Periphere Neuropathien, auch Polyneuropathien (PNP) genannt, umfassen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die periphere motorische, sensorische und autonome Nerven betreffen. Es gibt infektiöse, immunvermittelte, metabolische, toxische, vaskuläre, genetische und idiopathische Formen. Die klinischen Bilder weisen Überschneidungen auf, und es können auch Kombinationen verschiedener Krankheitsmechanismen auftreten.
Einführung
Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der die Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks geschädigt sind. Dies kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die von Empfindungsstörungen über Schmerzen bis hin zu Lähmungen reichen. Die Ursachen für Polyneuropathien sind vielfältig und reichen von erblichen Faktoren bis hin zu erworbenen Erkrankungen.
Überblick über hereditäre Neuropathien
Zu den erblichen Formen peripherer Nervenschädigungen gehören die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT; auch hereditäre motorisch-sensible Neuropathie, HMSN), die hereditären sensorischen und autonomen Neuropathien (HSAN; auch hereditäre sensible Neuropathie, HSN), die hereditären motorischen Neuropathien (HMN) und die Small-Fiber-Neuropathie (SFN). Insgesamt sind Mutationen in deutlich über 100 Genen als Ursache hereditärer Neuropathien und differenzialdiagnostischer Erkrankungen beschrieben. Unterschieden werden autosomal-dominant, autosomal-rezessiv sowie X-chromosomal vererbte Formen. Auch erbliche Mitochondriopathien können als periphere Neuropathie imponieren. Mit dem Einsatz der Hochdurchsatzsequenzierung („next generation sequencing“, NGS) in der Erforschung von Neuropathien erhöht sich die Zahl ursächlich bekannter Gendefekte stetig.
Häufigkeit hereditärer Neuropathien
Die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT), auch hereditäre motorische und sensorische Neuropathie (HMSN) genannt, ist die häufigste Form der hereditären Neuropathien mit einer Prävalenz von ca. 1:2.500. In Abgrenzung zur CMT sind die rein motorischen und rein sensiblen Neuropathien zu sehen, u.a. die hereditären distal motorischen Neuropathien (dHMN) und hereditären sensiblen Neuropathien (HSN) oder mit (autonomer Beteiligung) HSAN. Eine Sonderform ist die HNPP (hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckparesen).
Diagnostischer Ansatz bei hereditären Neuropathien
Der Artikel hat deshalb das Ziel, bei zunehmender Komplexität der Genetik von Neuropathien einen Algorithmus für die molekulargenetische Diagnostik vorzuschlagen. Auch wenn eine kausale Therapie hereditärer Neuropathien bislang in aller Regel nicht existiert, ist die Kenntnis der Erkrankungsursache für viele Patienten eine Entlastung, beendet eine weitere Suche nach möglichen Auslösern und lässt konkrete Rückschlüsse auf mögliche Risiken für eigene Kinder und weitere Familienangehörige zu.
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Klinik hereditärer Neuropathien
Symptomatik und Verlauf
Das klinische Erscheinungsbild der CMT zeichnet sich durch progrediente distal-symmetrische Paresen, Muskelatrophien und Sensibilitätsstörungen aus. Im Vergleich zu den häufig sensibel betonten, erworbenen Neuropathien stehen meist motorische Defizite mit Verlust der Muskeleigenreflexe, Fußheberschwäche, Hohlfüßen und Krallenzehen im Vordergrund. Die Erkrankung kann mit neuropathischen Schmerzen, einer Skoliose, Skelettdeformitäten, Schwerhörigkeit, kognitiven Defiziten, Tremor, Sprech- und Schluckstörungen, Atemproblemen oder strukturellen Zentralnervensystem-Veränderungen einhergehen. Häufig sind die langen Beinnerven früher und ausgeprägter betroffen als die Armnerven. Vor allem bei schweren autosomal-rezessiv vererbten CMT-Formen beginnt die Erkrankung oft bereits im Kindesalter.
