Vor mehr als einer halben Milliarde Jahren schuf die Natur Neuronen, Zellen, die Reize empfangen, verarbeiten und weiterleiten können. Diese Erfindung legte den Grundstein für die Entwicklung komplexer Nervensysteme und Gehirne, wie sie auch bei Insekten zu finden sind.
Evolution des Gehirns: Vom einfachen Nervennetz zum komplexen Organ
Die stammesgeschichtlich alten, wirbellosen Quallen haben kein Gehirn. Die Evolution ging vor wie ein Baumeister, der ein Gartenhäuschen nach und nach zu einer Villa ausbaut: Kaum etwas wurde weggeworfen, nur selten eine Wand eingerissen, stattdessen immer wieder an- und umgebaut. Selbst ein Darmbakterium wie Escherichia coli kann auf Reize reagieren. Werden Rezeptoren gereizt, erzeugen sie chemische Signale, die den Einzeller veranlassen, sich mit Geißeln in die günstigste Richtung zu bewegen.
Im Verlauf der Entwicklung wurde zwischen Schwämmen und Quallen eine Neuerung eingeführt: die Nervenzellen (Neurone). Ein Schwamm, der weder auf die Jagd geht noch vor Feinden flüchten kann, benötigt keine Signalleitungen - folglich hat er keine Neurone. Die mobilen, räuberischen Quallen hingegen gehören zu den ältesten Organismen, die über ein Nervensystem verfügen.
Diese Konstruktion erprobte die Natur erst bei den Würmern. Im Gegensatz zu Quallen oder Seesternen lassen sich bei ihnen bereits vorn und hinten unterscheiden - ein gewaltiger Sprung für die Evolution des Gehirns. Schlägt ein Tier bevorzugt eine Richtung ein, also vorwärts, ist es sinnvoll, wenn sich ein Großteil seiner Nerven und Sinneszellen am vorderen Ende konzentriert. Die Plattwürmer zählen zu den einfachsten Kreaturen, bei denen sich dieser Bauplan beobachten lässt: Vorn sitzt ein Kopf, und darin ruht das Gehirn.
Die Entwicklung des Insektengehirns: Segmentierung und Spezialisierung
Etwas weiter entwickelte Tiere wie die Ringelwürmer und die später entstandenen Insekten besitzen in Segmente gegliederte Körper. Jeder Abschnitt hat zwei Nervenknoten (Ganglien), die wie Minihirne das jeweilige Segment steuern. Die Ganglien sind zu einer strickleiterartigen Struktur verknüpft, die in den Kopf führt.
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Die Insekten sind in die drei Körperabschnitte Kopf, Brust und Hinterleib gegliedert. Sie besitzen am Kopf 1 Paar Fühler, 1 Paar leistungsfähige Augen und Mundwerkzeuge. An der Brust befinden sich 3 Paar gegliederte Beine sowie meist 2 Paar Flügel. Im Hinterleib liegen die inneren Organe.
Die Entwicklung der Lebewesen vom Niederen zum Höheren ist auch durch die Weiterentwicklung der Nervensysteme gekennzeichnet. Der Regenwurm besitzt ein Strickleiternervensystem, das in jedem Segment zwei Knoten mit einer Querverbindung hat. Bei den Insekten liegt eine Verschmelzung der Nervenknoten im Kopf vor (einfaches Gehirn). Durch diese Konzentration an Nervenzellen wird eine höhere Leistungsfähigkeit erreicht.
Aufbau und Funktion des Insektengehirns
Insekten haben kein zentrales Gehirn, das den ganzen Körper kontrollieren kann. Dafür werden die meisten Funktionen von Nervknoten, den Ganglien, durchgeführt. Die Kakerlake hat sechs solche Ganglien in ihrem Kopf. Drei davon sind im Vorderkopf zusammen gruppiert, die das „Gehirn“ bilden. Die drei anderen befinden sich im Hinterkopf als sogenannte Unterschlundganglien. Diese kontrollieren die Antennen und Mundteile. Zusätzlich gibt es drei weitere Ganglien in der Thorax und acht weitere in dem Abdomen, welche weitere Körperteile wie Beine und Flügel überwachen. Die Ganglien arbeiten alle unabhängig voneinander.
