Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der es wiederholt zu plötzlichen Funktionsstörungen im Gehirn kommt, die sich als epileptische Anfälle manifestieren. Diese Anfälle können in ihrer Form und Intensität stark variieren. Weltweit sind etwa 1 % der Bevölkerung von Epilepsie betroffen. In Deutschland liegt die Zahl der Menschen mit aktiver Epilepsie bei etwa 1 %. Es ist wichtig zu wissen, wie man in Anwesenheit einer Person mit einem epileptischen Anfall richtig reagiert.
Formen epileptischer Anfälle
Die Vielfalt der epileptischen Anfälle lässt sich grob in zwei Hauptkategorien einteilen: fokale und generalisierte Anfälle.
Fokale Anfälle
Fokale Anfälle betreffen nur einen Teil des Gehirns. Die Symptome hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist.
- Motorische Symptome: Zuckungen, Verkrampfungen oder Versteifungen bestimmter Körperteile. Manchmal kommt es zu einem plötzlichen Verlust der Muskelspannung in einem Körperteil.
- Sensorische Symptome: Kribbeln, plötzliche Wärme- oder Kältegefühle. Einige Betroffene erleben Halluzinationen, bei denen sie Dinge riechen, schmecken, hören oder sehen, die nicht real sind.
- Bewusstseinsstörungen: Betroffene können benommen, verwirrt oder abwesend wirken. Dies wird als komplexer fokaler Anfall bezeichnet.
- Automatismen: Unwillkürliche Handlungen wie Kauen, Schmatzen, Scharren mit den Füßen oder Nesteln an der Kleidung. Betroffene können sich später nicht daran erinnern.
Ein fokaler Anfall kann sich zu einem generalisierten Anfall ausweiten, wenn sich die übermäßige Aktivität auf das gesamte Gehirn ausbreitet.
Generalisierte Anfälle
Generalisierte Anfälle betreffen das gesamte Gehirn.
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- Absencen: Eine milde Form, die sich durch kurze geistige Abwesenheit äußert. Betroffene wirken für einige Sekunden abwesend und blicken ins Leere. Manchmal stoppen sie abrupt ihre Tätigkeit und setzen sie nach einigen Sekunden fort, ohne sich daran zu erinnern.
- Großer Krampfanfall (Grand Mal): Die häufigste Form des generalisierten Anfalls. Er verläuft in zwei Phasen:
- Tonische Phase: Der Körper versteift sich, das Bewusstsein geht verloren, und die Atmung wird flach. Sauerstoffmangel kann auftreten, erkennbar an einer bläulichen Verfärbung der Haut oder Lippen.
- Klonische Phase: Unkontrollierte Zuckungen setzen ein. Diese Phase dauert in der Regel ein bis zwei Minuten.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall
In den meisten Fällen ist ein epileptischer Anfall kein Notfall, da er von selbst aufhört und das Gehirn nicht geschädigt wird. Die Hauptgefahr besteht darin, dass sich die Betroffenen verletzen oder einen Kreislaufkollaps erleiden.
Allgemeine Verhaltensregeln
- Ruhe bewahren: Ein Anfall kann beängstigend wirken, ist aber meist harmlos.
- Nicht weglaufen: Bleiben Sie bei der betroffenen Person.
- Gefahrenbereich verlassen: Entfernen Sie die Person gegebenenfalls aus einem Gefahrenbereich.
- Kleidung lockern: Öffnen Sie beengende Kleidungsstücke am Hals.
- Kopf schützen: Polstern Sie den Kopf mit einer Jacke oder einem Kissen.
- Krampferscheinungen nicht unterdrücken: Versuchen Sie nicht, die Zuckungen zu stoppen, die Person aufzurichten, verkrampfte Hände zu öffnen oder Gegenstände zwischen die Zähne zu schieben.
- Keine Unterbrechungsversuche: Schütteln, klopfen oder schreien Sie die Person nicht an.
- Seitenlage: Bringen Sie die Person nach dem Anfall in die stabile Seitenlage, damit Speichel abfließen kann.
- Hilfe anbieten: Bieten Sie nach dem Anfall Hilfe und Begleitung an.
- Anfallsdauer registrieren: Notieren Sie die Dauer des Anfalls. Die meisten Anfälle dauern ein bis zwei Minuten.
Schutz vor Verletzungen
- Kopf schützen: Legen Sie eine weiche Unterlage unter den Kopf, um Verletzungen zu vermeiden.
- Gegenstände entfernen: Entfernen Sie gefährliche Gegenstände aus der Umgebung.
- Nicht festhalten: Halten Sie die Person nicht fest, da dies zu Verletzungen führen kann.
Atemwege freihalten
- Kleidung lockern: Lockern Sie beengende Kleidung um den Hals.
