Glutamat-Rezeptoren: Funktion, Vielfalt und Bedeutung im Gehirn

Ein fundamentales Dogma der Neurowissenschaften besagt, dass Lernprozesse im Gehirn mit dauerhaften Veränderungen an den chemischen Synapsen einhergehen. Die Abteilung Molekulare Neurobiologie am MPI für medizinische Forschung hat sich zum Ziel gesetzt, die Funktion von Schlüsselmolekülen bei diesen Veränderungen zu entschlüsseln. Glutamat-Rezeptoren spielen hierbei eine zentrale Rolle.

Die Rolle von Glutamat bei der synaptischen Übertragung

Die meisten Synapsen im Gehirn sind auf eine schnelle Erregungsleitung spezialisiert und nutzen den chemischen Botenstoff L-Glutamat. Dieser wird von der präsynaptischen Seite der Synapse bei einem Reiz freigesetzt, diffundiert durch den synaptischen Spalt und bindet an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Seite. Die Bindung von Glutamat öffnet eine Pore in diesen Rezeptoren, wodurch für kurze Zeit positiv geladene Ionen (Kationen) in die Nervenzelle einströmen. Dies führt zu einer Depolarisation der Zellmembran und somit zu einer Erregung der Zelle.

Genetische Manipulation von Glutamat-Rezeptoren und ihre Auswirkungen

Die genetische Manipulation von Glutamat-Rezeptoren (GluRs) in Mäusen kann die synaptische Funktion verändern und das Lernvermögen beeinträchtigen oder, seltener, verbessern. Untersuchungen haben wichtige funktionelle Aspekte von Glutamat-Rezeptoren beim räumlichen Lernen, für das der Hippocampus eine wichtige Hirnstruktur darstellt, sowie beim olfaktorischen Lernen in olfaktorischen Synapsen hervorgehoben.

AMPA- und NMDA-Rezeptoren: Zwei Hauptakteure

Die wichtigsten postsynaptischen Glutamat-Rezeptoren sind AMPA-Rezeptoren (AMPARs) und NMDA-Rezeptoren (NMDARs). AMPARs vermitteln eine schnelle Erregungsleitung, während NMDARs eine mehr als zehnfach langsamere Schaltkinetik aufweisen und für aktivitätsabhängige Langzeitveränderungen der synaptischen Stärke (Langzeitpotenzierung, LTP) essentiell sind.

AMPA-Rezeptoren: Schnelle Signalübertragung

AMPA-Rezeptoren, die in glutamatergen Nervenzellen vorkommen, sind fast undurchlässig für Calcium-Ionen (Ca2+) und ihre Aktivierung führt zum Einstrom von Natrium-Ionen (Na+). Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass es auch außerordentlich langsame AMPA-Rezeptoren gibt, die nach Stimulation 500 Millisekunden aktiv bleiben und somit etwa 100 Mal langsamer sind als die ursprünglichen. Etwa zwei Drittel aller Pyramidenzellen des Hippocampus exprimieren diese langsamen AMPA-Rezeptoren.

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NMDA-Rezeptoren: Langzeitpotenzierung und Calcium-Einstrom

Im Gegensatz dazu zeigen NMDARs eine etwa zehnfach höhere Durchlässigkeit für Ca2+ als für Na+. Der durch NMDARs vermittelte, zeitlich begrenzte Anstieg von Ca2+ in postsynaptischen Kompartimenten dient als Signalgeber für biochemische Prozesse, die zu strukturellen und funktionellen Veränderungen von Synapsen führen. Die Aktivierung von NMDARs unterliegt einem besonderen Kontrollmechanismus in Form eines spannungsabhängigen Blocks durch Magnesium-Ionen (Mg2+). Dieser Block ist beim Ruhepotenzial der Zelle am stärksten und verhindert, dass NMDARs selbst nach Bindung von Glutamat zum Ca2+-Einstrom beitragen. Der Block verringert sich mit Depolarisation der Membran (Erregung der Zelle).

