Viele Menschen empfinden es als unangenehm, wenn ihr Bauch laut gluckert oder knurrt, so dass andere es hören können. Die Muskeln in Magen und Darm ziehen sich ständig zusammen. Dadurch wird der Nahrungsbrei geknetet und der Darm schiebt die unverdaulichen Nahrungsreste in Richtung After. Der Brei enthält Gase und Flüssigkeiten, die durchmischt werden, wobei Geräusche entstehen. Wenn sich Gasbläschen durch Flüssigkeit bewegen, kann es zu blubbernden Geräuschen kommen. Da Magen und Darm Hohlkörper sind, verstärken und verändern sich die Geräusche. So werden Darmgeräusche nicht nur als glucksend, sondern manchmal auch als knurrend wahrgenommen. Darmgeräusche sind also meist unbedenkliche akustische Begleiterscheinungen einer aktiven Verdauung - und Gase im Verdauungstrakt sind völlig normal. Beim Essen verschlucken wir Luft, die dann in Magen und Darm gelangt. Zusätzliche Gase entstehen bei der Verstoffwechselung von Nahrungsbestandteilen durch Darmbakterien im Dickdarm. Magen und Darm arbeiten übrigens auch, wenn der Verdauungstrakt ganz oder teilweise leer ist. Wenn sich im Magen keine Nahrung befindet, werden dort nur Luft und Magensäfte bewegt. Dabei kommt es zum typischen Magenknurren, das wir als Zeichen für Hunger werten.
Normale Darmgeräusche und ihre Ursachen
Darmgeräusche sind ein normaler Bestandteil des Verdauungsprozesses. Sie entstehen durch die Bewegung von Nahrung, Flüssigkeit und Gasen durch den Magen-Darm-Trakt.
Wie entstehen Darmgeräusche?
Die Muskeln in Magen und Darm ziehen sich ständig zusammen, um den Nahrungsbrei zu kneten und die unverdaulichen Nahrungsreste in Richtung After zu schieben. Dieser Prozess, die sogenannte Peristaltik, ist für die Verdauung unerlässlich. Der Nahrungsbrei enthält Gase und Flüssigkeiten, die durchmischt werden, wodurch Geräusche entstehen. Wenn sich Gasbläschen durch Flüssigkeit bewegen, kann es zu blubbernden Geräuschen kommen. Da Magen und Darm Hohlkörper sind, verstärken und verändern sich die Geräusche. So werden Darmgeräusche nicht nur als glucksend, sondern manchmal auch als knurrend wahrgenommen.
Ursachen von Gasen im Verdauungstrakt
Gase im Verdauungstrakt sind völlig normal. Sie entstehen auf verschiedene Weise:
- Verschlucken von Luft: Beim Essen verschlucken wir Luft, die dann in Magen und Darm gelangt. Besonders hastiges Essen kann dazu führen, dass vermehrt Luft verschluckt wird.
- Verstoffwechselung von Nahrungsbestandteilen: Zusätzliche Gase entstehen bei der Verstoffwechselung von Nahrungsbestandteilen durch Darmbakterien im Dickdarm. Bestimmte Lebensmittel, wie schwer verdauliche Kohlenhydrate in Hülsenfrüchten, Kohl oder Zwiebeln, können die Gasbildung verstärken.
Magenknurren bei leerem Magen
Magen und Darm arbeiten auch, wenn der Verdauungstrakt ganz oder teilweise leer ist. Wenn sich im Magen keine Nahrung befindet, werden dort nur Luft und Magensäfte bewegt. Dabei kommt es zum typischen Magenknurren, das wir als Zeichen für Hunger werten.
Lesen Sie auch: Nervige Geräusche im Alltag
Wann werden Darmgeräusche zum Problem?
Darmgeräusche sind in den meisten Fällen harmlos. Es gibt jedoch Situationen, in denen verstärkte oder veränderte Darmgeräusche auf eine Erkrankung hindeuten können.
Warnsignale: Wann sollte man zum Arzt?
