Einführung
Gerald Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands, beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie wir unser Gehirn optimal nutzen können. Seine Forschung erstreckt sich über die Entwicklung des Gehirns im Laufe des Lebens, die besten Lernmethoden und die Schaffung einer Umgebung, die unsere persönliche und neuronale Entwicklung fördert. Dieser Artikel fasst seine Erkenntnisse zusammen und bietet Einblicke, wie wir unser Gehirn besser verstehen und nutzen können.
Die untrennbare Verbindung von Denken, Fühlen und Handeln
Emotionale Zustände sind im Grunde Botschaften an uns selbst. Sie signalisieren, ob unser Handeln uns einem wünschenswerten Zustand näherbringt oder uns davon entfernt. Im letzteren Fall entsteht im Gehirn eine Inkohärenz, die eine Erregung auslöst und tieferliegende Bereiche des Gehirns erfasst, die eng mit körperlichen Reaktionen verbunden sind. Diese emotionale Reaktion, die immer auch eine körperliche Reaktion ist, hilft uns, uns im Leben zurechtzufinden. Denken, Fühlen und Handeln sind dabei hirntechnisch immer untrennbar miteinander verbunden.
Die Unterdrückung von Emotionen und ihre Folgen
Seit der Aufklärung hat sich in unserem Kulturkreis die Ansicht herausgebildet, Emotionen seien ein Rudiment aus der Steinzeit und würden uns daran hindern, unser Leben selbstbestimmt zu gestalten und entsprechende Leistungen zu erbringen. Deshalb wurde immer wieder versucht, diese emotionalen Prozesse zu diskreditieren oder zu unterdrücken. Heute sorgt eine entsprechende Erziehung dafür, dass Menschen glauben - und oft auch ihr Leben so gestalten -, man könne seine Gefühle abtrennen von dem, was man sagt und denkt. Das Unterdrücken von emotionalen Botschaften führt dazu, dass Menschen ihre eigentlichen Bedürfnisse überhören und vernachlässigen, dass sie den Kontakt zu sich selbst, zu ihren Emotionen verlieren. Eine Person spürt dann gar nichts mehr und funktioniert nur noch. Gerade die Affektregulation ist aber eine der großen Fähigkeiten des Menschen. Verhindert man, dass junge Menschen lernen, Affekte zu erkennen und zu reflektieren, eignen sie sich später als Objekte für emotional manipulative Strategien.
Emotionale Manipulation und die Suche nach Glück
Unternehmen, die auf Gewinnmaximierung setzen, nutzen die emotionalen Zustände ihrer Mitarbeiter bewusst für ihre Zwecke. In den USA gibt es professionelle Empathieseminare, in denen Führungskräften beigebracht wird, wie man bei Mitarbeitern Vertrauen weckt, indem man ihnen empathische Reaktionen vorspielt. Hier werden gezielt bestimmte emotionale Reaktionsmuster erzeugt.
Andererseits scheint es, als würde neuerdings ein besonderes Augenmerk auf die emotionale Seite der Menschen gelegt. Eine ganze Industrie strebt danach, immer wieder aufs Neue Glücksgefühle zu erfüllen und zu fördern. Aus neurobiologischer Perspektive empfindet man einen Zustand des Glücks immer dann, wenn man einen inkohärenten Zustand durch eigene Anstrengung in einen kohärenten Zustand verwandeln kann. Das Hirn strebt diesen Zustand ständig an, weil der Energieverbrauch so am niedrigsten ist. Wenn es Menschen gelingt, inkohärente Zustände wieder kohärenter zu machen, wird Energie frei. Im Mittelhirn werden dann Botenstoffe ausgeschüttet, die ähnlich wie Kokain und Heroin wirken. Diesen rauschartigen Zustand würde ich als Glück bezeichnen.
