute Sekundär-Prävention aufbauen zu können. Dabei gelten die selben Präventionsmaßnahmen wie vor Erstschlaganfällen: gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, kein Diabetes, kein Bluthochdruck usw.
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