Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von Grund auf verändern. Plötzlich auftretende Durchblutungsstörungen im Gehirn können weitreichende Folgen haben und einen Pflegebedarf auslösen. Obwohl das Risiko mit zunehmendem Alter steigt, können auch Kinder und junge Erwachsene betroffen sein. Die Statistik zeigt, dass etwa 85 % der Patienten mit den Folgen eines Schlaganfalls leben müssen. Diese Folgen können vielfältig sein und reichen von Lähmungserscheinungen über Sprach- und Orientierungsstörungen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen.
Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Genesung nach einem Schlaganfall, von der Akutbehandlung über die Rehabilitation bis hin zur langfristigen Unterstützung im Alltag. Dabei werden sowohl die medizinischen und therapeutischen Möglichkeiten als auch die sozialen und finanziellen Hilfen für Betroffene und ihre Familien berücksichtigt.
Akutbehandlung und Stabilisierung
Im Akutfall eines Schlaganfalls hat die Stabilisierung der Vitalfunktionen, die Beseitigung von Gefäßverschlüssen und die Stillung von Gehirnblutungen höchste Priorität. Um einen erneuten Schlaganfall zu vermeiden, werden häufig blutverdünnende Medikamente eingesetzt. Je schneller ein Patient nach einem Schlaganfall behandelt wird, desto mehr Nervenzellen im Gehirn können gerettet werden.
Die Schlaganfall-Diagnose erfolgt in der Regel durch bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT). Diese Untersuchungen ermöglichen es, zwischen einer Hirnblutung und einem Hirninfarkt zu unterscheiden und die Ursache des Schlaganfalls festzustellen.
Thrombolyse und Thrombektomie
Handelt es sich um einen ischämischen Schlaganfall (Hirnschlag), bei dem ein Blutgerinnsel ein Gefäß verschließt, kann eine Thrombolyse oder Lyse-Therapie durchgeführt werden. Dabei werden dem Patienten Medikamente verabreicht, die das Blutgerinnsel auflösen sollen. Diese Therapie ist in Einzelfällen bis zu neun Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome möglich.
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Eine weitere Methode ist die Thrombektomie, bei der das Blutgerinnsel operativ mit einem Katheter entfernt wird. Dieses Verfahren kommt zum Einsatz, wenn größere Blutgefäße im Gehirn verschlossen sind. In manchen Fällen können Thrombolyse und Thrombektomie kombiniert werden, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen.
Behandlung von Hirnblutungen
Ist der Schlaganfall Folge einer Hirnblutung, kann eine Operation am offenen Gehirn erforderlich sein, um die Blutung zu stillen und den Druck im Schädelinneren zu reduzieren. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation hängt von der Art und Lokalisation der Blutung ab.
Unabhängig von der Ursache des Schlaganfalls werden die Patienten in der Akutphase auf einer Stroke Unit überwacht, um den Blutdruck zu senken und Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Bewusstlose oder beatmungspflichtige Patienten werden auf der Intensivstation versorgt.
Rehabilitation: Wiederherstellung von Fähigkeiten und Lebensqualität
Nach der Akutbehandlung beginnt die Rehabilitation, deren Ziel es ist, die durch den Schlaganfall verloren gegangenen Fähigkeiten wiederherzustellen und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Die Rehabilitation ist ein individueller Prozess, der auf die spezifischen Bedürfnisse und Einschränkungen des Einzelnen zugeschnitten ist.
Der Krankenhausaufenthalt nach einem Schlaganfall dauert in der Regel sieben bis zehn Tage. Im Anschluss daran sind weiterführende Reha-Maßnahmen sinnvoll, um die bestmögliche Genesung zu erreichen.
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Phasen der neurologischen Rehabilitation
Die neurologische Rehabilitation umfasst verschiedene Phasen, die sich nach dem Hilfebedarf des Patienten richten:
- Phase A (Akutphase): Stabilisierung der Vitalfunktionen und Behandlung von Komplikationen auf der Stroke Unit oder Intensivstation.
- Phase B (Frührehabilitation): Intensive Behandlung und Rehabilitation zur Wiederherstellung von Körperfunktionen und zur Minimierung von Folgeschäden.
- Phase C (Anschlussrehabilitation): Fortsetzung der Rehabilitation in einer Rehaklinik oder ambulant, um die Selbstständigkeit und Erwerbsfähigkeit wiederzuerlangen.
- Phase D (Rehabilitation zur Teilhabe): Leistungen und begleitende Hilfen zur nachhaltigen Sicherung des Erfolges der medizinischen Rehabilitation und zur Wiedereingliederung in Beruf und Gesellschaft.
- Phase E (Langzeitrehabilitation): Angebote zurStabilisierung der erreichten Erfolge und zur Verhinderung vonFolgeschäden.
