Die Erwerbsminderungsrente ist ein wichtiger Pfeiler der sozialen Absicherung in Deutschland. Sie greift, wenn Menschen aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu sichern. Ein Schlaganfall kann erhebliche gesundheitliche Folgen haben, die die Erwerbsfähigkeit stark beeinträchtigen können. Die gutachterliche Stellungnahme spielt eine zentrale Rolle im Verfahren zur Erlangung einer Erwerbsminderungsrente nach einem Schlaganfall.
Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente
Erwerbsminderungsrenten sind Versichertenrenten und an verschiedene Voraussetzungen gebunden. Ein wesentliches Kriterium ist, dass der Antragsteller aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, unter üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine verwertbare Erwerbstätigkeit von mehr als sechs Stunden täglich auszuüben (§ 43 SGB VI). Kann eine Person also aufgrund einer Erkrankung weniger als sechs Stunden täglich arbeiten, gilt sie im Sinne des Gesetzes als erwerbsgemindert.
Der Weg zur Erwerbsminderungsrente
Antragstellung und Begutachtung
Wer eine Erwerbsminderungsrente beantragt, muss sich häufig medizinischen Untersuchungen unterziehen. Dies kann in Form einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme oder durch von der Rentenversicherung beauftragte Ärzte geschehen. In manchen Fällen erfolgt die Entscheidung auch lediglich aufgrund einer Stellungnahme eines sogenannten Vertrauensarztes der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Bei eindeutigen Fällen, wie Krebserkrankungen oder schweren Schlaganfällen, ist das Ergebnis meist positiv. Dennoch wird mehr als die Hälfte aller Anträge auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt.
Die Rolle des Gutachtens
Das Gutachten zur Erwerbsminderungsrente spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit. Es kommt häufig vor, dass ein Gutachten ein negatives Leistungsvermögen bescheinigt. In der Beratungspraxis stellt sich jedoch oft die Frage, ob es sich bei der medizinischen Auswertung tatsächlich um ein Gutachten oder lediglich um eine medizinische Stellungnahme handelt und wie intensiv sich der Gutachter mit den medizinischen Unterlagen auseinandergesetzt hat.
Unabhängigkeit des Gutachters
Wird die Erwerbsminderungsrente beantragt, beauftragt die Rentenversicherung eine Begutachtung, um die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festzustellen. Bei der DRV sind eigene Mediziner und Ärzte beschäftigt, die Gutachten erstellen. Es stellt sich die Frage, ob diese Mitarbeiter unabhängig sind, wenn sie den Auftrag zur Erstellung des Gutachtens bekommen. Beauftragt die DRV einen externen Gutachter, muss die DRV diesen bezahlen.
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Inhalte und Standards eines medizinischen Gutachtens
Grundsätzlich muss ein medizinisches Gutachten ein Mindestmaß an Standards einhalten, um überhaupt als Gutachten bezeichnet werden zu dürfen. Dazu gehören:
- Grunduntersuchung im Bereich der eigenen Fachrichtung.
- Die persönliche Inaugenscheinnahme des Antragstellers.
Das Gutachten zur Erwerbsminderungsrente durch den medizinischen Gutachter entscheidet häufig über den Anspruch auf eine Rente wegen Krankheit. Daher kommt dem Gutachten eine so hohe Stellung in der Bewertung über die Erwerbsfähigkeit zu.
Vorbereitung auf die Begutachtung
Da das Gutachten zur Erwerbsminderungsrente von großer Bedeutung ist, sollten sich Betroffene und Antragsteller sorgsam auf die Begutachtungssituation vorbereiten. Vorbereitende Gespräche mit dem Hausarzt oder eine sorgsame Erfassung aller persönlichen Erkrankungen und deren Behandlung sind vor einem EM-Rentenantrag ratsam.
Psychische Erkrankungen im Kontext der Erwerbsminderungsrente
In Deutschland sind psychische Erkrankungen die Hauptursache für Verrentung wegen Krankheit. Die Begutachtung wegen psychischer Erkrankungen ist vielschichtig und oftmals ohne psychodiagnostische Zusatzuntersuchungen (z. B. Beschwerdevalidierungstests) nicht möglich. Der Gutachter muss den Probanden „auf den Zahn“ fühlen.
Kriterien der Begutachtung bei psychischer Erkrankung
Die sozialmedizinische Beurteilung muss anhand der Zusammenschau aller erhobenen Befunde und Informationen, auch unter Berücksichtigung des Längsschnittes, erfolgen. Die ICF-Kriterien bieten eine wertvolle Unterstützung bei der Erfassung von psychischen Befunden. Die Begutachtungskriterien bei psychischen und Verhaltensstörungen beziehen sich auf Fähigkeiten. Nicht alle aufgeführten Fähigkeiten sind für jede denkbare Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleich relevant. Die gutachterliche Beurteilung muss daher immer auch in Kenntnis der individuellen Arbeitsplatzanforderungen erfolgen, um auf dieser Basis den Abgleich mit den vorhandenen Ressourcen des Probanden vornehmen zu können.