Darmgeräusche ohne weitere Beschwerden sind kein Grund zur Sorge. Wenn jedoch sehr laute Darmgeräusche mit Durchfall, Verstopfung oder einem Blähbauch einhergehen, sollte man einen Arzt aufsuchen. Weitere Begleitsymptome, die auf eine mögliche Erkrankung hindeuten, sind:
- Schmerzen
- Übelkeit
- Erbrechen
- allgemeines Krankheitsgefühl
Mögliche Ursachen für krankhaft laute Darmgeräusche
- Resorptionsstörung: Wenn bestimmte Nährstoffe im Darm nicht hinreichend oder gar nicht verarbeitet werden, spricht man von einer Resorptionsstörung. Sie kann zu vermehrter Darmaktivität mit Darmgeräuschen führen. Eine gestörte Aufnahme von Nährstoffen liegt zum Beispiel bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie der Laktoseintoleranz oder bei Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) vor. Außerdem kann eine Bauchspeicheldrüsenschwäche (exokrine Pankreasinsuffizienz), bei der zu wenig Verdauungsenzyme produziert werden, die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen und laute Darmgeräusche begünstigen.
- Durchfall: Bei Durchfall steigt die Aktivität der Darmmuskulatur. Flüssigkeit und Gase im Darm nehmen zu. Dies hat oft zur Folge, dass die Geräusche des wässrigen Stuhls, der sich durch den Darm bewegt, lauter sind.
- Mechanische Darmverstopfung und Darmverschluss: Mechanisch bedeutet bei Verstopfung, dass Verwachsungen, Polypen oder Tumore die Darmpassage blockieren. Es bedarf nun eines größeren Drucks, um den Nahrungsbrei über das Hindernis durch den Darm zu pressen, wodurch es zu lauteren Darmgeräuschen kommen kann. Man spricht hierbei von einem mechanischen Ileus (Darmverschluss). Dabei treten in der Regel auch Schmerzen sowie Übelkeit oder Erbrechen auf.
- Reizdarmsyndrom: Es handelt sich um einen Komplex von anhaltenden Symptomen wie Bauchschmerzen, Stuhlveränderungen und Blähungen, die auch mit Darmgeräuschen verbunden sein können. Häufig haben Betroffene nur leichte Beschwerden, die keine Behandlung erfordern. Manchmal kommt es aber auch zu starken Unterleibsschmerzen oder Krämpfen.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Auch Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können laute Darmgeräusche verursachen. Die meist mit solchen Krankheiten verbundenen starken Beschwerden, etwa Bauchschmerzen oder Übelkeit, sind aber sehr viel belastender.
Was tun gegen übermäßige Darmgeräusche?
Wenn laute Darmgeräusche Anzeichen einer Erkrankung sind, muss diese behandelt werden. Ansonsten gehören Darmgeräusche schlicht zu unserem Organismus. Es gibt keine spezielle Therapie, um Darmgeräusche zu reduzieren. Sie können aber darauf achten, welche Nahrungsmittel bei Ihnen in besonderem Maße Darmgeräusche verursachen, und diese Lebensmittel entsprechend reduzieren oder meiden. Außerdem unterstützen langsames Essen und sorgfältiges Kauen die Verdauung und können Geräusche und Blähungen reduzieren.
Misophonie: Wenn Essensgeräusche zur Qual werden
Schmatzen gehört wohl zu der Art von Geräuschen, die niemand mag. Manche würden aber am liebsten explodieren, wenn sie jemanden kauen hören. Misophonie oder wörtlich übersetzt der "Hass auf Geräusche" ist eine Form der verminderten Geräuschtoleranz gegen bestimmte Geräusche. So würde man es wissenschaftlich ausdrücken, wenn jemand bei Kaugeräuschen so richtig wütend wird. Es wird angenommen, dass es sich dabei um eine neurologische Störung handelt.
Was ist Misophonie?
Misophonie ist ein relativ neuer Begriff, der erstmals im Jahr 2001 durch die Neurowissenschaftler Margaret und Pawel Jastreboff geprägt wurde. Das Forscherpaar bemerkte bei Patientinnen und Patienten ein Phänomen der Abneigung gegen bestimmte Geräusche, welches bis zu diesem Zeitpunkt keinen eigenen Namen hatte und oft fälschlicherweise als Phonophobie (Angst vor Geräuschen) betitelt wurde. Um das Phänomen korrekter zu benennen, wählten sie den Begriff Misophonie, der aus dem Griechischen stammt und „Hass auf Geräusche“ bedeutet. Misophonie beschreibt eine selektive Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten alltäglichen Geräuschen. Diese können bei Betroffenen übertriebene emotionale Reaktionen wie Wut oder Aggression sowie Stresssymptome auslösen. Misophonie ist bisher keine offizielle Diagnose und als Krankheit noch nicht abschließend definiert, doch es wird zunehmend dazu geforscht. Belastbare Zahlen dazu, wie häufig Misophonie in der Allgemeinbevölkerung auftritt, gibt es bisher nicht. Es existieren jedoch Hinweise, dass das Phänomen gar nicht so selten ist. So zeigten zwei Untersuchungen mit chinesischen und amerikanischen Studierenden, dass 6 beziehungsweise 20 Prozent der Befragten von misophonen Symptomen betroffen waren. Eine aktuelle Studie schätzt die Prävalenz von Misophonie in der britischen Bevölkerung auf 18 Prozent.
