Die Abteilung für Neurologie und Komplementärmedizin am Evangelischen Krankenhaus Hattingen bietet seit über 15 Jahren ein integratives Behandlungskonzept, das schulmedizinische Ansätze mit der traditionellen indischen Medizin Ayurveda kombiniert. Diese weltweit einzigartige Kombination hat sich als erfolgreich in der Behandlung neurologisch erkrankter Menschen erwiesen.
Ursprünge und Entwicklung der Abteilung
Die Abteilung wurde 2009 von Prof. Dr. Dr. Horst Przuntek gegründet, unterstützt von Dr. Sandra Szymanski sowie den Ayurveda-Ärzten Dr. Sunil Kumar und Dr. Sandeep Nair. Professor Przuntek, ein Neurologe und ehemaliger Professor für Neuromedizin an der Ruhr-Universität Bochum, erkannte die Bedeutung von Ayurveda-Behandlungen wie Basti (Einläufe) und Nasya (Nasenspülungen) sowie der damit einhergehenden Agni-, Ama- und Tridosha-Konzepte. Er sah, dass die Prinzipien des Ayurveda und der modernen Medizin zusammen einen Weg zur Heilung seiner Patienten bieten könnten.
Seit dem 01.09.2021 hat Dr. Szymanski die Leitung der Abteilung übernommen, nachdem sich Prof. Przuntek in den Ruhestand verabschiedet hat. Mit den Ayurveda Ärzten Dr. Sunil Kumar V.G. und Dr. Sandeep D. Nair hat sie die Abteilung in den letzten Jahren weiter auf- und ausgebaut.
Das integrative Behandlungskonzept
Schulmedizin und Ayurveda in Kombination
Die Klinik kombiniert westliche Medizin, basierend auf modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Neurobiologie, mit der 5.000 Jahre alten Erfahrungsmedizin des Ayurveda. Dr. Szymanski betont: „Komplementärmedizin bedeutet, zwei medizinische Systeme gleichzeitig zu nutzen und sinnvoll zu kombinieren. Die Ayurveda-Methode wird in diesem Fall ergänzend zur Schulmedizin verwandt, nicht alternativ.“ Primär werden schulmedizinische Methoden in der Diagnose und Therapie angewendet, danach zunehmend Verfahren aus der traditionell-indischen Medizin (TIM).
Elemente der traditionell-indischen Medizin
Zum Behandlungskonzept gehören Yoga, Meditation, Massagen, Physiotherapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie, Logopädie und psychologische Begleitung sowie eine an europäische Verhältnisse angepasste ayurvedische Ernährung. Die Ernährung ist stoffwechselunterstützend (z.B. auch bei Diabetes), verdauungsfördernd und gewichtsausgleichend. Die vegetarischen-ayurvedischen Gerichte werden in der Küche der Augusta Kliniken extra für die Abteilung zubereitet.
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Individuelle Behandlung
Der Patient erhält, seiner individuellen Bewertung der Tridoshas, Dhatus, Koshta, Agni und Ama entsprechend, äußerliche und innerliche ayurvedische Heilbehandlungen durch erfahrene Therapeuten unter der Anleitung der ayurvedischen Ärzte. Einmal in der Woche findet, als Ergänzung zu den detaillierten individuellen Beratungen durch die ayurvedischen Ärzte, ein ayurvedisches Ernährungsseminar für die Patienten statt.
Multiprofessionelles Team
Ein multiprofessionelles Therapeutenteam steht den Patienten mit einem breiten Spektrum an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Die notwendigen Therapien werden in Form von Einzel- und Gruppenbehandlungen abgehalten. Dabei steht Yoga und Meditation, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie auf dem Behandlungsplan. Die psychologische Diagnostik und Beratung ist Grundlage des hocheffizienten Behandlungskonzeptes.
