Ginkgo Biloba und Demenz: Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Leichte kognitive Beeinträchtigungen können den Alltag erheblich belasten. Ginkgo biloba, insbesondere der Spezialextrakt EGb 761®, wird als mögliche Therapieoption zur Behandlung von Demenz untersucht. Dieser Artikel fasst aktuelle Studien und Erkenntnisse zu diesem Thema zusammen.

Ginkgo Biloba: Ein Überblick

Ginkgo biloba ist eine Heilpflanze aus der Familie der Ginkgogewächse (Ginkgoaceae) und wird unter anderem als Antidementivum eingesetzt. Der Extrakt wird aus den Blättern des Ginkgo-Baumes gewonnen. Ginkgo-Präparate sind rezeptfrei erhältlich.

Metaanalyse: Wirksamkeit von EGb 761® bei leichter Demenz

Eine Metaanalyse, die im Fachjournal »The World Journal of Biological Psychiatry« veröffentlicht wurde, untersuchte die Daten von 782 Patienten mit leichter Demenz aus vier randomisierten, placebokontrollierten Studien. Die Patienten nahmen über 22 bis 24 Wochen täglich 240 mg des Spezialextrakts EGb 761® oder Placebo ein.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Patienten unter Verum im Vergleich zu Placebo signifikant bessere Ergebnisse in Tests zur Kognition, zur globalen Beurteilung, zu den Aktivitäten des täglichen Lebens und in der Lebensqualität erzielten. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Einnahme des Spezialextrakts für Patienten mit leichter Demenz wirksam und sicher ist.

S3-Leitlinie Demenzen und Ginkgo Biloba

Laut der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie Demenzen kann Ginkgo biloba EGb 761 in einer Dosis von 240 mg täglich zur Behandlung der Kognition und Alltagsfunktionen bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz mit nicht psychotischen Verhaltenssymptomen eingesetzt werden.

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Retrospektive Kohortenstudie: Verlangsamung des Demenzfortschreitens

Eine aktuelle retrospektive Kohortenstudie aus dem deutschen Versorgungsalltag analysierte Daten von 4765 Patienten mit leichter oder mittelschwerer Demenz. Die Erhebung wurde in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen durchgeführt, darunter das Institut für Sozialmedizin der Universität Leipzig, die Abteilung für Gesundheitsökonomie des Universitätsklinikums Hamburg, die Abteilung für Global Medical Affairs von Schwabe sowie die Abteilung für Epidemiologie bei Iqvia. Die Studie nutzte Daten aus einer großen, für deutsche Haus- und Fachärzte repräsentativen Gesundheitsdatenbank. Eingeschlossen wurden Patient:innen, die zwischen Januar 2005 und Dezember 2022 erstmals mit milder oder moderater Demenz diagnostiziert wurden. Ziel war es, das Fortschreiten der Demenz bei Patienten mit und ohne Ginkgo-Verschreibung über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren zu vergleichen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Verschreibung von Extrakten aus Ginkgo biloba das Fortschreiten einer Demenz verlangsamen kann. Das Fortschreiten der Demenz in der Ginkgo-Gruppe lag bei 12,7 Prozent, während es in der Vergleichsgruppe ohne Ginkgo bei 22,1 Prozent lag. Damit war das Fortschreiten in der Ginkgo-Gruppe langsamer, und der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch signifikant.

Eine Cox-Regression ergab eine Hazard Ratio von 0,50. Das bedeutet, dass das Risiko des Fortschreitens der Demenz in der Ginkgo-Verschreibungsgruppe um die Hälfte verringert wurde.

EGb 761®: Ein spezifischer Ginkgo-Extrakt

EGb 761 ist ein standardisierter Trockenextrakt aus Ginkgo-Blättern, dessen Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien belegt wurde. Frühere Studien haben die neuroprotektiven Eigenschaften dieses Extrakts dokumentiert, und es wurde nachgewiesen, dass EGb 761 das Fortschreiten der Demenz in mehreren kognitiven Bereichen verlangsamen kann. Systematische Übersichtsarbeiten bestätigten, dass der spezifische Extrakt in der Behandlung von leichter bis mittelschwerer Demenz hinsichtlich kognitiver Funktionen, Aktivitäten des täglichen Lebens und dem allgemeinen Zustand einem Placebo überlegen ist.