Untereinheiten von AMPA- und NMDA-Rezeptoren

AMPARs und NMDARs sind aus Untereinheiten mit quaternärer Stöchiometrie zusammengesetzt. Es gibt vier Untereinheiten für AMPARs (GluR-A bis GluR-D; auch GluR1 bis 4) und fünf für NMDARs (die obligatorische Untereinheit NR1 sowie die modulatorischen Untereinheiten NR2A bis D). Die Mehrzahl der AMPARs in erregenden Synapsen von glutamatergen Vorderhirnneuronen enthalten GluR-A und -B. Die NMDA-Rezeptoren in diesen Synapsen enthalten NR1 und NR2A und/oder NR2B.

Die Bedeutung der Calcium-Permeabilität

Da Ca2+ ein äußerst wichtiger Signalträger in Nervenzellen ist und hohe Ca2+-Spiegel Nervenzellen schädigen können, sind die meisten AMPARs für Ca2+ undurchlässig, während der Ca2+-Einstrom durch NMDARs über den spannungsabhängigen Mg2+-Block streng reguliert ist. In AMPARs verhindert die Inkorporation der GluR-B (GluR2)-Untereinheit die Ca2+-Durchlässigkeit, da GluR-B an der für Ionenpermeation kritischen Q/R-Stelle der Kanalauskleidung ein Arginin (R) trägt, während alle anderen AMPAR-Untereinheiten ein Glutamin (Q) an dieser Stelle besitzen. Bemerkenswert ist, dass das kritische Arginin in der Kanalauskleidung der GluR-B-Untereinheit durch Adenosin-zu-Inosin-Editierung im Glutaminkodon (CAG zu CIG) der Primär-RNA des GluR-B-Gens zustande kommt. Das dafür verantwortliche Enzym, ADAR2, editiert die Kanalstelle in GluR-B zu beinahe 100 Prozent, während andere Rezeptoren an funktionell wichtigen Stellen weniger stringent editiert werden. Alle NMDAR-Untereinheiten tragen an homologer Kanalstelle ein Asparagin (N). Diese Stelle ist in NR1 verantwortlich für die hohe Ca2+-Durchlässigkeit sowie den spannungsabhängigen Mg2+-Block. In NR2-Untereinheiten ist die Position C-terminal zu der N-Stelle (N+1 Stelle) ebenfalls durch ein Asparagin besetzt. Eine Mutation dieser Position von Asparagin zu Serin (N596S) in beiden im Rezeptor inkorporierten NR2-Untereinheiten hebt den Mg2+-Block auf, ohne jedoch die charakteristisch hohe Ca2+-Permeabilität zu beeinträchtigen.

Knockout-Studien und ihre Erkenntnisse

Ein relativ einfacher Weg, die AMPAR-Funktion zu ändern, ist ein ‘Knockout’ einzelner Untereinheiten. Mäuse, die kein GluR-A exprimieren, zeigen im erwachsenen Alter Defizienzen im hippokampalen LTP (Langzeitpotenzierung) sowie im räumlichen Kurzzeitgedächtnis (‘wo war ich soeben?’), aber nicht im räumlichen Langzeitgedächtnis, das sich als Resultat zahlreicher schrittweiser Lernvorgänge ausbildet. Somit zeigte die GluR-A-Knockout-Maus, dass räumliches Kurz- und Langzeitgedächtnis, obwohl beide vom Hippocampus abhängen, unterschiedliche Mechanismen benutzen und nur eine Form GluR-A enthaltende AMPARs benötigt. Fehlendes LTP sowie Kurzzeitgedächtnis können in den GluR-A-Knockout-Mäusen durch transgene postnatale GluR-A-Expression wiederhergestellt werden. Somit können strukturelle Schaltkreisveränderungen im Hippocampus der GluR-A-Knockout-Maus als Ursache für fehlende synaptische Plastizität und Kurzzeitgedächtnis ausgeschlossen werden. Knockout von GluR-B hat gravierende Konsequenzen im Hinblick auf das Erscheinungsbild der Mäuse, die Verhaltenstests ausschließen.

