HIV-assoziierte Polyneuropathie: Ursachen, Symptome und Therapie

Die HIV-assoziierte Polyneuropathie (HIV-PNP) ist eine häufige neurologische Komplikation bei HIV-Infektionen. Während die Inzidenz anderer neurologischer Manifestationen im zentralen Nervensystem (ZNS) dank antiretroviraler Therapien zurückgegangen ist, ist die HIV-PNP gestiegen und stellt die häufigste neurologische Manifestation der HIV-Infektion dar.

Ursachen der HIV-assoziierten Polyneuropathie

Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch eine Vielzahl von Ursachen ausgelöst werden kann. Im Zusammenhang mit HIV unterscheidet man im Wesentlichen zwei pathogenetische Formen:

  • Distal-symmetrische Polyneuropathie (DSP): Diese Form wird vermutlich direkt durch das HI-Virus oder durch HIV-aktivierte Makrophagen ausgelöst.
  • Antiretroviral-toxische Neuropathie (ATN): Diese Form wird durch bestimmte antiretrovirale Medikamente verursacht, die zur Behandlung von HIV eingesetzt werden. Mit der Dauer der antiretroviralen Therapie und wechselnden Medikamentenkombinationen steigt das Risiko für neuropathische Schmerzen.

Neben diesen beiden Hauptursachen können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie z.B. unentdeckte metabolische Erkrankungen.

Symptome der HIV-assoziierten Polyneuropathie

Das klinische Bild der DSP und ATN ist ähnlich. Am häufigsten treten distale sensorische Neuropathien auf, die sich durch folgende Symptome äußern:

  • Brennende Schmerzen in den Beinen
  • Parästhesien (Kribbeln, Taubheitsgefühl) in den Beinen
  • Wadenkrämpfe (bei etwa jedem vierten Patienten)

Die Symptome beginnen typischerweise in den Zehenspitzen und breiten sich in einem strumpf- und später handschuhförmigen Muster aus. Die Schmerzen können bis zu den Knöcheln aufsteigen und einen schmerzhaft brennenden Charakter haben. Weitere Symptome können sein:

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  • Dysästhesie (abnorme, unangenehme Empfindungen)
  • Hypalgesie (verminderte Schmerzempfindung)
  • Vermindertes Gefühlsempfinden

Ein frühes Anzeichen kann das Fehlen der Achillessehnenreflexe (ASR) sein.

Diagnose der HIV-assoziierten Polyneuropathie

Die Diagnose der HIV-assoziierten Polyneuropathie umfasst in der Regel folgende Schritte:

  1. Neurologische Untersuchung: Der Arzt untersucht die Sensibilität, Reflexe und Muskelkraft des Patienten.
  2. Elektromyogramm (EMG) mit Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit: Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Muskeln und Nerven und kann helfen, die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
  3. Quantitative sensorische Testung: Diese Tests messen die Fähigkeit des Patienten, verschiedene sensorische Reize wie Vibration, Temperatur und Schmerz wahrzunehmen. Eine Besserung in der quantitativen sensorischen Testung unter HAART kann beobachtet werden.
  4. Ausschluss anderer Ursachen: Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Polyneuropathie auszuschließen, wie z.B. Diabetes, Alkoholkonsum, Vitaminmangel oder andere neurologische Erkrankungen.
  5. Nervenbiopsie: In seltenen Fällen kann eine Nervenbiopsie erforderlich sein, um die Diagnose zu bestätigen oder andere Ursachen auszuschließen.

Therapie der HIV-assoziierten Polyneuropathie

Die Therapie der HIV-assoziierten Polyneuropathie zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze:

Antiretrovirale Therapie (HAART)

Eine hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) kann bei der Behandlung der DSP wirksam sein. In einigen Fällen kann die Neuropathie innerhalb von drei bis vier Monaten nach Beginn der HAART-Therapie verschwinden. Wenn die Polyneuropathie durch bestimmte antiretrovirale Medikamente verursacht wird, sollten diese Präparate abgesetzt oder durch andere ersetzt werden.

Schmerztherapie

Zur Linderung der Schmerzen können verschiedene Medikamente eingesetzt werden:

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  • Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wie Duloxetin können neuropathische Schmerzen lindern. Duloxetin kann besonders sinnvoll sein, wenn gleichzeitig eine depressive Episode vorliegt.
  • Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin und Pregabalin können ebenfalls bei neuropathischen Schmerzen helfen.
  • Opioide: In schweren Fällen können Opioide wie Tramadol zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Tramal ret. ist ein Beispiel für ein solches Medikament.
  • Topische Therapie: Capsaicin-Cremes oder -Pflaster können lokal auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden, um die Schmerzen zu lindern. Es gibt neuerdings auch hochdosiertes Capsaicinpflaster zur Verfügung.

Lokale Behandlung mit Capsaicin

Capsaicin ist ein Wirkstoff, der aus Chilischoten gewonnen wird und bei lokaler Anwendung schmerzlindernd wirken kann. Es gibt verschiedene Darreichungsformen von Capsaicin zur Behandlung der HIV-assoziierten Polyneuropathie:

  • Capsaicin-Gel: Das Gel wird mehrmals täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen.
  • Capsaicin-Pflaster (Qutenza): Das Capsaicin-Pflaster enthält eine hohe Konzentration von Capsaicin (8% bzw. 640 µg/cm²) und wird einmalig für 30 Minuten (an den Füßen) bzw. 60 Minuten (an anderen Stellen) auf die Haut aufgeklebt. Vor der Anwendung sollte ein topisches Lokalanästhetikum auf die zu behandelnden Areale aufgetragen werden. Nach der Behandlung muss die Haut sorgfältig gereinigt werden. Die schmerzlindernde Wirkung hält in der Regel etwa 3 Monate an. Die Behandlung kann frühestens nach 90 Tagen wiederholt werden.

Wichtige Hinweise zur Anwendung von Capsaicin-Pflastern:

  • Capsaicin-Pflaster sind vom Mikroreservoir-Typ.
  • Die Einwirkdauer beträgt 30 Minuten an den Füßen und 60 Minuten an anderen Stellen.
  • Vor der Anwendung sollte ein Lokalanästhetikum aufgetragen werden.
  • Nach der Anwendung muss die Haut sorgfältig gereinigt werden (1 Minute).
  • Die Behandlung kann frühestens nach 90 Tagen wiederholt werden.
  • Mögliche Nebenwirkungen sind Juckreiz, Papeln, Bläschen, Ödeme, Schwellungen und Trockenheit der Haut.

Weitere unterstützende Maßnahmen

Neben der medikamentösen Therapie können auch andere Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden beitragen:

  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Beweglichkeit zu erhalten und Schmerzen zu reduzieren.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und Kompensationsstrategien zu entwickeln.
  • Psychologische Unterstützung: Chronische Schmerzen können zu psychischen Problemen wie Depressionen und Angstzuständen führen. Eine psychologische Unterstützung kann helfen, diese Probleme zu bewältigen.

Prognose

Die Prognose der HIV-assoziierten Polyneuropathie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. dem Schweregrad der Erkrankung, dem Ansprechen auf die Therapie und dem Vorhandensein anderer Komplikationen. In vielen Fällen kann die Schmerzlinderung erreicht und die Lebensqualität verbessert werden. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden.

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