Bei den HSN beziehungsweise HSAN kann ein Verlust des Schmerzempfindens mit der Folge von Verletzungen und schmerzlosen Frakturen klinisch im Vordergrund stehen. Je nach Unterform treten autonome Symptome wie Herzrhythmus-, Verdauungs- oder Schweißsekretionsstörungen auf. Die Häufigkeitsangaben zu den einzelnen Begleitsymptomen sind nur unvollständig, da diese Erkrankungsgruppe selten auftritt. Die Small-Fiber-Neuropathie (SFN) äußert sich bei einer vorwiegenden Degeneration kleiner unmyelinisierter Schmerzfasern (C-Fasern) und Aδ-Fasern demgegenüber mit brennenden, zum Teil periodischen Schmerzen. Bei hereditären Neuropathien ohne wesentliche sensible Beteiligung spricht man von einer meist distal betonten HMN oder auch distalen spinalen Muskelatrophie (dSMA).
Elektrophysiologie
Nach dem Muster der Schädigung lassen sich CMT-Erkrankungen in folgende Formen einteilen:
- demyelinisierend: Schädigung der Myelinscheide; CMT1, motorische Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) der Armnerven < 38 m/s
- axonal: primäre Schädigung des Axons; CMT2, motorische NLG der Armnerven > 38 m/s
- intermediär: Mischformen der Schädigung; motorische NLG der Armnerven 25-45 m/s.
Häufig sind bei einer hereditären Neuropathie die elektrophysiologischen Veränderungen schon im jungen Erwachsenenalter deutlich ausgeprägt. Bei der Small-Fiber-Neuropathie (SFN) fällt die konventionelle Neurographie durch Aussparung der myelinisierten, schnell leitenden Nervenfasern oft unauffällig aus. Der Nachweis einer reduzierten intraepidermalen Nervenfaserdichte in einer Hautbiopsie kann die Diagnose einer SFN untermauern.
Weitere Diagnostik
Ein junges Manifestationsalter und eine positive Familienanamnese stützen den Verdacht auf eine hereditäre Neuropathie, erfordern jedoch trotzdem die gründliche Ausschlussdiagnostik von metabolischen, nutritiv-toxischen, infektiösen und inflammatorischen beziehungsweise auto-immunologischen Ursachen. Neben einer Liquordiagnostik sollten laborchemisch Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), Kreatinin, adultes Hämoglobin der Fraktion 1c (HbA1c), „carbohydrate deficient transferrin“, antinukleäre Antikörper (ANA), Anti-Neutrophilen-Cytoplasma-Antikörper (ANCA) sowie Vitamin B12 bestimmt werden. Zudem sollten eine Immunfixation und Eiweißelektrophorese durchgeführt werden. In der Nervensonografie zeigen sich bei einigen hereditären Neuropathien verdickte Nerven. Eine Kernspintomografie des Muskels kann als sensitiver und objektiver Verlaufsparameter zur Darstellung distaler Muskelatrophien dienen.
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Nervenbiopsie
Die Indikation einer Nervenbiopsie (Nervus suralis) ist vor allem dann zu diskutieren, wenn differenzialdiagnostisch behandelbare nichterbliche Neuropathien erwogen werden. Dazu zählen Entzündungen wie die Vaskulitis und die Perineuritis sowie atypische Fälle von Neuritis (chronisch-inflammatorische demyelinisierende oder axonale Neuropathie, CIDP beziehungsweise CIAP), der Befall der Nerven durch ein Lymphom und die Amyloid-Neuropathie. Nerven- und Hautbiopsien aufzuarbeiten, ist aufwendig und umfasst neben der konventionellen Paraffinschnitt-Histologie spezielle immunhistochemische und elektronenmikroskopische Methoden. Die Untersuchung sollte daher in spezialisierten Zentren erfolgen.
Besonderheiten im Kindesalter
Die autosomal-rezessiv erblichen Erkrankungen mit frühem Beginn werden häufig auch unter dem Begriff der CMT4 zusammengefasst. Im Kindesalter ist die Symptomatik allerdings häufig weniger charakteristisch und die elektrophysiologische Diagnostik nicht richtungsweisend.
