Die Diagnose Parkinson ist für Betroffene oft ein Schock. Obwohl diese chronische Nervenerkrankung nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, die Lebensqualität langfristig zu bewahren. Eine passgenaue Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist, spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Was ist das Parkinson-Syndrom?
Unter dem Begriff Parkinson-Syndrom werden verschiedene ähnliche Erkrankungen zusammengefasst, die gemeinsame Symptome aufweisen. Morbus Parkinson bezeichnet die Erkrankung im engeren Sinne, auch idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS) genannt. Daneben gibt es atypische und sekundäre Parkinson-Syndrome, wie die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), das vaskuläre (gefäßbedingte) und das medikamenteninduzierte Parkinson-Syndrom.
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) führt zu einer Störung der Reizübertragung im Gehirn, indem Dopamin-produzierende Nervenzellen (Neurone) zugrunde gehen. Dieser Verlust ist besonders deutlich in der „Schwarzen Substanz“ (Substantia nigra) in den Basalganglien, einem wichtigen Bereich im Gehirn. Die Folge ist ein Mangel am Botenstoff Dopamin, was die Grundlage für die Dopamin-Ersatztherapie bildet.
Der Untergang der Nervenzellen in der Substantia nigra wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass ein Protein namens α-Synuclein nicht richtig abgebaut wird und sich als Lewy-Körperchen in den Nervenzellen anreichert, die in der Substantia nigra den Botenstoff Dopamin freisetzen.
Symptome von Parkinson
Das Hauptsymptom, ohne das kein Parkinson-Syndrom diagnostiziert werden kann, ist die Bewegungsverarmung (Akinese), die durch Bewegungsverlangsamung (Bradykinese) und kleinräumiger werdende Bewegungen (Hypokinese) gekennzeichnet ist. Muskelsteife (Rigor), Ruhezittern (Tremor) und Gleichgewichtsstörungen (posturale Instabilität) können hinzukommen. Zusätzlich gibt es nichtmotorische Symptome im vegetativen Nervensystem (z. B. häufiger Harndrang) und in der Psyche (z. B. Depression).
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Die Parkinson-Erkrankung beginnt typischerweise mit Ungeschicklichkeit einer Hand, z. B. einer kleiner werdenden Schrift. Schmerzen und Missempfindungen in einem Arm sowie zunehmende Erschöpfbarkeit können hinzukommen. Einige Patienten werden zunächst als depressiv, überlastet oder vorschnell gealtert wahrgenommen. Ein charakteristisches Zittern einer Hand in Ruhe erleichtert die Diagnose, muss aber nicht auftreten. Vorboten der Parkinson-Erkrankung können Einschränkungen des Geruchssinnes, Verstopfung, Depression und die REM-Schlafverhaltensstörung sein.
Diagnose von Parkinson
Die Diagnose der Parkinson-Syndrome und ihre Zuordnung zu einer bestimmten Art erfolgt klinisch anhand der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung. Dabei werden die Beschwerden des Patienten und die Befunde des Neurologen berücksichtigt. Apparative Zusatzuntersuchungen wie bildgebende Verfahren (PET, DaTSCAN, MRT) dienen lediglich der Bestätigung und dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Verzögerungen in der Diagnose treten häufig auf, wenn der Tremor fehlt, die Beine überwiegend betroffen sind und der Beginn vor dem 50. Lebensjahr liegt.
Diagnostische Kriterien helfen Neurologen bei der Diagnosestellung. Ein gutes Ansprechen auf L-Dopa ist typisch für die Parkinson-Krankheit. Bevor man ein fehlendes Ansprechen auf L-Dopa-Präparate feststellt, sollte die Levodopa-Dosis über einige Wochen in ausreichender Dosierung richtig über den Tag verteilt eingenommen werden. Atypische Symptome wie Kreislaufbeschwerden oder Harninkontinenz bei Krankheitsbeginn weisen auf ein atypisches Parkinson-Syndrom hin. Die endgültige Diagnose kann nur nach dem Nachweis der typischen Veränderungen im Gehirn gestellt werden, wie z. B. Lewy-Körper in Nervenzellen.