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Es gibt Studien, die zeigen, dass man schon Tiere dazu bringen kann, sich so lange mithilfe von Elektroden in diesen Belohnungszentren selbst zu stimulieren, dass sie am Ende sogar sterben. Das zeigt, dass die bloße Befriedigung eines Bedürfnisses - die Wiederherstellung eines kohärenten Zustands - per se noch kein Glück sein kann. Denn das Hirn kann nur schwer unterscheiden, ob die Lösung, die man da findet, auch langfristig günstig ist. Werden immer wieder kurzfristige Glückserlebnisse herbeigeführt, werden die dabei aktivierten Vernetzungen im Hirn immer stabiler, sodass ein Glückszustand immer leichter und effizienter herbeigeführt werden kann - und dann fängt er an, öde und schal zu werden. Langfristig glücklich wird man erst, wenn man in seinem Leben viele unterschiedliche Erfahrungen macht, wie sich inkohärente Zustände wieder kohärenter machen lassen. Aus der Summe dieser Erfahrungen erwächst ein Gefühl, das die Hirnforscher Kohärenzgefühl nennen. Durch die bewusste Auseinandersetzung und Überwindung von schwierigen Situationen wird dieses Kohärenzgefühl immer wieder gestärkt.
Anliegen statt Ziele: Eine langfristige Orientierung
Diese Menschen setzen sich eigene Schwerpunkte im Leben: ein übergeordnetes langfristiges Ziel, das einen besseren kohärenten Zustand verspricht als die unterwegs auftretenden Schwierigkeiten, die man vielleicht mit kurzfristigen Lösungen kohärenter machen könnte. Dabei sind Ziele, die man erreichen kann, aber nicht so günstig, denn hat man sie erreicht, ist auch die langfristige Orientierung weg. Was wirklich Orientierung bietet, ist ein Anliegen. Anliegen kann man auch teilen: Gemeinsame Anliegen liegen allen Beteiligten gleichermaßen am Herzen, alle sind dann bereit, etwas auf sich zu nehmen. Anliegen sind nicht so konkret wie Ziele. Man kann sie eigentlich nie erreichen, aber man hat jeden Tag gute Gründe, sich dafür einzusetzen. Aus neurobiologischer Sicht wirkt das kohärenzstiftend: Statt Arzt werden zu wollen, könnte man sich zum Anliegen machen, anderen Menschen zu helfen, wieder gesund zu werden. So nähert man sich mit jeder kleinen Aktivität als Arzt ein Stück dem langfristig gewählten Anliegen. Ein Anliegen ist eine Orientierung für das, was man tut. Es verhindert, dass man sich durch kurzfristige Ziele ablenken lässt. Es gibt eine Richtung für die eigene Weiterentwicklung und das eigene Handeln.
Der Wandel in der Gesellschaft und die Bedeutung von Würde
In der heutigen Konsumgesellschaft ist es für Menschen allerdings fast unmöglich, langfristige Anliegen zu verfolgen. Dafür dürften Menschen sich nicht einreden lassen, was sie noch alles brauchen, um glücklich zu sein. Die Leistungs- und Konsumgesellschaft baut darauf, dass Menschen keine langfristigen, gemeinsamen Anliegen entwickeln. Heute sind Menschen noch überwiegend Manipulationsmasse für ein System, das mehr Produkte herstellt und vertreibt als es Kunden gibt. Wenn Menschen lernen, auf ihre Emotionen zu hören, stünde uns also ein grundlegender Wandel in der Gesellschaft bevor. Wir erleben heute, dass hierarchische Prozesse nicht mehr dazu geeignet sind, die Unterschiedlichkeit und Komplexität der Menschen und des Lebens weiter steuern zu können. Dadurch ändern sich die Bedeutsamkeiten für Menschen allmählich. In manchen Bereichen ist das schon spürbar, beispielsweise wenn sich Personalchefs darüber beklagen, dass da eine junge Generation ankommt, die keinen Wert mehr auf die alten Strukturen oder auf Machtsymbole wie einen Dienstwagen legt. Schon jetzt ist also eine Generation nachgewachsen, die mit den alten hierarchischen Strukturen abgeschlossen hat. Diese Tendenz ist weltweit zu beobachten. Die jungen Menschen, die sich gegen hierarchische Strukturen wehren, entwickeln ein eigenes inneres Ordnungssystem. So etwas wie einen inneren Kompass, der ihnen hilft, ihre Menschlichkeit zu bewahren. Ich nenne das Würde. Geht man davon aus, dass größere Schichten in der Bevölkerung diese Bewusstwerdung ihrer eigenen Würde durchlaufen, lassen sich die Konsequenzen für eine Konsumgesellschaft erahnen.
