(Frankfurt a. M., 1. Juli 2025) Das Herz und unser Gefühlsleben sind eng miteinander verbunden. Diese Verbindung spiegelt sich nicht nur in unserer Sprache wider, wenn wir sagen, dass das Herz „vor Freude hüpft“ oder „vor Schmerz bricht“. Aktuelle Studien liefern zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie Gehirn und Herz kommunizieren. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, den schädlichen Auswirkungen von Stress, Depressionen oder Angst auf die Herzgesundheit vorzubeugen.
Die Verbindung zwischen Herz und Gehirn
Unser Herz und unser Gehirn kommunizieren ständig miteinander. In Gefahrensituationen sorgen Signale aus dem Gehirn dafür, dass der Puls steigt. Umgekehrt sendet das Herz Informationen an das Gehirn und beeinflusst so unsere Wahrnehmung. Diese Kommunikation erfolgt über das autonome Nervensystem und Botenstoffe.
Das autonome Nervensystem, das sich nicht willentlich beeinflussen lässt, besteht aus Sympathikus und Parasympathikus. Diese beiden Nervensysteme werden vom Hirnstamm gesteuert und wirken als Gegenspieler. Der Sympathikus aktiviert uns und sorgt für körperliche Reaktionen auf Angriff und Flucht, indem er beispielsweise bei Bedrohung den Herzschlag beschleunigt und den Muskeltonus erhöht. Der Parasympathikus hingegen bringt uns zur Ruhe, verlangsamt die Atmung und lässt das Herz gemächlich schlagen. Im Idealfall halten sich Entspannung und Anspannung die Waage, wodurch der Herzschlag variabel bleibt und sich ständig der jeweiligen Situation anpasst. Eine hohe Herzratenvariabilität (HRV) gilt als Zeichen einer vitalen Herz-Hirn-Verbindung und somit von Gesundheit.
Der Vagusnerv: Eine Schlüsselrolle
„Ein zentraler Ansatzpunkt könnte dabei der Vagusnerv sein. Er transportiert Signale vom Gehirn zum Herzen“, berichtet Privatdozentin Dr. Cora Stefanie Weber, Chefärztin der Fachabteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der Klinik Henningsdorf, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin. „Der Vagusnerv gehört zum parasympathischen Nervensystem, das für die Entspannung zuständig ist.“ Der Vagusnerv, auch bekannt als „Entspannungsnerv“, wirkt beruhigend auf das gesamte System, einschließlich Herzschlag und Blutdruck. Eine gezielte Stärkung des Vagusnervs kann somit das Herz schützen.
Stress und seine Auswirkungen auf das Herz
Chronischer Stress kann das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus stören. Viele Menschen leiden heutzutage unter chronischem Stress, wodurch ihr sympathisches Nervensystem ständig überaktiv ist, was sie krank machen kann.
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Eine Messgröße zur Erkennung von Gefährdeten ist die Herzratenvariabilität (HRV). Sie misst die unterschiedlichen Abstände zwischen den Herzschlägen. Jüngere, herzgesunde Menschen und Sportler haben in der Regel eine hohe HRV. Bei körperlicher oder emotionaler Belastung wird der Sympathikus aktiviert, was die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Atemfrequenz steigen lässt. Diese Regulation funktioniert jedoch nicht bei jedem gleich gut. Mit dem Alter nimmt die HRV ab, da die Blutgefäße durch Ablagerungen verhärten und weniger elastisch werden.
Risikogruppen
Eine weitere Risikogruppe sind Menschen mit Angst- und Panikstörungen. Studien zeigen, dass sie ebenfalls ein signifikant erhöhtes Infarktrisiko haben. „Man nimmt an, dass es ihrem Gehirn nicht mehr gelingt, Angstreaktionen ausreichend zu unterdrücken, ihr Vagusnerv ist gehemmt und sie geraten so in chronischen Stress“, so Dr. Weber. Studien haben auch einen Zusammenhang mit der HRV festgestellt: Menschen mit hoher HRV (und damit einem aktiven Vagusnerv) haben laut Dr. Weber eine höhere emotionale Stabilität.