Schwerpunkte der Behandlung
Die Abteilung behandelt schwerpunktmäßig Patienten mit motorischen Störungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und entzündlich vermittelte Polyneuropathien. Als zertifizierte Parkinsonspezialklinik nach den Kriterien der Deutschen Parkinsonvereinigung dPV behandeln das Team im EvK Hattingen schwerpunktmäßig Patienten mit Parkinsonerkrankungen inkl. atypischen Varianten und anderen Bewegungsstörungen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien
Dass die Behandlung in Ergänzung um ayurvedische Medizin nicht nur subjektiv erfolgreich ist, belegen mittlerweile auch Beobachtungsstudien, wie Dr. Nair berichtet. Randomisierte Studien stehen noch aus, doch konnte festgestellt werden, dass die speziell ayurvedische Ernährung und eine Darmreinigung einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom des Darmes haben. „Es besteht eine Verbindung zwischen dem Mikrobiom und dem Gehirn.“ Das Mikrobiom sind alle Bakterien, Viren und Pilzen, die alle Menschen im Darm, auf der Haut und der Lunge haben und für ihre Gesundheit benötigen.
Eine weitere Studie von Dr. Sandeep Nair und Dr. Sunil Kumar, Mitglied des Forschungsteams am EVK Hattingen, konnte zeigen, dass Parkinson-Patienten mit eingeschränktem Geruchssinn von einer ayurvedischen Behandlung profitieren. Der Geruchssinn ist bei vielen Parkinsonbetroffenen stark eingeschränkt, sie haben Probleme Gerüche wahrzunehmen, zu identifizieren und zu unterscheiden, was die Lebensqualität negativ beeinflusst.
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Dr. Nair hat die Vorteile von Nasya und ayurvedischen Tages- und Jahreszeitenprogrammen im Zusammenhang mit der integrativen Neurologie untersucht, insbesondere im Hinblick auf nicht-motorische Symptome bei der Parkinson-Krankheit. Er erforschte außerdem die Funktion des ayurvedischen Konzepts der verschiedenen „Agnis“ in der Pathologie neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson.
Patientenerfahrungen
Michael K., ein Patient, der seit vielen Jahren an Parkinson erkrankt ist, erfuhr durch die Behandlung in der Parkinson-Spezialklinik der Augusta Kliniken im Evangelischen Krankenhaus Hattingen eine deutliche Verbesserung seiner Lebensqualität. Er berichtet, dass die Komplextherapie vor allem für Patienten geeignet ist, bei denen die Erkrankung bereits fortgeschritten ist.
Eine 67-jährige Patientin des Evangelischen Krankenhauses befolgte fünf Jahre lang eine ayurvedische Behandlung und Diät, sowohl in der Klinik als auch zu Hause. Das Ergebnis: Sie benötigte keine hohen Dosen Dopamin, die normalerweise in solchen Fällen zur Aktivierung von Neurotransmittern benötigt werden, die die Mobilität steuern. Ihr Gang war sicherer und sie konnte ihre Gliedmaßen besser kontrollieren.
Ayurveda im Kontext der modernen Medizin
Die Bedeutung der fünf Elemente (Panchamahabhuthas)
Nach der Panchamahabhutha-Theorie sind alle lebenden und nicht-lebenden, natürlichen und künstlichen Dinge in dieser Welt aus den fünf Elementen gebildet. Alles, was aus Panchamahabhutha besteht, wird Bhouthika genannt. Unser Bhouthika-Körper wird durch die Bhouthika-Nahrung genährt. Sowohl unser Körper als auch die Nahrung oder Medikamente, die wir zu uns nehmen, bestehen aus Panchamahabhuthas. Falsche Nahrungsaufnahme oder falsches Verhalten können Störungen in den Mahabhuthas verursachen und Krankheiten im Bhouthika-Körper hervorrufen.
