Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie Typ 2: Ursachen, Symptome und Therapie

Die hereditäre motorisch-sensible Neuropathie (HMSN), auch bekannt als Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT), umfasst eine Gruppe von erblichen neurologischen Erkrankungen, die durch Schädigung der peripheren Nerven gekennzeichnet sind. Die HMSN sind die am häufigsten auftretenden erblichen neurologischen Erkrankungen, die in unterschiedlichen Ausprägungen bereits 1886 von Jean-Martin Charcot, Pierre Marie und Howard Tooth (daher auch Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung) sowie 1893 von Déjérine und Sottas beschrieben wurden.

Die hereditäre motorisch-sensible Neuropathie Typ 2 (HMSN2) ist eine axonale Form dieser Erkrankung. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten von HMSN2.

Was ist HMSN2?

HMSN2 ist eine Form der HMSN, bei der primär die Nervenfaser (Axon) betroffen ist und abstirbt. Im Unterschied zur HMSN1 ist die Sensibilität oft wenig beeinträchtigt, insbesondere die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten sind normal oder nur gering verzögert (> 40 m/s). Als HMSN II (CMT2) wird der neuronale Typ der hereditären motorisch-sensiblen Neuropathie bezeichnet. Hierbei finden sich morphologisch Zeichen einer axonalen Degeneration, Zwiebelschalenformationen oder Zeichen einer Demyelinisierung fehlen. Der Erbgang ist auch bei dieser Form autosomal-dominant, nur sehr selten rezessiv (AR-CMT). Klinisch unterscheidet sich der Typ II nicht vom Typ I, der Verlauf ist eher noch langsamer.

Ursachen von HMSN2

Genetische Mutationen

Die Ursachen für HMSN2 sind Mutationen in verschiedenen Genen. Die CMT2A2 folgt einem autosomal dominanten Erbgang. Ursachen sind Mutationen des Gens MFN2 (Mitofusin 2). MFN2 liegt auf Chromosom 1p36.2 und besteht aus 17 kodierenden Exons. HäufigkeitMFN2-Mutationen lassen sich bei 10-20 % der Patienten mit einer axonalen CMT-Neuropathie nachweisen. Sie stellen damit die häufigste Ursache einer axonalen Form dar. Mutationen des Mitofusin 2-Gens auf dem Chromosom 1 (1q23 bzw. 1p35) oder auf Chromosom 3 (3q13-22) oder 7 (7p14) sind die häufigste Ursache (Verhoeven et al. 2006).

Erbgang

Die meisten Typen des Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndroms werden in der Regel autosomal-dominant (nicht vom Geschlecht abhängig) vererbt. Das bedeutet, dass die Krankheit auch auftritt, wenn das entsprechende Gen vom anderen Elternteil gesund ist. Einige Formen können jedoch rezessiv (d. h. es sind zwei Gene erforderlich, eines von jedem Elternteil) oder auch geschlechts-(X)-gebunden vererbt werden. Bei der geschlechtsgebundenen Vererbung liegt das Gen auf dem X-Chromosom. Dieses Chromosom bestimmt, ob eine Person männlich oder weiblich ist. Männer verfügen über ein X-Chromosom (von ihrer Mutter) und ein Y-Chromosom (von ihrem Vater). Frauen haben zwei X-Chromosomen (eines von der Mutter und eines vom Vater). Wenn ein Mann ein X-Chromosom mit dem veränderten Gen erbt, entwickelt sich die Krankheit. Wenn eine Frau ein verändertes X-Chromosom erbt, wird sie die Krankheit wahrscheinlich nicht entwickeln, da sie auch ein normales (unverändertes) X-Chromosom geerbt hat.

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Symptome von HMSN2

Die Symptome der HMSN2 können in ihrer Ausprägung variieren, sowohl zwischen verschiedenen Familien als auch innerhalb derselben Familie. Erstmanifestation und Verlauf der Erkrankung können - auch intrafamiliär - sehr variabel sein, wodurch klinisch und elektrophysiologisch nicht immer eine familiäre Belastung erkennbar sein muss.

Typische Symptome

Typische Symptome der HMSN sind Muskelschwäche beziehungsweise Lähmungen (Paresen) in den Extremitäten und Muskelschwund (Atrophie), meist beginnend in Fuß und Unterschenkel. Die Unterschenkel verlieren aufgrund des Muskelabbaus an Masse und es kommt zu sogenannten Storchenbeinen. Auch die oberen Extremitäten können betroffen sein, insbesondere die kleinen Handmuskeln.