Lesen Sie auch: Lärm und Verschmutzung durch Tauben bekämpfen
Ursachen von Misophonie
Die Ursachen von Misophonie sind weitestgehend unklar. In einer Studie zeigte eine funktionelle Magnetresonanztomographie bei betroffenen Personen eine verstärkte neuronale Verbindung zwischen dem anterioren Inselkortex und den Regionen des Gehirns, die für die Verarbeitung von Emotionen und die Steuerung von Bewegungen zuständig sind. Außerdem wurde eine verstärkte Verbindung zwischen Bereichen der Hör- und Sehwahrnehmung und Bewegungssteuerung ermittelt. Eine generell verstärkte Hörwahrnehmung konnte jedoch nicht gezeigt werden. Die hyperaktiven Verbindungen könnten erklären, warum bestimmte Geräusche als besonders störend wahrgenommen werden. Die Forscherinnen und Forscher vermuten jedoch, dass bei Misophonie nicht die Geräusche selbst im Mittelpunkt stehen, sondern die Handlung der Person, die diese Geräusche verursacht. Neben verstärkten neuronalen Verbindungen im Gehirn gibt es auch Hinweise, dass Störungen wie Tinnitus, Hyperakusis (krankhafte Geräuschüberempfindlichkeit), Depressionen, ADHS sowie Angst- und Zwangsstörungen mit Misophonie einhergehen können.
Typische Auslöser von Misophonie
Die Auslöser einer misophonen Reaktion sind von Person zu Person unterschiedlich. Oft sind es alltägliche oder menschliche Körpergeräusche. Die häufigsten Trigger sind Geräusche, die vom Mund ausgehen: alle Formen von Kauen, Schmatzen, Schlucken und Spucken. „Bei dem Geräusch spielt die Intensität gar keine Rolle. Schon, wenn jemand Essgeräusche produziert, kann das für eine Person mit Misophonie unerträglich sein“, erklärt Dr. Cornelia Schwemmle, Oberärztin und Leiterin der Phoniatrie und Pädaudiologie am Universitätsklinikum Gießen, die sich intensiv mit dem Thema Misophonie beschäftigt. Auch auf Wiederholungsgeräusche, etwa das Klicken eines Kugelschreibers, Schritte oder Tippgeräusche, können Betroffene negativ reagieren. Atemgeräusche, Schnarchen, Husten und Räuspern sind ebenfalls häufige Auslöser einer misophonen Reaktion. „Die Ironie ist, dass es sich meist um Alltagsgeräusche handelt, die man selbst auch produziert“, erklärt Schwemmle. „Aber es ist eben immer ein Unterschied, ob ich selbst dieses Geräusch mache oder ob ich es woanders wahrnehme. Das ist wie der Beifahrer im Auto, der die Fahrweise des Fahrers immer anders interpretiert als der Fahrer selbst."
Reaktionen auf Trigger-Geräusche
Bei Misophonie folgt auf ein Trigger-Geräusch eine extrem ausgeprägte negative Reaktion. Es werden regelrecht Hassgefühle und Aggressionen, aber auch Ekel entwickelt, die man nicht mal eben wegschieben kann. Herzfrequenz und Blutdruck können steigen, es kann zu Schweißausbrüchen kommen. Die Reaktion auf den Trigger erfolgt sofort, sie wird praktisch aus der Person herausgeschleudert. Der Versuch, ruhig zu bleiben und das Gefühl zu unterdrücken, ist in diesem Moment extrem schwer. „Die Betroffenen wissen - vor allem im Nachhinein -, dass ihre Reaktion eigentlich unverhältnismäßig ist“, so Oberärztin Schwemmle.
