In einer Zeit, in der Finanzkrisen und Rettungspakete Schlagzeilen machen, rückt das Thema Geld immer stärker in den Fokus. Dies erklärt das wachsende Interesse an der Neuroökonomie, einer jungen Forschungsdisziplin, die wirtschaftliches Verhalten mithilfe von Methoden der Hirnforschung untersucht. Diese Studien, die oft aufwändig sind und nicht im alltäglichen Umfeld wirtschaftlicher Entscheidungen durchgeführt werden können, liefern dennoch aufschlussreiche Erkenntnisse.
Die Rolle von Emotionen bei finanziellen Entscheidungen
Die Neuroökonomie zeigt, dass Vernunft und rationale Überlegungen bei finanziellen Angelegenheiten oft eine untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen dominieren Emotionen wie Angst und Gier. Überraschenderweise ist aber auch der Wunsch nach Fairness tief im Gehirn verankert und kann dazu führen, dass Menschen sogar auf finanzielle Vorteile verzichten.
Primäre vs. sekundäre Belohnungen: Wie das Gehirn entscheidet
Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben untersucht, ob Menschen sich bei der Wahl zwischen Nahrungsmitteln (primäre Belohnungen) und Geld (sekundäre Belohnungen) unterschiedlich verhalten. In einer Studie wurden 28 Probanden verschiedene Nahrungsmittel und Geldbeträge präsentiert, wobei sie wählen konnten, ob sie eine bestimmte Menge sofort oder eine größere Menge zu einem späteren Zeitpunkt erhalten möchten.
Die Ergebnisse zeigten, dass Entscheidungen für Essen impulsiver getroffen werden, d.h. die sofort verfügbare Nahrung wird öfter gewählt als eine später verfügbare größere Menge. Bei Geld hingegen warten die Teilnehmer lieber auf den höheren Betrag, da Geld länger wertbeständig ist. Diese Unterschiede spiegelten sich auch in der Hirnaktivität wider: Bei der Wahl von Geldbeträgen werden eher Hirnregionen aktiviert, die für die Überwachung von Handlungen zuständig sind, während bei Lebensmitteln Hirnregionen aktiv werden, die für Entscheidungen im sozialen Umfeld wichtig sind.
Diese Ergebnisse bestätigen frühere Studien, die gezeigt haben, dass das menschliche Gehirn unterschiedlich auf primäre und sekundäre Verstärker reagiert. Die Bochumer Forscher fanden heraus, dass primäre Belohnungen wie Essen zu impulsiveren Entscheidungen führen, was mit einer schwächeren Selbstkontrolle, höherer Kalorienaufnahme und höherer Essfrequenz einhergeht.
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Einkommensvolatilität und Auswirkungen auf das Gehirn
Eine weitere Studie untersuchte die Auswirkungen von Einkommensvolatilität auf die Alterung des Gehirns. Forscher begleiteten über 30 Jahre Studienteilnehmer in den USA und stellten fest, dass eine erhöhte Einkommensvolatilität während der Spitzenverdienstjahre zu einer Verschlechterung des Alterungsprozesses des Gehirns in der Lebensmitte führen kann.
Die Teilnehmer berichteten alle drei bis fünf Jahre über ihr Jahreseinkommen vor Steuern. Die Forscher analysierten, wie häufig das Einkommen zurückging und um welchen Prozentsatz. Personen mit zwei oder mehr Einkommenseinbußen schnitten bei Denk- und Gedächtnistests schlechter ab als jene, die diese Erfahrung nie gemacht hatten. Zudem wiesen sie ein geringeres Hirnvolumen und eine geringere Konnektivität des Gehirns auf.
Mögliche Erklärungen hierfür sind, dass Personen mit einem geringen oder unsicheren Einkommen einen eingeschränkten Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung haben.
Geld als Droge: Die Psychologie des Geldes
Die britische Psychologin Claudia Hammond vergleicht Geld mit einer Droge, die uns unbewusst beeinflusst und unser Verhalten lenkt. In ihrem Buch "Erst denken, dann zahlen: Die Psychologie des Geldes und wie wir sie nutzen können" zeigt sie, wie Geld unser Gehirn austrickst.
Ein Beispiel: Bei Kaufentscheidungen tendieren Menschen dazu, bei niedrigpreisigen Produkten die günstigere Variante zu wählen, um 10 Euro zu sparen. Bei Ausgaben von 500 Euro hingegen haben sie den Eindruck, es lohne sich nicht, das Konkurrenzprodukt für 490 Euro zu wählen. Hammond rät jedoch, immer auf den Preis zu achten, egal wie hoch er ist.
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Da wir bei Kartenzahlung offenbar bereit sind mehr Geld auszugeben und auch schneller den Überblick über unsere Finanzen verlieren, hält Hammond eine komplette Abschaffung von Bargeld für problematisch. Sie verspricht sich jedoch Abhilfe durch neue Technologien, die uns helfen, klüger mit Geld umzugehen.
