Hirnhautentzündung nicht erkannt: Ursachen und Folgen

Die Gehirnentzündung, auch Enzephalitis genannt, ist eine schwerwiegende Erkrankung, die unbehandelt lebensbedrohlich sein oder bleibende Gehirnschäden verursachen kann. Am 22. Februar wird jährlich der „Welt-Enzephalitis-Tag“ begangen, um das Bewusstsein für diese Krankheit zu schärfen. Die Symptome sind oft unspezifisch, was die Diagnose erschwert.

Was ist eine Enzephalitis?

Als Enzephalitis bezeichnen Mediziner eine Entzündung des gesamten Gehirn-Gewebes oder Teilen davon. Bei einer Enzephalitis kommt es zu einer Entzündung des Gehirns. Tritt die Gehirnentzündung zusammen mit einer Entzündung der Hirnhaut auf (Meningitis), spricht man von einer Meningoenzephalitis.

Ursachen einer Gehirnentzündung

Meistens werden Gehirnentzündungen durch Erreger ausgelöst, allen voran durch das Herpes-Simplex-Virus, aber auch durch Arboviren (z.B. FSME), Masern- oder Rötelnviren, HIV, Tollwutviren oder auch Corona-Viren. Darüber hinaus können auch bakterielle Infektionen wie Borreliose, Typhus oder Syphilis Enzephalitiden auslösen, dieses ist aber seltener, ebenso wie Parasiten (z.B. Toxoplasmose).

Die häufigste Ursache für eine Enzephalitis (etwa 70 %) sind Viren. Prinzipiell ist unser Gehirn durch die Blut-Hirn-Schranke vor dem Eindringen krank machender Erreger geschützt.

Folgende Viren sind häufige Auslöser einer Enzephalitis:

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  • Epstein-Barr-Virus: Es löst beispielsweise die Hand-Fuß-Mund-Krankheit aus.
  • FSME-Virus: Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wird vor allem von Zecken übertragen.
  • Herpes-simplex-Virus: Er verursacht etwa Lippenherpes.
  • West-Nil-Virus: Er löst das West-Nil-Fieber aus.
  • Varizella-Zoster-Virus: Windpocken werden zum Beispiel von diesem Virus verursacht.
  • SARS-CoV-2-Virus: Seltener ist COVID-19 Auslöser einer Enzephalitis.
  • Influenzaviren: Grippeviren können eine Enzephalitis verursachen.
  • Japanisches-Enzephalitis-Virus: Die japanische Enzephalitis wird durch ein Virus ausgelöst, das vor allem von Mücken im ländlichen Teil Asiens übertragen wird, und sorgt für eine Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten.

Autoimmune Enzephalitis

Besonders tückisch ist, wenn die Gehirnentzündung durch die Immunreaktion des eigenen Körpers ausgelöst wird. Eine autoimmune Enzephalitis wird durch eine fehlerhafte Antwort des Immunsystems ausgelöst. Das bedeutet, dass die körpereigene Abwehr beginnt, Antikörper gegen Anteile der eigenen Nervenzellen zu bilden - diese werden dann Autoantikörper genannt. Es handelt sich um eine Gruppe von Enzephalitiserkrankungen, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion ausgelöst werden.

Die Inzidenz autoimmuner Enzephalitiden wird mit 8-15 Patienten/1.000.000/Jahr angegeben, demnach erkranken in Deutschland jährlich ca. 640-1.200 Menschen. Sie betrifft in der Regel jüngere Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, die Inzidenz beträgt lt. einem Review aus dem Jahr 2019 [2] 1,5/1.000.000.

Ein relativ neues Krankheitsbild ist die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, die häufig nicht gleich erkannt wird. Der Körper bildet IgG-Antikörper gegen eine Untereinheit der sogenannten NMDA-Rezeptoren, die besonders im zentralen Nervensystem eine Rolle spielen. Die NMDAR-Enzephalitis wurde erstmals 2007 beschrieben und hat, so der Experte, aufgrund ihrer Seltenheit noch keinen ausreichend hohen Bekanntheitsgrad, mitunter auch nicht bei Medizinern. Noch immer sei daher von einer Dunkelziffer auszugehen.

