Handorthese nach Schlaganfall: Anwendung, Nutzen und Individuelle Lösungen

Ein Schlaganfall stellt einen tiefen Einschnitt ins Leben der Betroffenen dar. Lähmungen, Muskelkrämpfe oder Koordinationsstörungen in unterschiedlicher Stärke können verschiedenste Körperregionen betreffen. Oftmals ist nach einem Schlaganfall eine Körperhälfte ganz oder teilweise gelähmt. Für diese Ausfälle gibt es für die Versorgung der Schulter, der Hand, des Knies und des Fußes verschiedene Orthesen. Wenn plötzlich alltägliche Dinge wie Zähneputzen oder eine Tasse Kaffee trinken zum Problem werden, stellt sich das Leben auf den Kopf.

Grundsätzlich spricht man von einem Schlaganfall, wenn ein Gefäß im Gehirn verstopft (Hirninfarkt) oder platzt (Hirnblutung) und daher bestimmte Hirnareale nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden können. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der Schlaganfall die Epidemie des 21. Jahrhunderts und häufigste Ursache für bleibende Behinderungen in Deutschland. Zirka 270.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland einen Schlaganfall. Oft sind von einem Schlaganfall die oberen Extremitäten betroffen, also Schulter, Arm und Hand.

Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung und den Nutzen von Handorthesen nach einem Schlaganfall, wobei individuelle Konstruktionen und moderne Materialien im Vordergrund stehen.

Bedeutung der Handorthese in der Rehabilitation nach Schlaganfall

Die Handorthese spielt eine entscheidende Rolle in der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Sie unterstützt die Hand, wenn diese durch Lähmungserscheinungen nicht vollwertig nutzbar ist. Die richtige Lagerung kann Folgeschäden vermeiden. Ziel von funktionellen Hilfsmitteln ist es, ausgefallene Körperfunktionen zu ersetzen oder zu korrigieren und unphysiologische Bewegungsmuster zu verringern oder zu vermeiden.

Aufgaben und Ziele der Handorthese

  • Unterstützung und Stabilisierung: Die Handorthese stabilisiert das Handgelenk und die Finger, um eine korrekte Positionierung zu gewährleisten.
  • Vermeidung von Fehlstellungen: Durch die korrekte Lagerung können Muskel-, Sehnen- und Gelenkkontrakturen vermieden und der Muskeltonus positiv beeinflusst werden. Sie kann die Spastiken hemmen oder sogar vermeiden.
  • Förderung der Funktion: Funktionelle Orthesen können die aktive Rehabilitation des Armes positiv unterstützen, indem sie die funktionelle Stellung des Gelenks stabilisieren.
  • Schmerzlinderung: Eine Schultergelenksorthese kann eine wertvolle Unterstützung bieten, sowohl die Schmerzen einzudämmen als auch eine natürliche Haltung zu fördern.
  • Erhaltung und Verbesserung der Funktionalität: Spätfolgen z.B. Hilfsmittel zur Kontrakturbehandlung haben das Ziel die noch erhaltene Funktionalität z.B. der Finger, Hand und / Handgelenke zu erhalten oder zu verbessern. Ziel ist es Fehlstellung zu vermeiden und die Gelenkfunktion nach Möglichkeit wieder herzustellen.

Arten von Handorthesen nach Schlaganfall

Handorthesen bei neuromuskulären Erkrankungen lassen sich als Baustein der Handrehabilitation in zwei Gruppen klassifizieren: lagernde Orthesen (passiv) und funktionelle Orthesen (aktiv). Die Entscheidung, welche Gruppe bei den Betroffenen angewendet wird, hängt von den Restfunktionen der Hand ab.

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Lagernde Orthesen (Passiv)

Verfügt ein Betroffener nicht mehr über die Fähigkeit, seine Hand willkürlich zu bewegen, wird eine Handorthese lagernde bzw. tonusregulierende Aufgaben bekommen. Ziel dessen ist es, Strukturen zu erhalten und Fehlstellungen zu redressieren, um somit die Annäherung an eine physiologische Stellung zu erreichen. Lagerungsorthesen sind individuell nach den Symptomen der Hand auszuwählen; ihre Konstruktion kann dadurch deutliche Unterschiede aufweisen.

  • Statische Schienen: Diese bieten eine feste Unterstützung und Ruhigstellung des Handgelenks und der Finger. Sie werden häufig zur Schmerzlinderung, zur Vermeidung von Kontrakturen und zur Unterstützung der Heilung eingesetzt.
  • Dynamische Schienen: Diese ermöglichen eine gewisse Bewegungsfreiheit und unterstützen die aktive Bewegung der Hand. Sie können bei Spastik eingesetzt werden, um die Bewegungen mitzumachen und Druckstellen zu vermeiden.