Die Rolle von GluR-B

Die selektive Entfernung von GluR-B im Vorderhirn der Maus führt zu reduzierter synaptischer Erregungsleitung im Hippocampus und zu vermindertem Lernverhalten. Da GluR-B die Ca2+-Permeabilität von AMPARs in glutamatergen Neuronen unterdrückt, erhöht die Wegnahme von GluR-B die AMPAR-vermittelte Ca2+-Permeabilität auf ein Maximum. Ein interessanter Aspekt von GluR-B betrifft die beinahe hundertprozentige Editierung der kritischen Q/R-Stelle in der Kanalauskleidung, auf der die Unterdrückung der Ca2+-Permeabilität von AMPARs durch GluR-B beruht. Mäuse, in denen mit Hilfe von genetischen Schaltern die Editierung im Vorderhirn von 100% auf etwa 70% gedrosselt ist, werden epileptisch und sterben nach einigen Monaten. In Caenorhabditis elegans hingegen, in dem - wie in allen Invertebraten - Glutamatrezeptor-Untereinheiten uneditiert bleiben, führt die Expression einer an der Q/R-Stelle editierten Untereinheit für AMPAR-ähnliche Glutamatrezeptoren zu neuronaler Toxizität.

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AMPA-Rezeptoren und neuronale Toxizität

Erhöhung der Ca2+-Permeabilität von AMPARs scheint besonders für Motorneurone im ventralen Horn des Rückenmarks von Säugern problematisch zu sein, und eine neue Hypothese zur Ausbildung sporadischer Formen von amyotropher Lateralsklerose (ALS) befasst sich mit dem Absenken der Editierungseffizienz an der Q/R-Stelle von GluR-B. Zumindest im Riechkolben (Bulbus olfactorius) scheint eine Erhöhung der Ca2+-Permeabilität von AMPARs keine Toxizität hervorzurufen, sondern führt sogar zu einer verbesserten Unterscheidung von molekular ähnlichen Geruchsstoffen.

NMDA-Rezeptor-Subtypen und ihre Funktionen

Glutamaterge Nervenzellen des Vorderhirns exprimieren im Wesentlichen die drei NMDAR-Untereinheiten NR1, NR2A und NR2B, die zu Rezeptorsubtypen der Zusammensetzung NR1/NR2A, NR1/NR2B und NR1/NR2A/NR2B führen können. Genetische Inaktivierung der NR1- sowie der NR2B-Gene führt zum Tod der Mäuse kurz nach der Geburt, während die erst ab postnatalen Stadien exprimierte NR2A-Untereinheit ohne ernste Konsequenzen für die Maus genetisch entfernt werden kann. Die Funktion der unterschiedlichen NMDAR-Subtypen im erwachsenen Vorderhirn ist noch unklar. Mutationen der kritischen Stelle in der Ionenkanalauskleidung von NMDARs sind letal (dominant negativ), wenn sie zum Verlust der Ca2+-Permeabilität führen. Das zeigt die heterozygote Expression eines Allels für NR1 (N596R), einer Punktmutation in der Kanalauskleidung der prinzipiellen NMDAR-Untereinheit. Unter anderem bewirkt die Expression dieser mutierten NR1-Untereinheit eine Herabregulierung von synaptischen AMPARs und eine deutliche Frequenzabhängigkeit bei LTP-Induktion. Interessanterweise kann der Mg2+-Block aufgehoben werden, ohne die Ca2+-Permeabilität abzusenken, wenn beide NR2-Untereinheiten eines Rezeptors eine mutierte N+1-Position tragen.

Genetische Strategien zur Untersuchung von Glutamat-Rezeptoren

Da unterschiedliche Mutationen in postsynaptischen Glutamat-Rezeptoren letal sind oder zu schweren Beeinträchtigungen (z. B. Epilepsie bei reduzierter Q/R-Stelleneditierung von GluR-B) führen, sollten die Mutationen nur in begrenzten Teilen des Gehirns und möglichst nicht während der Gehirnentwicklung exprimiert werden. Um dies zu realisieren, werden genetische Strategien angewandt, deren Adaption, Entwicklung und Realisierung sehr viel Zeit (Herstellung, Analyse und Kreuzen von Mauslinien) und Forschungsmittel benötigt.

AMPA-Rezeptoren: Mehr als nur schnelle Erregungsübertragung

Der Glutamat-Rezeptor AMPA war bislang für seine blitzschnelle Erregungsübertragung bekannt. Neue Erkenntnisse rücken die synaptische Signalübertragung nun in ein völlig neues Licht. Wissenschaftler haben entdeckt, dass es auch außerordentlich langsame AMPA-Rezeptoren gibt. Diese bleiben nach Stimulation 500 Millisekunden aktiv - sind also etwa 100 Mal langsamer als das „Original“. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle: Etwa zwei Drittel aller Pyramidenzellen des Hippocampus exprimieren langsame AMPA-Rezeptoren.

