Ginkgo Biloba und Demenz: Wirksamkeit und Erstattung durch Krankenkassen

Ginkgo biloba, insbesondere der Spezialextrakt EGb 761, wird seit langem als mögliche Therapieoption bei Demenz diskutiert. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba bei Demenz, die Erstattungspraxis durch Krankenkassen und gibt Hinweise zur Auswahl und Anwendung von Ginkgo-Präparaten.

Einführung

Viele Menschen haben Angst vor Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, da die Hirnleistung mit zunehmendem Alter abnimmt. Ginkgo biloba-Präparate werden oft als Mittel zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und zur Vorbeugung von Demenz beworben. Doch was ist dran an diesen Versprechungen?

Was ist Ginkgo Biloba?

Ginkgo (Ginkgo biloba) ist eine Baumart, die ursprünglich aus China stammt und heute weltweit angebaut wird. In Ostasien wird der Baum wegen seiner essbaren Samen und als Tempelbaum kultiviert. Ginkgo biloba gehört zu den am intensivsten untersuchten Heilpflanzen. Seit etwa 50 Jahren gibt es verschiedene zugelassene pflanzliche Arzneimittel, die gegen Demenz, Schwindel, Gedächtnisstörungen und Ohrgeräusche (Tinnitus) angewendet werden.

Studienlage zur Wirksamkeit von Ginkgo Biloba bei Demenz

Eine aktuelle retrospektive Kohortenstudie aus dem deutschen Versorgungsalltag hat gezeigt, dass die Verschreibung von Extrakten aus Ginkgo biloba das Fortschreiten einer Demenz verlangsamen kann. In der Erhebung wurden Daten von 4765 Patienten mit leichter oder mittelschwerer Demenz analysiert. Frühere Studien haben bereits die neuroprotektiven Eigenschaften des spezifischen Ginkgo-Extrakts EGb 761 von Dr. Willmar Schwabe nachgewiesen. Die aktuelle Untersuchung hatte zum Ziel, den Einfluss von Ginkgo auf das Fortschreiten der Demenz in einem realen Umfeld anhand von Patientendaten niedergelassener Ärzte zu untersuchen.

Studiendesign und Methodik

Die Erhebung wurde in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen durchgeführt, darunter das Institut für Sozialmedizin der Universität Leipzig, die Abteilung für Gesundheitsökonomie des Universitätsklinikums Hamburg, die Abteilung für Global Medical Affairs von Schwabe sowie die Abteilung für Epidemiologie bei Iqvia. Die Studie nutzte Daten aus einer großen, für deutsche Haus- und Fachärzte repräsentativen Gesundheitsdatenbank. Eingeschlossen wurden Patient:innen, die zwischen Januar 2005 und Dezember 2022 erstmals mit milder oder moderater Demenz diagnostiziert wurden. Ziel war es, das Fortschreiten der Demenz bei Patienten mit und ohne Ginkgo-Verschreibung über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren zu vergleichen.

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Ergebnisse der Studie

Um Unterschiede im Fortschreiten der Demenz zwischen beiden Gruppen zu ermitteln, wurde die Kaplan-Meier-Analyse verwendet. Diese Methode berechnet den Anteil der Patienten, bei denen die Krankheit in einem bestimmten Zeitraum fortgeschritten ist. Die Analyse ergab, dass das Fortschreiten der Demenz in der Ginkgo-Gruppe bei 12,7 Prozent lag, während es in der Vergleichsgruppe ohne Ginkgo bei 22,1 Prozent lag. Damit war das Fortschreiten in der Ginkgo-Gruppe langsamer, und der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch signifikant.

Zusätzlich wurde eine Cox-Regression durchgeführt, um den Einfluss verschiedener Faktoren auf das Fortschreiten der Demenz genauer zu untersuchen. Diese Analyse ergab eine Hazard Ratio von 0,50. Das bedeutet, dass das Risiko des Fortschreitens der Demenz in der Ginkgo-Verschreibungsgruppe um die Hälfte verringert wurde. Ebenfalls konnte nachgewiesen werden, dass der Effekt von Ginkgo biloba auf das Fortschreiten der Demenz statistisch signifikant ist.