Psychokardiologie: Herz und Psyche gemeinsam behandeln
„Zahlreiche wissenschaftliche Studien machen deutlich, wie eng der Zusammenhang von Stress, aber auch Depressionen und Angsterkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Gesunde wie herzkranke Menschen sollten diesen Zusammenhang kennen, um gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung sowie Kardiologe und Ärztlicher Direktor am Agaplesion Bethanien Krankenhaus, Frankfurt am Main.
Tatsächlich hält die Psychokardiologie zunehmend Einzug in die kardiologische Rehabilitation. „Wir wissen aus Studiendaten und der täglichen Erfahrung mit belasteten Herzpatienten, wie wichtig psychotherapeutische Hilfen für sie sind“, sagt Dr. Weber. Studien belegen, dass herzkranke Menschen oft von psychotherapeutischen Maßnahmen profitieren: Depressivität, Angstsymptome, Stress und die Sterblichkeit an Herzkrankheiten nehmen ab.
Therapeutische Ansätze
Als Konsequenz rät Dr. Weber: „Patienten mit Angststörungen sollen für ihre meist unkontrolliert auftretenden dysfunktionalen Emotionen sensibilisiert werden und schrittweise eine bessere Kontrolle über ihr Leben erlangen. Dies ist im Rahmen einer psychosomatischen Fachbehandlung stationär, teilstationär und ambulant möglich. Fördert man das Wahrnehmen von Emotionen therapeutisch, lässt sich die Funktion des Herzens günstig beeinflussen!“, ist sie überzeugt.
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Insgesamt, so auch das Fazit des Kardiologen Prof. Voigtländer, „machen die Studiendaten deutlich, wie wichtig es, etwa in der kardiologischen Rehabilitation nach einem Herzinfarkt, ist, auch psychokardiologische Aspekte zu berücksichtigen“.
Wie das alternde Herz aus dem Takt gerät: Die Rolle von Nerven und Blutgefäßen
Jüngste Forschungsergebnisse des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration und des Cardio-Pulmonary Institute der Goethe-Universität geben neue Einblicke in die Alterungsprozesse des Herzens.
Mit zunehmendem Alter kommt es vor allem in der linken Herzkammer, die das Blut durch den Körperkreislauf pumpt, zu Veränderungen. Die Kammer wird größer und kann vernarben, was die Pumpfunktion beeinträchtigt. Die Studie "Ageing impairs the neuro-vascular interface in the heart" zeigt nun erstmals, dass es in der linken Herzkammer auch an der Schnittstelle von Blutgefäßen und Nervensystem im Alter zu Veränderungen kommt: Die Nerven bilden sich zurück. Dadurch fällt es dem Herzen schwerer, auf Belastungssituationen mit einer entsprechenden Erhöhung der Herzfrequenz zu reagieren.
Die Rolle von Semaphorin-3A
Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Stefanie Dimmeler und Dr. Julian Wagner widmete sich dem Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Blutgefäßen im Herzen. Es konnte nachweisen, dass sich in alten Herzen die Nerven zurückbilden. Ausgelöst wird diese Reaktion dadurch, dass Blutgefäße im Herzen mit zunehmendem Alter den Botenstoff Semaphorin-3A freisetzen, der das Wachstum und die Aussprossung von Nervenzellen im Herzmuskelgewebe hemmt. Die Folge der verringerten Nerven im Herzen ist, dass die Herzmuskelzellen nicht mehr von Impulsen der Nervenzellen „informiert“ werden, um beispielsweise bei Belastung einen schnelleren Herzschlag zu gewährleisten.
Eine zentrale Rolle für den Rückgang der Nervenzellen im Herzen scheinen alternde, sogenannte ‚seneszente‘ Zellen des Gefäßsystems zu spielen. Verhindert man experimentell die Anzahl dieser ‚seneszenten‘ Zellen durch gezielte Medikamente (sogenannte Senolytica), wachsen die Nervenzellen wieder nach, und das Herz gewinnt die autonome Kontrolle über die Pulsregulation zurück.