Obwohl Insektenhirne im Vergleich zu Wirbeltiergehirnen klein sind, ermöglichen sie komplexe Verhaltensweisen. So schlüpft etwa ein Kanarienvogel nicht mit einer fest eingeschriebenen Melodie seines Werbegesangs im Kopf aus dem Ei, sondern lernt sein Lied, indem er erwachsenen Männchen lauscht.
Sinnesorgane der Insekten: Vielfalt und Anpassung
Die Fühler sind wie die Augen Sinnesorgane. Sie heißen auch Antennen. Die Mundwerkzeuge entsprechen der Ernährungsweise der Insekten. Die zusammengesetzten Augen bestehen aus keilförmigen Einzelaugen, durch die in ihrer Gesamtheit ein Bild entsteht. Sie werden Komplexaugen genannt. Sie sind besonders leistungsfähig bei der Wiedergabe von Bewegungen. Eine Stubenfliege hat z. B. ungefähr 4 000 und eine Libelle 3 000 Einzelaugen.
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Als nachtaktive Tiere haben die Schaben kein gutes Augenlicht. Sie haben, wie die meisten Insekten, Komplexaugen, die jeweils über 2 000 Fassetten und eine individuelle Linse verfügen. Kakerlaken sind nicht sehr gut im Formen und Umrisse erkennen, aber sie bekommen die kleinste Bewegung in ihrem Umfeld war. Damit können sie sofort näherkommende Feinde erkennen. Das Innere des Auges ist mit reflektierenden Kristallen ausgebaut, wodurch die Insekten Licht sammeln und damit ihre Sicht im dämmerigen Licht verbessern können. Schaben sind sehr empfindlich bei grünen Wellenlängen und können bei rotem Licht überhaupt nicht sehen. Auch wenn die Tiere nur ein sehr schwaches Augenlicht besitzen, sind sie in der Lage die kleinste Änderung der Lichtintensität auszumachen. Dadurch können sie ihre Feinde umgehen, wenn sie ihre Schatten ausmachen.
Das Nervensystem der Insekten: Strickleiternervensystem und seine Funktionen
Insekten besitzen ein Strickleiternervensystem. Dieses befindet sich auf der Bauchseite des Insekts. Der Regenwurm besitzt ein Strickleiternervensystem, das in jedem Segment zwei Knoten mit einer Querverbindung hat. Bei den Insekten liegt eine Verschmelzung der Nervenknoten im Kopf vor (einfaches Gehirn). Durch diese Konzentration an Nervenzellen wird eine höhere Leistungsfähigkeit erreicht.
Anpassungsfähigkeit des Insektengehirns: Lernen und soziale Interaktion
Schaben sind relativ intelligent für Insekten; sie sind imstande den Verlauf eines einfaches Labyrinthes zu lernen. In Schwärmen lebende Heuschrecken haben ein größeres Gehirn als ihre ungeselligeren Artgenossen. Britische Forscher haben herausgefunden, dass die Insekten die Anatomie ihres Gehirns beim Übergang vom einzelgängerischen Dasein in den Schwarm verändern: Nicht mehr benötigte Hirnregionen schrumpfen, während sich andere Areale stärker ausprägen.
Um im Chaos eines umherziehenden Heuschreckenschwarms überleben zu können, benötigen die Insekten ein größeres Gehirn als in ihrer einzelgängerischen Phase. Allein lebende Heuschrecken benötigen größere Kapazitäten für das Sehen und Riechen, um auch weit entfernte Reize wahrzunehmen. Die Herausforderungen der Wanderungen über ganze Kontinente inmitten Milliarden anderer Heuschrecken sowie der erbarmungslose Konkurrenzkampf untereinander erfordern ein zu komplexen Aufgaben befähigtes Gehirn. Auch müssen die Heuschrecken oft die Genießbarkeit von neuer Nahrung einschätzen, mit der sie vorher noch nie in Kontakt gekommen sind.
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