Ginkgo Biloba und EGb 761

Diese Ergebnisse stützen sich auch auf den spezifischen Ginkgo-Extrakt EGb 761, der in verschiedenen internationalen Leitlinien wie den deutschen S3-Leitlinien sowie den Leitlinien der World Federation of Societies of Biological Psychiatry als empfohlene Therapieoption für Patienten mit leichter bis mittelschwerer Demenz genannt wird. EGb 761 ist ein standardisierter Trockenextrakt aus Ginkgo-Blättern, dessen Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien belegt wurde.

Frühere Studien haben die neuroprotektiven Eigenschaften dieses Extrakts dokumentiert, und es wurde nachgewiesen, dass EGb 761 das Fortschreiten der Demenz in mehreren kognitiven Bereichen verlangsamen kann. Systematische Übersichtsarbeiten bestätigten, dass der spezifische Extrakt in der Behandlung von leichter bis mittelschwerer Demenz hinsichtlich kognitiver Funktionen, Aktivitäten des täglichen Lebens und dem allgemeinen Zustand einem Placebo überlegen ist.

Langzeitstudie PAQUID

Die aus öffentlichen Geldern geförderte PAQUID-Studie stellt eine weitere Langzeituntersuchung zur Entwicklung von Demenz und Hirnleistung dar. Im Mittelpunkt der Langzeit-Auswertung stand die Rolle des Ginkgo-Spezialextrakts EGb 761® in der Prävention von schwindender Gedächtnisleistung.

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Im Rahmen der über einen Beobachtungzeitraum von 20 Jahren laufenden PAQUID-Studie der Universität Bordeaux wurden 3777 Teilnehmer im Alter von 65 Jahren und älter ohne diagnostizierte Demenzerkrankung drei Gruppen zugeordnet. 589 Probanden nahmen regelmäßig EGb 761® ein, 149 Probanden Piracetam, ein konventionelles Antidementivum, und der Großteil, 2874 Teilnehmer, nahmen weder den Gingko-Extrakt noch Piracetam ein. Alle zwei bis drei Jahre wurden die Probanden von ausgebildeten Psychologen befragt. Die Teilnehmer, die EGb 761® einnahmen, zeigten eine signifikant langsamere Verschlechterung ihrer Gedächtnisleistungen als jene, die weder den Gingko-Spezialextrakt noch Piracetam verwendeten. Die Wissenschaftler resümieren, dass eine frühzeitige und regelmäßige Einnahme des monographierten Gingko-Spezialextrakts EGb 761® den meist altersbedingten Schwund der Gehirnleistung wenn nicht aufhalten, aber doch zumindest verlangsamen kann.

Erstattung durch Krankenkassen in Deutschland

In Deutschland sind Medikamente mit Ginkgo biloba-Extrakt rezeptfrei erhältlich. Für die Kostenübernahme durch private und gesetzliche Krankenkassen ist jedoch eine ärztliche Verschreibung erforderlich. Diese Verschreibung ist an die Diagnose einer Demenzerkrankung gebunden, und nach 12 Wochen muss eine erneute Bewertung des Behandlungserfolgs erfolgen, um die weitere Erstattung zu gewährleisten.

Die Studien-Ergebnisse liefern starke Hinweise darauf, dass Ginkgo biloba-Extrakt das Risiko des Fortschreitens der Demenz signifikant verringern kann.

