Haben Quallen ein Nervensystem? Die erstaunliche Intelligenz der Glibberwesen

Quallen, oft als einfache und wenig intelligente Lebewesen betrachtet, überraschen die Wissenschaft immer wieder. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Quallen trotz ihres simplen Nervensystems zu komplexem Lernen fähig sind und ihr Verhalten anpassen können. Dies stellt die bisherige Annahme infrage, dass ein zentrales Gehirn für fortgeschrittene Lernprozesse notwendig ist.

Quallen und ihr Nervensystem

Quallen gehören zu den ältesten Tieren der Welt und existieren seit über 500 Millionen Jahren. Ihr Körper besteht zu etwa 99 Prozent aus Wasser und ist denkbar einfach aufgebaut: zwei Zellschichten, eine innere und eine äußere, umschließen einen Magenraum. Quallen haben zwar ein Nervensystem und Sinnesorgane, aber kein Gehirn. Sie können Beute jagen, auf Feinde reagieren und Geschlechtspartner erkennen. Dies ermöglichen spezielle Sinneszellen in der äußeren Zellschicht, die Licht und Schwere wahrnehmen können.

Experimente mit Würfelquallen

Ein deutsch-dänisches Forscherteam untersuchte karibische Würfelquallen (Tripedalia cystophora), um herauszufinden, ob diese Nesseltiere in der Lage sind, aus Erfahrungen zu lernen. Die nur fingernagelgroßen Quallen navigieren mit ihren 24 Augen durch das trübe Wasser von Mangrovensümpfen, um Wasserflöhe zu jagen und Mangrovenwurzeln auszuweichen. Die Wissenschaftler simulierten den Lebensraum der Quallen in einem Versuchsbecken mit grauen und weißen Streifen, die Mangrovenwurzeln und freies Wasser darstellten.

Zu Beginn des Experiments stießen die Quallen häufig gegen die simulierten Wurzeln. Doch schon nach wenigen Minuten hatten sie ihren Abstand zu den Hindernissen um etwa 50 Prozent vergrößert und prallten nur noch halb so oft gegen die dunklen Bereiche. Dies zeigt, dass Würfelquallen durch die Kombination von visuellen und mechanischen Reizen lernen können.

Die Rolle der Rhopalia

Um die zugrunde liegenden Prozesse zu verstehen, untersuchten die Forscher die Rhopalia, die Sinneszentren der Quallen. Jedes der vier Rhopalia enthält sechs Augen und etwa 1000 Nervenzellen. Die Forscher präsentierten isolierten Rhopalien dunkle Balken, um die Annäherung an ein Hindernis zu simulieren. Die Rhopalia reagierten jedoch erst, als zusätzlich schwache elektrische Stimuli verabreicht wurden, die einen Aufprall simulierten. Dies deutet darauf hin, dass die Rhopalia der Ort sind, an dem die Lernprozesse stattfinden.

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Bedeutung für die Forschung

Die Ergebnisse der Studie haben erhebliche Bedeutung für die Neurowissenschaften und die Evolutionsforschung. Sie zeigen, dass selbst einfache Nervensysteme zu fortgeschrittenen Formen des Lernens fähig sind. Dies könnte bedeuten, dass die evolutionären Wurzeln von Lernen und Gedächtnis älter sind als bisher angenommen.

Evolutionäre Perspektive

Würfelquallen ähneln wahrscheinlich denjenigen Lebewesen, die in der Evolutionsgeschichte erstmals Nervensysteme entwickelten. Wenn diese Tiere in der Lage sind zu lernen, könnte es sich um eine grundlegende Fähigkeit von Nervenzellen oder neuronalen Netzwerken handeln.

Neurowissenschaftliche Perspektive

Die Studie eröffnet eine neue Perspektive darauf, was mit einem einfachen Nervensystem geleistet werden kann. Sie könnte helfen, grundlegende neuronale Konzepte zu verstehen, die auch in komplexeren Gehirnen vorhanden sind.

Quallen und Schlaf

Neben ihrer Lernfähigkeit haben Quallen noch weitere überraschende Eigenschaften. Forscher haben herausgefunden, dass Quallen nachts in einen schlafähnlichen Ruhezustand wechseln, obwohl sie kein zentrales Nervensystem haben. Dies deutet darauf hin, dass Schlaf im Laufe der Evolution schon wesentlich früher entstanden ist als bisher bekannt.

Die Giftigkeit der Quallen

Quallen sind bekannt für ihre giftigen Nesselzellen, mit denen sie Beute fangen und sich verteidigen. Eine etwa zehn Meter lange Tentakel kann mit rund 700.000 hoch explosiven Nesselkapseln ausgestattet sein, die bei Berührung eine winzige Injektionsnadel in die Haut des Opfers schießen. Obwohl alle Quallen giftig sind, sind nicht alle für den Menschen gefährlich. Die überwiegend planktonfressenden Schirmquallen sind weniger giftig als die fischfressenden Würfelquallen.

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Regeneration

Eine weitere bemerkenswerte Fähigkeit der Quallen ist ihre Fähigkeit zur Regeneration. Wenn eine Qualle einen Fangarm verliert oder einen Teil ihres Schirms, kann sie diesen Körperteil nach Bedarf nachbilden. Dies ermöglichen spezielle "Super-Zellen", die sich in ein embryonales Stadium zurückbilden und sich anschließend in einen neuen Zelltyp verwandeln können.

Fortpflanzung

Quallen können sich sowohl sexuell als auch asexuell fortpflanzen. Bei der sexuellen Fortpflanzung platzen die weiblichen Eizellen und die männlichen Samenzellen aus der Innenhaut des Magenraumes heraus und treffen sich im Meer. Aus den befruchteten Eiern schlüpfen Larven, die sich an einem Untergrund festsetzen und zu Polypen heranwachsen. Die Polypen bilden dann seitlich blasenartige Gebilde, aus denen sich neue Quallen entwickeln.

Fazit

Quallen sind faszinierende Lebewesen, die trotz ihres einfachen Nervensystems zu komplexen Leistungen fähig sind. Sie können aus Erfahrungen lernen, schlafen, sich regenerieren und sich auf vielfältige Weise fortpflanzen. Die Forschung an Quallen trägt dazu bei, grundlegende Prinzipien des Nervensystems, des Lernens und der Evolution zu verstehen.

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