Da eine frühmanifeste Neuropathie zudem auch Teilsymptom einer übergeordneten Erkrankung sein kann, ist eine umfangreiche Differenzialdiagnostik erforderlich. In einigen Fällen finden sich aber charakteristische Zusatzsymptome, die die Diagnosefindung erleichtern. Komplexe klinische Bilder mit einer Neuropathie als Teilsymptom finden sich beispielsweise beim Anderman-Syndrom (Balkenagenesie und mentale Retardierung) oder der Riesenaxonneuropathie (auffällig krauses Haar und erhebliche mentale Retardierung). Weitere autosomal-rezessiv vererbte Neuropathien mit Beginn im Kindesalter betreffen mitochondriale Störungen, wie zum Beispiel Mutationen in COX6A1 (Komponente des Komplex-IV der Atmungskette) oder SURF1 (zerebrale Laktatazidose und Diffusionsstörungen in der Magnetresonanztomografie [MRT]/Leigh-Syndrom durch kombinierten Atmungskettendefekt). Folgende metabolische und neurodegenerative Erkrankungen gehen mit einer Beteiligung des peripheren Nervensystems einher:
- Morbus Refsum
- Metachromatische Leukodystrophie
- Morbus Krabbe
- Adrenomyeloneuropathie
- Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung
- Lowe-Syndrom
- Hereditäre Ataxien (zum Beispiel Friedreich-Ataxie).
Molekulargenetische Diagnostik
Einzelgenanalyse
Bei Verdacht auf eine demyelinisierende CMT sollte als erster diagnostischer Schritt die Kopienzahl des PMP22-Gens bestimmt werden. Bis zu 70 % der Patienten mit einer familiären CMT1 weisen eine Duplikation des PMP22-Gens auf. Umgekehrt findet sich bei einer hereditären Neuropathie mit Neigung zu Druckläsionen (HNPP) häufig eine Deletion des entsprechenden Genabschnitts. Deletionen des PMP22-Gens werden zudem gelegentlich bei Patienten mit einer CMT2 nachgewiesen, sodass es durchaus sinnvoll ist, auch bei einer axonalen Neuropathie zunächst eine entsprechende Untersuchung durchzuführen. Ergeben sich Hinweise auf einen X-chromosomalen Erbgang in einer Familie (CMTX), zum Beispiel bei fehlender Vater-Sohn-Vererbung und schwererem Verlauf bei männlichen Betroffenen, sollte zunächst das GJB1-Gen inklusive seiner genregulatorischen Abschnitte überprüft werden. Bei primärer Beteiligung der kleinen Fasern im Sinne einer SFN und histologisch nachgewiesener reduzierter intraepidermaler Nervenfaserdichte lässt sich in 10-30 % durch Analyse der für die spannungsgesteuerten Natriumkanäle codierenden Gene SCN9A, SCN10A und SCN11A eine kausale Mutation nachweisen. Bei anderen Formen der CMT oder HSAN beziehungsweise HMN ist die Gesamtaufklärungsrate durch gezielte Testung einzelner Gene wesentlich geringer und eine NGS-Panel-Diagnostik als erster Schritt in der Regel zielführender.
„Next generation sequencing“-basierte Testung
Die NGS-Panel-Diagnostik zur genetischen Abklärung einer peripheren Neuropathie hat mittlerweile Einzug in die Klinik gehalten. Bei der Panel-Diagnostik von Neuropathien wird eine Vielzahl ursächlicher Gene parallel sequenziert und beurteilt. Die gleichzeitige Analyse vieler Neuropathie-Gene begründet sich darin, dass Mutationen des einzelnen Gens bis auf die oben genannten Ausnahmen jeweils nur einen kleinen Anteil an der Gesamtmutationsrate ausmachen und eine zeitlich aufeinanderfolgende Untersuchung einzelner Gene deshalb wenig zielführend ist. Die Aufnahme von NGS-basierter Diagnostik in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erlaubt zurzeit den beschränkten Einsatz in der Routinediagnostik (25 Kilobasen codierender Sequenz pro Krankheitsfall). Für die außerordentlich hohe Zahl infrage kommender Gene bei einer Neuropathie ist dies ein erster wichtiger Schritt, jedoch aus medizinischer Sicht nicht hinreichend. Das Gleiche gilt für die Diagnostik von Neuropathien im Kindesalter; auch wenn hier Mutationen im SH3TC2-, MPZ- oder PRX-Gen gehäuft vorkommen.