Symptome einer Gehirnentzündung

Die Beschwerden bei einer Enzephalitis hängen von den Ursachen und dem Schweregrad der Erkrankung, von der betroffenen Gehirnregion sowie von der allgemeinen gesundheitlichen Verfassung ab. Die Symptome können diffus sein und sich langsam entwickeln, was die Diagnose erschwert. Daher kann das Erkrankungsbild anfangs schwer erkannt werden.“ Die typischen Beschwerden seien zunächst Abgeschlagenheit und Zeichen eines Infektes, dann werden die Patienten zunehmend schläfrig, verwirrt und es treten neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle auf.

Folgende Beschwerden können bei einer Enzephalitis auftreten:

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  • Kopfschmerz
  • (hohes) Fieber
  • grippeähnliche Symptome und Abgeschlagenheit
  • Verwirrtheit
  • epileptische Anfälle
  • Bewusstseinsstörungen
  • neurologische Symptome wie Lähmungen oder Sprachstörungen
  • Denkstörungen (zum Beispiel Konzentrationsprobleme oder Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses)
  • Veränderungen des Verhaltens
  • Halluzinationen

Da die einzelnen Viren, die eine Enzephalitis auslösen können, verschiedene Areale des Gehirns betreffen, unterscheiden sich auch die Symptome je nach Erreger.

  • Herpes-simplex-Enzephalitis: Sprachstörungen und epileptische Anfälle treten hier besonders häufig auf.
  • Arboviren: Diese Viren werden durch Insekten übertragen und führen oft zu Störungen im Bewegungsapparat.

Bei kleinen Kindern zeigen sich häufig unspezifische Symptome wie Teilnahmslosigkeit, Nackensteife, Fieber und fehlender Appetit.

Patientengeschichte

Eine aktuelle (anonyme) Patientengeschichte aus der Klinik für Neurologie auf dem Winterberg zeigt sehr deutlich, wie diffus die Symptome sein können, wie sehr die Betroffenen belastet sind und dass die Symptomatik Laien manchmal auf eine falsche Fährte locken kann - ein Rückblick:

Für Simone Pfeifer (Name geändert) startete die Adventszeit 2022 mit einem hartnäckigen grippalen Infekt. Die Mittfünzigerin entwickelte Schwindelattacken, stürzte Anfang Dezember und zog sich dabei eine Kopfplatzwunde zu. Trotz ärztlich verordneter Bettruhe und Befreiung von der Arbeit verbesserte sich der Zustand auch in der Folgewoche nicht - der Hausarzt verlängerte den „Krankenschein“, was sie widerwillig akzeptierte - sie wollte unbedingt vor Weihnachten wieder an den Arbeitsplatz.

Es ging auf und ab - mal ging es besser, mal schlechter, mal waren die Gliederschmerzen und Kopfschmerzen kaum auszuhalten, mal fast weg. Auch die Blutuntersuchung, die der Hausarzt veranlasste: Keine Auffälligkeit, lediglich der Natriumwert war etwas gering. Die Patientin kann sich noch gut an das Telefonat mit ihrem Hausarzt am 22. Dezember, also kurz vor Weihnachten, erinnern. Sie hat gespürt, dass sie weiterforschen muss, um die Ursache der Symptome abzuklären, denn sie fühlte sich überhaupt nicht wohl. Es wurde immer schlechter, nie besser, und ihrer Tochter fiel plötzlich auf, dass ihre Mama wesensverändert war, sich komisch benahm.

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„Da stimmt etwas nicht im Kopf, fahr sie ins Krankenhaus“, überzeugt sie den Vater der Familie, der sie sofort auf den Winterberg brachte. Den Weg vom Parkplatz zur Zentralen Notaufnahme des Klinikums Saarbrücken konnte die Betroffene zu diesem Zeitpunkt nur noch im Rollstuhl zurücklegen. Nach der neurologischen Erstuntersuchung wurde eine sogenannte Lumbalpunktion, eine Entnahme von Nervenwasser, durchgeführt. Diese ergab: „Virale Enzephalitis“. Eine Therapie wurde sofort eingeleitet, die mehrere Wochen dauerte und sie ans Krankenhaus band.