- Phase F (Dauerpflege): Versorgung von Patienten mit andauerndem und hohem Pflegebedarf, z. B. bei schwerem Schädelhirntrauma oder im Koma.
Therapieangebote in der Rehabilitation
Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall umfasst ein breites Spektrum an Therapieangeboten, die je nach Bedarf des Patienten eingesetzt werden:
- Physiotherapie: Verbesserung von Motorik, Gleichgewicht, Beweglichkeit, Koordination und Kraft durch spezielle Übungen.
- Ergotherapie: Hinführung zu einem selbständigen Alltag durch das Erlernen von Bewegungsmustern, die Verarbeitung von Sinnesreizen und die Verbesserung der Konzentration.
- Logopädie: Behandlung von Sprachstörungen (Aphasie), Sprechmotorikstörungen (Dysarthrophonie) und Schluckstörungen (Dysphagie).
- Neuropsychologie: Behandlung von neuropsychologischen Störungen wie Aufmerksamkeitsdefiziten, Gedächtnisproblemen und Exekutivfunktionsstörungen.
- Weitere Therapieangebote: Ernährungsberatung, Sehtraining, Kunst- und Musiktherapie.
Frührehabilitation
Die Frührehabilitation (Frühreha) beginnt idealerweise unmittelbar nach der Akutbehandlung und zielt darauf ab, die körperlichen Funktionen des Patienten so schnell wie möglich wiederherzustellen. Je früher geeignete Therapiemaßnahmen und Übungen umgesetzt werden, desto eher können die Schlaganfall-Symptome behandelt und schwerere Folgeschäden verringert werden.
Dauer der Rehabilitation
Die Dauer der Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist individuell verschieden und hängt von der Schwere des Schlaganfalls, dem Fortschritt des Patienten und den Zielen der Rehabilitation ab. In der Regel dauert die Rehabilitation mehrere Wochen oder Monate.
Kostenträger der Rehabilitation
Die Kosten für die Rehabilitation nach einem Schlaganfall werden in der Regel von der Krankenkasse oder der Rentenversicherung übernommen. Die Zuständigkeit hängt von den individuellen Umständen des Patienten ab.
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Leben mit den Folgen eines Schlaganfalls: Unterstützung im Alltag
Auch nach der Rehabilitation benötigen viele Schlaganfallpatienten weiterhin Unterstützung im Alltag. Diese Unterstützung kann verschiedene Formen annehmen, von der häuslichen Pflege durch Angehörige bis hin zur professionellen Pflege in einer stationären Einrichtung.
Häusliche Pflege
Viele Angehörige übernehmen die Pflege von Schlaganfallpatienten zu Hause. Dabei können sie auf verschiedene Unterstützungsangebote zurückgreifen, wie z. B. Pflegegeld, Entlastungsbetrag, Pflegesachleistungen und Pflegehilfsmittel.
Typische Pflegetätigkeiten in der häuslichen Schlaganfall-Pflege sind:
- Hilfe beim Ankleiden und bei der Mobilisation
- Körperpflege-Maßnahmen wie Zähneputzen, Unterstützung beim Duschen oder Baden
- Nahrungszubereitung und Hilfe bei der Nahrungsaufnahme
- Begleitung zu Arztterminen und Mitgestaltung der Freizeit
Wohnraumanpassung
Um die häusliche Pflege zu erleichtern und dem Patienten ein selbstständiges Leben zu ermöglichen, kann eine Anpassung der Wohnumgebung erforderlich sein. Dazu gehören z. B. der Einbau von Rampen, der Abbau von Türschwellen oder die Installation eines Treppenlifts. Die Pflegekasse kann wohnumfeldverbessernde Maßnahmen mit bis zu 4.180 Euro (Stand 2025) bezuschussen.
Hilfsmittel
Es gibt eine Vielzahl von Hilfsmitteln, die Schlaganfallpatienten im Alltag unterstützen können. Dazu gehören z. B. Rollatoren, Rollstühle, Pflegebetten, Badewannenlifte, sprechende Zeigetafeln, besonderes Besteck, Dosenöffner, Teleskopschuhanzieher und Greifzangen. Die Kosten für medizinisch notwendige Hilfsmittel werden in der Regel von der Krankenkasse oder Pflegekasse übernommen.
Tagesbetreuung und Wohngemeinschaften
Als Alternative zur häuslichen Pflege oder zur stationären Unterbringung können Schlaganfallpatienten auch eine Tagesbetreuung in Anspruch nehmen oder in einer Wohngemeinschaft leben. Diese Wohnformen bieten soziale Kontakte und eine strukturierte Tagesgestaltung.
Stationäre Pflege
In manchen Fällen ist eine Unterbringung in einem Pflegeheim die beste Lösung, insbesondere wenn der Pflegebedarf sehr hoch ist oder die häusliche Pflege nicht mehr gewährleistet werden kann. Pflegeheime bieten eine umfassende Versorgung und Betreuung durch ein interdisziplinäres Team.