Unternehmensführung im Wandel: Anliegen statt Gewinnmaximierung
Welche Fragen müssen sich Unternehmer vor diesem Hintergrund stellen? Was machen Unternehmen, die den Wandel verstanden haben, bereits anders? Anders macht es zum Beispiel der Gründer der dm-Kette Götz Werner. Er sieht den primären Unternehmenszweck darin, dass die Mitarbeiter glücklich sind und gern in dem Unternehmen sind, weil sie hier spüren, dass ihre Arbeit sinnvoll ist und sie sich weiterentwickeln können. Oder der Hotelkettenbetreiber Upstalsboom: ein Unternehmen, das mit den Gewinnen, die es erwirtschaftet, in Ruanda Schulen baut. Für die Mitarbeiter entsteht so ein Anliegen, eine völlig andere Motivation. Sie sind nicht mehr benutzbar oder manipulierbar durch die Firma. Dafür muss ein Unternehmen zumindest ökonomisch stabil sein - aber das Wichtigste ist, dass es ein Anliegen verfolgt, das Menschen dient und nicht auf Kosten von Menschen Gewinne machen will. Das ist der große Unterschied. Unternehmen, die nur auf Gewinnmaximierung aus sind, verlieren ihre Innovationskraft und gehen an sich selbst zugrunde. Als Biologe und Hirnforscher habe ich erkannt, dass alle lebenden Systeme sich selbst organisieren, sei es die Menschheit oder ein Unternehmen.
Die Formbarkeit des Gehirns und die Bedeutung der Nutzung
Die Art und Weise, wie wir unser Gehirn nutzen, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, welche neuronalen Verschaltungen angelegt und stabilisiert werden - oder auch nicht. Die innere Struktur und Organisation unseres Gehirns passt sich also an seine konkrete Benutzung an. So stellt sich also die Frage, wie wir eigentlich mit unserem Gehirn umgehen müssten, damit es zur vollen Entfaltung der in ihm angelegten Möglichkeiten kommen kann.
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Die Grundfunktionen des Gehirns und die Reduzierung von Angst
Noch heute gilt, was schon in der Steinzeit die Grundfunktion des menschlichen Gehirns war: Es ist dazu da, seinem Besitzer beim Überleben zu helfen. Eine Bedrohung von außen war für unsere Vorfahren z. B. Gefährdung von innen geht z. B. von einem sinkenden Blutzuckerspiegel oder Flüssigkeitsmangel aus, die das Gehirn beantwortet, indem es die Suche nach Nahrung bzw. Aber auch subtilere Prozesse können unser Befinden beeinflussen. Alle diese Situationen, egal von welcher Seite, haben auf uns einen negativen Effekt und zu viele negative Empfindungen können das innere Gleichgewicht beeinträchtigen. Diese Angst zu reduzieren, ist die zentrale Aufgabe des Gehirns.