Die Bedeutung der langsamen AMPA-Rezeptoren

Unklar ist noch, welche Bedeutung die jetzt entdeckten langsamen AMPA-Rezeptoren mit ihrem Synapsenpotenzial von über 100 Millisekunden für kognitive Prozesse wie etwa Denken, Sprechen, Rechnen oder Erinnern haben. Diese spannende Frage wird im Weiteren zu erforschen sein. Noch sind sich die Forschenden nicht ganz sicher, ob AMPA-Rezeptoren unterschiedliche Eigenschaften annehmen, indem sie zwischen einem schnellen und langsamen Modus hin und her wechseln können -oder ob es sich um grundverschiedene Typen handelt. Die Forscher vermuten, dass es sowohl schnelle, langsame als auch multifunktionale AMPA-Rezeptoren gibt.

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AMPA-Rezeptoren und die post-synaptische Zelle

Nach der gängigen Lehrmeinung wird die Aktivität des AMPA-Rezeptors ausschließlich von der signalgebenden prä-synaptische Zelle bestimmt, und die post-synaptische Zelle ist lediglich ein passiver Empfänger. Die Forscher fanden jedoch belastbare Hinweise, dass langsame AMPA-Rezeptoren in der post-synaptischen Zelle die Dauer der synaptischen Signalübertragung maßgeblich beeinflussen. Hierfür nutzen sie offenbar Hilfsproteine.

AMPA-Rezeptoren und Epilepsie

Es gibt Hinweise darauf, dass langsame AMPA-Rezeptoren in der post-synaptischen Zelle die Dauer der synaptischen Signalübertragung maßgeblich beeinflussen. Dies könnte jedoch auch gefährliche Aspekte haben, da es sich um einen sehr instabilen Feedbackprozess handelt, der irgendwie falsch wirkt und zum Beispiel mit Epilepsie in Verbindung stehen könnte.

Kainatrezeptoren: Mehr als nur Regulation neuronaler Netzwerke

Wenn wir lernen oder Informationen abspeichern, spielen die sogenannten ionotropen Glutamatrezeptoren im Gehirn eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um Proteine, die in der Membran von Nervenzellen sitzen und den Botenstoff Glutamat an sich binden. Dadurch kommt es zur Erregung der Zelle, die daraufhin das Signal an ihre Nachbarn weitergibt. Eine Untergruppe der Glutamatrezeptoren sind die Kainatrezeptoren. Sie waren bisher vor allem dafür bekannt, dass sie helfen, solche neuronalen Netzwerke zu regulieren.

Kainatrezeptoren und die Entwicklung von Nervenzellen

Wissenschaftler haben entdeckt, dass Kainatrezeptoren auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Nervenzellen spielen. Sie nutzten für ihre Versuche Zellen aus dem visuellen Kortex von Ratten. Den Kulturen, die sie im Labor ansetzten, fügten sie geringe Dosen Kainsäure zu. „Wir konnten beobachten, dass dadurch Zellen, die sich noch in einem sehr jungen Stadium befanden, viel aktiver wurden“, sagt Alexander Jack. Diese gesteigerte Aktivität wirkte sich wiederum auf das Wachstum einer ganz bestimmten Gruppe von Neuronen aus, den Pyramidenzellen. Die Untereinheit GluK2 wurde als Hauptverdächtiger in den Fokus weiterer Experimente genommen. Diese Funktionen sind im erwachsenen Gehirn besonders für höhere kognitive Funktionen wichtig. Die Rolle von GluK2 in der frühen Reifung der Nervenzellen wurde bislang wenig untersucht.

Die Rolle von TTBK2

Die Forscher brachten die Nervenzellen dazu, die Kainatrezeptoruntereinheit GluK2 vermehrt herzustellen. Sie beobachteten, dass diese manipulierten Zellen schon in einem frühen Entwicklungszeitfenster deutlich aktiver waren als normalerweise. Außerdem testeten die Forscher erfolgreich ein natürlich vorkommendes Protein, das an der Regulation von GluK2 beteiligt ist: die Tau Tubulin Kinase 2 (TTBK2). Sie sorgt dafür, dass Kainatrezeptoren, die die Untereinheit GluK2 besitzen, aus der Membran heraus in das Innere der Zelle gebracht werden, wo sie ihre Funktion nicht ausüben können. So verhindert der Körper, dass zu viele Nervenzellen erregt werden. Menschen, bei denen das Protein TTBK2 mutiert ist, leiden an einer Bewegungsstörung, der spinocerebellären Ataxie Typ 11. Bei ihnen kommt es im Spinocerebellum, einer Region im Kleinhirn, zu einer Übererregung und die betroffenen Neurone sterben ab.