An die Zeit nach dem 22. Dezember kann sich die Erkrankte nur in Teilen erinnern, große Erinnerungslücken und Wortfindungsstörungen begleiten sie bis heute. Nach der Reha-Maßnahme wird sich zeigen, ob und wann sie wieder in ihren Beruf einsteigen kann.

Diagnose einer Gehirnentzündung

Eine Entzündung des Gehirns ist eine schwerwiegende Erkrankung, die in jedem Fall von einer Ärztin / einem Arzt untersucht und behandelt werden sollte. Die Symptome einer Enzephalitis hängen von dem Erreger und der betroffenen Hirnregion ab. Deshalb ist eine Gehirnentzündung in manchen Fällen schwierig zu diagnostizieren und bedarf verschiedener Tests und Untersuchungen - nur so kann die passende Therapie eingeleitet werden.

Um eine Enzephalitis diagnostizieren zu können, benötigt die behandelnde medizinische Fachkraft weitere Informationen. Auch eine körperliche Untersuchung unterstützt bei der Bestimmung der Erkrankung sowie des entsprechenden Erregers.

Folgende Untersuchungsmethoden werden eingesetzt:

  • Anamnese: In einem ausführlichen Anamnesegespräch klären Sie mit der Ärztin / dem Arzt nicht nur Ihre gesundheitliche Vorgeschichte.
  • Bildgebende Verfahren: Mithilfe einer Computertomografie (CT) sowie einer Magnetresonanztomografie (MRT) fertigt die Fachärztin / der Facharzt Schichtaufnahmen des Gehirns an. So kann festgestellt werden, wo genau die Entzündung liegt.
  • Lumbalpunktion: Um herauszufinden, ob es sich um eine autoimmune Enzephalitis oder eine infektiöse Enzephalitis handelt und welcher Erreger die Gehirnentzündung ausgelöst hat, ist eine Lumbalpunktion notwendig. Eine Ärztin /ein Arzt entnimmt dafür etwas Liquor aus dem Rückenmarkskanal. Liquor ist die Flüssigkeit, die das Rückenmark und das Gehirn umgibt - in dieser Flüssigkeit kann man den für die Enzephalitis verantwortlichen Erreger nachweisen sowie etwaige Autoantikörper finden.
  • Blutprobe: Bakterielle Erreger und Entzündungsmarker finden sich auch in einer Blutuntersuchung (Blutkultur). Deshalb wird häufig zu Beginn der Diagnostik Blut entnommen.
  • EEG: Sind häufige epileptische Anfälle ein Symptom der Enzephalitis, wird meist zusätzlich eine Elektroenzephalografie (EEG) durchgeführt.

Bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis ist die Entnahme von Liquor durch eine Lumbalpunktion notwendig. Der Liquor wird anschließend im LaborBerlin der Charité auf die häufigsten, heute bekannten Autoantikörper gegen Nervenzellen untersucht. Darüber hinaus haben wir in den Forschungslabors der Neuropädiatrie die Möglichkeit mit Hilfe zusätzlicher Untersuchungen nach noch unbekannten Autoantikörpern im Liquor zu suchen.

Behandlung einer Gehirnentzündung

Die Behandlung einer Enzephalitis hängt von der Ursache ab. Bei einer infektiösen Enzephalitis zielt die Behandlung darauf ab, die Erreger zu bekämpfen und die Symptome zu lindern. Bei einer Autoimmunenzephalitis wird das Immunsystem unterdrückt, um die Entzündung zu reduzieren.

