Demenz ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von degenerativen Erkrankungen, die mit unterschiedlichen Mechanismen und Symptomen einhergehen. Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine Untergruppe davon, bei der vor allem der Frontallappen und manchmal die Temporallappen des Gehirns betroffen sind. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der Gedächtnisprobleme im Vordergrund stehen, äußert sich die FTD vor allem durch Veränderungen im Verhalten, der Sprache und der Persönlichkeit.
Was ist Frontotemporale Demenz?
Die Frontotemporale Demenz (FTD), früher auch als Morbus Pick bekannt, ist eine seltene Form der Demenz, die den Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns betrifft. Sie macht etwa 3 bis 5 Prozent aller Demenzfälle aus. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der Gedächtnisprobleme im Vordergrund stehen, äußert sich die FTD vor allem durch Veränderungen im Verhalten, der Sprache und der Persönlichkeit.
Ursachen der Frontotemporalen Demenz
Im Fall einer frontotemporalen Demenz lagern sich Proteine in Frontal- und/oder Temporallappen ab und sorgen dafür, dass dort Zellen absterben und dass Bereiche nicht mehr richtig funktionieren. Dafür können mehrere verschiedene Arten von Proteinen verantwortlich sein. Auch können sich die Orte im Gehirn unterscheiden, die als erste betroffen sind.
Die genauen Ursachen der FTD sind noch nicht vollständig geklärt. In vielen Fällen spielt jedoch Vererbung eine Rolle. Es gibt verschiedene Genmutationen, die mit der FTD in Verbindung gebracht werden. Eine davon ist das C9orf72-Gen, bei dem es zu einer hundertfachen Wiederholung der Sequenz GGGGCC kommt. Diese überlange Sequenz wird in Proteine übersetzt, die normalerweise nicht im Körper vorkommen und die Nervenzellen schädigen können.
Weitere Ablagerungen im Gehirn von FTLD-Patienten lassen sich anderen Proteinen zuordnen. Sie bestehen bei etwa 50 Prozent der Patienten aus TAR-DNA-bindendem Protein-43 (TDP-43) und bei 40 Prozent aus dem Mikrotubuli-assoziierten Tau-Protein.
Lesen Sie auch: Die Welt der Gesichtserkennung
Symptome der Frontotemporalen Demenz
Die FTD kann sich durch drei Hauptgruppen von Symptomen äußern:
Auffällige Veränderung im Verhalten
Die erste und häufigste Auffälligkeit ist ein verändertes Verhalten der erkrankten Person. Sie ist zum Beispiel ungewohnt impulsiv, scheint ihre guten Umgangsformen verloren zu haben oder reagiert nicht mehr angemessen auf die Gefühle anderer Menschen. Möglicherweise fällt es ihr schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen oder sie verhält sich zwanghaft. Außerdem können Essattacken oder vermehrtes Trinken von Alkohol auf eine beginnende frontotemporale Demenz hinweisen - aber auch Passivität oder apathisches Verhalten.
- Sozial unangemessenes Verhalten: Betroffene verhalten sich distanzlos, taktlos oder aggressiv. Sie nehmen keine Rücksicht auf gesellschaftliche Normen oder ein freundliches Miteinander, sondern äußern hemmungslos ihre Meinung.
- Antriebslosigkeit und Apathie: Betroffene verlieren ihre Interessen, werden teilnahmslos und gleichgültig gegenüber Familie, Freunden und der Arbeit.
- Stereotype Verhaltensweisen: Betroffene führen stereotype, zwanghaft anmutende oder ritualisierte Verhaltensweisen durch.
- Verändertes Essverhalten: Betroffene verzehren massenhaft Süßes oder wollen Nicht-Essbares essen. Eine Fixierung auf Alkohol kann zur Fehldiagnose "neuer Alkoholiker" führen.