Ayurveda und die Behandlung von Parkinson
Nach den pathoanatomischen Untersuchungen von H. Braak und K. Del Tredici, den epidemiologischen Untersuchungen von A. Korczyn und den klinischen Klassifizierungen von H. Przuntek, Th. Müller und P. Riederer setzt sich allmählich die Meinung durch, dass der Morbus Parkinson frühzeitig im Bereich des Riechorgans und des Magendarmtraktes beginnt. Es wird angenommen, dass die Magendarmstörungen den motorischen Störungen 10-20 Jahre vorausgehen. Dies deckt sich auch mit den Anschauungen der indischen Medizin, die bereits vor zweitausend Jahren neben detoxifizierenden Maßnahmen L-Dopa haltige Präparate, Dopaminergica, MAO- B Hemmer, Acetylcholinesterasehemmer und Psyllium als Laxans verordnet haben. Die Abteilung greift die indische Erfahrung auf und behandelt erfolgreich die Riechstörungen und Störungen des Magendarmtraktes neben den übrigen motorischen und nicht-motorischen Symptomen der Erkrankung.
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Internationale Anerkennung und Ausblick
Die Arbeit der Abteilung für Neurologie und Komplementärmedizin am EVK Hattingen hat international Anerkennung gefunden. Dr. Sandra Szymanski war eingeladene Sprecherin auf dem Weltayurvedakongress im Dezember 2022 in Goa und auch eingeladene Gastrednerin der indischen Regierung für den 1. G20- Gesundheitsgipfel im Januar 2023 in Thiruvananthapuram. Sie wurde vom indischen Gesundheitsministerium als Sprecherin zum ersten Treffen der Health Working Group der G20 eingeladen, um zum Thema „Erreichen ganzheitlichen Wohlbefindens und integrierte Gesundheitsversorgung“ zu sprechen.
Das Konzept und die Behandlungserfolge der Abteilung für Komplementärmedizin und Neurologie am EVK Hattingen weckten beim Weltayurveda-Kongress das Interesse der indischen Gesundheitspolitik. Die Integration der traditionellen indischen Medizin ist in Hattingen schon gelungen. Daher sind Dr. Szymanski und ihr Team ein Vorbild für Indien.
Dr. Szymanski betont: „Wir sind überzeugt von unserem Behandlungskonzept und freuen uns sehr, dies immer mehr Menschen vorstellen zu können. Es ist eine Ehre für mich, dies im Rahmen der indischen G20-Präsidentschaft in Indien tun zu können.“
Ayurveda-Studien und Forschung
Ayurveda hat als ergänzende Behandlungsmethode bereits klinische Vorteile gezeigt und künftige Studien werden den Beitrag des Ayurveda zur Behandlung der Parkinson-Krankheit und verwandter neurodegenerativer Erkrankungen voraussichtlich weiter bestätigen.
Dr. Sandeep D. Nair, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Neurologie und Komplementärmedizin, EVK Hattingen, hat die Vorteile von Nasya und ayurvedischen Tages- und Jahreszeitenprogrammen im Zusammenhang mit der integrativen Neurologie untersucht, insbesondere im Hinblick auf nicht-motorische Symptome bei der Parkinson-Krankheit. Er erforschte außerdem die Funktion des ayurvedischen Konzepts der verschiedenen „Agnis“ in der Pathologie neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson.
Die Zukunft der integrativen Medizin
Die Komplementärmedizin ist ein bedeutender Lösungsansatz für die Herausforderung, die weltweite Gesundheitsfürsorge nachhaltig zu gestalten. Die Integration kann geschehen, indem entweder die Behandlungsprinzipien eines von zwei Systemen in das andere übernommen werden, oder ein System als ein assoziiertes zusammen mit dem Hauptansatz fungiert. Auch eine Kombination der beiden Möglichkeiten wäre denkbar. Welche Behandlungsweise hilfreicher ist, das ist allerdings nicht leicht festzustellen. Eine „Win-Lose”-Situation gibt es hier nicht, da allein das Wohl des Patienten im Vordergrund steht.
Angebote der Abteilung Neurologie und Komplementärmedizin
Die Abteilung bietet eine Vielzahl von Therapien an, darunter:
- Pharmakologie, Phytotherapie und Komplexpräparate
- Ausleitungsverfahren (Pancakarma)
- Manualtherapie
- Ernährungs- und Ordnungstherapie (ahara, vihara)
- Ayurvedische Psychologie und Psychotherapie (sattvavajaya)
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