Die Hemiplegie, oder Halbseitenlähmung, ist ein Zustand, der durch eine vollständige Lähmung einer Körperhälfte gekennzeichnet ist. Sie ist nicht mit der Hemiparese zu verwechseln, welche eine unvollständige Lähmung beschreibt. Die Hemiplegie ist immer ein Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung, wie beispielsweise eines Schlaganfalls oder einer Schädigung des Gehirns, die durch andere Ursachen bedingt ist. Diese einseitigen Kraft- und Bewegungsstörungen, auch bekannt als Motorikstörungen, sowie Muskelverkrampfungen im Gesicht, an Armen und Beinen können den Alltag erheblich beeinträchtigen und Betroffene psychisch belasten.
Ursachen der Hemiplegie
Eine Halbseitenlähmung wird durch eine Schädigung einer Gehirnhälfte verursacht. Meistens ist die Ursache ein Schlaganfall oder eine unfallbedingte Schädel-Hirn-Verletzung. Seltener können bakterielle oder virale Gehirnentzündungen oder Tumoren verantwortlich sein. In manchen Fällen kann die Hemiplegie auch aufgrund genetischer Erkrankungen angeboren sein oder durch Verletzungen während der Geburt entstehen.
Die spezifische Seite der Lähmung hängt davon ab, welche Gehirnhälfte betroffen ist. Eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte oder des rechten Stammhirns führt zu einer Lähmung der linken Körperhälfte. Umgekehrt führt eine Schädigung der linken Gehirnhälfte oder des linken Stammhirns zu einer halbseitigen Lähmung auf der rechten Körperseite. In seltenen Fällen kann auch eine halbseitige Schädigung des Rückenmarks die Ursache sein.
Symptome der Hemiplegie
Bei einer vollständigen Halbseitenlähmung (Hemiplegie) sind häufig auch die Gesichts- und Zungenmuskulatur (Faszialparese) der gelähmten Seite betroffen. Dies kann sich in eingeschränkter Mimik und Sprachstörungen äußern. Die Wahrnehmung von Reizen wie Temperatur, Schmerz und Berührung kann gestört, vermindert oder nicht mehr vorhanden sein.
Die unvollständige Halbseitenlähmung (Hemiparese) kann sich in einer schlaffen oder starken Muskelspannung äußern und zu unkoordinierten oder überschießenden Bewegungen (Spastiken) führen. In manchen Fällen sind vor allem das Gesicht und/oder der Arm betroffen, während das Bein weniger beeinträchtigt ist, sodass es noch möglich ist, selbstständig mit oder ohne Hilfsmittel zu gehen. Häufig erschweren jedoch Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen die eigenständige Fortbewegung.
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Diagnose der Hemiplegie
Eine plötzlich auftretende Halbseitenlähmung ist immer ein Notfall und muss umgehend untersucht werden, um die ursächliche Erkrankung festzustellen. Auch bei einer Halbseitenlähmung, die sich schleichend über einen längeren Zeitraum entwickelt, suchen Experten der Neurologie zunächst nach der Ursache.
Die Diagnose beginnt mit einer ausführlichen Anamnese, in der die Vorgeschichte des Patienten erfasst wird. Anschließend werden Kraft, Reflexe und Spannung einzelner Muskelgruppen sowie die Feinmotorik geprüft. Laboruntersuchungen, Blutbild und eine Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion) können weitere Hinweise liefern.
Bildgebende Verfahren wie die Computer (CT)- oder die Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglichen es, die Hirnschädigung detailliert darzustellen.
- Computertomografie (CT): Darstellung der normalen Struktur und krankhafter Veränderungen oder Verletzungen im Schädelbereich.
- Magnetresonanztomografie/Kernspintomografie (MRT): Darstellung von Struktur und krankhaften Veränderungen im Hirngewebe und im Schädelbereich.
- Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT): Darstellung der Durchblutung und Stoffwechselaktivität in bestimmten Gehirnregionen während einer Aufgabe.
- Elektroenzephalografie (EEG): Darstellung der elektrischen Hirnaktivität mit hoher zeitlicher Auflösung.
Therapieansätze bei Hemiplegie
Die Behandlung der Hemiplegie zielt darauf ab, die Grunderkrankung zu behandeln und dieFunktionsfähigkeit der betroffenen Körperhälfte wiederherzustellen oder zu verbessern. Je nach Ursache und Schweregrad der Lähmung kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz.
Akutbehandlung
Nach einem Schlaganfall ist eine sofortige medikamentöse Therapie erforderlich, um Blutgerinnsel im Gehirn aufzulösen. Hierzu werden blutverdünnende Präparate eingesetzt. Liegt der Hemiparese eine entzündliche Erkrankung zugrunde, erfolgt deren medikamentöse Behandlung mit Virostatika oder Antibiotika, abhängig vom Erreger. Operative Maßnahmen können bei verletzungsbedingten Blutungen im Gehirn oder bei Tumoren erforderlich sein.
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Rehabilitation
Im Anschluss an die Akutbehandlung wird ein interdisziplinäres Rehabilitationsprogramm konzipiert, das darauf abzielt, die Bewegungsfähigkeit des Patienten zu verbessern oder wiederherzustellen. Die Rehabilitation sollte so früh wie möglich beginnen, idealerweise innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Ereignis. Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Chancen, die Lähmung zu lindern und den weiteren Verlauf positiv zu beeinflussen.