Auswirkungen von Misophonie im Alltag
Misophonie kann das soziale Leben und das Wohlbefinden stark beeinflussen. Viele Betroffene meiden im Alltag Situationen, in denen sie ihren Trigger-Geräuschen ausgesetzt sein könnten. „Es gibt Menschen, die nicht mehr arbeitsfähig sind, weil sie aus Angst vor Triggern nicht mehr täglich aus dem Haus gehen können“, berichtet Schwemmle. „Da können Partnerschaften zerbrechen. Ein Kind ist möglicherweise nicht mehr in der Lage, in die Schule zu gehen.“ Hinzu kommt, dass Außenstehende oft nicht nachvollziehen können, warum für Misophonie-Betroffene selbst manch kleinstes Geräusch so unangenehm ist. „Die Reaktion wird häufig belächelt“, weiß Oberärztin Schwemmle. „Oder es wird gesagt: Stell dich nicht so an.“ Natürlich könne es beispielsweise für Eltern problematisch sein, wenn die Kinder nicht mehr mit ihnen am Tisch essen wollen. Aber würde man sie den Triggern immer wieder aussetzen, indem man sie zwingt, mit den Eltern zu essen, hätte das keinen positiven Effekt. „Das Konfrontieren mit Geräuschen spielt bei der Behandlung von Misophonie keine große Rolle. Schlichtweg, weil sie sich davon nicht bessert: Es entsteht keine Gewöhnung“, so die Expertin. Besser sei, mit Akzeptanz und Verständnis zu reagieren.
Behandlung von Misophonie
Gegen Misophonie gibt noch keine standardisierte Therapie. Wer die Geräuschempfindlichkeit jedoch ignoriert, laufe Gefahr, dass sie sich verschlimmert. „Es ist wahrscheinlicher, dass die Trigger-Geräusche zunehmen als dass sie wieder abnehmen, gerade bei Kindern“, sagt Schwemmle. Zu einem anfänglichen Geräusch reihen sich dann nach und nach weitere Trigger. Deswegen rät die Expertin dazu, eine Misophonie zu behandeln - soweit es geht. Schwemmle empfiehlt zunächst eine HNO-Untersuchung, um Höreinschränkungen, Tinnitus oder eine zentrale Hörstörung abzuklären. Danach sei eine psychiatrische Untersuchung zu empfehlen, in der mögliche psychiatrische Besonderheiten, etwa Depressionen, Verhaltensstörungen oder autistische Störungen, abgeklärt werden können. „Generell hilft es, Trigger zu definieren und diese dann zu vermeiden“, so die Expertin. „Sich den Geräuschen durch Alltagsstrukturierung zu entziehen ist für Misophonie-Betroffene Maßnahme Nummer eins.“ Auch wenn es gegen Misophonie noch keine Standardtherapie gibt, sieht die Oberärztin gute Chancen in der kognitiven Verhaltenstherapie.
Lesen Sie auch: Wie das Gehirn lernt
Selbsthilfe bei Misophonie
Betroffene können selbst einige Maßnahmen ausprobieren, wenn sie den Geräuschen, die bei ihnen eine misophone Reaktion auslösen, nicht aus dem Weg gehen können. Dazu gehören zum Beispiel:
- Akustisch dämpfende Maßnahmen: Noise-Cancelling-Kopfhörer, das Plätschern eines Zimmerbrunnens oder Musik können Trigger-Geräusche überlagern.
- Apps: Bestimmte Sounds, die ein Rauschen verursachen, können die unliebsamen Geräusche entschärfen.
- Tinnitus-Hörgeräte oder -Noiser: Auch diese Geräte können Misophonie-Betroffenen helfen, wenn sie Triggern ausgesetzt sind.
- Entspannung: Meditation und andere Entspannungsmethoden können Betroffene dabei unterstützen, ihre Reaktionen besser zu kontrollieren.
- Offene Kommunikation: Bei Misophonie kann es außerdem helfen, sein Leiden offen zu benennen.