Funktionelle Orthesen (Aktiv)

Ist eine Restfunktion in irgendeiner Form vorhanden, ist diese mit allen therapeutischen und technischen Mitteln zu fördern. Der Einsatz der betroffenen Hand - und ist er noch so klein - darf unter keinen Umständen durch eine orthetische Versorgung beeinträchtigt werden. Ist in solchen Fällen trotzdem eine Lagerungsorthese notwendig, ist deren Gebrauch genau zu planen.

  • Handgelenkorthesen: Diese stabilisieren das Handgelenk und ermöglichen gleichzeitig eine gewisse Bewegungsfreiheit. Sie können die Handfunktion verbessern und Schmerzen reduzieren.
  • Fingerorthesen: Diese unterstützen die einzelnen Finger bei der Streckung oder Beugung. Sie können bei Lähmungen oder Spastik eingesetzt werden, um die Handfunktion zu verbessern.
  • Myoelektrische Orthesen (z.B. MyoPro®): Diese erkennen schwache Muskelsignale an der Hautoberfläche und aktivieren Motoren, die die Hand bewegen. Sie unterstützen den gelähmten Arm und die Hand, um den Alltag wieder beidhändig zu gestalten. Sie kommt dabei ohne Implantate oder elektrische Stimulation aus.
  • Orthesen mit funktioneller Elektrostimulation: Diese aktivieren die Muskeln durch elektrische Impulse. Sie können die Handfunktion verbessern und die Muskelkraft stärken. Sie kommen für Schlaganfall-Betroffene infrage, bei denen eine neutrale Stellung des Handgelenks möglich ist. Außerdem sollten sie so technikaffin sein, dass sie das Gerät alleine bedienen können. Mit dem Kopf kann die Funktion gesteuert werden, etwa das Öffnen und Schließen der Hand. Damit werden unter anderem die Bänder aktiviert, der Blutfluss verbessert und ein Teil der früheren Handfunktion wiederhergestellt.
  • GPS-Handorthese: Sie liegt eng auf der Haut und übt so leichten Druck aus. Durch Kompression und aufgenähte Züge wird die Eigenwahrnehmung und Funktion der Hand meist deutlich verbessert. Dadurch werden Bewegungen möglich, die ohne diese Orthese ausgeschlossen wären.
  • Dynamischer Handschuh mit integrierten Zügen (z.B. SaeboGlove®): verbessert die Fingerstreckung und hilft, die Hand wieder öffnen zu können. Dabei unterstützt die Orthese jeden Finger individuell bei der Streckung. Die Orthese besteht aus einer Hand-Unterarm-Manschette und Überzügen für Finger und Daumen. Zwischen Manschette und den Fingern werden spezielle elastische Züge gespannt, die die Fingerstreckung in der geöffneten Hand unterstützt. Die Züge stehen in unterschiedlichen Stärken zur Verfügung, sodass die Handorthese individuell angepasst werden kann. Finger, die keine Unterstützung benötigen, können dabei ohne Unterstützung belassen werden.
  • Dynamische, funktionelle Handschiene (z.B. SaeboFlex®): hilft, wieder greifen und loslassen zu können. SaeboFlex® umschließt jeden Finger und den Daumen mit einer eigenen Halterung. Von dieser aus führen Federzüge zu einer Platte auf dem Handrücken und zu einer Manschette am Unterarm. Die Federzüge werden individuell auf jeden Patienten eingestellt. Sie definieren die Öffnung der Hand.

Individuelle Anpassung und Versorgung

Die passende Hand-Orthese zu wählen ist nicht einfach. Es gibt keine festgelegten Richtlinien für die Behandlung, die Meinungen der Fachleute gehen oft auseinander. Die individuelle Anpassung einer Handorthese ist entscheidend für ihren Erfolg. Zum einen ist jede Hand anders, sodass eine individuell angefertigte Schiene immer perfekt passt. Zum anderen können diese Lagerungsschienen so gebaut werden, dass der Patient sie ohne fremde Hilfe mit der gesunden Hand anziehen kann.

