Die Nachricht von Gerd Müllers Alzheimer-Erkrankung erschütterte die Fußballwelt. Der einstige "Bomber der Nation", eine Ikone des FC Bayern München und des deutschen Fußballs, kämpfte gegen eine heimtückische Krankheit, die sein Gedächtnis und seine Persönlichkeit langsam auslöschte. Dieser Artikel beleuchtet Gerd Müllers Krankheitsverlauf, die Umstände der Bekanntmachung seiner Erkrankung, die Reaktionen aus der Fußballwelt und gibt einen Einblick in die Alzheimer-Krankheit selbst.
Die Bekanntmachung der Erkrankung
Es gelang der Öffentlichkeit einige Zeit verborgen zu werden, dass Gerd Müller an Alzheimer erkrankt ist. Kurz vor seinem 70. Geburtstag, am 3. November, gab der FC Bayern München bekannt, dass Müller an Alzheimer erkrankt war und seit Anfang Februar in einer speziellen Pflegeeinrichtung betreut wurde. Zuvor war Müller eher über das Gelände des FC Bayern München an der Säbener Straße anzutreffen. Seines FC Bayern, seiner Heimat. Alles, was er heute sei, schien Gerd Müller zu verdanken zu haben. Es war das erste Mal, dass sich der Verein oder die Familie öffentlich zu Müllers Erkrankung äußerten.
Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, schloss sich dem an: "Gerd, für den Werte wie Freundschaft und Fairplay von Bedeutung waren und sind, hat es verdient, dass wir alle rücksichtsvoll mit seiner Erkrankung umgehen und seine Privatsphäre und die seiner Familie respektieren."
Müllers behandelnder Arzt Hans Förstl wurde in der Mitteilung zitiert. Er sagte: „Mit der großartigen Unterstützung seiner Ehefrau und der vorbildlichen Loyalität des FC Bayern München ist es über viele Jahre perfekt gelungen, Gerd Müller ins Vereinsleben zu integrieren. Trotz unübersehbarer Zeichen seiner Erkrankung wurde er von der Bayern-Familie, den Fans und Medien mit Sympathie und großem Respekt behandelt. Das war sehr wichtig, weil es jedem Menschen mit einer beginnenden Alzheimer Demenz nur zu wünschen ist, dass er sich so lange wie möglich in seinem vertrauten Umfeld, in dem er sich wohl fühlt, aufhalten kann.“
Seine Ehefrau Uschi Müller bat auf diesem Weg jedoch um Verständnis, dass ihr Mann keine Termine absolvieren könne, hieß es in der Mitteilung weiter.
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Gerd Müllers Karriere und seine Bedeutung für den FC Bayern und den deutschen Fußball
Gerd Müller war einer der erfolgreichsten Stürmer aller Zeiten. Zwischen 1964 und 1979 schoss er in 585 Einsätzen für den FC Bayern München insgesamt 533 Tore. Er wurde "Bomber der Nation" genannt. Er erzielte 68 Tore in 62 Spielen für die deutsche Fußballnationalmannschaft.
Müller gewann mit den Bayern viermal die Meisterschaft, holte vier Pokalsiege und wurde siebenmal Torschützen-König. In 427 Bundesliga-Spielen machte er 365 Tore - Rekord! In der Saison 1971/72 traf er allein 40-mal. Bis heute unerreicht… Mit der Nationalmannschaft wurde er 1974 Welt- und 1972 Europameister. Seine Tor-Quote beim DFB (68 Tore in 62 Länderspielen) wird wohl nie geknackt werden.
Rummenigge sagte: "Ohne seine Tore wären der FC Bayern und der deutsche Fußball nicht das, was sie heute sind. Gerd Müller ist einer der ganz Großen des Weltfußballs."
Nach seiner aktiven Karriere brachte er seine Erfahrung für den Nachwuchs ein und prägte so zum Beispiel die späteren Weltmeister Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller.
Reaktionen aus der Fußballwelt
Die Fußballwelt reagierte betroffen auf die Alzheimer-Erkrankung von Gerd Müller.
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Thomas Müller sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Krankheit von Gerd geht mir natürlich an die Nieren." Er werde seine Krankheit aber sicherlich so angehen, "wie ich ihn kenne."
Jupp Heynckes äußerte sich für das Buch "Gerd Müller - Bomber der Nation" zu der Diagnose: "Es ist tragisch, wenn man sieht, dass sich solch ein wunderbarer Mensch nicht mehr selbständig versorgen kann. Diese Krankheit ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann."
Uli Hoeneß gab für das Buch ein Einblick in sein Seelenleben: "Es ist furchtbar."
Bayern-Stürmer Thomas Müller bezeichnete seinen Vorgänger als "großartigen Menschen". "Seine Torquote wird in Deutschland niemand mehr erreichen. Dennoch ist er total bescheiden und hat sich nie darauf etwas Besonderes eingebildet", sagte Thomas Müller. Er hatte den Ausnahmestürmer kennengelernt, als er zu den Amateuren des FC Bayern gekommen war. "Wir haben uns von Anfang an super verstanden. Er hat mir von Anfang an Tipps gegeben, wie ich mich als Offensivspieler im Strafraum verhalten soll. Dafür bin ich ihm heute noch sehr dankbar", sagte Thomas Müller.
