Hepatitis E ist eine Leberentzündung, die durch das Hepatitis-E-Virus (HEV) verursacht wird. HEV ist ein RNA-Virus aus der Familie der Hepeviridae und wird in verschiedene Genotypen und Subtypen unterteilt. Während die Erkrankung in vielen Fällen asymptomatisch oder mit milden Symptomen verläuft, können insbesondere Risikogruppen schwere Verläufe entwickeln. In Deutschland und anderen Industrieländern hat die Zahl der gemeldeten Hepatitis-E-Fälle in den letzten Jahren zugenommen, was auf eine erhöhte Aufmerksamkeit und verbesserte Diagnostik zurückzuführen ist.
Epidemiologie und Übertragungswege
HEV ist weltweit verbreitet, wobei die Epidemiologie und Klinik je nach Region und Genotyp variieren. In Deutschland und anderen Industrieländern ist hauptsächlich der HEV-Genotyp 3 endemisch. Haus- und Wildschweine stellen hier das wichtigste tierische Reservoir dar. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich zoonotisch durch den Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- oder Wildfleisch. Kontaminierte Blutprodukte können ebenfalls eine Infektionsquelle darstellen, während eine direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragung selten ist. In Entwicklungsländern mit mangelnder Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene sind die Genotypen 1 und 2 verbreitet, die durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen werden.
Symptome und Verlauf der Hepatitis E
Die Infektion mit dem in Deutschland vorkommenden HEV-3 verläuft überwiegend asymptomatisch. Symptomatische Infektionen sind in der Regel akut, selbstlimitierend und oft ohne Gelbsucht (Ikterus) mit milden gastrointestinalen oder allgemeinen Symptomen. Zu den typischen Symptomen einer infektiösen Hepatitis gehören Ikterus, Dunkelfärbung des Urins, Entfärbung des Stuhls, Fieber, Oberbauchbeschwerden, Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Es wurden jedoch auch atypische Krankheitszeichen beschrieben, insbesondere neurologische Manifestationen.
Neurologische Manifestationen der Hepatitis E
Neben den typischen Leberfunktionsstörungen können bei einer Hepatitis-E-Infektion auch neurologische Symptome auftreten. Eine kausale Beziehung zwischen Hepatitis E und neurologischen Symptomen wird für folgende Krankheitsbilder angenommen:
- Neuralgische Schulteramyotrophie: Hierbei handelt es sich um eine schmerzhafte Erkrankung des Plexus brachialis, die zu Muskelschwäche und -schwund im Schulterbereich führt. Die neuralgische Schulteramyotrophie tritt häufig bilateral auf.
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Das GBS ist eine akute, entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems, die zu Muskelschwäche und Lähmungen führen kann.
- Enzephalitis/Myelitis: Hierbei handelt es sich um Entzündungen des Gehirns bzw. des Rückenmarks, die mit einer Vielzahl neurologischer Symptome einhergehen können.
In Einzelfällen wurden bei Hepatitis-E-Infektionen auch andere neurologische Beschwerden beobachtet.
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Ursachen und Pathomechanismen
Der genaue Pathomechanismus, der zu den neurologischen Manifestationen der Hepatitis E führt, ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass Autoimmunphänomene eine Rolle spielen könnten. Virusinfektionen können Autoimmunreaktionen auslösen, bei denen das Immunsystem körpereigene Strukturen angreift. Kürzlich wurde gezeigt, dass Patienten mit Autoimmunhepatitis signifikant häufiger Antikörper gegen das Hepatitis-E-Virus aufweisen als gesunde Kontrollen. Es ist jedoch unklar, ob HEV tatsächlich die Autoimmunhepatitis auslöst oder ob es sich um Fehldiagnosen handelt.
Risikogruppen
Bestimmte Personengruppen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe und Komplikationen einer Hepatitis-E-Infektion, einschließlich neurologischer Manifestationen:
- Schwangere: Insbesondere im letzten Schwangerschaftsdrittel kann eine HEV-Infektion (vor allem mit Genotyp 1) zu fulminanten Hepatitiden mit hohen Todesraten führen.
- Immunsupprimierte Personen: Bei Transplantatempfängern, Patienten mit unbehandelter HIV-Infektion/AIDS oder während und nach Chemotherapie kann es zu chronischen Hepatitis-E-Virusinfektionen kommen, die oft zu einer Leberzirrhose führen können.
Diagnose
Bei Patienten mit Hepatitis unklarer Genese sollte differenzialdiagnostisch an Hepatitis E gedacht und eine entsprechende Diagnostik initiiert werden. Es gibt serologische und molekulargenetische Verfahren zum Nachweis einer HEV-Infektion.
- Serologische Tests: Der Nachweis von Anti-HEV-IgM im Serum deutet auf eine frische HEV-Infektion hin. Anti-HEV-IgG zeigt eine früher abgelaufene Infektion an. Es ist wichtig, Nachweisverfahren zu verwenden, die Antikörper gegen HEV des in Deutschland vorkommenden Genotyps 3 mit ausreichender Empfindlichkeit erfassen.
- Molekulargenetische Tests: Der Nachweis von HEV-RNA (z.B. mittels PCR) im Blut oder Stuhl ermöglicht den direkten Erregernachweis.
Bei Patienten unter Immunsuppression ist die serologische Diagnostik der Hepatitis E unzuverlässig. Hier sollte der Erregernachweis mittels NAT in Erwägung gezogen werden, da das Risiko einer persistierenden oder chronischen HEV-Infektion mit rapider Progression zur Leberzirrhose besteht.
Therapie
Eine akute Hepatitis E bei immunkompetenten Personen erfordert meist keine spezielle Therapie. Sie heilt in der Regel von selbst aus. Bei bestehender Lebervorschädigung oder bei Schwangeren besteht ein erhöhtes Risiko für einen fulminanten Verlauf, der im Krankenhaus behandelt werden muss.
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Bei chronischer HEV-Infektion sollte eine Viruselimination angestrebt werden, um eine verlängerte Ausscheidungsdauer und weitere Zerstörung des Leberparenchyms zu verhindern. Ist eine Reduzierung der Immunsuppression nicht möglich oder erfolgreich, so kommt eine antivirale Behandlung (z.B. mit Ribavirin) in Betracht.
Prävention
Zur Vorbeugung einer Hepatitis-E-Infektion sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:
- In Deutschland und anderen Ländern mit Vorkommen des Genotyps 3 und 4 sollten Produkte von Schwein und Wild (z.B. Wildschwein, Reh und Hirsch), insbesondere Innereien, nur durchgegart verzehrt werden. Das Durchgaren bzw. Erhitzen auf ≥ 71°C über mindestens 20 Minuten inaktiviert das Virus.
- Im Rahmen einer ambulanten Behandlung ist zur Vermeidung des Risikos einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung auf eine gute persönliche Hygiene hinzuweisen.
- In Risikogebieten sollte der Verzehr von nicht abgekochtem Leitungswasser (u.a. auch Eiswürfel) vermieden werden. Außerdem sollten nur ausreichend erhitzte Speisen verzehrt werden.
Ein Impfstoff gegen das Hepatitis-E-Virus ist in China verfügbar, in Deutschland jedoch bisher nicht zugelassen.
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