Pflegegrad
Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, muss ein Pflegegrad beantragt werden. Der Pflegegrad wird anhand des Grades der Selbstständigkeit des Patienten festgestellt. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher sind die Leistungen der Pflegeversicherung. Bei einer Lähmung kommt prinzipiell Pflegegrad 3-5 infrage.
Schwerbehindertenausweis
Schlaganfallpatienten können einen Grad der Behinderung (GdB) aufweisen und einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Der GdB wird anhand der bestehenden Hirnschäden festgestellt und kann zu verschiedenen Nachteilsausgleichen führen.
Sprachstörungen: Kommunikation wiedererlangen
Sprachstörungen (Aphasie) sind eine häufige Folge eines Schlaganfalls, insbesondere wenn die linke Gehirnhälfte betroffen ist. Betroffene haben Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken, Wörter zu finden oder Gesprochenes zu verstehen.
Verbesserung der Sprachfähigkeit
Etwa ein Drittel der Schlaganfallpatienten bemerkt nach 4-6 Wochen eine Verbesserung der Sprachstörung. Dies ist auf die Aktivität der Nervenzellen zurückzuführen, die sich nach etwa 3-4 Wochen wieder normalisiert. Das Gehirn verfügt über die Fähigkeit, neue Verbindungsmuster zwischen den verschiedenen Nervenzellen entstehen zu lassen.
Kommunikation mit Schlaganfallpatienten
Die Kommunikation mit Schlaganfallpatienten erfordert Geduld und Einfühlungsvermögen. Folgende Tipps können helfen:
- Nehmen Sie dem Angehörigen die Wörter nicht vorweg.
- Reden Sie langsam und deutlich.
- Geben Sie Ihrem Angehörigen eine positive Rückmeldung.
- Lassen Sie Fehler, Fehler sein.
- Animieren Sie Freunde, Bekannte und Angehörige.
Logopädie
Logopädisches Training ist bei den meisten Betroffenen notwendig, um Sprachkenntnisse zurückzuerlangen. Die Logopädie umfasst spezielle Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckübungen.
Prophylaxe: Erneuten Schlaganfällen vorbeugen
Bei der Pflege von Patienten mit Schlaganfall ist es besonders wichtig, erneuten Schlaganfällen vorzubeugen. Dazu gehört die Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Rauchen.
Vorbeugende Maßnahmen
- Blutdruck kontrollieren: Ein optimaler Blutdruck liegt bei maximal 135/85 mmHg.
- Rauchen aufgeben: Tabakkonsum erhöht das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden.
- Zuckerkrankheit überwachen: Diabetiker haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Schlaganfall-Risiko.
- Übergewicht reduzieren: Eine nährstoffreiche, fleischarme und betont pflanzliche Ernährung kann helfen, Übergewicht zu verlieren und erhöhte Blutfette zu senken.
Medikamentöse Behandlung
In vielen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung erforderlich, um einen erneuten Schlaganfall zu verhindern. Dazu gehören z. B. blutverdünnende Medikamente, Cholesterinsenker und Antidiabetika.
Psychische Gesundheit: Post-Stroke Depression
Nach einem Schlaganfall können psychische Probleme auftreten, insbesondere die Post-Stroke Depression (PSD). Die Symptome der PSD ähneln denen einer klassischen Depression und können sich in Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Energiemangel, Schlafstörungen, Gewichtsveränderungen, Konzentrationsproblemen, Schuld- und Wertlosigkeitsgefühlen sowie körperlichen Beschwerden äußern.
Behandlung der Post-Stroke Depression
Die Behandlung der PSD kann Psychotherapie, medikamentöse Ansätze oder eine Kombination aus beidem umfassen. Ein frühzeitiges Erkennen und die umfassende Unterstützung sind entscheidend, um Betroffenen dabei zu helfen, die Depression zu überwinden und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen
Sowohl für Schlaganfallpatienten selbst als auch für deren Angehörige können Schlaganfall-Selbsthilfegruppen eine große Unterstützung sein, um mit den Folgen und Auswirkungen eines Schlaganfalls zu leben. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist eine gute Adresse, wenn es darum geht, Kontakt zu Selbsthilfegruppen aufzunehmen.
Weitere Ansprechpartner und Anlaufstellen für die Hilfe nach einem Schlaganfall sind:
- Hausärztin / Hausarzt
- Therapeut:innen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie)
- Neuropsycholog:innen
- Stationäre und ambulante Rehabilitationszentren
- Medizinischer Dienst
- Krankenkassen / Rentenversicherung
- Agentur für Arbeit / Pflegekassen / Sozialamt
- Hilfsmittelberatung im Sanitätshaus
- Mobile, ambulante Pflegedienste / Tagespflege / Pflegeeinrichtungen
- Schlaganfall-Helfer
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