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Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung
Sozialmedizinische Beurteilungen bei psychischen und Verhaltensstörungen sollen sich an den Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung aus dem August 2012 mit Anpassungsupdate 2018 orientieren.
Die Rolle von Befundberichten
Ohne Befundberichte, Reha-Entlassungsschreiben, klinische Berichte und Arztbriefe können keine Entscheidungen über eine beantragte Rente gefasst werden.
Entzug einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente
Auch wenn eine Erwerbsminderungsrente unbefristet bewilligt wurde, kann sie unter Umständen wieder entzogen werden. Der Anspruch auf Rente besteht, solange die maßgebliche Erwerbsminderung vorliegt. Die Rentenversicherung ist verpflichtet, von Zeit zu Zeit oder bei einer Arbeitsaufnahme zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Rente noch vorliegen. Liegt diese nicht mehr vor, ist die Rente zu entziehen. Dies gilt auch für Renten ohne zeitliche Befristung.
Gründe für den Entzug
Neue Tatsachen, wie die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Hinweise von Dritten, dass der Versicherte trotz Rente arbeitet, können zu einer Überprüfung führen. Rentenunschädlich ist ein Minijob. Vorsicht ist aber bei Minijobs geboten, wenn diese genau in der Tätigkeit ausgeübt werden, in der der Versicherte im zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr erwerbstätig ist. Aus Erfahrung heraus erfolgt der Entzug meistens in den Fällen, in denen die Rentenversicherung von Umständen erfährt, die darauf schließen lassen können, dass der Versicherte nicht mehr erwerbsgemindert ist.
Tipps für den Termin beim Gutachter
Wenn es um die Erwerbsminderungsrente geht, ist es wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Laufe des Verfahrens persönlich zum Gutachter eingeladen wird. Hier sind einige Tipps für den Termin:
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- Die Untersuchung spielt sich nicht nur im Behandlungszimmer ab: Der Arzt kann den Antragsteller auch außerhalb des Behandlungszimmers beobachten.
- Nicht jeder nette Gutachter befürwortet die Rente: Freundlichkeit des Arztes hat keine direkten Auswirkungen auf das Ergebnis.
- Aktuelle Berichte mitbringen: Aktuelle Berichte, MRTs oder Röntgenbilder helfen dem Amtsarzt, den tatsächlichen Gesundheitszustand richtig einzuschätzen.
- Nicht übertreiben: Sachlich bleiben und die Probleme klar und deutlich aufzählen, ohne zu übertreiben.
- Keine Strategie entwickeln: Sich nicht verstellen, sondern authentisch sein.
Herausforderungen und Kritik an Gutachten
In der Praxis gibt es immer wieder Kritik an der Qualität und Unabhängigkeit von Gutachten. So werden beispielsweise in einigen Fällen gesicherte Diagnosen nicht berücksichtigt oder notwendige Untersuchungen nicht durchgeführt. Es kommt auch vor, dass Gutachter den Antragstellern ein "flüssiges Gangbild" bescheinigen, aber gleichzeitig argumentieren, dass sie vom Bett aus für ein Callcenter tätig sein könnten. Solche Argumentationen sind nicht nur menschenverachtend, sondern zeigen auch die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Gutachten.
Rechtliche Aspekte und Behandlungsfehler
Die ärztliche Tätigkeit unterliegt einer rechtlichen Kontrolle, die vom Patienten oder vom Staat ausgehen kann. Jeder chirurgische Eingriff erfüllt den Tatbestand der vorsätzlichen schweren Körperverletzung, sofern diese Rechtswidrigkeit nicht zuvor durch die Einwilligung des Patienten aufgehoben worden ist. Im Strafverfahren verfolgt der Staat seinen Anspruch gegen den Arzt im Falle eines gesundheitsschädigenden Fehlverhaltens. Im Zivilverfahren wird dagegen gegen den Arzt im Allgemeinen bei Verletzungen des mit dem Patienten eingegangenen Dienstvertrages ermittelt.
Arbeitsunfähigkeit und Begutachtung durch den MDK
Krankenkassen können den Medizinischen Dienst (MDK) um eine gutachterliche Stellungnahme bitten, um den aktuellen Stand eines laufenden Heilverfahrens und die Arbeitsunfähigkeit zu prüfen, wenn eine Erkrankung länger andauert. Dies erfolgt meistens nach Aktenlage. Betroffene können ihren Arzt um eine schriftliche Stellungnahme bitten und ggf. mit dem MDK Rücksprache halten. Es ist auch hilfreich, Befundberichte einzureichen und ggf. eine fachärztliche Einschätzung durch persönliche Begutachtung zu bitten.
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