Leben im Pflegeheim und die letzten Jahre
Seit Februar 2016 lebte Müller in einem Pflegeheim. Seine Ehefrau Uschi erzählte der "Bild": "Der Gerd schläft seinem Ende entgegen. Er isst so gut wie nichts mehr, kann kaum mehr schlucken, liegt fast 24 Stunden im Bett, hat nur wenig wache Momente."
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Im November 2020, an seinem 75. Geburtstag, sprach Uschi Müller noch über den Gesundheitszustand ihres Mannes. „Er ist immer ein Kämpfer gewesen, war immer tapfer, sein ganzes Leben lang. Das ist er auch jetzt. Der Gerd schläft seinem Ende entgegen“, schilderte sie in der „Bild“-Zeitung.
Am 15. August 2021 verstarb Gerd Müller im Alter von 75 Jahren.
Alzheimer: Eine Krankheit des Vergessens
Alzheimer ist eine unheilbare Störung des Gehirns und die häufigste Form von Demenz. Bei der heimtückischen Erkrankung geht das Gedächtnis verloren. Das Wesen des Betroffenen verändert sich.
Alzheimer ist eine Erkrankung, bei der Betroffene immer mehr Gehirnfunktionen einbüßen. Was am Anfang noch wirkt wie normale Vergesslichkeit, entwickelt sich mit der Zeit zu einer Unfähigkeit, Sinnzusammenhänge zu verstehen. Erkrankte verlieren die Fähigkeit, die Uhr zu lesen und sich anzuziehen. Sie vergessen ihre eigene Biografie und ihren eigenen Namen. Viele packt dann das Gefühl, etwas verloren zu haben oder suchen zu müssen. Und oft beginnt ein ewiges Wandern durch Häuser, Flure und unter Umständen über Straßen. Bis die Patienten irgendwann das Endstadium erreichen. Essen, Anziehen, Gehen, Sitzen und sogar Sprechen - all das ist kurz vor dem Ende kaum oder gar nicht mehr möglich.
Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an der Krankheit, Tendenz steigend. Die größte Frage, der sich Betroffene und Angehörige nach der Diagnose stellen müssen, ist die nach der Betreuung.
Formen von Alzheimer-Demenz
Am häufigsten tritt die sporadische Form des Alzheimers auf. Bei dieser Erkrankung determinieren genetische sowie Umwelteinflüsse den Verlauf. Der größte Risikofaktor ist das Alter. Aber auch das ApoE4-Gen, das für den Transport von Fettsäuren zuständig ist, erhöht das Risiko, zu erkranken.
Wesentlich seltener ist die autosomal-dominante Form der Alzheimer-Demenz. Kennzeichnend für diese Form von Alzheimer ist, dass die Symptome wesentlich früher auftreten und sich schneller verstärken beziehungsweise häufen.
Sind innerhalb einer Familie mehrere Menschen an Alzheimer erkrankt, sprechen Mediziner von einer familiären Form von Alzheimer. Bei dieser Form ist das Risiko der Blutsverwandten erhöht, ebenfalls an Alzheimer zu erkranken. Während das Lebenszeitrisiko normalerweise bei zehn Prozent liegt, erhöht es sich bei Verwandten ersten Grades um das Zweieinhalbfache (25 Prozent).
Stadien der Alzheimer-Erkrankung
Der Verlauf der Alzheimer-Erkrankung ist bereits seit Alois Alzheimers ersten Aufzeichnungen gut dokumentiert. Die erste Phase von Demenz-Krankheiten wie Alzheimer ist das Stadium der leichten Demenz.
Die Erkranken können sich neue Dinge nicht mehr merken. Zudem gestalten sich vor allem abstrakte Aufgaben des Alltags, wie beispielsweise eine Steuererklärung, schwierig. In dieser Phase der Alzheimer-Krankheit haben sich in bestimmten Bereichen der Großhirnrinde (Neokortex) erste Proteinklumpen gebildet, sogenannte Beta-Amyloid-Plaques.
Ist das Stadium der mittelschweren Demenz erreicht, haben die verklumpten Proteine bereits weitere Hirnareale befallen. Die Erkrankten können komplexe Formen und Muster nicht mehr richtig erkennen und erinnern. So wird es für die Patienten schwierig, Haushaltsgeräte zu bedienen oder sich selbstständig zu kleiden. Auch das Sprachverständnis leidet. Die Erkrankten selbst sehen die eigenen Beeinträchtigungen meist nicht ein (Anosognosie).
