Herzinsuffizienz und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang

Herzinsuffizienz, auch Herzschwäche genannt, betrifft in Deutschland Millionen Menschen. Dabei ist der Herzmuskel zu schwach, um ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, was zu einer krankhaften Vergrößerung des Herzens führen kann. Betroffene leiden unter eingeschränkter körperlicher Fitness und Lebensqualität, und haben zudem ein erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Dieser Artikel beleuchtet den komplexen Zusammenhang zwischen Herzinsuffizienz und Demenz, indem er die zugrundeliegenden Mechanismen und Risikofaktoren untersucht und präventive Maßnahmen aufzeigt.

Herzfunktion und Kognition: Mögliche Wechselwirkungen

Es besteht ein zunehmendes Verständnis für die enge Verbindung zwischen Herzfunktion und kognitiven Fähigkeiten. Herzinsuffizienz-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz, wobei das Demenzrisiko mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz zunimmt. Insbesondere kardiale Dekompensationen, die zu einer zeitweisen Verschlechterung der Herzinsuffizienz führen, scheinen das Demenzrisiko zu erhöhen.

In Mausmodellen konnte diese Korrelation bestätigt werden, was darauf hindeutet, dass der Zusammenhang zwischen Herzinsuffizienz und kognitiver Dysfunktion nicht allein auf globale kardiovaskuläre Risikofaktoren zurückzuführen ist, sondern ein direkter Zusammenhang zwischen Herzinsuffizienz und kognitiver Funktion besteht. Um diesen Zusammenhang besser zu verstehen und therapeutische Ansatzpunkte zu finden, werden derzeit gemeinsame Studien von Kardiologen und Neurologen durchgeführt. Diese Studien umfassen Kohorten von Patienten mit Herzinsuffizienz und Patienten mit Aortenklappenstenose, bei denen eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) geplant ist.

Die Herz-Hirn-Achse: Eine komplexe Wechselbeziehung

Die Gesundheit von Herz und Hirn ist eng miteinander verbunden, wobei die Wissenschaft von der Herz-Hirn-Achse spricht. In der Regel arbeiten beide Organe gut zusammen, aber es besteht auch eine komplexe negative Wechselwirkung, bei der eine Erkrankung des einen Organs das Risiko für Erkrankungen des anderen erhöht.

Ein wichtiger Aspekt ist der Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle. Diese werden häufig durch Vorhofflimmern verursacht, bei dem sich Blutgerinnsel in der linken Herzkammer bilden, was auf den unregelmäßigen Herzschlag zurückzuführen ist. Erkrankungen von Herz und Hirn haben zudem gemeinsame Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Blutfettwerte. Ein Bluthochdruck kann langfristig zu Gefäßverengungen und strukturellen Veränderungen am Herzen führen, was wiederum das Risiko für Vorhofflimmern erhöht.

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Die Beziehung zwischen Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist wechselseitig: Patienten erleiden nach einem Schlaganfall häufiger einen Herzinfarkt und umgekehrt. Ein Schlaganfall kann die Regulation des Herzens unter Stress setzen, was durch eine Unterversorgung mit Sauerstoff und Entzündungsprozesse das Herz schädigen kann. Umgekehrt kann ein Herzinfarkt die Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigen und zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führen, sowie durch Rhythmusstörungen die Gerinnselbildung fördern.

Auch Depressionen zeigen einen wechselseitigen Zusammenhang mit Herz und Gehirn: Herzerkrankungen begünstigen das Auftreten von Depressionen, während Depressionen das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen. Darüber hinaus sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für kognitive Einschränkungen verbunden. So wurde ein erhöhtes Demenzrisiko bei Personen nach Koronarereignissen wie einem Herzinfarkt oder einer koronaren Herzkrankheit beobachtet. Auch eine Herzinsuffizienz scheint das Demenzrisiko zu erhöhen.

Ein möglicher Grund dafür ist, dass eine Herzinsuffizienz mit systemischen Entzündungsreaktionen einhergeht, die sich auch im Gehirn niederschlagen. Diese Entzündungen sind ein bedeutsamer Faktor bei der Demenzentwicklung. Eine verringerte Durchblutung des Gehirns durch Herzerkrankungen kann diese Entzündungsprozesse verstärken und so zum kognitiven Abbau beitragen.

Wie Herzkrankheiten die Entwicklung von Demenzen fördern

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern oder einer koronaren Herzerkrankung haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Demenz zu erkranken.

Herzinsuffizienz und kognitiver Abbau

Bei einer Herzinsuffizienz nimmt die Pumpleistung des Herzens kontinuierlich ab, was zu einer schlechteren Versorgung lebenswichtiger Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Auch das Gehirn wird durch diese Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Es ist bekannt, dass Herzinsuffizienz mit kognitivem Abbau einhergeht, wobei etwa die Hälfte der Herzinsuffizienz-Patienten unter kognitiven Beeinträchtigungen leidet, die sich auf Sprache, Gedächtnis und/oder exekutive Funktionen auswirken. Die Rate kognitiver Probleme ist bei Menschen mit schwereren Formen der Herzinsuffizienz noch höher.