Probleme mit der Sprache
Die zweite Symptomgruppe sind Sprachprobleme. Der betroffenen Person fällt es schwer zu sprechen, zu lesen und zu verstehen, was andere sagen. Sie sucht nach Wörtern, ihre Aussprache wird undeutlicher, sie wiederholt sich häufig oder sagt Dinge, die keinen Sinn ergeben. Manchmal kann sie auch Gesichter oder Gegenstände nicht mehr korrekt zuordnen. In manchen Fällen geht die Fähigkeit zu sprechen mit fortschreitender Krankheit komplett verloren.
- Wortfindungsstörungen: Betroffenen fällt es schwer, die richtigen Wörter zu finden. Sie umschreiben Gegenstände oder verwenden falsche Begriffe.
- Sprachverständnisprobleme: Betroffene haben Schwierigkeiten, zu verstehen, was andere sagen.
- Ausspracheprobleme: Die Aussprache wird undeutlicher und verwaschener.
- Echolalie: Betroffene wiederholen Wörter oder Sätze, die sie gehört haben.
Eingeschränkte Beweglichkeit
Bewegungsstörungen sind die dritte Symptomgruppe, die bei frontotemporaler Demenz auftreten kann. Die betroffene Person kann dann zum Beispiel ihre Arme und Hände nicht mehr einsetzen, obwohl die Kraft dafür eigentlich vorhanden wäre. Es fällt ihr schwer, Dinge zu tun, die genaue Bewegungen erfordern. Manchmal kommt es auch zu Schluckbeschwerden, zu Gleichgewichtsproblemen oder zu Schwierigkeiten, sich im Raum zu orientieren. Es fällt manchmal außerdem schwer, den Blick zu lenken.
- Parkinsonähnliche Symptome: Betroffene zeigen eine nach vorne gebeugte Haltung, langsame Bewegungen und Zittern.
- Schluckbeschwerden: Es kommt zu Schwierigkeiten beim Schlucken von Flüssigkeiten und fester Nahrung.
- Gleichgewichtsprobleme: Betroffene haben Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten und stürzen häufig.
- Räumliche Orientierungsprobleme: Betroffene haben Schwierigkeiten, sich im Raum zu orientieren und verlaufen sich selbst in vertrauter Umgebung.
Diagnose der Frontotemporalen Demenz
Die Diagnose der FTD kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Wichtig ist, dass auch die Beobachtungen von Angehörigen berücksichtigt werden, da diesen Veränderungen im Verhalten oft früher auffallen als den Betroffenen selbst.
Lesen Sie auch: Einblick in die neuronale Gesichtserkennung
Die Diagnose umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten und befragt Angehörige nach den beobachteten Symptomen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Bewegungsfähigkeit, Muskelkraft, Sensibilität, Reflexe, Koordination und den Gleichgewichtssinn.
- Neuropsychologische Tests: Mit neuropsychologischen Tests werden Wortflüssigkeit, Sprachverständnis und Sprachproduktion, Gedächtnis, Denkfähigkeit, Orientierung und Stimmung geprüft.
- Bildgebende Verfahren: Bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronenemissionstomographie (PET) können Auffälligkeiten in den entsprechenden Bereichen des Gehirns sichtbar machen.
- Nervenwasseruntersuchung: Eine Nervenwasseruntersuchung kann helfen auszuschließen, dass der Patient oder die Patientin an der Alzheimerschen Krankheit leiden.
Therapie der Frontotemporalen Demenz
Leider lässt sich das Fortschreiten einer frontotemporalen Demenz bislang noch nicht aufhalten. Allerdings gibt es Möglichkeiten, die Symptome zumindest auf Zeit zu lindern. Die Therapie richtet sich nach den individuellen Symptomen des Patienten.
