HWS-Syndrom: Der Unterschied zwischen Orthopäden und Neurologen

Rückenschmerzen sind in Deutschland weit verbreitet, und etwa ein Viertel der Bevölkerung ist regelmäßig davon betroffen. Wenn diese Schmerzen länger anhalten, könnte dies ein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall sein. Um die richtige Behandlung zu finden, ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Orthopäden und Neurologen zu kennen, insbesondere im Hinblick auf das HWS-Syndrom (Halswirbelsäulensyndrom).

Die Entwicklung der Fachgebiete

Vor 20 bis 30 Jahren unterschieden sich die Aufgabenbereiche von Neurochirurgen und Orthopäden deutlich. Neurochirurgen waren neben der Hirnchirurgie hauptsächlich für die Entlastung der Nerven zuständig, insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Orthopäden und Unfallchirurgen waren hingegen für instrumentierte Wirbelsäulenoperationen ausgebildet, insbesondere bei Frakturen.

Es kam häufig vor, dass zwei Operateure zusammenarbeiteten, wobei jeder seine spezifischen Kompetenzen einbrachte. Der Neurochirurg führte die Dekompressionsoperation durch, bei der die knöcherne Entlastung der komprimierten Nervenstrukturen erfolgte (z.B. bei Spinalkanalstenose).

Heutzutage hat sich das Bild gewandelt. In beiden Fachrichtungen haben sich Ärzte auf das gesamte Behandlungsspektrum der Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert.

Worauf Sie heute achten sollten

Heute ist es wichtiger, andere Aspekte zu berücksichtigen, bevor man sich für einen Spezialisten entscheidet. Erkundigen Sie sich, ob die Klinik über umfangreiche Erfahrung in der geplanten Behandlung verfügt und ob der Arzt auf Wirbelsäulenbehandlungen spezialisiert oder sogar subspezialisiert ist. Der Arzt sollte Sie über alternative Behandlungen, mögliche Komplikationen und die notwendige Nachbehandlung eines Eingriffs aufklären können.

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Die Halswirbelsäule (HWS) im Detail

Die Halswirbelsäule besteht aus 7 Halswirbeln, die von C1 bis C7 durchnummeriert sind. "C" steht für "cervix", was Hals bedeutet. Der erste Halswirbel (C1) wird Atlas genannt, der zweite Halswirbel (C2) Axis. Zwischen den Halswirbeln C2 bis C7 liegen die Bandscheiben der Halswirbelsäule, die wie flüssigkeitsgefüllte Kissen wirken und für ein reibungsloses Gleiten der Halswirbel sorgen.

Die Halswirbelsäule weist in der Seitenansicht eine leichte Krümmung nach vorne (Lordose) auf, ähnlich wie die Lendenwirbelsäule. Diese Krümmung ermöglicht es der Wirbelsäule, Bewegungen beim Gehen und Laufen abzufedern und Stabilität zu gewährleisten. Veränderungen in der natürlichen Krümmung können das Körpergleichgewicht stören und Fehlhaltungen verursachen.

Der Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS)

Bei einem Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule tritt Material aus dem inneren Gallertkern einer Bandscheibe im Halsbereich durch den umhüllenden Faserring nach außen. Dieses Material drückt auf das Rückenmark oder die Rückenmarksnerven (Spinalnerven) in einem bestimmten Abschnitt der Halswirbelsäule. Etwa 8 von 100 Bandscheibenvorfällen betreffen die Halswirbelsäule.

Ursachen und Risikofaktoren

Bei den meisten Patienten mit einem Bandscheibenprolaps der Halswirbelsäule (HWS) finden sich degenerative Verschleißerscheinungen, die mit einem geschwächten Bindegewebe einhergehen. Der Faserring wird mit dem Alter weniger stabil und elastisch und kann dem Druck des inneren Gallertkerns nicht mehr ausreichend standhalten. Stabilisierende Bänder im Bereich der Bandscheiben werden porös, womit die Wirbel nicht mehr stabil übereinander orientiert sind.

Hinzu können berufliche oder sportliche Fehlbelastungen der Halswirbelsäule über einen längeren Zeitraum kommen, die zu Abnutzungsprozessen an Bandscheiben und Wirbelkörpergelenken (Facettengelenken) führen. Erfahrungsgemäß ist es unwahrscheinlich, dass bei Menschen ohne Vorschädigungen sich durch einen Unfall ein Bandscheibenvorfall der HWS ausbildet. In seltenen Fällen kann es als Folge von Unfällen mit abrupten Drehbewegungen des Kopfes zu einem akuten HWS-Bandscheibenvorfall kommen.