  • Virale Enzephalitis: Für viele virusbedingte Gehirnentzündungen gibt es keine spezielle Therapie, die gezielt die Ursache bekämpft. Die Behandlung beschränkt sich in diesen Fällen auf symptomlindernde Maßnahmen. Eine Ausnahme bildet die Enzephalitis, die durch Herpes-simplex-Viren verursacht wird. Diese Form kann unbehandelt schwere Folgen haben. Mit der frühen Gabe des Medikaments Aciclovir lassen sich Spätfolgen verhindern. Deshalb erhalten Patientinnen und Patienten in der Regel sofort Aciclovir, auch wenn man noch nicht genau weiß, welcher Erreger die Erkrankung tatsächlich verursacht hat.Darüber hinaus kommen Aciclovir und ähnliche Wirkstoffe bei Gehirnentzündungen durch das Varizella-Zoster-Virus oder Cytomegalievirus zum Einsatz.
  • Bakterielle Enzephalitis: Besteht der Verdacht, dass Bakterien die Ursache sind, kommen frühzeitig Antibiotika zum Einsatz.
  • Autoimmune Enzephalitis: Menschen mit einer autoimmunen Enzephalitis bekommen hochdosierte Kortikosteroide. Das sind Medikamente, die entzündungshemmend wirken. Ärztinnen und Ärzte haben zudem die Möglichkeit, eine Blutwäsche (Plasmapherese) und Medikamente einzusetzen, die das Immunsystem dämpfen (Immunsuppressiva).

Bei einer akuten Enzephalitis oder Meningitis sind die vorrangigen Ziele der Behandlung:

  • Sicherung wichtiger Körperfunktionen (Atmung, Herz-Kreislauf-System)
  • intensivmedizinische Betreuung
  • Linderung von Schmerzen und akuten Beschwerden
  • Behandlung mit Medikamenten (Antibiotika bei bakterieller Infektion, sogenannte virostatische Medikamente bei Viren)

Therapie der NMDARE

Die größte Erfahrung haben wir heute mit der Therapie der NMDARE. Allgemein kann gesagt werden, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn und bei (ausbleibender Besserung) eine rasch intensivierte Therapie einen günstigen Einfluss auf den Verlauf und das Ausheilen der Erkrankung haben. In unserer Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie unterscheiden wir eine Erstlinientherapie mit hochdosiertem Steroidpuls, intravenösen Immunglobulin-Gaben, sowie Plasmapherese oder Immunadsorption und eine Zweitlinientherapien mit modernen Biologika wie dem Anti-B-Zell Antikörper Rituximab. Je nach Schwere des Krankheitsverlaufs werden beide Therapiesäulen nacheinander angewandt.

Prävention

Gegen einen Teil der Erreger kann man sich schützen (z.B. vor HIV und Syphilis durch ‚Safer Sex‘), gegen andere gibt es Impfungen, z.B. gegen Typhus, Tollwut, Masern, Röteln, und nun auch gegen SARS-CoV-2. Menschen, die in FSME-Risikogebieten wohnen (in Teilen von Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen) und sich viel im Freien aufhalten, wird auch zu einer FSME-Impfung geraten. Dennoch ist eine Enzephalitis-Prävention nur bedingt möglich, denn letztlich man kann sich nicht vor allen Ursachen schützen.

Impfungen gegen bakterielle und virale Infektionen (z.B. gegen Haemophilus, Pneumokokken, Meningokokken, FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), Windpocken, Masern und Tollwut) senken das Risiko für Enzephalitis und Meningitis. Impfungen gegen Meningokokken vom Typ C, Pneumokokken und Haemophilus influenzae Typ b sind Bestandteil der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) empfohlenen Grundimmunisierung für Kinder. Sie schützen vor Infektionen beziehungsweise schweren Verläufen der durch diese Erreger ausgelösten Erkrankungen. Damit reduzieren die Impfungen auch das Risiko für eine bakterielle Meningitis stark.

Folgen einer Gehirnentzündung

Einige Varianten verlaufen ohne die richtige Therapie tödlich, aber auch mit frühzeitiger Behandlung leiden viele Patienten oft dauerhaft an den Folgen. Mögliche Langzeitfolgen von Enzephalitis und Meningitis sind:

  • kognitive Störungen
  • Persönlichkeitsveränderungen
  • Hörschädigungen
  • Muskelschwächen
  • sogenannter Wasserkopf bei Kindern

In einer Pilotstudie [3] zeigte er, dass die Mehrzahl der Patienten auch Jahre nach der Erkrankung noch unter kognitiven Defiziten leiden. „Das demonstriert, wie wichtig die frühzeitige Diagnose ist, die mit speziellen Tests auf Antikörper verlässlich gestellt werden kann. Mittlerweile wurden diese Erkenntnisse auch an einem größeren Patientenkollektiv bestätigt, die Daten haben wir zur Publikation eingereicht.

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