Verbreitung und Ursachen von Parkinson
Morbus Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach der Alzheimer-Krankheit, von der mehr als ein Prozent der Bevölkerung ab 65 Jahren betroffen ist. Die Prävalenz wird sich bis zum Jahr 2030 voraussichtlich verdoppeln. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Vorstellung, dass die Parkinson-Krankheit nur ältere Menschen betrifft, ist falsch. Bei 25 Prozent der Betroffenen liegt das Erkrankungsalter unter 65 Jahren und bei 5 bis 10 Prozent unter 50 Jahren.
Es handelt sich um eine vielschichtige Erkrankung, die langsam fortschreitend über Jahrzehnte verläuft. Die Ursachen sind bei den wenigsten Patienten bekannt. Die Zunahme der Häufigkeit kann nur zum Teil durch die Alterung der Bevölkerung, eine höhere Lebenserwartung und eine bessere Diagnose erklärt werden. Umweltfaktoren wie Pestizide (z. B. Paraquat) oder Chemikalien (z. B. Trichlorethylen) sowie genetische Risikofaktoren werden zunehmend als Ursache erkannt. Zu den ersten Symptomen gehören Störungen des Magen-Darm-Trakts wie Verstopfung, ein Verlust des Geruchssinnes und Störungen des REM-Schlafs. Einseitige rheumaähnliche Schulterschmerzen und Depressionen sind ebenfalls typisch.
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Krankheitsverlauf und Langzeitprobleme
Der Verlauf der Krankheit bei Patienten, die in den ersten Jahren gut auf die Dopamin-Ersatztherapie ansprechen, wird häufig nach 5 bis 15 Jahren durch Wirkungsschwankungen im Tagesverlauf der Medikamente geprägt. Diese Wirkungsschwankungen beinhalten Probleme wie „Wearing-Off“, die zunehmende Verkürzung der Wirkdauer einer L-Dopa-Dosis. Im weiteren Verlauf können rasche Wechsel von Symptomen innerhalb kurzer Zeit auftreten (On-Off-Phänomen).
Für diese Langzeitprobleme stehen immer mehr therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung, darunter die tiefe Hirnstimulation (THS, „Hirnschrittmacher“), Pumpen zur Infusion von Dopamin-Ersatzstoffen und Parkinson-Medikamente in Pflasterform. Trotz erheblicher Fortschritte dominieren in späten Stadien der Krankheit häufig Symptome wie Sturzneigung, Sprech- und Schluckstörungen sowie nichtmotorische Symptome, die medikamentös und mit der tiefen Hirnstimulation oft nicht befriedigend zu behandeln sind.
Hyperkinesien (Dyskinesien)
Betroffene beschreiben Dyskinesien mit Begriffen wie Überbewegungen, Bewegungsunruhe, Überfunktion, Zappeln, Wackeln, Wellen, Überstimulation, Tänzeln und Nervosität. Diese sogenannten Peak-Dose-Dyskinesien kommen am häufigsten vor und treten typischerweise auf, wenn die L-Dopa-Spiegel im Blut nach Einnahme einer Dosis ihren Höchstwert erreichen. Es ist wichtig, Peak-Dose-Dyskinesien von Tremor und anhaltenden Muskelverkrampfungen (Dystonie) zu unterscheiden, da die Behandlung unterschiedlich ist. Gering ausgeprägte Peak-Dose-Dyskinesien werden oft nicht wahrgenommen oder als „Nervosität“ interpretiert. Selbst stark auftretende Dyskinesien werden von manchen Patienten als Preis für die Linderung der Parkinson-Symptome in Kauf genommen.
Gängige Behandlungen von Parkinson
Eine ursächliche Behandlung der Parkinson-Krankheit ist bisher nicht möglich, sondern nur eine Linderung der Beschwerden. Die Dopamin-Ersatztherapie ist nach wie vor der wichtigste Baustein in der medikamentösen Therapie. Dabei werden die Dopamin-Vorläufersubstanz Levodopa und andere Antiparkinsonika verabreicht, die die Wirkung von Levodopa und Dopamin verstärken, sowie Dopamin-Agonisten (Dopamin-Nachahmer). Aktivierende Therapien wie Physio- und Sprechtherapie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Der Neurotransmitter Dopamin fehlt bei Morbus Parkinson im Gehirn. Dopamin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, während seine Vorstufe Levodopa dies kann. Um mehr Levodopa im Gehirn zu Dopamin zu verstoffwechseln, wird sein Abbau außerhalb des Gehirns mit Benserazid oder Carbidopa gehemmt. Ein gutes Ansprechen auf Levodopa gilt als wichtiger diagnostischer Hinweis für das Vorliegen des klassischen Morbus Parkinson.