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Herzinsuffizienz kann auf verschiedene Arten zu einer Hirnschädigung führen, unter anderem aufgrund der schlechten Durchblutung des Gehirns, die Mini-Schlaganfälle auslösen kann. Auch chronische Entzündungen können zur Schädigung beitragen. Hirnveränderungen wie eine Verringerung des Volumens der grauen Substanz und/oder eine Schädigung der weißen Substanz sind bei Herzinsuffizienz häufig und tragen ebenfalls zu einer verminderten Hirnfunktion bei.

Vorhofflimmern und erhöhtes Risiko für kognitive Probleme

Vorhofflimmern ist die häufigste Form einer Herzrhythmusstörung, von der in Deutschland etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen betroffen sind. Obwohl Vorhofflimmern nicht akut lebensbedrohlich ist, steigt das Risiko für Schlaganfälle und eine Herzinsuffizienz. Vorhofflimmern kann das Risiko für kognitive Probleme um bis zu 39 Prozent erhöhen.

Beim Vorhofflimmern schlägt das Herz unregelmäßig und oft so schnell, dass weniger Blut in den Körper gepumpt wird. Manche Betroffene spüren es gar nicht, andere nehmen Herzstolpern und Herzrasen wahr. Auch Angst, Druckgefühl in der Brust und Atemnot können die Folge sein. Vorhofflimmern kann ebenfalls den Blutfluss zu wichtigen Hirnarealen hemmen und ist mit systemischen Entzündungen ähnlich wie Alzheimer verbunden.

Eine wirksame Behandlung von Vorhofflimmern, einschließlich der Verwendung von gerinnungshemmenden Medikamenten, Rhythmuskontrolle oder Katheterablation, kann das Risiko eines kognitiven Abbaus verringern.

Koronare Herzkrankheit und erhöhtes Demenzrisiko

Bei der Koronaren Herzkrankheit (KHK) handelt es sich um eine zunehmende Verengung der Herzkranzgefäße. Dadurch entstehen Engstellen und Verschlüsse, die den Blutfluss behindern und zu einem Herzinfarkt führen können. Auslöser ist in den meisten Fällen Arteriosklerose, die zu Gefäßablagerungen und Entzündungen an den Gefäßwänden führt. Menschen mit einer KHK haben ein höheres Demenzrisiko als Menschen ohne KHK. Studien haben gezeigt, dass ein daraus resultierender Herzinfarkt zu kognitiven Einbußen führen kann. Das Demenzrisiko kann durch eine KHK um bis zu 27 Prozent steigen.

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Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes, die mit der KHK einhergehen, können Entzündungen verursachen, die die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigen und den Blutfluss zum Gehirn verringern können. Herzkrankheiten stehen auch mit Erkrankungen der kleinen Gefäße im Gehirn in Verbindung, was ebenfalls zu verringertem Blutfluss im Gehirn führt und so kognitivem Abbau und Demenz begünstigt - ähnlich wie bei Alzheimer-Patienten.

Koronare Herzkrankheit im jungen Alter erhöht Demenzrisiko besonders stark

Eine Studie, die die Daten von über 430.000 Teilnehmenden aus der United Kingdom (UK) Biobank auswertete, ergab, dass eine KHK das Demenzrisiko deutlich erhöht. Besonders gefährdet sind Menschen, bei denen eine KHK-Diagnose vor dem 45. Lebensjahr gestellt wurde. Bei diesen Personen war das Risiko einer späteren Demenzerkrankung um 71 Prozent erhöht.

Gestörte Genaktivität im Gehirn als Folge von Herzproblemen

Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben in Laborstudien festgestellt, dass Herzprobleme eine gestörte Genaktivität in der Gedächtniszentrale des Gehirns zur Folge haben, woraus sich kognitive Einbußen entwickeln können. Sie sehen darin eine mögliche Ursache für das erhöhte Demenzrisiko bei Menschen mit Herzproblemen.

In Gedächtnistests schnitten Mäuse mit Herzschwäche deutlich schlechter ab als ihre gesunden Artgenossen. Die Forscher beobachteten, dass sich infolge von Herzproblemen eine Beeinträchtigung der Genaktivität im Hippocampus entwickelte. Bei Mäusen mit Herzproblemen war die DNA in Nervenzellen enger gewickelt als bei gesunden Artgenossen. Als Ursache für die enge Wicklung identifizierten die Wissenschaftler chemische Veränderungen an den Histonen. Dies sind spezielle Eiweißstoffe, die als Garnrollen fungieren, um die sich die DNA herumschlängelt.

Die Verabreichung des Krebsmedikaments „Vorinostat“, das auf die Histone und somit auf die Genaktivität wirkt, milderte die geistigen Ausfallerscheinungen bei den Mäusen. Dies gibt erste Hinweise auf die molekularen Vorgänge, die bei Herzproblemen zu kognitiven Störungen beitragen und zeigt mögliche Ansatzpunkte für die Therapie.