AMPA-Rezeptor-Komplex und Auxiliäre Proteine

Eine Besonderheit von AMPA Rezeptoren ist es, dass die eigentlichen AMPA Rezeptorproteine - die das Glutamat binden und den Ionenkanal bilden - im Zentrum eines mehrschichtigen Netzwerkes aus einer Vielzahl von interagierenden Proteinen stehen. Die Zusammensetzung dieses Proteinnetzwerkes, in seiner Gänze auch als AMPA Rezeptorkomplex bezeichnet, hat großen Einfluss auf die Rezeptor-Funktion und unterscheidet sich je nach Entwicklungsstadium, Hirnregion, Zelltyp oder auch subzellulärer Lokalisation. Innerhalb der AMPA Rezeptorkomplexe übt die Gruppe der auxiliären Proteine einen besonderen Einfluss auf die Funktion der Rezeptoren aus. Die Erforschung dieser Proteine und ihrer Effekte auf die Rezeptoren stellt einen Schwerpunkt der Forschung dar. Dabei sind Forscher insbesondere an der Funktion von CKAMP-Proteinen interessiert. CKAMP-Proteine gehören zu einer Familie von auxiliären Proteinen der AMPA Rezeptoren. Sie beeinflussen die Funktion der AMPA Rezeptoren auf verschiedene Weise. Ihre Interaktion mit den Rezeptoren führt ganz allgemein zu einer erhöhten Anzahl von AMPA Rezeptoren auf der Zelloberfläche und in den Synapsen und zu einer Änderung des Öffnungs- und Schließverhaltens der Rezeptoren. AMPA Rezeptoren, an die das Protein CKAMP44 gebunden ist, schließen zum Beispiel deutlich langsamer als CKAMP44-freie Rezeptoren.

Glutamatfreisetzung unter Energiemangelbedingungen

Unter normalen Bedingungen wird das Gehirngewebe ausreichend mit Energie versorgt. Unter anderem wird diese dazu benötigt, um Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, gezielt freizusetzen und wieder aufzunehmen. Tim Ziebarth hat in einem Modellsystem Hinweise auf einen bisher unbekannten, unkonventionellen Freisetzungsmechanismus gefunden, der in Energiemangelsituationen die Glutamatkonzentration erheblich ansteigen lässt. Neben regulären Glutamatfreisetzungen, wie sie für die synaptische Aktivität von Nervenzellen typisch sind, beobachtete er auch sehr ungewöhnliche, lokale Glutamatsignale, die verhältnismäßig groß, langanhaltend und heterogen waren. „Unter normalen Bedingungen traten diese untypischen Ereignisse nur vereinzelt auf“, berichtet er. Letztlich waren sie die Hauptursache für den Anstieg der extrazellulären Glutamatkonzentration. „Es scheint so, als ob unter metabolischen Stressbedingungen, also bei Energiemangel, vor allem diese untypischen Freisetzungen begünstigt werden und zur Ansammlung von Glutamat führen,“ fasst Prof. Dr. „Die normale neuronale Glutamatfreisetzung, die selbst viel Energie benötigt, kommt hingegen zum Erliegen“. In weiteren Experimenten konnte das Team zeigen, dass durch erhöhte extrazelluläre Glutamatkonzentration weitere Freisetzungsereignisse begünstigt werden. Der Prozess ist also selbstverstärkend. Wie es genau zu den ungewöhnlichen Neurotransmitterfreisetzungen kommt und welche Zelltypen dafür verantwortlich sind, beantwortet die Studie noch nicht. „Weitere Untersuchungen müssen auch klären, welche Rolle diese Art der Freisetzung tatsächlich in Schlaganfallsituationen oder auch bei neurodegenerativen Erkrankungen spielt“, so Andreas Reiner.