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Der Einfluss des Herzschlags auf Wahrnehmung und Vorurteile
Der Herzschlag beeinflusst nicht nur die Durchblutung des Gehirns, sondern auch die Verarbeitung von Wahrnehmungen. Menschen mit Herzschwäche leiden daher oft auch kognitiv, da die Nervenzellen auf eine ausreichende Versorgung durch das Herz angewiesen sind.
Forscher haben herausgefunden, dass sich mit dem Herzzyklus auch die Hirnaktivität verändert. Während der systolischen Phase, in der sich das Herz zusammenzieht und Blut in den Körper pumpt, ist ein entscheidender Teil der Hirnaktivität unterdrückt, die sogenannte P300-Komponente. Diese Komponente kennzeichnet normalerweise den Übergang ins Bewusstsein. Wird sie unterbunden, wird die eintreffende Information nicht bewusst wahrgenommen. Das Gehirn scheint also zu erkennen, dass die durch den Puls hervorgerufenen Veränderungen im Körper nur eine Reaktion auf den regelmäßig wiederkehrenden Herzschlag sind und nicht auf eine veränderte Umgebung.
Herzschlag und Vorurteile
Ein Experiment von Psychologen um Ruben Azevedo von der Universität in London ergab, dass der Herzschlag sogar die Neigung zu Vorurteilen beeinflussen kann. In einer Studie wurden Probanden in schneller Folge Fotos von Gesichtern (schwarzer oder weißer Männer) gefolgt von einer Waffe oder einem Werkzeug gezeigt. Wenn das Herz sich zusammenzog und Blut in die Gefäße strömte, wiesen die Teilnehmer signifikant häufiger einem schwarzen Mann eine Waffe zu.
Stressbedingte Herzmuskelschwäche (Takotsubo-Syndrom)
Sogar auf Stress hin können kerngesunde Menschen eine Herzmuskelschwäche entwickeln, das sogenannte „Takotsubo-Syndrom“. Betroffene kommen mit Brustschmerzen und Atemnot in die Notaufnahme. Die linke Herzkammer pumpt weniger effizient, und die Herzspitze ist ballonartig erweitert.
Eine Untersuchung der Gehirne von Patienten mit funktioneller Magnetresonanztomografie zeigte, dass die Verarbeitung emotionaler Eindrücke bei den Betroffenen in verschiedenen Gehirnarealen weniger ausgeprägt ist. Diese verminderte Konnektivität fiel besonders in der Amygdala, dem Hippocampus und dem Gyrus cinguli auf, die für die Kontrolle von Emotionen entscheidend sind.
Die Rolle von Adrenalin
Wie das Gehirn bei einem emotionalen Ereignis das Herz stresst, ist noch nicht genau verstanden. Eine Schlüsselrolle kommt wohl dem Stresshormon Adrenalin zu. Künstlich gegebenes Adrenalin kann in Tieren eine Herzmuskelschwäche auslösen.
Maßnahmen zur Stärkung der Herz-Nerven-Verbindung
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die dazu beitragen können, die Herz-Nerven-Verbindung zu stärken und die Herzgesundheit zu fördern:
- Stressreduktion: Stress ist ein wesentlicher Faktor, der die Herzgesundheit beeinträchtigen kann. Es ist wichtig, Stressoren im Alltag zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um Stress abzubauen. Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Tiefenmuskelentspannung nach Jacobson (PMR), Yoga oder Meditation können helfen, das vegetative Nervensystem zu stabilisieren und Stress abzubauen.
- Regelmäßige Bewegung: Mäßiges körperliches Ausdauertraining hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und kann die Herzratenvariabilität verbessern.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten unterstützt die Herzgesundheit.
- Ausreichend Schlaf: Genügend Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Körpers und die Stressbewältigung.
- Psychotherapie: Bei Angsterkrankungen, Depressionen oder anderen psychischen Belastungen kann eine Psychotherapie helfen, ungünstige Verhaltensweisen zu erkennen und zu korrigieren. Verhaltenstherapeutische Programme, wie z. B. Stressbewältigungstrainings, können ebenfalls sehr wirksam sein.
- Achtsamkeit: Ein besseres Bewusstsein für die eigenen Gefühle kann zu einer stabileren Herzaktion beitragen und somit einen Schutzfaktor darstellen.
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