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In den ersten Jahren der Levodopa-Einnahme kann die Symptomreduktion so weit gehen, dass Betroffene ihre Krankheit vergessen. Allerdings kommt es nach 5 Jahren bei über 50 Prozent der Patienten zu Wirkungsschwankungen im Tagesverlauf: zunächst zu einer verkürzten Wirkdauer einzelner Levodopa-Gaben, dann zu Dyskinesien und Off-Phasen.
Neue Erkenntnisse zu Dyskinesien
Forscher um David Standaert an der University of Alabama at Birmingham haben herausgefunden, dass eine fehlgeleitete DNA-Methylierung eine Rolle bei der Entstehung von medikamentenassoziierten Dyskinesien spielen könnte. Sie beobachteten, dass eine lang andauernde Gabe von L-Dopa die Expression von DNA-Demethylasen verstärkte, was zu einer Abnahme der DNA-Methylierung von Neuronen im dorsalen Striatum führte. Die Zellen in diesem wichtigen Kerngebiet der motorischen Kontrolle zeigten eine Aktivierung verschiedener Gene, die an der Entwicklung von Dyskinesien beteiligt sind. Die Forscher konnten die Dyskinesien der Ratten verbessern, indem sie Methionin in das betroffene Kerngebiet injizierten.
Individuelle Therapieanpassung
Parkinson ist nicht heilbar und erfordert eine dauerhafte Therapie, die auf den individuellen Krankheitsverlauf und die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten und laufend angepasst wird. Die Therapie beginnt meist mit Medikamenten in Tablettenform, jedoch nicht immer direkt nach der Diagnose. Der Beginn der Behandlung erfolgt stets in enger Abstimmung mit den Ärzten. Eine laufende Anpassung und Erweiterung der Therapie bis ins hohe Lebensalter ist üblich. Start der Therapie und ausgewählte Wirkstoffe hängen stark von der Ausprägung einzelner Symptome und der Sorge vor späteren Nebenwirkungen wie Wirkungsschwankungen ab.
Besonders in der Frühphase der Erkrankung können Medikamente wie Levodopa, Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer die Symptome meist sehr positiv beeinflussen (Honeymoon-Phase). Mit der Zeit lässt die Wirkung jedoch nach und die Belastung durch die Nebenwirkungen nimmt zu. Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, den Dopaminmangel auszugleichen und/oder den Abbau von Dopamin im Gehirn zu verlangsamen. Jedoch "gewöhnt" sich der Hirnstoffwechsel mit der Zeit an die Wirkstoffe, sodass die Dosierung stetig erhöht und der Dopaminspiegel konstant gehalten werden muss. Dies ist jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt möglich, da sich durch eine höhere Dosierung auch die Nebenwirkungen verstärken.
Gerade bei jüngeren Patienten werden Medikamente meist so spät wie möglich eingesetzt, um Wirkungsschwankungen, Nebenwirkungen und Spätkomplikationen wie Überbewegungen (Hyperkinesen, Dyskinesien), On-Off-Fluktuationen oder Freezing aufzuschieben. Sie machen eine permanente Beobachtung und laufende Anpassung der Dosierung und Medikation notwendig. Zudem können Nebenwirkungen wie Verwirrtheit, Ödeme, Psychosen oder Wesensveränderungen auftreten. Es gibt verschiedene Medikamente und Wirkstoffe, um den Einsatz von Levodopa, welches mit einem besonders hohen Risiko für spätere Wirkungsschwankungen einhergeht, gerade bei jüngeren Patienten hinauszuzögern.
Doch auch nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten wie Krankengymnastik, Ergotherapie und weitere übende Behandlungen spielen eine wichtige Rolle. Die tiefe Hirnstimulation spielt in späteren Stadien der Erkrankung eine zunehmende Rolle.