Sensorische und autonome Störungen

Aufgrund zahlreicher beteiligter Nerven können Empfindungs- sowie Durchblutungsstörungen (sensorische, autonome, vegetative Störungen) auftreten.

Zusätzliche Symptome

Zusätzlich kann eine Optikusatrophie bzw. ein Visusverlust auftreten, der sich in Einzellfällen zurückbilden kann. Aufgrund dieser zusätzlichen Symptomatik wird die Erkrankung auch als HMSN Typ 6 bezeichnet.

Verlauf

Die langsam progrediente, primär axonale Neuropathie beginnt meist in der 1.-2. Im Unterschied zur HMSN1 ist die Sensibilität wenig beeinträchtigt, insbesondere die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten sind normal oder nur gering verzögert (> 40 m/s).

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Diagnose von HMSN2

Die Diagnose von HMSN2 basiert auf einer Kombination verschiedener Faktoren:

  • Klinische Untersuchung: Welche Bereiche des Körpers geschwächt sind. Wann die Erkrankung eingesetzt hat. Ob Familienangehörige ähnliche Symptome haben. Auch wird überprüft, ob die Patienten Fußdeformationen haben (Hohlfuß und Hammerzehe). Diese Informationen können dazu beitragen, die verschiedenen Typen des Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndroms voneinander und von anderen Neuropathien zu unterscheiden.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Zur Absicherung der Diagnose werden eine Elektromyographie und Messungen der Nervenleitungsgeschwindigkeit durchgeführt.
  • Genetische Tests: Es stehen Gentests und Beratung beim Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom zur Verfügung.

Therapie von HMSN2

Es gibt derzeit keine Heilung für HMSN2, aber verschiedene Therapieansätze können helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Konservative Therapie

  • Physiotherapie: Oft sind Physio- (zur Muskelkräftigung) und Ergotherapie sinnvoll. Physiotherapie ist eine der wichtigsten symptomatischen Behandlungen der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung. Bewegungstherapie mit passiver Mobilisierung der befallenen Glieder dient dem Training der nicht befallenen Muskeln und der Vermeidung von Fehlstellungen von Gelenken. Vorsichtige Massage und Wassergymnastik gehören ebenso dazu wie Atemtraining. Überanstrengung der Muskulatur soll dabei vermieden werden.
  • Ergotherapie: Häufig ist das wichtigste Ziel für Patienten mit CMT der Erhalt von Bewegung, Muskelkraft und Flexibilität. Daher wird ein interprofessioneller Teamansatz mit Ergotherapie, Physiotherapie (PT), Orthopädietechniker, Podologe, Neurologe und/oder Orthopäde empfohlen.
  • Orthopädische Hilfsmittel: Mit Schienen kann die Spitzfußstellung korrigiert werden, manchmal ist eine orthopädische Operation zur Stabilisierung des Fußes erforderlich. Ein Orthopädietechniker kann Ganganomalien behandeln, indem er die Verwendung von Orthesen verschreibt. Orthesen mit den dazu passenden Funktionselementen helfen bei der Kontrolle von Fußheber- und Knöchelinstabilität. Sie helfen bei der Aktivierung des Vorfußhebels und ermöglichen dadurch ein besseres Gleichgewichtsgefühl beim Stehen und Gehen, ohne dabei die Mobilität und die Dynamik des Knöchelgelenkes einzuschränken.

Chirurgische Therapie

Fußdeformationen können operativ korrigiert werden. Auch kommen eventuell operative Eingriffe in Frage, z.B. wenn bei Hammerzehen die Gefahr einer Geschwürbildung am Grosszehenballen besteht oder wenn durch Überwiegen der Fuss- und Zehenheberschwäche eine Verrenkungsstellung des Fusses in Einwärtsdrehung droht. Schliesslich können unter Umständen auch Gelenkversteifungsoperationen nützlich sein. Der Entschluss zu solchen Eingriffen muss in jedem Fall sehr genau überlegt werden.

Medikamentöse Therapie

Bislang gibt es keine Medikamente, die spezifisch für die Behandlung von HMSN2 zugelassen sind. Allerdings können Medikamente zur Linderung von Schmerzen und neuropathischen Beschwerden eingesetzt werden.

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