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Symptome

Nicht jeder im MRT oder Röntgen erkennbare Bandscheibenvorfall verursacht Beschwerden beim Patienten. Wenn der Druck des ausgetretenen Gallertkerns aber die Wurzeln der Spinalnerven reizt, kann dies neben starken Nackenschmerzen auch Schmerzen in der Schulter, Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Lähmungen der Muskulatur von Arm oder Hand auslösen. Die Schmerzqualität wird von den Patienten unterschiedlich beschrieben und reicht von grell einschießend über klopfend bis hin zu dumpf.

Jeder vom Rückenmark abzweigende Spinalnerv besitzt motorische und sensible Anteile, die Reize in definierte Segmente von Schulter, Arm und Fingern leiten. Aus diesem Grund kann der Wirbelsäulenspezialist sensible Missempfindungen auf der Hautoberfläche und motorische Ausfallerscheinungen einem ganz bestimmten Halswirbelabschnitt zuordnen. Empfindet der Patient zum Beispiel Schmerzen über den gesamten Arm bis in den Daumen hinein, weist dies den Arzt auf eine Beteiligung des 6. Spinalnerven hin. Zeige- und Mittelfinger sind dagegen bei Wurzelkompression des 7. Spinalnerven beteiligt. Starke Nackenschmerzen werden durch eine Reizung des 3. und 4. Spinalnerven verursacht und das Heben des Arms wird für Patienten unmöglich, bei denen die Wurzel des 5. Spinalnerven betroffen ist.

Diagnose

Ein Wirbelsäulenspezialist kann durch differenzierte Diagnostik andere Erkrankungen der Halswirbelsäule von einem Bandscheibenvorfall der HWS unterscheiden. Beispielsweise können nach einem Auffahrunfall oder einem Sportunfall mit hohen Aufprallgeschwindigkeiten Betroffene ein Schleudertrauma, medizinisch HWS-Distorsion, erleiden. Dieses Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule heilt nach wenigen Wochen ohne Komplikationen von selbst aus.

Ergänzend fertigt der Arzt eine Röntgen-, CT- oder MRT- Aufnahme an, um das Ausmaß und die Ausrichtung des HWS-Bandscheibenvorfalls gut beurteilen zu können. In seltenen Fällen kommt eine Myelographie zum Einsatz.

Behandlung

In den meisten Fällen reicht eine konservative Behandlung der Patienten aus. Dadurch können sie ihre Schmerzen deutlich verringern. Der HWS-Bandscheibenvorfall bildet sich von allein nach einiger Zeit zurück, wobei Physiotherapie, Wärmeanwendungen und Schmerzmedikamente den Heilungsprozess unterstützen.

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Die Wirbelsäulenspezialisten legen bei Patienten mit mäßigen Schmerzen und ohne größere Einschränkungen den Schwerpunkt ihrer Behandlung auf nichtoperative Möglichkeiten. Die Ruhigstellung und Entlastung der Halswirbelsäule zusammen mit einer individuell angepassten Schmerztherapie hilft erfahrungsgemäß bei den meisten Patienten mit Einklemmung des Spinalnerven. Die verordneten Schmerzmittel und entzündungshemmenden kortisonhaltigen Präparate verhindern, dass die Patienten Kopf, Schultern oder Arm in eine Schonhaltung bringen und betroffene Muskelgruppen weiter verhärten. Das Tragen einer Halskrause oder Zervikalstütze hilft Patienten dabei, die Muskulatur der Halswirbelsäule zu entlasten.

Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung akuter Schmerzbeschwerden stellt die Injektion von schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten direkt an den komprimierten Nervenwurzeln dar. Diese sogenannte Infiltration der Wirbelsäule führen Wirbelsäulenspezialisten unter radiologischer Sichtkontrolle durch.

Der behandelnde Orthopäde zieht einen operativen Eingriff in Betracht, wenn die konservativen Behandlungsmaßnahmen auch nach einigen Wochen ohne spürbaren Erfolg bleiben. In der Regel entfernt der Operateur von vorne über einen Hautschnitt nahe dem Kehlkopf die geschädigte Bandscheibe. Selten erfolgt der Eingriff von der Rückenseite (dorsal). Anstelle der Bandscheibe setzt der Orthopäde entweder eigenes Knochenmaterial oder eine Bandscheibenprothese ein.

Spinalkanalstenose

Bei einer Spinalkanalstenose engen knöcherne oder weiche Strukturen den Wirbelkanal ein, in dem das Rückenmark und der Spinalnerv verlaufen. Der Druck auf das Nervengewebe löst bei den Betroffenen ähnliche Beschwerden wie ein Bandscheibenvorfall aus. Eine Spinalkanalstenose im HWS-Bereich kann sich beispielsweise in ausstrahlenden Schmerzen in Arm, Hand oder Fingern äußern.

