Eine Gesichtslähmung, auch Fazialisparese genannt, kann für Betroffene eine plötzliche und beängstigende Erfahrung sein. Sie äußert sich durch den teilweisen oder vollständigen Verlust der Kontrolle über die Gesichtsmuskulatur. In vielen Fällen ist die Ursache unklar, aber Virusinfektionen, wie die durch den Gürtelrose-Erreger (Varizella-Zoster-Virus) ausgelöste Gürtelrose, können eine Rolle spielen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung der Gesichtslähmung im Zusammenhang mit Gürtelrose.
Was ist eine Fazialisparese?
Unter einer Fazialisparese versteht man die teilweise oder vollständige Lähmung der Gesichtsmuskulatur, die infolge einer Schädigung des Gesichtsnervs (Nervus facialis) oder seines Ursprungsgebietes im Gehirn entsteht. Der Nervus facialis ist ein Nervenpaar, wobei jeweils ein Strang für die linke und die rechte Gesichtshälfte zuständig ist. Er steuert die Muskeln für die Mimik, Tränen- und Speicheldrüsen, die Geschmacksempfindung und beeinflusst die Lautstärkeempfindung im Ohr.
Man unterscheidet zwei Arten der Fazialisparese:
- Zentrale Fazialisparese: Hierbei ist die Verschaltung des Nervus Facialis im Gehirn gestört. Das Gesicht ist vom Auge bis zum Kinn einseitig gelähmt, während die Mimik im Bereich der Stirn erhalten bleibt. Grund dafür ist, dass beide Stirnseiten von Nervenfasern sowohl aus der linken als auch der rechten Gehirnhälfte versorgt werden.
- Periphere Fazialisparese: Bei dieser Form ist der Nerv in seinem Verlauf vom Hirnstamm zum Gesicht geschädigt. Dadurch ist eine gesamte Gesichtshälfte gelähmt. Die periphere Fazialisparese ist mit rund 60 Prozent der Fälle die häufigere Form.
Ursachen einer Fazialisparese
Als Ursachen einer Fazialisparese kommen viele Faktoren infrage:
- Knochenbrüche oder Wunden im Gesicht
- Schädigung anderer Nerven
- Tumore
- Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen
- Virusinfektionen
- Bakterielle Infektionen
Eine zentrale Fazialisparese entsteht häufig als Folge eines Schlaganfalls. Möglich ist auch, dass bei einem Unfall oder im Rahmen einer Operation der Gesichtsnerv geschädigt wird. In den allermeisten Fällen lässt sich allerdings keine Ursache für die Gesichtslähmung ausmachen. Mediziner sprechen dann von einer idiopathischen Fazialisparese.
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Gürtelrose als Ursache
Eine Virusinfektion, die eine Fazialisparese auslösen kann, ist die Gürtelrose (Herpes zoster), verursacht durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV). Wer Windpocken hatte, trägt das Virus bereits in sich. Nach Abklingen der Windpocken verbleibt das Virus in den Nervenknoten in der Nähe des Rückenmarks und kann bei Immunschwäche reaktiviert werden, was zu Gürtelrose führt.
Wenn die Gürtelrose den Gesichtsnerv (Nervus facialis) betrifft, spricht man von einem Zoster oticus. Dieser kann zu einer peripheren Fazialisparese führen. In seltenen Fällen kann es im Zusammenhang mit Gürtelrose auch zum Ramsay-Hunt-Syndrom kommen, einer Komplikation, bei der das Varicella-Zoster-Virus die Neuronen des Ganglion geniculatum befällt, einer Ansammlung von Nervenfasern, zu denen auch der Gesichtsnerv gehört.
Risikofaktoren für Gürtelrose
Einige Faktoren erhöhen das Risiko, an Gürtelrose zu erkranken:
- Alter: Mit zunehmendem Alter lässt die Kompetenz des Immunsystems nach.
- Stress: Stress kann das Immunsystem schwächen.
- Immunsupprimierende Medikamente: Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, erhöhen das Risiko einer Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus.
- Grunderkrankungen: Erwachsene mit Asthma, COPD, koronaren Herzerkrankungen, rheumatoider Arthritis oder Depressionen haben ein höheres Risiko für Gürtelrose.
- COVID-19: Eine Studie hat gezeigt, dass COVID-19 das Risiko für Herpes zoster bei Menschen über 50 Jahre erhöht.
Symptome einer Fazialisparese
Eine Gesichtslähmung tritt in der Regel sehr plötzlich auf. Innerhalb weniger Stunden entwickeln sich die typischen Fazialisparese-Symptome:
- Die Muskeln im Gesicht erschlaffen
- Die Augenbrauen sinken ab
- Die Haut kribbelt oder fühlt sich taub an
- Das Gesicht fühlt sich steif an
- Schmerzen im Ohr
- Gestörter Geschmackssinn
- Unfähigkeit, das Augenlid zu schließen oder den Mundwinkel zu bewegen
- Trockener Mund und Augen
- Empfindlichkeit auf Geräusche (Hyperakusis)
- Beeinträchtigung des Sprechens und der Mimik
Bei einer peripheren Fazialisparese ist zusätzlich die Stirnmuskulatur (Stirnrunzeln) und der Schluss des Augenlides beeinträchtigt.