Die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Gehirns
Ein Insekt ist nicht in der Lage, seine genetisch vorprogrammierten Verhaltensmuster zu durchbrechen. Wir Menschen sind anders, denn wir haben ein Gehirn, das das ganze Leben lang durch neue Erfahrungen verändert werden kann. Es verfolgt das Ziel, den Organismus am Leben und seine innere Ordnung aufrechtzuerhalten, und dazu bringt es Verhalten hervor, das den jeweiligen Umständen angepasst ist. Kühlt sich das Klima ab, erfindet das Gehirn warme Kleidung. Die Gehirne anderer Säugetiere und Vögel sind ebenfalls durch Umwelteinflüsse programmierbar - jedoch vor allem in jungen Jahren. Eine junge Nachtigall lernt den Gesang von ihrem Vater. Einzig das menschliche Gehirn und das unserer nächsten Verwandten, der Menschenaffen, ist bis zum Lebensende in der Lage, gemachte Erfahrungen weiter in die Entwicklung zukünftigen Verhaltens einzubeziehen. Je öfter sich ein bestimmtes Verhalten bewährt, desto wahrscheinlicher werden wir es in Zukunft wieder zeigen. Glücklicherweise ist das menschliche Gehirn fähig, einmal gelerntes Verhalten wieder zu löschen.
Lernen durch Beobachtung und kulturelle Einflüsse
Dabei setzt sich unser Verhaltensrepertoire in erster Linie aus dem zusammen, was uns Menschen in unserem Umfeld vorleben. Aber uns stehen auch andere Möglichkeiten als die direkte Beobachtung zur Verfügung, um "richtiges" Verhalten zu lernen. Unsere Möglichkeiten, viele verschiedene Verhaltensoptionen zu erlernen, sind jedoch durch äußere Faktoren eingeschränkt. Die Kultur, in der wir aufwachsen, lenkt unser Verhalten in ganz spezielle Bahnen - indem sie bestimmt, welches Verhalten unterstützt und welches gesellschaftlich abgelehnt wird. Die Entwicklungsbedingungen, denen wir unser Gehirn aussetzen, können also durch den Zugang zu alternativen Verhaltensweisen erweitert und optimiert werden. Zu denjenigen Bedingungen, die für die Gehirnentwicklung relevant sind, gehören aber nicht nur die kulturellen Verhältnisse. Jede eigene Handlung und jede zwischenmenschliche Erfahrung wird unser späteres Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen. Im Tierexperiment konnte nachgewiesen werden, dass Ratten, die in einer anregenden Umgebung mit unterschiedlichem Spielzeug und im Verbund mit Artgenossen aufgezogen wurden, nicht nur als erwachsene Ratten geschickter in der Bewältigung schwieriger Aufgaben waren.
Gleichgewichte im Gehirn
Ein häufig vorkommendes Ungleichgewicht ist das zwischen rationalem und emotionalem Denken. Je nachdem, welche Denkweise wir durch Beobachtung in unseren Kindertagen als erfolgreicher wahrgenommen haben, kann es zu einer Überbewertung des Rationalen oder des Emotionalen kommen. Ein zweites, notwendiges Gleichgewicht, das gestört sein kann, ist das zwischen Abhängigkeit und Autonomie. Wer als Kind nicht genug Selbstvertrauen entwickelt hat, bleibt auch später abhängig von anderen, während ein Kind, das zu wenig Zuwendung erfahren hat, unter Umständen später zu selbstbezogen ist und unfähig, Verantwortung für andere zu übernehmen. Das dritte kritische Gleichgewicht ist das zwischen Offenheit und Abgrenzung. Ein zu offenes Kind kann unter Reizüberflutung leiden und z. B. Aufmerksamkeitsstörungen entwickeln. Einem zu verschlossenen Kind fehlt es an Bindungen zu anderen Menschen, was ihm die Entwicklung sozialer und intellektueller Kompetenzen erschwert. Durch die Auseinandersetzung mit anders denkenden Menschen kann das Verhaltensrepertoire erweitert werden.