Ginkgo Biloba: Nicht gleich Ginkgo Biloba

Viele Menschen greifen bei Vergesslichkeit, Konzentrationsproblemen oder Ohrgeräuschen zu Ginkgo (auch Ginkgo biloba genannt). Dabei wird oft übersehen: Ginkgo ist nicht gleich Ginkgo. Entscheidend sind die richtige Qualität und die passende Dosis. Und Ginkgo wirkt leider auch nicht bei allen Beschwerden, für die es üblicherweise eingenommen wird. Ein ehrlicher Wirktest nach acht bis zwölf Wochen ist deshalb ein Muss. Außerdem kann Ginkgo mit einigen anderen Medikamenten wechselwirken. und bringen Sie am besten Ihren aktuellen Medikamentenplan mit.

Ginkgo-Arzneimittel enthalten sorgfältig hergestellte Extrakte aus Ginkgoblättern. Diese Extrakte sind auf bestimmte Wirkstoffe standardisiert, und unerwünschte Bestandteile werden streng begrenzt. Das sorgt dafür, dass jede Tablette eine verlässliche Zusammensetzung hat und die Wirkung zwischen Packungen vergleichbar bleibt. Nahrungsergänzungsmittel oder Tees sind damit nicht zu vergleichen: Sie schwanken in der Zusammensetzung, unterliegen anderen Qualitätsregeln und besitzen für die hier diskutierten Anwendungsgebiete keine gesicherte Wirksamkeit. In der Praxis bedeutet das: Wer Ginkgo nutzen möchte, sollte zu einem zugelassenen Arzneimittel mit belegtem Spezialextrakt greifen. Am besten untersucht ist der Extrakt EGb 761; andere Extrakte sind nicht automatisch gleichwertig.

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Worauf Sie bei der Auswahl von Ginkgo-Präparaten achten sollten

  • Arzneimittel vs. Nahrungsergänzungsmittel: Entscheiden Sie sich für ein zugelassenes Arzneimittel mit standardisiertem Spezialextrakt und nicht für Tee oder Nahrungsergänzung.
  • Spezialextrakt: Achten Sie auf den Spezialextrakt EGb 761, da dieser am besten untersucht ist.
  • Dosis: Die beste Evidenz liegt bei 240 mg pro Tag; niedrigere Dosen zeigen deutlich seltener einen Effekt.
  • Reinheitsgehalt: Achten Sie auf den Reinheitsgehalt des Präparats. Teure Produkte sind in der Regel frei von Ginkgolsäure. Gingolsäuren sind in den Blättern enthalten, aus denen der Extrakt gewonnen wird. In höher Konzentration können sie zu Magen-Darm-Beschwerden führen und Allergien auslösen.

Inhaltsstoffe von Ginkgo

Die Angabe "Ginkgo-Extrakt" bei einem Nahrungsergänzungsmittel ist nicht definiert und gibt keine Auskunft, welcher Teil der Pflanzen genutzt und wie dieser gewonnen wird, ob z.B. Blätter, Samen, Rinde, Wurzel oder Nüsse verwendet werden. Die wichtigsten Wirkstoffe in den Blattextrakten sind sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide, Terpenoide, Sitosterine und Anthocyane.

Für die Herstellung eines Arznei-Extraktes aus Ginkgo-Blättern (Ginkgo-biloba-Trockenextrakt) gibt es im Europäischen Arzneibuch genaue Vorschriften. Dort ist vorgegeben, wie viel Prozent der wirksamen Inhaltsstoffe - Flavon­glykoside (Quercetin), Kämpferol sowie Terpenlaktone - enthalten sein müssen. Für die unerwünschte Ginkgol-Säure gibt es eine Obergrenze (5 ppm).

Für Lebensmittel und Nahrungs­ergänzungs­mittel mit Ginkgo gibt es keine standardisierte Zusammen­setzung. Die einzelnen Produkte sind daher nicht miteinander vergleichbar. Begriffe wie "Spezialextrakt", "hochwertig" oder "wertvoll" haben überhaupt keine Aussagekraft.