Das Rehabilitationsteam besteht aus Spezialisten der Neurologie, Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Pflege. Gemeinsam wird ein individuelles Rehabilitationsprogramm erstellt, das auf die spezifischen Beeinträchtigungen des Patienten zugeschnitten ist.
Physiotherapie
Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Rehabilitation von Hemiplegie-Patienten. Durch gezielte Übungen wird die Muskulatur trainiert, um die Beweglichkeit, den Gleichgewichtssinn und die Koordination zu verbessern. Klassische Physiotherapie-Schulen wie Bobath oder PNF werden nicht ausdrücklich empfohlen, aber das Bobath-Konzept kann bei vielen Patienten eine Anbahnung angepasster beidseitiger Bewegungsabläufe, eine Normalisierung des Muskeltonus und der Wahrnehmung der eigenen Körperfunktionen sowie die Wiederherstellung einer intakten Mund-, Schluck-, Zungen- und Gesichtsmotorik bewirken. Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen ist ein "Zirkeltraining" denkbar, bei dem auch passive mechanische Trainingsgeräte und virtuelle Realitäts-Anwendungen zum Einsatz kommen können.
Ergotherapie
In der Ergotherapie steht das Trainieren der Feinmotorik im Vordergrund, damit alltägliche Handlungen geübt und dadurch ein gewisses Maß an Selbständigkeit wiedererlangt werden kann. Ergotherapeuten entwickeln maßgeschneiderte Behandlungspläne, die auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Patienten zugeschnitten sind. Ziel ist es, die Funktionsfähigkeit der betroffenen Körperhälfte zu verbessern und alltägliche Aktivitäten wie Anziehen, Essen und Hygiene wieder zu erlernen.
Logopädie
Wenn die Gesichtsmuskulatur betroffen ist, ist das Training der Lippen- und Zungenmuskulatur besonders wichtig, um die Schluck- und Sprechfunktion zu verbessern. Eine intensive logopädische Betreuung ermöglicht den Patienten, die Lippen- und Zungenmuskulatur wieder gezielt zu nutzen, um Laute zu bilden und sich sprachlich verständigen zu können.
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Weitere Therapieansätze
- Arm-Basis-Training: Wiederholtes Üben der Bewegungsfähigkeit in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern.
- Arm-Fähigkeits-Training: Tägliches Trainieren von Präzision und Geschwindigkeit ("Geschicklichkeit") bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen an der individuellen Leistungsgrenze.
- Bewegungsinduktionstherapie (Constraint induced movement therapy, CIMT): Spezielle Therapie für Schlaganfall-Betroffene mit einem "erlernten Nicht-Gebrauch" des betroffenen Arms.
- Spiegeltherapie: Der Patient betrachtet im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand, wodurch der Eindruck entsteht, dass sich die gelähmte Hand normal bewegt.
- Mentales Training: Verbesserung der Armfunktion durch mentale Vorstellung von Bewegungen.
- Neuromuskuläre Elektrostimulation: Elektrische Stimulation von Nerven und Muskeln am Arm, um eine Bewegung zu erzeugen.
- Arm-Therapie-Roboter: Mechanische Unterstützung von Schulter-, Ellenbogen-, Unterarm-, Handgelenks- oder Fingerbewegungen.
- Sensible Stimulation: Verschiedene Formen der sensiblen Stimulation können als Zusatztherapie zur Behandlung von Armlähmungen erwogen werden.
- Botulinumtoxin-Injektionstherapie: Entspannung der Muskulatur bei Spasmen, um spastische Schübe zu lindern und ergotherapeutische Maßnahmen zu erleichtern.
- Psychotherapeutische Begleitung: Abbau von Ängsten oder Unsicherheiten, Aufbau von Selbstvertrauen und Vorbeugung oder Behandlung von Depressionen.
Hilfsmittel
Orthopädische Hilfsmittel wie Orthesen können die Beweglichkeit und Stabilität verbessern. Auch Anpassungen im häuslichen Umfeld und spezielle Hilfsmittel können die Selbstständigkeit im Alltag erhöhen.
Prognose
Die Prognose bei Hemiplegie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Ursache und Schwere der Hirnschädigung, dem Alter und Gesundheitszustand des Patienten sowie der Art und Intensität der Therapie. Je früher mit der Rehabilitation begonnen wird und je intensiver die Therapie durchgeführt wird, desto besser sind die Chancen auf eine Verbesserung derFunktionsfähigkeit und eineSteigerung der Lebensqualität.
Viele Patienten mit Hemiplegie können durch gezielte Therapie ihre Beweglichkeit und Selbstständigkeit deutlich verbessern und ein weitgehend normales Leben führen.
Die Rolle der Neuroplastizität
Ein wichtiger Aspekt bei der Therapie der Hemiplegie ist die Neuroplastizität des Gehirns. Diese Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu heilen und neue Nervenzellenverbindungen herzustellen, wird genutzt, um Funktionen von gesunden Bereichen des Gehirns übernehmen zu lassen, die beispielsweise aufgrund eines Schlaganfalls beschädigt wurden. Die Neuroplastizität muss dafür jedoch aktiviert werden, was durch wiederholte Bewegungen und Abläufe geschieht.
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