Glutamat-Rezeptoren und Suchtverhalten

Ursache von Suchtverhalten ist, wie auch bei anderen psychiatrischen Störungen, ein Ungleichgewicht der Dopamin- (DA) und Glutamat- (Glu) vermittelten synaptischen Übertragung im Gehirn. Zentrales Ziel dieses Projektes ist die Etablierung von Methoden zur Untersuchung der Wechselwirkung zwischen DA (DAR) und NMDA-Typ Glutamat Rezeptoren (NMDAR), um eine Basis für neuartige, spezifischere und effektivere Therapien zu entwickeln. Heteromere, die durch Interaktion des DA D1 Rezeptors (D1Rs) und des NMDARs im Striatum gebildet werden, kontrollieren synaptische Plastizität und Kokain-induziertes Signaling.

Die Rolle von Heteromeren

Die Rolle der DAR/NMDAR Heteromere und die nachgeschaltete Kernkalziumsignalwirkung bei Suchtentwicklung wird untersucht und neue pharmakologischer Werkzeuge zur Suchtbekämpfung werden identifiziert. Daten weisen auf einen Anstieg von D1R/GluN1 Heteromeren im Mausstriatum während der psychomotorischen Sensibilisierung hin. Virus-basierte Methoden sollen Region-spezifisch und zeitlich kontrolliert die Heteromere blockieren, um ihre Funktion bei der Kokainsucht zu bestimmen. Blockade der D1R/GluN1 Heteromere eliminiert Kernkalziumsignalen in kultivierten medium-sized spiny neurons (MSNs). Kernkalziumsignale sind entscheidend für aktivitätsgetriebene Gentranskription und die Gedächtniskonsolidierung.

Kernkalziumsignale und Sucht

Die Dynamik von Kernkalziumsignalen von D1R-MSN oder D2R-MSN im Striatum wird analysiert. Psychomotorische Sensibilisierung durch Kokain wird in sich frei bewegenden Mäusen induziert, und die Kernkalziumsignale werden mit oder ohne Vorbehandlung durch Heteromerblocker analysiert. Mittels Kernkalziumsignalblocker werden kausale Zusammenhänge zu Langzeitverhaltensanpassungen, Veränderungen der neuronalen Morphologie und der Genexpressionsprofile untersucht. Um Schwierigkeiten bei der Verwendung von Peptiden in klinischen und vorklinischen Studien entgegen zu wirken, wird in einer Nicht-Peptid Komponenten Bank Moleküle identifizieren, die spezifisch DAR/NMDAR Heteromere angreifen. Kandidaten sollen in vitro und in vivo auf ihre Fähigkeit untersucht werden, endogene Heteromere zu trennen und downstream Kernkalziumsignalwirkung und die Entstehung von Kokainsuchtverhalten zu hemmen.

Optische Visualisierung von AMPA-Rezeptoren

Das menschliche Gehirn würde ohne den Glutamat-Rezeptor AMPAR (α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid receptor) nicht funktionieren. AMPAR sorgen nämlich dafür, dass Neurotransmitter (Botenstoffe) von Zelle zu Zelle übertragen werden, und zwar mit extremer Geschwindigkeit. Diese blitzschnelle Erregungsübertragung ist essentiell für alles, was wir tun, denken und erinnern. Damit sind AMPAR die wichtigsten exzitatorischen Rezeptoren im Gehirn und für den Organismus überlebenswichtig. Obwohl die Bindung von Neurotransmittern an AMPAR bestens erforscht ist, sind seine Aktivierungsmechanismen bislang nicht vollständig enträtselt.

Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer (FRET)

Mittels Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer(FRET) konnten Forscher zum ersten Mal aktivierte AMPAR optisch sichtbar machen. Dabei zeigte sich, dass Neurotransmitter konformationelle Veränderungen in zwei intrazellulären Bereichen steuern, ebenso an jener extrazellulären Stelle, wo Glutamat an den Rezeptor bindet. Mehr noch: Die Forscher konnten die Erregungsübertragung in Echtzeit verfolgen. Die Idee dahinter ist, das Leuchten des Rezeptors so zu verbessern, dass auch einzelne Synapsen beobachtet werden können.