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Bei der schnell steigenden Zahl neuer krankheitsassoziierter Gene sowie Überlappungen zu anderen Erkrankungen ist nach ausführlicher Aufklärung der Patienten sowie vor dem Hintergrund sinkender Kosten aus diagnostischer Sicht zunehmend die Exom-Sequenzierung, das heißt die parallele Sequenzierung aller circa 23 000 Gene des Menschen, ein zielführender diagnostischer Schritt. Diese Maßnahme unterliegt jedoch aktuell der Einzelfallentscheidung durch die Krankenkassen und wird bislang nur selten bewilligt. Bei einer genetischen Beratung muss im Vorfeld einer umfassenden molekularen Analyse insbesondere über möglicherweise erhobene Zusatzbefunde der NGS-Diagnostik, die beispielsweise erbliche Tumorrisiken oder Prädispositionen für andere spätmanifeste Erkrankungen betreffen, aufgeklärt werden. Der Umgang mit Zusatzbefunden und eine daraus gegebenenfalls abzuleitende Mitteilungspflicht ist augenblicklich Gegenstand intensiver Debatten. Hierzu wird auch auf die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik verwiesen oder das „Policy Statement of the American College of Medical Genetics and Genomics“.
Umgang mit unklaren genetischen Varianten
Jedes menschliche Genom beinhaltet circa 30 Millionen genetische Varianten („single nucleotide polymorphism“, SNP), ein Großteil davon kommt häufig in der Bevölkerung vor und hat keine klinische Bedeutung. Andere Varianten sind klar pathogen (Mutationen), während wieder andere zunächst als sogenannte Varianten von klinisch unklarer Bedeutung („variants of unknown clinical significance“, VUS) einzuordnen sind. Der Klasse der VUS kommt eine zentrale Bedeutung zu, da nicht selten mehrere infrage kommende, aber zunächst unklare Varianten innerhalb der analysierten Neuropathie-Gene detektiert werden. Diese müssen dann hinsichtlich ihrer möglichen Pathogenität beurteilt werden. Unter diesen Varianten könnte sich die krankheitsursächliche Veränderung befinden. Genauso könnten aber auch ausschließlich nichtpathogene Varianten vorliegen. Um eine Variante zu beurteilen, kommen neben der Literatursuche unter anderem bioinformatische Vorhersageprogramme zum Einsatz. Zudem wird die Häufigkeit der Varianten in der Allgemeinbevölkerung anhand von Datenbanken überprüft. Ebenso können Diskussionen mit Klinikern und der Nervenbiopsie-Befund dabei helfen, die pathogene Mutation zuzuordnen. In einigen Fällen kann auch eine Testung weiterer Familienangehöriger auf die Veränderung eine eindeutige Klärung verschaffen. In keinem Fall dürfen die entsprechenden Varianten aber zunächst genutzt werden, um nicht betroffene Familienangehörige prädiktiv zu testen. Zusammenfassend ist die NGS-Diagnostik als ein Instrument zu verstehen, das die Chance auf einen eindeutigen und damit diagnosesichernden Befund erhöht.
Bedeutung der genetischen Testung
Die Kritik an der Indikation zur genetischen Testung von Neuropathien und dem breiteren Einsatz einer NGS-Panel-Diagnostik bezieht sich zumeist auf das Argument der fehlenden Therapierbarkeit. Auch wenn die Therapie von Neuropathien bis auf wenige Ausnahmen symptomatisch bleibt, ist eine Abgrenzung von behandelbaren erblichen Formen wie der Transthyretin-Amyloidose oder dem Morbus Fabry wichtig. Es zeigt sich zudem vermehrt, dass typische neurophysiologische Zeichen einer inflammatorischen Neuropathie auch bei Patienten mit erblichen Neuropathien, zum Beispiel bei Mutationen in GJB1, SH3TC2, FIG4 oder SPTLC1, gefunden werden und dass bei einer hereditären Form nicht immer symmetrische Verteilungsmuster vorliegen müssen. Bei therapierefraktärer vermeintlich inflammatorischer Neuropathie sollte deshalb auch aufgrund differenzialdiagnostischer Erwägungen eine genetische Testung in Betracht gezogen werden.
Häufig wird zudem unterschätzt, dass durch die molekulare Diagnosesicherung auch eine meist lange, teure und für den Patienten belastende Suche nach der Ursache der klinischen Symptome beendet wird. Letzteres wird von vielen Patienten als sehr hilfreich im Umgang mit der Erkrankung empfunden. Indem die Diagnose gesichert wird, kann eine eindeutige Aussage zum Erbgang und damit eine Angabe zu möglichen Risiken für weitere Familienangehörige getroffen werden.