- Medikamentöse Therapie: Gegen Sprachschwierigkeiten kann Logopädie helfen, bei Problemen mit Bewegung und Koordination eine Ergotherapie. Wenn eine depressive Entwicklung oder das durch die Krankheit veränderte Verhalten für Probleme sorgen, wird zum Beispiel mit Antidepressiva oder Antipsychotika gearbeitet. Es gibt leider keine Medikamente, die speziell gegen diese Form der Demenz wirken. Auch Mittel gegen die Alzheimersche Krankheit werden nicht empfohlen. Wenn es entsprechende motorische Symptome gibt, kommen aber manchmal Medikamente gegen die Parkinsonsche Krankheit zum Einsatz.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Hilfreich bei einer gestörten Orientierung sind auch eine helle, sichere und vertraute Umgebung sowie strukturierte Tage mit geregelten Abläufen. Regelmäßige Aktivitäten und Aufgaben können Betroffenen helfen, sich gebraucht zu fühlen. Das Realitätsorientierungstraining ist eine in der aktuellen S3-Leitlinie "Demenzen" empfohlene Methode zur kognitiven Unterstützung von Menschen mit Demenz. Ziel des Trainings ist es, den Betroffenen durch regelmäßige Orientierungshilfen - wie Informationen über Zeit, Ort oder Personen - dabei zu unterstützen, sich in ihrer Umgebung besser zurechtzufinden. Dadurch fühlen sich die Betroffenen sicherer und können ihren Alltag besser bewältigen.
Umgang mit der Frontotemporalen Demenz als Angehöriger
Die Pflege eines dementen Menschen kann sehr herausfordernd und belastend sein. Das gilt besonders bei frontotemporaler Demenz. Denn Betroffene sind unter Umständen kaum noch zu angemessenen Handlungen oder Verhaltensweisen zu bewegen. Auch können sie verletzend oder beleidigend werden. Dies ist zwar Ausdruck der Krankheit, kann aber dennoch schwer zu ertragen sein.
Für Angehörige ist es deshalb wichtig, das eigene Leben, die eigenen Bedürfnisse und die persönlichen Grenzen nicht aus den Augen zu verlieren. Ab einem gewissen Stadium der Krankheit ist die Betreuung allein nicht mehr zu bewältigen. Deshalb sollte man rechtzeitig über häusliche Pflege und irgendwann auch über stationäre Pflege nachdenken. Arzt oder Ärztin, Pflegeeinrichtungen oder auch Selbsthilfegruppen für Angehörige können dabei helfen.
Leben mit der Diagnose
Die Lebenserwartung nach der Diagnose ist sehr unterschiedlich. Typisch ist eine Zeitspanne von acht bis zehn Jahren. Die Krankheit schreitet allerdings fort und die geistigen Fähigkeiten verschlechtern sich zunehmend. Deshalb sollte man wichtige finanzielle und rechtliche Dinge besprechen, so lange die Person dazu noch in der Lage ist.
Lesen Sie auch: Details zu Demenzgesichtern
Gesichter nicht erkennen bei Demenz
Das Nichterkennen von Gesichtern, auch Prosopagnosie genannt, kann im Verlauf einer Demenz auftreten, insbesondere bei der Alzheimer-Krankheit und der Frontotemporalen Demenz.
Ursachen
Die Prosopagnosie bei Demenz wird durch Schädigungen in bestimmten Hirnregionen verursacht, die für die Gesichtserkennung zuständig sind. Dazu gehören der Schläfenlappen und der Hinterhauptlappen. Die Schädigungen können durch die für die Demenz typischen Veränderungen wie Eiweißablagerungen oder den Verlust von Nervenzellen entstehen.
Symptome
Betroffene können Schwierigkeiten haben, bekannte Gesichter zu erkennen, selbst die von Familienmitgliedern oder engen Freunden. In schweren Fällen können sie ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr erkennen. Oftmals können sie jedoch Personen anhand anderer Merkmale wie Stimme, Gang oder Kleidung identifizieren.
Umgang mit Prosopagnosie
- Kompensationsstrategien: Betroffene können lernen, Personen anhand anderer Merkmale zu erkennen.
- Information der Umgebung: Es ist wichtig, Familie, Freunde und Bekannte über die Prosopagnosie zu informieren, damit sie Verständnis zeigen und helfen können.
- Visuelle Hilfsmittel: Fotos mit Namen können helfen, sich Gesichter einzuprägen.
- Unterstützung: Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen können Betroffenen und Angehörigen helfen, mit der Erkrankung umzugehen.