Bei Verdacht auf Spinalkanalstenose achtet der Orthopäde bei der Auswertung des MRT oder Röntgenbilds besonders auf: Anzeichen für eine Engstelle im Spinalkanal, knöcherne Verdickungen der Facettengelenke, Knochensporne (Spondylophyten) sowie auf gegeneinander verschobene Gleitwirbel (Spondylolisthesis).

Erfahrungsgemäß bestehen gute Aussichten für kleinere, wenig umfangreiche Bandscheibenvorfälle der HWS, dass diese sich über den normalen Heilungsprozess vollständig zurückbilden. Bei einer HWS-Spinalkanalstenose findet selten eine spontane Ausheilung statt. Neben einem Bandscheibenvorfall können auch chronische Erkrankungen wie Rheuma oder Morbus Bechterew für eine Wirbelkanalstenose verantwortlich sein.

Das HWS-Syndrom (Zervikalsyndrom)

Das Halswirbelsäulensyndrom (HWS-Syndrom oder Zervikalsyndrom genannt) ist ein Sammelbegriff für Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Sie können beispielsweise durch Verspannungen entstehen und dabei bis in Schultern, Arme und Kopf ausstrahlen. Viele Betroffene berichten von Nackenschmerzen, einer verspannten Muskulatur und eingeschränkter Beweglichkeit. Begleitend können auch Schwindel, Kopfschmerzen oder Kribbeln in den Armen auftreten.

Ursachen

Die Ursachen für das HWS-Syndrom sind vielfältig. Häufige Faktoren sind:

  • Muskuläre Verspannungen: Durch Fehlhaltung, Bewegungsmangel oder Stress kann es zu Verspannungen der Nacken- und Schultermuskulatur kommen.
  • Degenerative Veränderungen: Mit zunehmendem Alter kommt es zu Verschleißerscheinungen an den Bandscheiben und Wirbelgelenken der Halswirbelsäule.
  • Fehlstellungen: Angeborene oder erworbene Fehlstellungen der Halswirbelsäule können ebenfalls Beschwerden verursachen.
  • Psychische Belastung: Stress und psychische Belastungen können die Muskelspannung im Nacken- und Schulterbereich erhöhen und so zu Verspannungen führen.
  • Bandscheibenvorfall: Ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule kann ebenfalls ein HWS-Syndrom verursachen.

Symptome

Die Symptome des HWS-Syndroms können sehr unterschiedlich sein. Häufige Beschwerden sind:

  • Nackenschmerzen
  • Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Ausstrahlende Schmerzen in Arme und Hände
  • Taubheitsgefühle und Kribbeln in Armen und Händen
  • Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule

Diagnose

Die Diagnose des HWS-Syndroms erfolgt in der Regel durch eine körperliche Untersuchung und ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt. Dabei werden die Beschwerden des Patienten genau erfragt und die Halswirbelsäule auf Bewegungseinschränkungen und Verspannungen untersucht. In einigen Fällen können auch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT oder MRT eingesetzt werden, um die Ursache der Beschwerden zu erkennen.

Therapie

Die Therapie des HWS-Syndroms ist in der Regel konservativ. Das bedeutet, dass die Beschwerden mit nicht-operativen Maßnahmen behandelt werden. Dazu gehören:

  • Schmerzmittel: Schmerzmittel können helfen, die Schmerzen zu lindern.
  • Entzündungshemmende Medikamente: Entzündungshemmende Medikamente können helfen, Entzündungen im Bereich der Halswirbelsäule zu reduzieren.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskulatur zu lockern und zu stärken.
  • Wärmeanwendungen: Wärmeanwendungen können helfen, die Muskulatur zu entspannen und die Schmerzen zu lindern.
  • Massagen: Massagen können helfen, die Muskulatur zu lockern und Verspannungen zu lösen.
  • Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie Yoga oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und die Muskelspannung zu reduzieren.

In einigen Fällen kann auch eine Operation erforderlich sein, um die Ursache des HWS-Syndroms zu beheben. Dies ist jedoch nur selten der Fall.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Meistens sind Nackenschmerzen harmlos und verschwinden nach wenigen Tagen wieder von selbst. Es gibt jedoch Warnsymptome, die Patienten bei Problemen mit der HWS zeitnah zu einem Arzt führen sollten:

  • Wenn die Schmerzen von Tag zu Tag zunehmen
  • Wenn sich der Hals immer weniger bewegen lässt
  • Wenn die Schmerzmittel nichts bewirken
  • Wenn Taubheitsgefühle und Kribbeln im Arm auftreten
  • Wenn bestimmte Finger betroffen sind
  • Wenn die Beschwerden sich nach etwa vier Wochen trotz Selbstbehandlung nicht bessern

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