Die Bedeutung der optischen Visualisierung

„Niemals zuvor konnte die Aktivierung von AMPAR gleichzeitig optisch und elektronisch gemessen werden“, beschreibt Nachwuchsgruppenleiter Plested die Neuheit seiner Arbeit. Zwar haben andere Forscher mit der Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie (FLIM), wie sie auch Plested und sein Team benutzten, AMPAR bereits sichtbar machen können, doch niemals seine schnelle Aktivierung. „Dass wir nun den Proof of Principle erbracht haben, stößt neue Türen für die Erforschung der funktionellen Eigenschaften anderer nativer Moleküle im Gehirn auf“, sagt Biophysiker Plested.

Perspektiven für die Forschung

Der aktuellen Studie sollen nun weitere Experimente folgen. Hierbei wollen die Forscher neben AMPAR auch andere für die Neurotransmitterübertragung essentielle Moleküle untersuchen. Dies soll sowohl an Zellkulturen als auch an Gehirnschnitten erfolgen. Auch wenn mit der neuen Methode nicht alle Millionen von Synapsen im Gehirn sichtbar gemacht werden können: Schon die Nachverfolgung einiger Dutzend könnte gänzlich neue Einblicke ins Denken erlauben. Darüber hinaus könnte sie eines Tages helfen, ein besseres Verständnis etwa über neurodegenerativen Krankheiten zu gewinnen. Bei diesen Erkrankungen gehen höchstwahrscheinlich Synapsen unter, aber man weiß nicht, bis wann sie aktiv sind. Es wäre zwar etwas sonderbar, aber durchaus möglich, meint Andrew Plested, dass bei Alzheimer oder Parkinson nur inaktive Synapsen verschwinden, die eigentlich wichtigen, nämlich die aktiven, sogar erhalten blieben. Es könne aber auch genau andersherum sein. Was tatsächlich stimmt, könne augenblicklich niemand sagen.

Ionotrope und Metabotrope Glutamat-Rezeptoren

Glutamatrezeptoren sind Transmembranproteine in der Membran von Neuronen, die spezifisch den Neurotransmitter Glutamat binden. Besonders groß ist ihre Dichte an der postsynaptischen Membran glutamaterger Synapsen. Zu den ionotropen Glutamatrezeptoren gehören AMPA-Rezeptoren, NMDA-Rezeptoren und Kainat-Rezeptoren. Sie unterscheiden sich im Aufbau, der Sequenz ihrer Untereinheiten sowie ihren spezifischen Bindungs-, Aktivierungs- und Leitungseigenschaften. Alle drei sind hochaffin für Glutamat und haben unterschiedliche Präferenzen für andere Glutamat-Agonisten wie die namensgebenden Substanzen AMPA (engl.α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid), NMDA (engl.N-methyl-D-aspartic acid) und Kainat. AMPA-Rezeptoren sind tetramere Ionenkanäle, die permeabel für Natrium- und Kalium-Ionen sind. NMDA-Rezeptoren sind tetramere nichtselektive Kationenkanäle, die zusätzlich zur ligandenabhängigen Aktivierung auch noch eine Spannungsabhängigkeit zeigen. Die Öffnung des NMDA-Rezeptorkanals erfordert nicht nur die Bindung von Glutamat sondern auch die Beseitigung seiner Blockade durch je ein Magnesium-Ion bei Depolarisation der postsynaptischen Membran.

Metabotrope Glutamat-Rezeptoren

Die metabotropen Glutamatrezeptoren zählen zu den phylogenetisch ältesten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Derzeit sind 8 metabotrope Glutamat-Rezeptoren bekannt: mGlu1 - mGlu8 (mGluR1 - mGluR8). Aufgrund von Ähnlichkeiten in der Aminosäuresequenz, pharmakologischen Eigenschaften und intrazellulären Signalwegen, mit denen sie gekoppelt sind, werden diese in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe I: Dazu gehören mGluR1 und mGluR5. Sie aktivieren die Phospholipase C, was zur Anreicherung von IP3 und Diacylglycerol (DAG) im Zellinneren führt. IP3-Rezeptoren kommt es zur Freisetzung von Kalziumionen aus dem endoplasmatischen Retikulum, während DAG vor allem die Proteinkinase C aktiviert. Gruppe II: Dazu gehören mGluR2 und mGluR3. Gruppe III: Dazu gehören mGluR4, mGluR6, mGluR7 und mGluR8.

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