Misophonie aus psychologischer Sicht
Misophonie ist ein noch ziemlich jung erforschtes Phänomen, das erstmals 2001 von Margaret und Pawel Jastebroff als eine starke Abneigung gegenüber Geräuschen beschrieben wurde. „Betroffene reagieren emotional, körperlich und zeigen eine auffällige Verhaltensweise auf bestimmte Geräusche - sogenannte Trigger“, erklärt Elisa Pfeiffer. „Es handelt sich meistens um menschengemachte Geräusche wie Atmen, Essen oder Räuspern - einer meiner Patienten berichtete, dass ihn die Laufgeräusche von Flip-Flops sehr stark stören würden.“ Doch nicht immer müssen die Trigger Geräusche sein, manchmal reicht es auch, jemanden bloß essen zu sehen. Allein die Erwartung, mit einem misophonischen Trigger konfrontiert zu werden, führt bei manchen Betroffenen zu einer sogenannten misophonischen Reaktion. Die Reaktionen auf Trigger können heftig sein: etwa Herzrasen, Wut, Ekel, manchmal sogar Aggression. Viele fangen deswegen an, Situationen zu meiden, in denen ihnen diese Trigger begegnen könnten - wie etwa das gemeinsame Abendessen mit der Familie. Bis heute konnte die Forschung nicht eindeutig klären, ob die Misophonie eine psychische oder audiologische, also das Hören betreffende, Erkrankung ist. Was man allerdings schon sicher sagen kann: Am stärksten reagieren Betroffene auf Geräusche, wenn sie von ihnen nahestehenden Personen kommen. Bei den oft noch minderjährigen Patientinnen und Patienten der Psychotherapeutin Pfeiffer sind das oftmals die Eltern, Geschwister oder Mitschüler und Mitschülerinnen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Betroffene den Geräuschen auch am häufigsten ausgesetzt sind oder dass Geräusche in potenziell konfliktbeladenen Beziehungen extremer wahrgenommen werden.
Wer ist von Misophonie betroffen?
Erste Studienergebnisse legen nahe, dass Misophonie jeden und jede treffen kann. Laut Psychotherapeutin Pfeiffer erkranken viele bereits im Kindes- oder Jugendalter an Misophonie. Darüber hinaus leiden viele Betroffene auch an anderen psychischen Erkrankungen. „In meinem klinischen Alltag beobachte ich, dass viele psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche ein höheres Risiko haben, eine Misophonie zu entwickeln“, berichtet Pfeiffer. Ob die Misophonie ein Risikofaktor für die Entwicklung anderer psychischer Erkrankungen ist, konnte bislang nicht geklärt werden.
Behandlung von Misophonie aus psychologischer Sicht
Ohne offizielle Diagnose fehlt bislang auch ein Therapieansatz bei Misophonie. „Selbst wenn jemand also eine Therapie beginnen würde, wüssten viele Psychotherapeutinnen und -therapeuten nicht, was den Betroffenen helfen würde, da es aktuell zu wenige Fortbildungsmöglichkeiten zur Misophonie für Fachkräfte gibt“, sagt Psychotherapeutin Pfeiffer. Was sich bereits als nicht hilfreich erwiesen hat: eine Expositionstherapie. Dabei geht es darum, die Betroffenen immer wieder dem störenden Geräusch auszusetzen. „Es gibt allerdings eine Studie aus Amsterdam, die sehr vielversprechend ist”, ergänzt die Expertin. Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie erlernen Betroffene Entspannungsübungen, die ihnen bei der Gefühlsregulierung helfen sollen. Zudem wird versucht, die negativen Assoziationen mit den jeweiligen Triggern aufzubrechen: „Betroffene hören beispielsweise, wie jemand schmatzt und sollen sich dabei vorstellen, wie ein Pinguin watschelt”, erklärt Pfeiffer. Durch diese neuen positiven Bilder sollen neue Assoziationen gebildet werden und alte Verhaltensmuster aufgebrochen werden. „Bis dieser Therapieansatz allerdings auch hier angewandt wird, kann es noch dauern. Vorher braucht es noch weitere Studien, die die Wirksamkeit belegen.” Betroffenen rät sie, offen mit dem Umfeld über ihre Erkrankung zu reden, denn wenn die Mitmenschen mehr Verständnis und Rücksicht zeigen, müssen Betroffene auch weniger Situationen vermeiden. Vielen Betroffenen hilft es zudem, Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung (Noise-Cancelling) zu tragen oder entspannende Musik zu hören. Zwar könne man dann vielleicht nicht aktiv an Gesprächen teilnehmen, aber Betroffene ziehen sich zumindest nicht komplett zurück.