- Nichts in den Mund schieben: Versuchen Sie nicht, den Mund zu öffnen oder Gegenstände zwischen die Zähne zu schieben.
- Nach dem Anfall Atemwege kontrollieren: Stellen Sie sicher, dass die Atemwege frei sind. Bei Atemproblemen rufen Sie den Notarzt.
Wann muss der Notarzt gerufen werden?
- Anfallsdauer: Wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert.
- Wiederholte Anfälle: Wenn mehrere Anfälle ohne zwischenzeitliches Erwachen auftreten.
- Atembeschwerden: Wenn Atemprobleme bestehen.
- Verletzungen: Wenn es zu Verletzungen gekommen ist.
- Erstanfall: Wenn es sich um den ersten Anfall der Person handelt.
- Bewusstlosigkeit: Wenn die Person nach dem Anfall nicht wieder zu sich kommt.
Notfallmedikation
Einige Menschen mit Epilepsie tragen ein Notfallmedikament bei sich. Wenn ein solches Medikament vorhanden ist, kann es gemäß den Anweisungen verabreicht werden. Dies kann in Form einer Tablette für die Wangentasche oder einer Creme in einer Tube für die anale Verabreichung erfolgen.
Was tun nach dem Anfall?
- Bleiben Sie bei der Person: Lassen Sie die Person nicht allein, bis sie sich wieder orientiert hat.
- Beruhigen und orientieren: Sprechen Sie beruhigend und helfen Sie der Person, sich zu orientieren.
- Ruhe ermöglichen: Ermöglichen Sie der Person, sich auszuruhen oder zu schlafen, wenn sie müde ist.
- Informationen sammeln: Wenn möglich, notieren Sie Beobachtungen zum Anfall, die dem Arzt helfen können.
Epilepsie im Alltag
Viele Menschen mit Epilepsie führen ein normales Leben. Es gibt jedoch einige Aspekte zu beachten:
Berufswahl
Junge Menschen mit Epilepsie sollten sich frühzeitig mit der Berufswahl auseinandersetzen und sich beraten lassen, um einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden.
Arbeitsleben
Schwerbehinderte Arbeitnehmer mit Epilepsie genießen besonderen Kündigungsschutz. Es gibt auch Unterstützungsmöglichkeiten für die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes.
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Bildschirmarbeit
Das Risiko von Anfällen durch flackerndes Licht von Bildschirmen betrifft nur Menschen mit photosensitiver Epilepsie. In diesen Fällen sollte auf eine hohe Bildwiederholungsrate geachtet werden.
Führerschein
Die Regelungen zum Führerschein und Epilepsie sind komplex. Es ist ratsam, sich bei einer Epilepsieberatungsstelle oder einem Arzt zu informieren.
Flugreisen
Vor Flugreisen sollten einige Punkte beachtet werden, wie die Mitnahme ausreichender Medikamente und die Berücksichtigung von Zeitverschiebungen.
Alkoholkonsum
Gelegentlicher Alkoholkonsum in geringen Mengen ist in der Regel unproblematisch. Allerdings sollten Menschen, die nach Alkoholkonsum Anfälle hatten oder eine Suchterkrankung haben, Alkohol meiden.
Sport
Sport ist grundsätzlich gesundheitsfördernd. Bei Anfallsfreiheit von mehr als zwei Jahren können fast alle Sportarten ohne Risiko ausgeübt werden. Bei nicht anfallsfreien Patienten ist bei bestimmten Sportarten eine Beaufsichtigung notwendig.
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Schwangerschaft
Frauen mit Epilepsie, die schwanger werden möchten, sollten sich von einem Facharzt beraten lassen, da einige Antiepileptika das Fehlbildungsrisiko erhöhen können.
Vererbung
Nur wenige Epilepsieformen sind erblich bedingt. Das Risiko eines Kindes, an Epilepsie zu erkranken, ist erhöht, wenn ein oder beide Elternteile betroffen sind.
Ursachen und Diagnose
Epilepsie entsteht durch Veränderungen im Gehirn, die die elektrische Erregbarkeit erhöhen. Die Ursachen sind vielfältig und oft nicht eindeutig. Um eine Epilepsie zu diagnostizieren, sind genaue Informationen zum Ablauf des Anfalls erforderlich. Da sich Betroffene oft nicht daran erinnern, sind Beobachtungen von Außenstehenden sehr wichtig.
Therapie
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, Anfallsfreiheit und eine hohe Lebensqualität zu erreichen. Die Basis der Therapie sind Antikonvulsiva, Medikamente gegen Epilepsie. In bestimmten Fällen können auch eine Diät, ein Schrittmacher oder eine Operation in Frage kommen.