Hans-Jochen Vogel und seine Parkinson-Erkrankung: Ein Leben im Zeichen des Kampfes und des Mutes

Hans-Jochen Vogel, die SPD-Legende und der ehemalige Oberbürgermeister von München, erhielt vor zwei Jahren im Alter von 88 Jahren die Diagnose Parkinson. Diese Nachricht teilte er der Öffentlichkeit mit dem Wunsch, anderen Betroffenen Mut zu machen und zu zeigen, dass ein selbstbestimmtes Leben auch mit dieser Krankheit möglich ist. Dieser Artikel beleuchtet Vogels Umgang mit seiner Erkrankung, seine Gedanken zum Leben und Sterben sowie seine beeindruckende politische Karriere.

Die Diagnose und ihre Auswirkungen

Vor zwei Jahren wurde bei Hans-Jochen Vogel Parkinson diagnostiziert. Die Krankheit, auch bekannt als Schüttellähmung, ist eine fortschreitende Nervenkrankheit, die unheilbar ist. Vogel beschreibt die ersten Symptome wie folgt: „Das Zittern habe ich noch unter Kontrolle, aber es wird wohl unvermeidlich stärker werden. Andere Symptome zeigen sich schon deutlicher. Ich fühle permanent eine leichte Benommenheit. Beim Gehen fällt es mir schwer, die Richtung zu halten.“ Er stolpere häufiger, und sein Namensgedächtnis leide. Seine Frau Lieselotte, mit der er seit 2006 in einem Altersheim in München lebt, unterstützt ihn dabei.

Trotz der Herausforderungen, die Parkinson mit sich bringt, will sich Vogel nicht unterkriegen lassen. Er betont, dass er sich nicht davor fürchte, mit der Krankheit die Kontrolle über sein Leben zu verlieren, sondern sich stattdessen darauf konzentriere, was er noch machen und bewältigen kann.

Der Schritt an die Öffentlichkeit und die Botschaft des Mutes

Vogel hatte seine Parkinson-Erkrankung zunächst nicht öffentlich gemacht, informierte aber seine Familie und Freunde. Der Schritt an die Öffentlichkeit erfolgte, um anderen Betroffenen Mut zu machen. Er möchte zeigen, dass man auch mit Parkinson ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Vogel sagte im Interview mit dem "Stern": "indem ich ihnen zeige, dass man auch in diesem Zustand noch geraume Zeit ein selbstbestimmtes Leben führen kann". Er habe seine ganz eigene Art gefunden, mit der Krankheit umzugehen. „Park in der Sonne“ nennt er sie. Das klinge schöner.

Gedanken über Leben und Tod

Im Gespräch mit dem ZDF-Journalisten Peter Hahne äußerte sich Vogel auch zu seinen Gedanken über Leben und Tod. Mit Gott gehadert habe er wegen seiner Krankheit nicht, „aber bei Gott nachgefragt“. Sterbehilfe sei für ihn kein Thema, da er der Meinung ist, dass Menschen die Möglichkeit haben sollten, frei zu entscheiden, ob sie sterben wollen. Ärzten sollte die Beihilfe zur Tötung jedoch berufsrechtlich verboten werden, da ihr Auftrag darin bestehe, zu heilen und Menschen zu retten.

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Angst vor dem Tod hat Hans-Jochen Vogel nicht, da er Bestandteil des Lebens ist. Sorge würde ihm lediglich ein langer und schwieriger Sterbeprozess bereiten. Er glaube, dass der Tod nicht das endgültige Ende ist, sondern dass sich dann eine Pforte öffnet in eine neue Situation, die er sich nicht im Einzelnen konkret vorstellen kann. Dann werde er sich vor Gott verantworten müssen für sein Leben.

Vogel sagte, dass er ein erfülltes Leben hinter sich habe und bis zum heutigen Tage zufrieden sei. Er zitiert den Bibelausdruck „lebenssatt'“: „Vom Leben gesättigt. So empfinde ich es auch.“

Politische Karriere und Engagement

Hans-Jochen Vogel blickt auf eine beeindruckende politische Karriere zurück. Er studierte Rechtswissenschaften und wurde 1960 mit 34 Jahren jüngster Oberbürgermeister Münchens. Später war er Minister in den Regierungen Brandt und Schmidt. Kurzzeitig amtierte er als Regierender Bürgermeister von Berlin. 1983 trat er als SPD-Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl an. Von 1987 bis 1991 war Hans-Jochen Vogel Bundesvorsitzender der SPD.

In der SPD galt Vogel als Urgestein und Parteisoldat mit starken moralischen Grundsätzen. Bis zuletzt engagierte er sich gesellschaftlich, unter anderem als Gründungsvorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie“. Auch im hohen Alter trieben ihn der drohende Zerfall Europas und die Lage der SPD um.

Noch im Sommer 2019 schrieb Vogel ein Buch über den Miet- und Immobilienmarkt in München, der außer Kontrolle geraten ist. Mit seinem letzten Buch "Mehr Gerechtigkeit" verfolgte Vogel aber noch ein anderes Ziel: Ein letztes Mal wollte er Einfluss auf die Programmatik seiner Partei nehmen und sich zugleich auch einen eigenen politischen Fehler von der Seele schreiben.

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Persönliche Einblicke und Beziehungen

Vogel ist in zweiter Ehe mit Lieselotte verheiratet und Vater dreier erwachsener Kinder. Er führte bewusst eine ökumenisch geprägte Ehe und engagierte sich immer wieder bei Kirchen- und Katholikentagen.

Im Interview sprach Vogel auch über seine Frau Lieselotte. Er habe keine Angst, vor seiner Frau gehen zu müssen, sagt Vogel. „Es ist genau umgekehrt. Ich habe Angst, dass meine Frau vor mir geht. Mir würde ein Stück meines eigenen Lebens fehlen.“ Als es um seine Gattin geht, steigen ihm beim Interview Tränen in die Augen. Ob er sich vor Einsamkeit fürchte? „Ja."

Würdigung und Vermächtnis

Hans-Jochen Vogel verstarb am 26. Juli 2020 im Alter von 94 Jahren nach langer Krankheit in München. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Vogel als einen Menschen, der „für Toleranz, Respekt und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gearbeitet und gekämpft“ habe. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx betonte, dass Vogels Handeln vom christlichen Menschenbild geleitet gewesen sei.

Vogel hinterlässt ein beeindruckendes politisches und gesellschaftliches Vermächtnis. Er war ein Mann mit unerschütterlichen moralischen Grundsätzen, der sich bis ins hohe Alter für soziale Gerechtigkeit und ein friedliches Europa einsetzte. Seine Offenheit im Umgang mit seiner Parkinson-Erkrankung und seine Botschaft des Mutes werden vielen Betroffenen in Erinnerung bleiben.

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