Medikamenteneinnahme und Ernährung
Die Parkinson-Krankheit erfordert im Allgemeinen eine dauerhafte Einnahme von Medikamenten. Manchmal dauert es etwas, bis das optimale Medikament und die richtige Dosis für die individuelle Symptomatik gefunden wurde. Nach der erfolgreichen Einstellung setzt eine Wirkung meist nach wenigen Wochen ein und die Beweglichkeit wird verbessert. Auch die Muskelsteifheit nimmt ab.
Arzneimittel, die für die Parkinson-Behandlung verschrieben werden, gleichen in der Regel den bestehenden Dopaminmangel aus. Dosis und Wirkstoffe werden regelmäßig dem Gesundheitszustand der Patienten angepasst. Dopaminagonisten imitieren Dopamin im Körper und ermöglichen so eine niedrigere L-Dopa-Dosis. Sogenannte „COMT”-Hemmer verlängern die Wirkdauer von L-Dopa.
Es ist entscheidend, dass die Medikamente immer zu einem festen Zeitpunkt eingenommen werden, um einen besseren Überblick über die Wirkdauer zu bekommen und die Einnahme als Routine in den Alltag zu integrieren. Bei der Einnahme von L-Dopa Präparaten ist zu berücksichtigen, dass besonders eiweißreiche Nahrung die Aufnahme von Levodopa stören und die Wirkung der entsprechenden Medikamente reduzieren kann. L-Dopa Präparate sollten deshalb nicht mit besonders eiweißreichen Mahlzeiten eingenommen werden, sondern nur mindestens eine Stunde davor oder danach. Zudem erleichtert eine Einnahme der Medikamente mit Flüssigkeit den Schluckvorgang und die Wirkstoffe werden im Magen schneller freigesetzt.
MAO-B- und COMT-Hemmer
MAO-B-Hemmer verlangsamen den Abbau von Dopamin im Gehirn. Das von den noch vorhandenen Nervenzellen ausgeschüttete Dopamin steht so länger zur Verfügung. Im Anfangsstadium der Erkrankung können MAO-B-Hemmer auch ohne die zusätzliche Einnahme von L-Dopa einige Parkinson-Symptome zunächst lindern.
COMT-Hemmer bremsen den Abbau bzw. die Umwandlung von Dopamin und L-Dopa zu unwirksamen Substanzen im Blutkreislauf außerhalb des Gehirns aus und die Konzentration von Dopamin "hochzuhalten". Dadurch lässt sich die L-Dopa Dosierung bzw. die Häufigkeit der Einnahme reduzieren, da COMT-Hemmer die sog. "On-Zeiten" verlängern und "Off-Zeiten" verkürzen und damit Wirkungsschwankungen lindern.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Insgesamt sind Dopaminagonisten in der Regel besser verträglich. Da Levodopa jedoch im späteren Verlauf häufiger zu Wirkungsschwankungen führt, beginnt die medikamentöse Therapie im Frühstadium oft mit niedrig dosierten Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmern oder einer Kombitherapie mit L-Dopa, um die Dosis gering zu halten.
Weitere Nebenwirkungen wie die orthostatische Hypotonie (Abfallen des Blutdrucks beim Aufstehen) können ebenfalls durch verschiedene Medikamente ausgelöst werden. Die ausgeprägte Verstärkung von Bewegungsstörungen und die On-Off-Symptomatik ist jedoch spezifisch für Levodopa und die mit L-Dopa verbundenen Wirkungsschwankungen. Im Schnitt treten diese Spätkomplikationen etwa fünf Jahre nach Beginn der Therapie mit L-Dopa auf.
Sowohl L-Dopa als auch Dopaminagonisten können zu Psychosen und Halluzinationen, sowie zu Persönlichkeitsveränderungen und verringerter Impulskontrolle führen. Das Risiko besteht insbesondere bei älteren Betroffenen und hoher Dosierung. Das Risiko für spezielle Wesensveränderungen, die auf eine verringerte Impulskontrolle zurückzuführen sind, z. B. Punding, Spielsucht, Kaufsucht oder Hypersexualität, wird durch eine hohe Dosierung von Dopaminagonisten deutlich stärker erhöht als durch Levodopa. Hohe Dosen L-Dopa verändern vor allem die psychische Stabilität. Starke Eifersucht, Depressionen, Sturheit oder eine gesteigerte Aggressivität können die Folge sein.
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