Fallbeispiele und persönliche Erfahrungen
Christoph leidet seit seiner Kindheit an Misophonie. Das heißt: Manche Alltagsgeräusche triggern ihn. Essensgeräusche und das Schlurfen von Schuhen am Boden lösen bei ihm extremen Stress und körperliche Schmerzen aus. Bei anderen Betroffenen können es auch Räuspern, Schniefen oder Atemgeräusche sein. Für den 37-Jährigen sind selbstverständliche Dinge wie Zugfahrten eine große Herausforderung. Denn überall lauern Reize, die er nicht erträgt. „Bevor ich in einen Zug einsteige, schaue ich erst einmal durch alle Fenster, wo möglichst wenig Bäckertüten auf den Tischen liegen.“ Das Rascheln von Verpackungen ist wie eine Art Vorankündigung für ihn, das Geräusch versetzt seinen Körper in Alarm-Modus, erzählt er. „Es fühlt sich an, als würde mich jemand körperlich bedrohen und im nächsten Moment angreifen - nur mit einem Biss in eine Breze." Eine Flut von Reizen rollt täglich auf Misophonie-Betroffene zu Geräusche, die die meisten gar nicht wahrnehmen, können für ihn zum Horror werden. Christoph hat gelernt, seine Wut im Zaum zu halten. Das Einzige, was ihm hilft, ist die Flucht. Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung, Musik oder Meeresrauschen. Misophonie wird mit dem Älterwerden immer schlimmer und bestimmt den Alltag der Betroffenen. Denn überall wird mit Schuhen über den Boden geschlurft oder beim Essen geschmatzt. Christoph musste sogar seinen Job wechseln, weil die Kollegen am Schreibtisch gegessen haben. Bei seiner heutigen Arbeit in der Logistik einer Supermarkt-Kette ist das zum Glück nicht erlaubt. Bummeln durch die Stadt, Freunde treffen im Café oder ein Kinobesuch - all das ist für ihn kaum machbar. Christoph fühlt sich oft isoliert. Bis vor kurzem hat er niemandem von seinem Problem erzählt, sich sogar geschämt und schuldig gefühlt. Christoph ist gerade zum dritten Mal Vater geworden. Mit seinen eigenen Kindern fallen ihm gemeinsame Mahlzeiten schwer. Wenn seine älteren Kinder essen, muss er den Raum verlassen. Heute spricht Christoph offen über seine Misophonie. Er will das Problem bekannter machen, damit andere Betroffene Hilfe und Verständnis bekommen.
Alexandra kocht leidenschaftlich gern - doch gemeinsam mit ihrem Partner Karl essen kann sie nicht. Die Hamburgerin kann es nicht ertragen, wie er isst. „In ihren Ohren kaue ich eklig“, sagt Karl. Alexandra schüttelt sich beim Gedanken an die Kaugeräusche ihres Partners: „Mir wird richtig übel. Ich finde, er isst irre laut - einfach unangenehm.“ Dabei, so Karl, hätten ihm seine Freunde versichert, dass er wie jeder andere esse. Bis Alexandra darauf gestoßen ist, dass sie an Misophonie leiden könnte, vergingen Jahre. „Es ist mit den Essgeräuschen auch bei anderen Menschen nie einfach für mich - schon vor Karl. Doch bei ihm stört es mich komischerweise am meisten. Das hat uns beinahe die Beziehung gekostet“, sagt Alexandra. „Ich war erleichtert, als ich erfuhr, dass es tatsächlich einen Begriff dafür gibt. Und dass ich nicht die einzige bin.“
Abgrenzung zu anderen Geräuschempfindlichkeiten
Misophonie vs. Hyperakusis
Bei Hyperakusis handelt es sich um eine krankhafte Überempfindlichkeit des Gehörs gegen Schall. Alle Klänge und Geräusche werden lauter wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. Meistens liegt eine Erkrankung des Hörorgans vor. Von anderen als normal empfundene Lautstärken sind für Menschen mit einer Hyperakusis kaum aushaltbar. Die Unbehaglichkeitsschwelle sinkt dabei auf einen Wert unter 80 dB ab. Ähnlich wie bei einer Misophonie ruft das zu laut empfundene Geräusch reflexhafte Reaktionen wie Schweißausbruch oder Herzrasen hervor. Bei Misophonie hingegen geht es nur um einzelne, klar herausstechende Geräusche. Es geht weniger um die Lautstärke, sondern das ein bestimmtes Geräuschmuster unerträglich ist.
Zusammenfassung
Essensgeräusche können vielfältige Ursachen haben. Normale Darmgeräusche sind ein Zeichen für eine aktive Verdauung und in der Regel harmlos. Krankhaft laute Darmgeräusche können jedoch auf eine Erkrankung hindeuten und sollten ärztlich abgeklärt werden. Misophonie ist eine neurologische Störung, die zu einer starken Abneigung gegen bestimmte Geräusche, insbesondere Essensgeräusche, führt. Betroffene reagieren mit Wut, Ekel oder Aggression auf diese Trigger-Geräusche. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Misophonie umzugehen, wie z.B. das Vermeiden von Triggern, Entspannungstechniken oder eine kognitive Verhaltenstherapie. Es ist wichtig, offen über Misophonie zu sprechen und Verständnis von Mitmenschen zu suchen.