Großzügigkeit und Glück: Eine neuronale Verbindung
Viele Menschen sind großzügig und helfen anderen gerne. Studien haben gezeigt, dass großzügiges Verhalten das Glücksgefühl steigern kann. Forscher haben nun untersucht, wie genau diese Verknüpfung im Gehirn hergestellt wird.
In einer Studie wurde einer Gruppe von Probanden versprochen, dass sie in den kommenden vier Wochen wöchentlich Geld erhalten. Die eine Hälfte sollte das Geld für sich selbst ausgeben, die andere Hälfte für Freunde und Bekannte. Die Probanden der zweiten Gruppe entschieden sich häufiger großzügig und gaben nach der Aufgabe an, glücklicher zu sein als die Kontrollgruppe.
Die Forscher konnten zeigen, dass die Probanden der Versuchsgruppe eine erhöhte Aktivierung im temporo-parietalen Kortex zeigten, während sie großzügige Entscheidungen trafen. Zudem änderte sich die Konnektivität dieser Hirnregion mit dem ventralen Striatum, dessen Aktivierung direkt mit dem Anstieg im Glücksgefühl verbunden war. Dies deutet darauf hin, dass großzügiges Verhalten im Gehirn mit Glücksgefühlen verknüpft und somit möglicherweise angetrieben wird.
Denkfehler an der Börse: Behavioral Finance
Die Behavioral Finance kombiniert Ökonomie mit Psychologie und zeigt, dass wir uns oft irrational verhalten - als Einzelne und als Gruppe. Beim Investieren lauern überall psychologische Denkfallen, die Anleger viel Geld kosten können.
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Einige Beispiele:
- Selbstüberschätzung: Der Irrglaube an den eigenen Börsen-Instinkt führt dazu, dass Anleger zu große Risiken eingehen oder an schlechten Investments festhalten.
- Verlustaversion: Verluste wiegen in unserer Wahrnehmung schwerer als Gewinne, weshalb es schwerfällt, eine schlechte Aktie zu verkaufen.
- Bezugspunktabhängigkeit: Anleger bewerten ihre Gewinne und Verluste oft relativ zum Kaufpreis, was emotional schwerer wiegt als die eigentliche Zukunftsaussicht des Unternehmens.
- Herdentrieb: Alle stürzen sich auf einen Hype, und viele bleiben am Ende auf überteuerten Werten sitzen.
- Selektive Wahrnehmung: Anleger suchen nach Bestätigung für ihre Entscheidungen und ignorieren widersprechende Informationen.
- Gewöhnungseffekte: Je länger eine Aktie im Minus bleibt, desto stärker gewöhnt man sich an den Zustand und klammert sich an die Hoffnung, dass die Kurse irgendwann wieder steigen.
Um diese Denkfehler zu umgehen, sollten Anleger klare Kauf- und Verkaufsregeln aufstellen, Risiken breit streuen und einen langen Anlagehorizont haben.
Evolutionäre Perspektive: Warum Sparen schwerfällt
Aus evolutionsbiologischer Sicht geht es zunächst darum, im Hier und Jetzt zu überleben. Unser Gehirn ist auf Verhaltensweisen wie Sparen und Investieren nicht ausgerichtet, weil dann die kurzfristige Belohnung zugunsten eines langfristigen Ziels entfällt. Um langfristige Sparziele zu erreichen, müssen wir Impulse, die eine sofortige Belohnung versprechen, unterdrücken. Diese Fähigkeit wird vom Präfrontalen Kortex gesteuert, der erst mit Mitte 20 voll entwickelt ist.
Geschlechterunterschiede beim Sparen
Wissenschaftliche Befunde legen nahe, dass Frauen besser sparen können als Männer. Bildgebungsstudien haben gezeigt, dass Frauen einen größeren Präfrontalen Kortex besitzen als Männer, was es ihnen ermöglicht, riskante und impulsive Käufe besser zu unterdrücken.
Tipps für ein besseres Sparverhalten
Das Gehirn ist plastisch und die Vernetzung der Nervenzellen verändert sich ständig. Auch unsere Verhaltenskontrolle können wir trainieren.
Einige Tipps:
- Mit einem klaren Plan einkaufen gehen, um Versuchungen zu vermeiden.
- Nicht Einkaufen gehen, um negative Emotionen zu regulieren.
- Sich bei Kaufentscheidungen Zeit nehmen, um den Präfrontalen Kortex zu aktivieren.
- Bargeld bevorzugen, um den Überblick über die Ausgaben zu behalten.
- Online-Shopping einschränken, um Dopaminkicks in kurzen Zeitabständen zu vermeiden.
Die Bedeutung des Bezahlvorgangs
Wird bargeldlos mit der Kreditkarte oder dem Smartphone eingekauft, entfällt ein Teil des Schmerzempfindens. Beim Online-Shopping besteht eine größere Gefahr, die Kontrolle über das Einkaufsverhalten zu verlieren, da viele Produkte in kurzer Zeit bestellt werden können.