Schritte zur individuellen Versorgung

  1. Ärztliche Untersuchung: Ein Arzt beurteilt die Art und den Grad der Handfunktionseinschränkung.
  2. Orthopädietechnische Beratung: Ein Orthopädietechniker analysiert die Hand und wählt die passende Orthese aus. Beim ersten Treffen gibt es viel zu klären: Wie lange ist der Schlaganfall her? Ist die Faust geschlossen oder kann sie geöffnet werden? Wie viel Funktion ist noch vorhanden? Sind noch Fortschritte zu erwarten? Liegt eine Spastik vor?
  3. Individuelle Anpassung: Die Orthese wird an die individuellen Bedürfnisse und Maße des Patienten angepasst. Zum anderen können diese Lagerungsschienen so gebaut werden, dass der Patient sie ohne fremde Hilfe mit der gesunden Hand anziehen kann", erklärt der Experte. Das müsse manch ein Patient der Krankenkasse allerdings erst erläutern.
  4. Ergotherapeutische Begleitung: Ein Ergotherapeut unterstützt den Patienten bei der Anwendung der Orthese und erarbeitet ein individuelles Trainingsprogramm. Zudem ist der Austausch mit den behandelnden Ärzten und Ergotherapeuten wichtig. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir die bestmögliche Lösung für den Patienten finden", ist seine Erfahrung.
  5. Regelmäßige Kontrolle: Die Orthese wird regelmäßig kontrolliert und angepasst, um eine optimale Passform und Funktion zu gewährleisten.

Besonderheiten bei Spastik

Wenn beispielsweise bei Patienten mit einer Spastik eine Entscheidung zwischen einer starren Schiene oder einer dynamischen Schiene ansteht. „Ich empfehle in diesem Fall meistens eine dynamische Schiene, die die Bewegungen bei einer Spastik mitmacht. So entstehen weniger Druckstellen", sagt Marcus Fleischer.

Bei neuromuskulären Erkrankungen ist häufig ein Hypertonus in den Flexoren vorhanden. Dieser wird bei Korrektur noch verstärkt. Der volare Muskelzug bedingt das Abweichen der Handwurzelknochen nach dorsal. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wurde die Handlagerungsorthese mit dynamischem Silikonhandteil entwickelt. Dieses zweiteilige System besteht aus einem flexiblen Silikonhandteil, das so gefertigt ist, dass es bei einer definierten Krafteinwirkung nachgibt und sich anschließend wieder in seine Ursprungsform zurückstellt. Adaptiv wird das Handgelenk über eine feste Carbonfaserschiene geführt. Bei angelegter Schiene kann nun ein plötzlicher Tonusanstieg (z. B. durch eine Spastik) sanft abgebremst werden, sodass der Betroffene ein deutlich geringeres Spannungsgefühl erleidet. Würde man eine solche Versorgung aus rigiden Materialien fertigen, bestünde die Gefahr, dass die hohe Spannung zu Schmerzen führt.

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Moderne Materialien und Technologien

Moderne Handorthetik leistet einen entscheidenden Beitrag in der Handrehabilitation. Dazu ist es erforderlich, modernste Materialien einzusetzen und Testorthesen herzustellen.

Einsatz von Silikon

Funktionshandorthesen greifen in typische unphysiologische Muster ein und führen diese in Richtung eines physiologischen Musters. Dabei kommt häufig Silikon zum Einsatz; es erlaubt eine gut dosierbare Lenkung aus den pathologischen Mustern. So wirken Daumenspangen aus dünnem Silikon mit definierten Verstärkungen um den Daumen so, dass dieser wieder als Gegengriff genutzt werden kann. In Abgrenzung zu rigiden Kunststoffschienen findet hierbei eine Führung und keine Ruhigstellung statt. Das weiche Material Silikon erhält in Teilen die Tiefensensibilität, sodass gegriffene Gegenstände auch gefühlt werden können. Gewünschte Bewegungen werden unterstützt.

Carbonfaser-Spiralorthese

Das Beispiel einer Carbonfaser-Spiralorthese mit Silikon-Daumenführung zeigt die Überlegenheit dynamischer Lösungen gegenüber rigiden Techniken. Es kann generell festgestellt werden, dass der Daumen häufig eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Behebung von Fehlmustern spielt.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Funktionsfördernde Orthesen in der Neurologie stellen die anspruchsvollste Herausforderung für das gesamte Rehabilitationsteam dar. Die Kunst, das richtige Maß der Korrektur zu finden, erfordert sehr viel Erfahrung und auch Geduld bei allen Beteiligten. Testorthesen sind fast immer notwendig und sollten bereits bei der Planung vorgesehen werden, denn der Pfad zwischen Erfolg und Nichterfolg ist gerade bei dieser Versorgungsform sehr schmal. Doch gerade hier können Orthesen einen großen Beitrag dazu leisten, dass der Patient seine betroffene Hand häufiger und auch motivierter einsetzen kann.

Forschung und Entwicklung

Die Studienlage zu Orthesen der oberen Extremität in der Neurologie ist nicht mehr aktuell und sollte im Hinblick auf neue Entwicklungen nachhaltig überprüft und ergänzt werden. Zukünftige Forschungen könnten sich auf die Entwicklung noch individuellerer und effektiverer Orthesen konzentrieren, die den Bedürfnissen der Patienten noch besser gerecht werden.

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