Erstattung in Deutschland

In Deutschland sind Medikamente mit Ginkgo biloba-Extrakt rezeptfrei erhältlich. Für die Kostenübernahme durch private und gesetzliche Krankenkassen ist jedoch eine ärztliche Verschreibung erforderlich. Diese Verschreibung ist an die Diagnose einer Demenzerkrankung gebunden, und nach 12 Wochen muss eine erneute Bewertung des Behandlungserfolgs erfolgen, um die weitere Erstattung zu gewährleisten.

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Weitere Studien und Metaanalysen

Studien mit Ginkgo biloba schlossen meist gemischte Gruppen aus Menschen mit Alzheimer-Demenz, gemischter Demenz und vaskulärer Demenz im leichten bis mittleren Schweregrad ein. Eine Metaanalyse (9 Studien, 2.561 Personen) zeigte signifikante Effekte auf Kognition und Alltagsfunktionen für Ginkgo biloba EGb 761 im Vergleich zu Placebo. Die Effekte waren in der Subgruppe der Menschen mit Alzheimer-Demenz ähnlich stark wie in den Subgruppen mit gemischter und vaskulärer Demenz.

Eine vor kurzem publizierte Meta-Analyse bestätigte einen günstigen Effekt von Ginkgo biloba EGb 761 auf kognitive Funktionen und Alltagskompetenz bei einer leichten kognitiven Störung (MCI). In dieser Analyse (9 Studien, 946 Patienten) wurden die heute angewendeten formelleren Kriterien zur Diagnostik einer leichten kognitiven Störung (MCI) retrospektiv angewendet.

Ginkgo Biloba bei Amyloid-positiver MCI

Eine prospektive Real-World-Studie untersuchte die Wirksamkeit von Ginkgo biloba bei Patienten mit Amyloid-PET-positiver MCI. Die Probanden erhielten entweder eine Monotherapie mit Ginkgo biloba (240 mg täglich; n = 42) oder Nahrungsergänzungsmittel (n = 22), darunter Omega-3-Fettsäuren und Cholinpräparate.

Nach zwölf Monaten erfüllten alle Patienten der Ginkgo-Gruppe die Responder-Kriterien (kein Rückgang im K-MMSE, keine Zunahme im CDR-SB), in der Kontrollgruppe traf dies hingegen nur bei 59 % zu (p < 0,001). Im K-MMSE zeigte sich in der Ginkgo-Gruppe eine leichte Verbesserung (+0,4 Punkte), während die Kontrollgruppe um durchschnittlich -0,8 Punkte abfiel (p < 0,001). Auch die funktionellen Alltagsfähigkeiten (K-IADL) verbesserten sich unter Ginkgo (-0,8 Punkte) gegenüber einer Verschlechterung in der Kontrollgruppe (+0,6 Punkte; p < 0,001). Eine Progression zur Alzheimer-Demenz wurde ausschließlich in der Kontrollgruppe beobachtet (13,6 %; p = 0,037).

Parallel zur klinischen Stabilisierung verringerte sich der Blutspiegel des oligomeren Amyloid-β-Markers MDS-Oaβ in der Ginkgo-Gruppe signifikant (-0,09 ng/ml; p < 0,001), während in der Kontrollgruppe ein leichter, nicht signifikanter Anstieg beobachtet wurde (+0,02 ng/ml).

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In einer linearen Regressionsanalyse war die Ginkgo-Behandlung der einzige signifikante Prädiktor für kognitive Stabilität (p = 0,009); Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, ApoE4-Status und Ausgangsbiomarker spielten keine Rolle.

Nebenwirkungen traten selten und in milder Ausprägung auf. Unter Ginkgo traten gelegentlich Durchfall (7 %), Kopfschmerzen (5 %), Übelkeit (5 %) und Schwindel (5 %) auf. Keiner der Patienten brach die Behandlung ab.

Die Ergebnisse stützen den potenziellen Einsatz standardisierter Ginkgo-Extrakte als frühe symptomatische Intervention bei prodromaler Alzheimer-Erkrankung. Dennoch sind prospektive, randomisierte Studien erforderlich, um die Wirksamkeit des Pflanzenextrakts bei MCI eindeutig zu bestätigen.