Idiopathische Neuropathien
Bei etwa jeder fünften erkrankten Person bleibt die Ursache der Polyneuropathie trotz umfassender Diagnostik unklar. In diesem Fall spricht die Medizin von einer idiopathischen Polyneuropathie.
Chronische idiopathische axonale Polyneuropathie (CIAP)
Die chronische idiopathische axonale PNP (CIAP) ist die häufigste Neuropathie im Alter. Klinisch ist sie definiert durch eine relativ milde und nur sehr langsam progrediente Klinik vor allem in Form distaler Sensibilitätsstörungen an den Beinen, einer milden sensiblen Ataxie und neuropathischer Schmerzen. Paresen fehlen, erlaubt ist per definitionem nur eine geringe Parese der Zehenextensoren. Bekannte Ursachen von Neuropathien müssen vor Diagnose einer CIAP ausgeschlossen werden. Zu beachten ist, dass vor allem Ursachen von Neuropathien mit ähnlichem Phänotyp abgeklärt werden, und nicht jede nur erdenkliche Ursache. In erster Linie müssen metabolische, toxische und systemische Faktoren ausgeschlossen werden. Es hat sich gezeigt, dass die CIAP häufiger mit einem metabolischen Syndrom assoziiert ist, was unter Umständen einen therapeutischen Ansatz bietet.
Therapie von Neuropathien
Bis dato sind für die hereditären Neuropathien noch keine medikamentösen Therapien bekannt. Eine Ausnahme ist die Neuropathie bei der hereditären ATTR-Amyloidose. Seit 2011 steht ein Molekülstabilisator (Tafamidis) zur Verfügung und seit 2018 Gene-Silencing-Therapien.
Bei schmerzhafter Neuropathie kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz: u.a. Pregabalin, Gabapentin, Amitryptilin, Duloxetin, Tramadol…
Supportiv stehen für die CMT-Neuropathien Physio- und Ergotherapie zur Verfügung, die regelmäßig und fortlaufend erfolgen sollten. Dies dient der Vermeidung sekundärer Komplikationen wie Muskel- und/oder Sehnenverkürzungen und daraus folgender Gelenkkontrakturen und Schmerzen. Bei klinisch häufig im Vordergrund stehender sensibler Gang- und Standataxie sowie diffuser Schwindelsymptomatik ist Physiotherapie mit integrierter Gangschulung und Gleichgewichtstraining einsetzbar.
Hilfsmittelversorgung und -optimierung sind fester Bestandteil in der Versorgung von Patienten mit Neuropathien, um die Mobilität, Selbstständigkeit in Alltag und Beruf zu unterstützen und zu erhalten.
Altersbedingte Veränderungen und Neuropathien
Die altersassoziierten Veränderungen des PNS können auch bei gesunden alten Menschen zu Symptomen und Zeichen führen, die denen einer Neuropathie entsprechen; so berichten 20 % der gesunden alten Menschen über Parästhesien oder Hypästhesien, 28 bzw. 21 % über Krämpfe oder Steifigkeit, beides vorwiegend in den Beinen. In der klinischen Untersuchung gesunder alter Menschen wurden ein abnormer Vibrationssinn in 71 % und ein fehlender Achillessehnenreflex in 38 % der Fälle gefunden. Abnormer Vibrationssinn und fehlender Achillessehnenreflex werden bei Gesunden ab dem 60. Lebensjahr beobachtet. Auch orthopädische Veränderungen wie Arthrosen oder Hallux valgus können die Gangunsicherheit einer Neuropathie vortäuschen, ebenso wie die altersbedingte Verschlechterung von Gleichgewicht, Sehen, Hören und zentraler Regulation der posturalen Kontrolle. All dies muss bei der Diagnose einer sensiblen Neuropathie im Alter bedacht werden.
Elektrophysiologische Untersuchungen werden vor allem zur pathophysiologischen Beurteilung von Neuropathien, aber auch zu deren Objektivierung eingesetzt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich die meisten Parameter der Elektroneurographie mit dem Alter verändern, vor allem nehmen die Amplituden der sensiblen, aber auch der motorischen Potenziale ab.
Das klinische Bild, der Krankheitsverlauf und die Therapie von Neuropathien sind im Alter und in jüngeren Jahren ähnlich.
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