Glutamat ist ein wichtiger Neurotransmitter im Gehirn, der eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen spielt. Es ist an zahlreichen Prozessen beteiligt, darunter Lernen, Gedächtnis und sensorische Wahrnehmung. Ein Ungleichgewicht im Glutamatstoffwechsel kann jedoch zu einer Übererregung von Nervenzellen und potenziellen Schäden führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen eines Glutamatüberschusses im Gehirn, seine Auswirkungen und die damit verbundenen Kontroversen.
Die Rolle von Glutamat im Gehirn
Glutamat ist der am häufigsten vorkommende erregende Neurotransmitter im zentralen Nervensystem. Es wird von Nervenzellen freigesetzt und bindet an Rezeptoren auf anderen Nervenzellen, wodurch ein elektrisches Signal ausgelöst wird. Dieser Prozess ermöglicht die Kommunikation zwischen Nervenzellen und ist für viele Gehirnfunktionen unerlässlich.
Die Menge und Anwesenheitsdauer von Glutamat an den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, bestimmen das Ausmaß der Erregung. Eine geregelte Kommunikation zwischen den Nervenzellen ist die Voraussetzung für eine normale Funktion des Gehirns. Nach der Erfüllung seiner Aufgabe muss Glutamat jedoch wieder von seinem Einsatzort entfernt werden, um eine übermäßige Erregung zu verhindern.
Ursachen für einen Glutamatüberschuss im Gehirn
Ein Glutamatüberschuss im Gehirn kann verschiedene Ursachen haben, die oft miteinander zusammenhängen:
Energiemangel im Gehirn
Ein Energiemangel im Gehirn, beispielsweise durch einen Schlaganfall, kann zu einer ungewöhnlichen Freisetzung von Glutamat führen. Unter normalen Bedingungen wird das Gehirngewebe ausreichend mit Energie versorgt, die unter anderem für die gezielte Freisetzung und Wiederaufnahme von Neurotransmittern benötigt wird. Bei Energiemangel kann dieses Gleichgewicht jedoch gestört werden, was zu einem extrazellulären Anstieg von Glutamat führt.
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Forschende der Ruhr-Universität Bochum haben herausgefunden, dass unter Stress ungewöhnliche Glutamatfreisetzungen ablaufen, die sich selbst verstärken und so zur Schädigung von Nervenzellen beitragen dürften. Bei Energiemangel werden vor allem diese untypischen Freisetzungen begünstigt, was zur Ansammlung von Glutamat führt, während die normale neuronale Glutamatfreisetzung, die selbst viel Energie benötigt, zum Erliegen kommt.
Störung der Glutamat-Transporter
Glutamat-Transporter spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung eines normalen Glutamatspiegels im Gehirn. Sie saugen den Neurotransmitter von den Synapsen ab und verfrachten ihn zurück in die Nervenzellen oder deren Begleitzellen, wie Astrozyten. Eine Störung oder ein Ausfall dieser Transporter kann zu einem Glutamatüberschuss führen.
Studien an genetisch veränderten Mäusen haben gezeigt, dass der Ausfall bestimmter Glutamat-Transporter in den Begleitzellen zu Epilepsie führen kann. Dies deutet darauf hin, dass diese Transporter eine wichtige Rolle bei der Regulation des Glutamatspiegels und der Verhinderung von Übererregung spielen.
Intensive kognitive Arbeit
Auch intensive geistige Anstrengung kann zu einem Anstieg des Glutamatspiegels im Gehirn führen. Forscher in Frankreich haben herausgefunden, dass bei starker geistiger Anstrengung im präfrontalen Kortex des Gehirns potenziell toxische Abfallprodukte entstehen, darunter Glutamat. Da dieses in solch großen Mengen nicht abgebaut werden könne und das Gehirn gleichzeitig versuche, die Glutamat-Konzentration zu regulieren, führe das zur Erschöpfung.