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Symptome bei Gürtelrose
Wenn eine Gürtelrose die Ursache für die Fazialisparese ist, können zusätzlich folgende Symptome auftreten:
- Schmerzen
- Hautausschlag mit Bläschen
- Entzündungen
- Störung oder Schädigung der Funktionen von Auge und Ohr
Diagnose einer Fazialisparese
Das typische Bild einer Fazialisparese fällt oft schon auf den ersten Blick auf. Zur Prüfung der Funktionalität der Gesichtsmuskulatur wird eine körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt. Dabei werden Patient*innen gebeten, die Stirn zu runzeln, die Augen fest zu schließen oder breit zu grinsen und die Zähne zu zeigen. Auch das Ohr wird in der Regel mituntersucht.
Um die Ursache zu erforschen, wird das Blut im Labor auf typische auslösende Erreger (z. B. Borrelien, Varizella-Zoster-Viren) oder andere Anhaltspunkte untersucht. Bei Verdacht auf einen Schlaganfall wird zusätzlich die Funktion von Armen und Beinen überprüft und ein Sprachtest durchgeführt.
Weiterführende Untersuchungen können sein:
- Elektrophysiologische Untersuchungen des Gesichtsnervs (Fazialisneurografie)
- Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion)
- Bildgebende Untersuchungen wie CT und MRT
Behandlung einer Fazialisparese
Ziel der Therapie ist es, die Rückbildung der Symptome zu beschleunigen und insbesondere eine Schädigung der Hornhaut zu vermeiden. Die Art der Therapie ist vom Ort und der Ursache der Fazialisparese abhängig.
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Behandlung bei Gürtelrose
Im Rahmen einer symptomatischen Fazialisparese gilt es in erster Linie, den auslösenden Erreger zu bekämpfen. Hierfür kommen Virustatika zum Einsatz, die sich gegen das Varizella-Zoster-Virus richten.
Weitere Therapiemaßnahmen
- Kortikosteroide: Bei der idiopathischen Fazialisparese kommen Kortison-Präparate zum Einsatz. Sie verkürzen den Krankheitsverlauf und führen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zu einem kompletten Rückgang der Erkrankung (Remission).
- Schutz des Auges: Kann das Augenlid nicht mehr vollständig geschlossen werden, kommt dem Schutz der Hornhaut eine wichtige Bedeutung zu. Hierbei finden z. B. Tränenersatzmittel, Dexpanthenol-Augensalben und nächtliche Uhrglasverbände Anwendung.
- Physiotherapie: Spezielle Fazialisparese-Übungen ermöglichen es den Betroffenen, unter professioneller Anleitung das Sprechen zu verbessern, leichter essen und trinken zu können sowie Gesichtsausdrücke zu trainieren.
- Transkutane Nervenstimulation: In schweren Fällen, in denen die Gesichtslähmung nicht wieder abklingt, ist eine sogenannte transkutane Nervenstimulation eine Therapieoption. Hierbei regen leichte Stromwellen die betroffenen Nerven und Muskeln an.
Verlauf und Prognose
In der Regel kommt es nach 4-6 Wochen zu einer beginnenden Besserung der Symptome. In 80 % der Fälle bilden sich die Symptome innerhalb von 6 Monaten vollständig oder fast vollständig zurück. Bei nicht behandelten Patient*innen kommt es 9 Monate nach Symptombeginn zu einer teilweisen Rückbildung.
Regelmäßige Verlaufskontrollen sollten so lange stattfinden, bis sich die Lähmung gut zurückgebildet hat. Ist die Lähmung innerhalb eines Jahres nicht zurückgegangen, sollte die Vorstellung in einem spezialisierten Zentrum erfolgen. Mit rekonstruktiven chirurgischen Maßnahmen können erfahrene Spezialist*innen eine (eingeschränkte) Wiederbelebung der Gesichtsbewegungen (Mimik) erreichen.
Komplikationen
Zu den möglichen Komplikationen einer Fazialisparese zählen Hornhautgeschwüre durch den unvollständigen Augenlidschluss und bleibende funktionelle Beeinträchtigungen der betroffenen Gesichtsmuskulatur. Zudem können bei unvollständiger Rückbildung Spätsymptome auftreten:
- Synkinesien: Unwillkürliche Kontraktionen der durch den Gesichtsnerv gesteuerten Muskeln
- Krokodilstränen: Tränenfluss beim Essen
- Weitere Störungen des autonomen Nervensystems, z. B. Geschmacksschwitzen
Prognostische Faktoren
Folgende Faktoren können die Prognose verschlechtern:
- Vollständige Lähmung des Nervus facialis
- Keine Besserung nach 3 Wochen
- Alter > 60 Jahre
- Starke Schmerzen
- Begleiterkrankungen: Bluthochdruck, Diabetes
- Gürtelrose im Gesicht als Ursache
- Verletzung als Ursache
- Schwangerschaft
- Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit)
- Bei elektrophysiologischen Untersuchungen nachgewiesener ausgeprägte Schädigung des Nervus facialis
Vorbeugung
Es gibt eine Impfung, die den Ausbruch einer Gürtelrose recht zuverlässig verhindert. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung mit einem Totimpfstoff allen Menschen über 60 Jahren.
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