Es ist jedoch noch unklar, warum infolge der Herzinsuffizienz die Genaktivität im Hippocampus gestört ist und welche Rolle die mangelhafte Blutversorgung des Gehirns oder vom kranken Herzen freigesetzte Stoffe spielen. Dies soll nun an Patienten mit Herzproblemen untersucht werden.

Antipsychotika bei Demenz: Nutzen und Risiken abwägen

Die Anwendung von Antipsychotika bei Menschen mit Demenz ist mit einer Vielzahl schwerwiegender Nebenwirkungen verbunden, darunter ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Lungenentzündung. Studien haben gezeigt, dass der potenzielle Nutzen einer antipsychotischen Behandlung gegen das Risiko schwerwiegender Schäden abgewogen werden muss und die Behandlungspläne regelmäßig überprüft werden sollten. Zudem sei die Wirkung von Antipsychotika auf Verhaltens- und psychische Symptome von Demenz bestenfalls gering.

Trotzdem ist der Anteil der Menschen mit Demenz, denen Antipsychotika verschrieben wurden, in den letzten Jahren gestiegen. Antipsychotika werden häufig verschrieben, wenn zum Beispiel Apathie, Depression, Psychosen, Reizbarkeit, Impulsivität und Agitiertheit behandelt werden müssen. Sie sind jedoch mit einem erhöhten Risiko der Abhängigkeit von Langzeitpflege und der Verbringung in ein Pflegeheim verbunden und sind möglicherweise nicht kosteneffizient für die Gesundheitssysteme.

Ärzte müssen bei der Verschreibung individuell vorgehen und potenzielle Vorteile und Risiken einzelner Medikamente im Kontext der Symptome, Umstände, verschriebenen Medikamente und Komorbiditäten des Patienten abwägen.

Prävention: Was gut für das Herz ist, ist auch gut für das Gehirn

Die Bedeutung der Wechselbeziehung von Herz und Hirn für Gesundheit und Krankheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und gesunder Ernährung, der auf die Vermeidung von Übergewicht und Erkrankungen wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Diabetes abzielt, schützt sowohl das Herz als auch das Hirn.

Weitere präventive Maßnahmen umfassen:

  • Lernen Sie Neues - auch im Alter: Das hält Ihr Gehirn auf Trab.
  • Orientieren Sie sich an der klassischen mediterranen Ernährung: Essen Sie viel Obst und Gemüse, Olivenöl und Nüsse.
  • Soziale Aktivitäten: Zu zweit oder in der Gruppe machen Aktivitäten mehr Spaß und Ihre grauen Zellen werden gefordert.
  • Gewichtskontrolle: Achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viele Kilos auf die Waage bringen.
  • Nichtrauchen: Rauchen schadet auch Ihrem Gehirn.
  • Regelmäßige Blutdruckkontrolle: Lassen Sie Ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren.
  • Blutzuckerspiegel im Blick behalten: Behalten Sie Ihren Blutzuckerspiegel im Blick.
  • Sorgen Sie gut für sich: Wenn Sie über eine längere Zeit antriebslos oder niedergeschlagen sind, ist es sinnvoll, Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufzusuchen, um die Ursache abzuklären.
  • Hörverlust ernst nehmen: Nehmen Sie es ernst, wenn Sie merken, dass Sie schlechter hören.

Herzinsuffizienz als "Alzheimer des Herzmuskels"?

Es gibt Hinweise darauf, dass eine Herzinsuffizienz möglicherweise eine Art Alzheimer des Herzmuskels ist. Ähnlich wie bei der Demenzerkrankung im Gehirn scheinen sich bei der Herzschwäche ebenfalls Eiweißtrümmer und Proteinfragmentklumpen abzulagern - allerdings im Herzmuskel.

Eine Studie mit Hunden, deren Herz durch einen operativen Eingriff künstlich unter Stress gesetzt wurde, zeigte, dass sich als Folge des unregelmäßigen Herzschlags nach und nach immer mehr klumpenartige Eiweißplaques bildeten. Ähnliche Ablagerungen fanden die Wissenschaftler auch im Herzgewebe von Menschen, die unter einer Herzinsuffizienz litten.

Im Herzgewebe der Hunde konnten die Forscher gleich drei chemische Veränderungen identifizieren, die alle ein Protein namens Desmin betrafen. Diese Modifikationen führten zu einer Ansammlung von klumpenartigen Proteinhaufen im Muskel, die stark den typischen Amyloidplaques in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten ähnelten. Die gleichen chemischen Veränderungen des Desmins fanden die Forscher auch im Herzgewebe von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz.

Diese Erkenntnisse könnten einen neuen Ansatzpunkt für die Behandlung der Herzinsuffizienz bieten, indem die Schäden am Muskel rückgängig gemacht werden.

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