Die Bedeutung von Empfindungsfähigkeit, Empathie und Erkenntnis
Zum Beispiel lässt sich die Empfindungsfähigkeit schärfen - sowohl für äußere Faktoren, wie etwa einen nahenden Säbelzahntiger, als auch für innere Prozesse, wie einen sinkenden Blutzuckerspiegel. Besonders wichtig ist es, mit bedrohlichen Wahrnehmungen umgehen zu können und diese nicht einfach zu ignorieren. Nur wer auch negative Wahrnehmungen erträgt und sich danach wieder von ihnen abwendet, kann sie studieren, als Erfahrung abspeichern und sich für künftige Erlebnisse sensibilisieren. Auf der Ebene der Gefühle ist die Fähigkeit zur Empathie zentral. Menschen sind unterschiedlich gut darin, die Gefühle anderer zu verstehen, auch wenn diese nicht explizit ausgesprochen werden. Die Ebene der Erkenntnis beruht auf dem Wissen, dass jede Handlung Spuren in der Umwelt und in uns selbst hinterlässt. Wenn wir einfach handeln, ohne vorher über die Konsequenzen nachzudenken, können wir viel Schaden anrichten. Durch unser Bewusstsein haben wir die Fähigkeit, die Verarbeitungsprozesse unseres Gehirns kognitiv zu reflektieren, uns also Gedanken über die Gedanken zu machen. Unsere Empfindungsfähigkeit, unsere Gefühle, unsere Erkenntnis und unser Bewusstsein sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt.
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Die umfassende Nutzung des Gehirns und die Bedeutung der Liebe
Um das menschliche Gehirn optimal zu nutzen, müssen wir es so umfassend und vielfältig einsetzen wie möglich. Unsere Einstellungen gegenüber dem, was uns umgibt, beeinflussen nämlich unsere Hirnnutzung, ohne dass uns dies bewusst ist. Wer beispielsweise eher unachtsam ist und seine Wahrnehmungen wie den eigenen Gemütszustand ignoriert, lastet sein Gehirn nicht voll aus. Um eine Einstellung zu entwickeln, bei der wir das meiste aus unserem Gehirn holen, ist eine emotionale Bindung zu anderen Menschen das beste Rezept. Die umfassendste Benutzung unseres Gehirns erfordert eine Grundhaltung der Liebe. Wer liebt, empfindet ein tiefes Gefühl der Verbundenheit. In dieser liebenden Grundhaltung ist es viel einfacher, auch andere Denkmuster zu entwickeln, die eine optimale Gehirnentwicklung begünstigen. Ein liebender Mensch nimmt Anteil an allem, was ihn umgibt. Er erfreut sich an der Vielfalt und steht allem Lebendigen ehrfürchtig gegenüber.
Die Konsequenzen suboptimaler Hirnnutzung und die Bedeutung von Betroffenheit
Warum sollten wir uns eigentlich die Mühe machen, unser Gehirn zu trainieren und sein ganzes Potenzial auszuschöpfen? Warum nicht einfach fortfahren wie bisher und es auf dem Stand belassen, für den unsere Umwelt gesorgt hat? Wer die faule Variante wählt und die immer gleichen Verhaltensmuster abruft, läuft Gefahr, unreflektiert, ichbezogen oder rücksichtslos zu handeln. Auch wenn es auf der Hand liegt, dass die suboptimale Nutzung des Gehirns und ein eingeschränktes Verhaltensrepertoire viele Nachteile mit sich bringen - etwa unnötige Konflikte, den Verlust des Arbeitsplatzes, Geldsorgen -, fehlt manchmal der letzte Anstoß zur Veränderung. Dafür ist es essenziell, Zweifel an unserem bisherigen Denken und Handeln zuzulassen und nicht zu unterdrücken. Doch dazu ist es auch nötig, Betroffenheit zu empfinden, wenn wir Fehler machen. Denn nur dann haben wir Grund genug, unsere Einstellungen oder unser Verhalten zu ändern. Wenn wir durch unsere Fehler etwas zerstören, das uns wichtig ist, wird uns klar, dass es nicht so weitergehen kann. Das können andere Menschen sein, die wir emotional verletzen und damit unsere Beziehung zu ihnen zerbrechen lassen. Es kann sich aber z. B. Dieses Gefühl der Betroffenheit ist bei vielen von uns durch die ständige Konfrontation mit Katastrophen in den Medien abgestumpft.