Die Wissenschaftler sehen in den Ergebnissen ihrer Studie eine gute Möglichkeit, Burnouts zu erkennen und zu verhindern. Die Überwachung der präfrontalen Stoffwechselprodukte kann dazu beitragen, schwere geistige Ermüdung zu erkennen.
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Genetische Faktoren
Genetische Veränderungen können ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung eines Glutamatüberschusses im Gehirn spielen. Eine genomweite Assoziationsstudie hat gezeigt, dass fast ein Zehntel aller Patienten mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) genetische Veränderungen aufweisen, die die Aktivität des Neurotransmitters Glutamat beeinflussen.
Alle Genvarianten beeinflussen den Glutamat-Stoffwechsel im Gehirn. Glutamat gehört zu den exzitatorischen Neurotransmittern und eine Änderung seiner Aktivität könnte die Symptome des ADHS durchaus plausibel erklären.
Auswirkungen eines Glutamatüberschusses im Gehirn
Ein Übermaß an Glutamat im Gehirn kann verschiedene negative Auswirkungen haben:
Exzitotoxizität
Hohe Konzentrationen von Glutamat im Gehirn können neurotoxisch wirken und neuronale Schäden verursachen. Dies wird als "exzitotoxische" Wirkung bezeichnet, bei der übermäßige Stimulation von Neuronen durch Glutamat zum Zelltod führen kann.
Im Extremfall kann eine zu lange Anwesenheit von zu viel Glutamat zu einer viel zu starken Erregung führen, die zum Tod der Nervenzellen führen kann. Dieses Geschehen soll bei verschiedenen Nervenerkrankungen und bei der Epilepsie eine Rolle spielen.
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Neurodegenerative Erkrankungen
Es gibt Hinweise darauf, dass ein gestörter Glutamatstoffwechsel eine Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose spielen könnte. Bei diesen Erkrankungen kommt es zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen, und ein Glutamatüberschuss könnte diesen Prozess beschleunigen.
Forscher vermuten, dass auch chronische, also länger andauernde Störungen des Glutamat-Stoffwechsels im Gehirn schädliche Effekte haben könnten. So werden Zusammenhänge zwischen Glutamat und Depression, Angststörungen, ADHS, Parkinson, Demenz oder Multipler Sklerose diskutiert.
Weitere Symptome
Ein Glutamatüberschuss kann auch zu einer Vielzahl weiterer Symptome führen, darunter:
- Kopfschmerzen oder Migräne
- Asthmaanfälle
- Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall oder Bauchschmerzen
- Allergische Reaktionen wie Hautausschläge, Juckreiz, Schwellungen oder Atembeschwerden
- Verstärkte Schmerzwahrnehmung, insbesondere bei chronischen Schmerzbedingungen
Glutamat in der Ernährung: Kontroversen und Fakten
Glutamat ist nicht nur ein wichtiger Neurotransmitter im Gehirn, sondern auch ein weit verbreiteter Geschmacksverstärker in Lebensmitteln. Dies hat zu Kontroversen und Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von übermäßigem Glutamatkonsum auf die Gesundheit geführt.
Was ist Glutamat?
Glutamat ist ein Zusatzstoff, der in Lebensmitteln als Geschmacksverstärker zum Einsatz kommt. Dabei ist Glutamat aber kein vom Menschen erdachtes Kunstprodukt: Glutamate kommen in der Natur vor, sie sind Salze der natürlichen Aminosäure L-Glutaminsäure. In pflanzlichem Protein stecken bis zu 20 Prozent Glutaminsäure, in tierischem Eiweiß - also Eiern, Milch oder Fleisch - sind es bis zu 40 Prozent. Jedes proteinhaltige Lebensmittel liefert also auch Glutaminsäure.