IQWiG-Bericht: Nutzen bei Alzheimer-Demenz

Der Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt zu dem Ergebnis, dass Patientinnen und Patienten mit Alzheimer Demenz von ginkgohaltigen Präparaten profitieren können, sofern sie diese in einer hohen Dosierung von 240 mg pro Tag einnehmen. Für das Therapieziel "Aktivitäten des täglichen Lebens" ist das durch Studien belegt. Was kognitive Fähigkeiten, allgemeine psychopathologische Begleitsymptome sowie die Lebensqualität der betreuenden Angehörigen betrifft, gibt es zumindest Hinweise auf einen Nutzen. Allerdings gibt es auch Studien, in denen kein Nutzen durch Ginkgo nachweisbar war, so dass letztlich unklar bleibt, wie groß der Effekt ist.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler recherchierten nach Studien, die für Alzheimer-Patienten und ihre Angehörigen maßgebliche Therapieziele untersucht haben: Sogenannte kognitive Fähigkeiten (z.B. Erinnerungsvermögen) und Alltagskompetenz (z. B. bei der Körperpflege) gehören ebenso dazu wie psychische Begleiterscheinungen (z. B. Depression, krankhafte Unruhe) oder Lebensqualität. Bedingung war, dass die Patientinnen und Patienten mindestens 16 Wochen mit ginkgohaltigen Medikamenten behandelt wurden.

Insgesamt konnten 7 Studien mit knapp 1.800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit in die Nutzenbewertung einbezogen werden. An den Studien hatten sehr verschieden zusammengesetzte Patientengruppen teilgenommen: Alter und Geschlecht, aber auch Schweregrad der Erkrankung und psychopathologische Begleitsymptome der Patienten waren von Studie zu Studie sehr unterschiedlich.

Insbesondere in zwei ukrainischen Studien fand das IQWiG Belege, dass Alzheimer-Patienten alltägliche Verrichtungen leichter fallen, wenn sie Ginkgo biloba in einer hohen Dosis von 240 mg pro Tag einnehmen. Auch auf ihr Erinnerungsvermögen und auf ihre psychische Verfassung könnten sich die Medikamente positiv auswirken. Zudem scheinen Angehörige weniger emotionalen Stress aushalten zu müssen. Allerdings gibt es hierfür keine Belege, sondern lediglich Hinweise. Wie groß all diese möglichen Effekte sind, bleibt offen. Das liegt vor allem daran, dass die Ergebnisse in einzelnen Studien sehr uneinheitlich ausfielen.

Uneinheitlich waren auch die Ergebnisse zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Hinweise auf eine Häufung bestimmter Nebenwirkungen gab es zwar nicht. Allerdings brachen Patienten, die Ginkgo biloba bekamen, die Studien generell häufiger ab als Patienten, die ein Scheinmedikament einnahmen.

Das IQWiG hält weitere klinische Vergleiche für notwendig, insbesondere Studien, die einen Vergleich mit anderen Behandlungsalternativen anstellen oder die Patientengruppen eingrenzen, die tatsächlich von Ginkgo biloba profitieren könnten. Solche Studien sollten nach Möglichkeit aber in einem Versorgungskontext durchgeführt werden, der dem westlichen Standard entspricht.

Studie zur Vorbeugung von Demenz

Eine Studie im Journal of the American Medical Association (JAMA) untersuchte, ob Ginkgo biloba zur Vorbeugung von Demenz eingesetzt werden kann. An dieser Studie hatten Probanden teilgenommen, die zu Beginn der Studie keine Demenz aufwiesen. Die Ergebnisse sprechen nicht dafür, dass die Einnahme von Ginkgo die Entwicklung einer Demenz aufhalten oder zumindest verzögern kann.

Beim Vergleich dieser Studie mit den Ergebnissen des Abschlussberichts des IQWiG muss man beachten, dass sich der vom IQWiG beschriebene Nutzen nur auf bereits an Alzheimer Demenz erkrankte Personen bezieht.

Wichtige Hinweise und Einschränkungen

  • Die Alzheimer-Demenz ist nicht heilbar. Ginkgo biloba kann jedoch möglicherweise die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
  • Die Studienlage ist nicht immer eindeutig. Die Ergebnisse verschiedener Studien können sich unterscheiden.
  • Ginkgo-Präparate können Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln haben, insbesondere mit gerinnungshemmenden Medikamenten.
  • Es ist wichtig, vor der Einnahme von Ginkgo biloba einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren.

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