Die Anpassung der Gesellschaft und die psychische Ausbeutung von Arbeitnehmern
Die vielfältigen Fähigkeiten unseres Gehirns sind beeinflussbar durch die Umstände, unter denen wir aufgewachsen sind, aber auch durch diejenigen, unter denen wir es zeit unseres Lebens benutzen. Die Umgebung, in der wir aufwachsen, ist aber entsprechend der Maßstäbe gestaltet, die unsere Vorfahren an ihre Umwelt angelegt haben. Somit wird die Art der Benutzung unseres Gehirns in der Weise geprägt - und unter Umständen eingeschränkt -, die sie für richtig hielten. Das wiederum ist von den Bedingungen geprägt, die unsere Vorfahren selbst vorgefunden haben. Ebenso wie die Verhaltensoptionen eines einzelnen Menschen flexibel sein müssen, wenn er nicht irgendwann scheitern will, ist es jedoch für ganze Gesellschaften überlebenswichtig, beweglich zu bleiben. Auch sie müssen in der Lage sein, neue Lösungswege zu beschreiten, wenn die alten nicht mehr funktionieren - selbst wenn die betreffende Sache vielleicht "schon immer so war". Ein aktuelles Beispiel ist die psychische Ausbeutung von Arbeitnehmern: Eine Zeit lang mag sie effizientere Arbeit hervorbringen, die vom Burn-out verursachten Kosten werden aber mittelfristig der Gesellschaft schaden. Dazu müssen sie regelmäßig ihre inneren Strukturen, also die Elternhäuser, die Schulen, die Medien etc., an die gegebenen Anforderungen anpassen. Denn diese wirken auf das Denken, Fühlen und Handeln der Mitglieder der Gesellschaft, indem sie ihr Weltbild prägen. Um ihre Strukturen zu ändern, muss sich die Gesellschaft mit der Frage auseinandersetzen, wohin sie eigentlich möchte.
Lernen mit Freude und Motivation
Viel Stoff in kurzer Zeit - das gehört zum Alltag von Schülern und Studenten. Denn Leistung ist Arbeit durch Zeit. Das heißt: Wer schnell lernt, hat eine gute Leistung erbracht. Kurzfristig schon. Ob wir uns das Gelernte merken oder nicht, hängt auch davon ab, wie intensiv wir den Stoff erworben haben. Vor Prüfungen haben wir nicht die Zeit, uns tiefgehend mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen. Laut Hüther bleiben diese schnell abgespeicherten Informationen oberflächlich und maximal ein halbes Jahr im Gehirn. Dann verschwinden sie so schnell, wie wir sie aufgenommen haben. Damit uns Dinge lange im Gedächtnis bleiben, müssen sie uns emotional berühren - das ist der dann der Fall, wenn uns etwas interessiert. Brennen Sie für etwas, saugen Sie es förmlich in sich auf. Ebenfalls eine gute Methode etwas im Kopf zu behalten, ist es laut Hüther, jemandem gefallen zu wollen. Belohnung und Bestrafung helfen dem Gehirn jedoch wenig auf die Sprünge. Auch ein älterer Mensch kann noch eine Fremdsprache lernen, wenn er einen Grund dafür hat, die Sprache zu beherrschen. Die Freude am Lernen bringen Kinder mit auf die Welt. Mit drei Jahren ist die Frage nach dem „Warum“ ein fester Bestandteil des Lernens. Fragen zu stellen ist überaus wichtig, denn dadurch begreifen wir unsere Umwelt. Leider trainieren wir den Kindern den natürlichen Wissensdrang gerne ab, indem wir uns an jeder Stelle bemühen, dem Nachwuchs etwas beizubringen. Hier eine Fördermaßnahme, dort ein Workshop - Kinder möchten und müssen ihren eigenen Lernprozess leben. Egal, was Sie lernen möchten - unabhängig davon, wie jung oder alt Sie sind - Lernen funktioniert nur dann nachhaltig, wenn Sie Freude daran haben und motiviert sind. Die Basis dafür ist die Lebensfreude. Denn positive, optimistische Menschen sind meist neugierig und haben Spaß, etwas Neues zu lernen.