Untersuchungen des Zentral­laboratoriums der Deutschen Apotheker (ZL) zeigen außerdem, dass die Mehrzahl der untersuchten Nahrungs­ergänzungs­mittel Ginkgo-Extrakte enthält, bei denen ein begründeter Verdacht auf die Zugabe von sekundären Pflanzen­stoffen aus anderen pflanzlichen Quellen besteht, z.B. Quercetin und Rutin aus Buchweizen oder aus Extrakten des Japanischen Schnurbaums.

Anwendung von Ginkgo Biloba

  • Regelmäßige Einnahme: Nehmen Sie das Präparat möglichst täglich zur gleichen Zeit ein, etwa morgens zum Frühstück oder abends zum Zubettgehen - wichtig ist die Regelmäßigkeit.
  • Geduld: Die Wirkung baut sich über Wochen auf. Nach acht bis zwölf Wochen ist der richtige Zeitpunkt, gemeinsam mit Angehörigen und gern auch mit Ihrem Arzt oder Apotheker zu prüfen, ob Sie im Alltag einen Unterschied bemerken.
  • Wirktest: Ohne spürbaren Nutzen sollte man die Einnahme beenden.

Für wen ist Ginkgo Biloba geeignet?

  • Leichte bis mittelgradige Demenz: Bei leichter bis mittelgradiger Demenz - etwa bei Alzheimer- oder vaskulärer Demenz - geben die deutschen S3-Leitlinien eine vorsichtige, aber positive Empfehlung für Ginkgo in einer Tagesdosis von 240 mg eines standardisierten Spezialextrakts. In Studien zeigte sich bei einem Teil der Betroffenen eine messbare Verbesserung der geistigen Leistung und der Alltagsfähigkeiten.
  • Nicht zur Vorbeugung: Zur Vorbeugung von Gedächtnisproblemen bei gesunden Menschen ist Ginkgo hingegen nicht geeignet. Große Studien fanden keinen Nutzen zur Demenz-Prävention.
  • Tinnitus: Beim chronischen Tinnitus ist die Studienlage klarer, aber leider ernüchternd: Ginkgo zeigt in guten Untersuchungen keinen verlässlichen Vorteil gegenüber Placebo. Deshalb empfehlen die deutschen Leitlinien Ginkgo bei Tinnitus nicht.

Wechselwirkungen und Nebenwirkungen

Ginkgo gilt insgesamt als gut verträglich, kann aber Wechselwirkungen haben.

  • Blutverdünnung/Blutungsrisiko: Vorsicht ist geboten bei der Einnahme von Gerinnungshemmern (z. B. Phenprocoumon/Warfarin, DOAKs wie Dabigatran) und Thrombozytenhemmern (z. B. ASS). Auch vor Operationen ist eine Einnahmepause sinnvoll.
  • Weitere mögliche Wechselwirkungen: u. a. mit bestimmten Antidepressiva. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker nach möglichen Wechselwirkungen mit Ihren Medikamenten.
  • Häufige Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden.
  • Seltene Nebenwirkungen: Allergien oder Blutungen.

Alternativen und ergänzende Maßnahmen

Neben der Einnahme von Ginkgo biloba gibt es weitere Maßnahmen, die zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und zur Vorbeugung von Demenz beitragen können:

  • Psychosoziale Betreuung: Psychosoziale Interventionen wirken genauso gut wie Medikamente und sind zentrale Bausteine im Gesamtbehandlungsplan von Demenzerkrankungen. Diese therapeutische Ergänzung soll aus Ergotherapie, gezielter körperlicher Aktivität und kognitive Stimulation bestehen.
  • Gesunder Lebensstil: Körperliche Bewegung, ein gesunder Lebensstil und soziale Aktivitäten könnten dabei helfen, Alzheimer aufzuhalten.
  • Training fürs Gehirn: Bewegung an der frischen Luft und ausreichendes Trinken (am besten Wasser, ungesüßte Tees oder Saftschorlen) können die Gedächtnisleistung verbessern und die Konzentration fördern.
  • Behandlung von Begleiterkrankungen: Parallele Erkrankungserscheinungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Adipositas sollten beobachtet und behandelt werden.

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