Die Symptomatik nimmt im Laufe der Zeit zu. Für den Erkrankten bringt das häufig psychische Zusatzsymptome mit sich, wie Angst, depressive Verstimmungen, Halluzinationen oder eine Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Stadium der schweren Demenz prägen zunehmende motorische und vegetative Störungen etwa Inkontinenz. Die Erkrankten werden pflegebedürftig. Aufgrund der mangelnden Abwehrfähigkeit ihres Immunsystems leiden Alzheimer-Patienten in diesem letzten Stadium häufig an einer Lungenentzündung, an Infektionen oder anderen Krankheiten. Dieses letzte Stadium führt schließlich zum Tod.
Risikofaktoren und Prävention
Ist eine Demenz, vor allem in der häufigsten Form Alzheimer, erst einmal ausgebrochen, lässt sie sich allenfalls verzögern, aber nicht mehr aufhalten oder gar heilen. Umso wichtiger ist es, die Risikofaktoren für den Verfall der kognitiven Fähigkeiten zu kennen - und nach Möglichkeit auszuschalten. Die Forschung hat inzwischen eine ganze Reihe von Gefahrenquellen erkannt, die eine Demenz begünstigen können.
Bei manchen Faktoren sei noch nicht einmal klar, ob es sich um einen Risikofaktor oder ein Frühsymptom der Erkrankung handle. „Das gilt etwa für Depressionen im Alter“, sagt die DZNE-Expertin, die zudem Direktorin an der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) ist. „Es gibt Hinweise, dass bestimmte Antidepressiva die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung verzögern können“.
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren:
- Alter: Ab dem 60. Lebensjahr verdoppelt sich die Demenzhäufigkeit alle fünf Jahre
- Geschlecht: Frauen sind eher demenzgefährdet als Männer
- Genetische Faktoren: So beeinflusst eine bestimmte Variante des ApoE-Gens (wichtig für den Cholesterintransport im Blut) die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Bei Trägern von ApoE4 treten Krankheitssymptome besonders früh auf.
Beeinflussbare Risikofaktoren:
- Diabetes
- Bluthochdruck
- Adipositas
- Bewegungsmangel
- Rauchen
- geringe Bildung
- Depression
- schlechtes Hören (führt zu sozialer Isolation)
Neu entdeckte Risikofaktoren:
- Small Vessel Disease: Einblutungen in den kleinen Gehirngefäßen
- Psychischer Stress in mittleren Jahren: finanzielle und berufliche Probleme
- Leben ohne Partner: Einsamkeit im Alter
- Kurzer REM-Schlaf
- Überzuckerte Getränke
Frühe Anzeichen von Demenz
- Zunehmendes Vergessen von Verabredungen
- Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen
- Vergessen von Gesprächsinhalten nach kurzer Zeit
- Probleme, sich in der eigenen Wohnung oder im Supermarkt zurechtzufinden
- Vergessen, was man in einem Raum tun wollte
- Schwierigkeiten, Mahlzeiten zuzubereiten
- Probleme beim Lesen und Konzentrieren
- Zunehmende Schusseligkeit und Nachlässigkeit
- Wortfindungsstörungen
Alzheimer als Folge von Kopfbällen im Fußball?
Ein wichtiger Aspekt, der im Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung von Gerd Müller diskutiert wurde, ist die Frage, ob häufige Kopfbälle im Fußball ein Risikofaktor für die Entwicklung von Demenz sein könnten.
Eine Studie in Schottland ergab, dass Fußballer ein fünfmal höheres Risiko haben, an einer Demenz zu erkranken. Es gibt eine spezielle Demenzform, die CTE (Chronisch-Traumatische Enzephalopathie). Diese wird auch als Boxer-Krankheit bezeichnet. Sie geht auf Schläge und Stöße gegen den Kopf zurück.
Forscher der Universität Glasgow und der Hampden Sports Clinic untersuchten die Gesundheitsdaten von 7.676 verstorbenen schottischen Profi-Fußballern und verglichen sie mit 23.028 Nicht-Sportlern. Das Ergebnis: Um das Fünffache mehr war Alzheimer die mitverantwortliche Todesursache bei Profifußballern.
Schädel-Hirn-Traumata würden das Risiko erhöhen, "an Alzheimer oder einer anderen Demenzform zu erkranken. Bei der CTE weiß man, dass Fortsätze von Nervenzellen durch Erschütterungen verletzt werden. Eine Folge: Nervenzell-Fortsätze werden gestaucht oder gedehnt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass die Symptome und die Krankheit nicht sofort, sondern erst Jahre oder gar Jahrzehnte später auftreten. Das Alter komme dann als "der allergrößte Risikofaktor" hinzu - wie bei Alzheimer.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Forschung in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen ist und weitere Studien erforderlich sind, um den Zusammenhang zwischen Kopfbällen und Demenzrisiko eindeutig zu belegen.
Prominente Beispiele für Alzheimer-Erkrankungen
Neben Gerd Müller haben auch andere Prominente an Alzheimer gelitten, darunter Rudi Assauer, Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Gustav "Bubi" Scholz. Diese Fälle haben dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Krankheit zu schärfen und die Notwendigkeit von Forschung und Unterstützung für Betroffene und ihre Familien zu betonen.