Umami: Der fünfte Geschmackssinn
Glutaminsäure dockt an die Geschmacksrezeptoren in der menschlichen Zunge an und löst dadurch die so genannte »umami«-Geschmacksempfindung aus: Sie wird als würzig oder fleischartig empfunden und als kernig, erdig oder raffiniert beschrieben. Erst mit der Entdeckung der Umami-Rezeptoren auf der Zunge vor etwa 20 Jahren ist die Theorie, dass umami eine eigene Geschmacksrichtung ist, endgültig belegt worden.
Glutamat in Lebensmitteln
Hersteller von Fertiglebensmitteln mixen allerdings schon seit mehr als 100 Jahren Glutamat als Geschmackverstärker in ihre Produkte. Die Industrie stellt die Salze meist aus Melasse mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien her. Verbraucher erkennen die Stoffe unter den E-Nummern E 620 bis E 625. Glutamate werden als Geschmacksverstärker etwa in Fertiggerichten, Tütensuppen und -soßen, Fleisch-, Fisch- und Gemüsekonserven sowie in Knabbereien wie Chips, in Würzmitteln und als Kochsalzersatz genutzt.
Ist Glutamat gesundheitsschädlich?
Bereits im Jahr 1968 kam Skepsis gegenüber dem Zusatzstoff auf, nachdem der US-Mediziner Robert Ho Man Kwok einen Artikel im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht hatte. Unter dem Titel »Chinese-Restaurant Syndrome« berichtete er darin von sich selbst: Er sei nach dem Besuch eines chinesischen Restaurants stets von Taubheit, Schwäche und Herzrasen geplagt gewesen. Bald darauf war schließlich das künstlich zugesetzte Glutamat als Ursache ausgemacht, und es erschienen Fachartikel zur Gefahr durch Glutamate. Der öffentliche Druck wurde so groß, dass die Stoffe Fertignahrung für Babys nicht mehr zugesetzt werden durften.
Skepsis gegenüber Glutamat hält sich bis heute: Neben Unverträglichkeiten soll der Zusatzstoff Entzündungen, Schmerzsyndrome, Herzleiden und Krebs fördern und für Krankheiten des Gehirns und der Leber verantwortlich sein. Zwar konnte mancher Verdacht immer wieder widerlegt werden - derzeit aber prüft die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA vorsichtshalber erneut die Studienlage.
Die Blut-Hirn-Schranke
Glutamat aus Tütensuppe und Co wird immer wieder auch für Krankheiten des Gehirns wie Alzheimer, Parkinson oder multiple Sklerose verantwortlich gemacht: Schließlich weiß man aus Studien, dass ein Zuviel an Glutamat im Gehirn diese Krankheiten mit verursacht. Hierbei handelt es sich jedoch um endogenes, also um im Gehirn gebildetes Glutamat. Über die Nahrung zugeführtes zusätzliches Glutamat kann laut einhelliger wissenschaftlicher Meinung bei gesunden Erwachsenen nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren - und ergo auch nicht die genannten Krankheiten verursachen. Allerdings ist nicht ganz geklärt, ob die Blut-Hirn-Schranke etwa bei Säuglingen oder auch bei Erkrankungen wie Hirnhautentzündung oder inneren Blutungen durchlässiger werden könnte.
Glutamat und Übergewicht
Als sehr wahrscheinlich gilt im Moment allerdings ein Zusammenhang zwischen künstlichen Geschmacksverstärkern und Übergewicht. In einer US-amerikanischen Studie haben die Forscher festgestellt, dass Menschen, die viel Glutamat zu sich nahmen, eher zu Übergewicht neigten.
Empfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt jedoch Entwarnung: Bei gesunden Menschen, die sich ausgewogen ernähren, sei kein „schädigender Einfluss zu erwarten“. Auszuschließen sei jedoch nicht, dass einige Menschen auf den Geschmacksverstärker Glutamat sensibel reagieren. Wenn Sie nach dem Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln Nebenwirkungen bei sich bemerken, versuchen Sie diese Produkte möglichst zu vermeiden.